Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 73 KR 806/14
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 485/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Im Streit steht die Höhe eines Zuschusses für Zahnersatz.
Die 1962 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert.
Das Landesamt für Gesundheit und Soziales stellte bei ihr mit Bescheid vom 22. April 2013 aufgrund Taubheit des linken Ohres, Gesichtsnervlähmung links, Stimmbandlähmung links, Schluckstörungen, degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule, Beeinträchtigung der Gehirnfunktion, Depression, Anpassungsstörungen, psychosomatischen Störungen und Sehbehinderung beidseits unter anderem einen Grad der Behinderung von 70 fest.
Die Klägerin beantragte im Februar 2014 bei der Beklagten als "kulanzmäßige Einzelfallentscheidung" die vollständige Übernahme der Kosten einer Zahnersatzversorgung. Sie verwies dazu auf einen Heil- und Kostenplan ihres behandelnden Zahnarztes Dr. med. Jvom 10. Januar 2014 zu einer Verkronung zweier Zähne links (Vollkeramik der Zähne 34 und 36). Die Behandlungskosten wurden dabei auf insgesamt 1.023,30 EUR geschätzt.
Die Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 18. Februar 2014 einen "voraussichtlichen Zuschuss in Höhe von 389,47 EUR. Ein höherer Zuschuss sei nur möglich, wenn die Bruttoeinnahmen unter einer bestimmten Grenze lägen. Gesundheitliche Gründe dürften hingegen nicht berücksichtigt werden.
Die Klägerin widersprach. Ihr behandelnder Zahnarzt führte im Attest vom 3. März 2014 aus, die Klägerin leide unter einer Funktionsbeeinträchtigung des Gesichtsnerves und einer eingeschränkten Taktilität der Zunge. Deshalb sei die Funktion der Selbstreinigung der Zähne beeinträchtigt. Die Klägerin bitte aufgrund dieser Behinderung um die Gewährung eines doppelten Festzuschusses.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 16. April 2014 zurück. Zur Begründung führte sie unter anderem aus, sie dürfe nach § 55 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) nur den gesetzlich vorgesehen Festzuschuss gewähren.
Die Klägerin hat hiergegen am 9. Mai 2014 Klage beim Sozialgericht Berlin (SG) erhoben. Zur Begründung hat sie ausgeführt, sie sei aufgrund ihrer Facialisparese auf speziellen Zahnersatz angewiesen. Es liege eine gestörte Okklusion vor, sodass ein Druckausgleich auf der linken Seite besonders berücksichtigt werden müsse. Es liege ein Systemversagen und ein Seltenheitsfall vor (Bezugnahme auf Bundessozialgericht – BSG, Urteil vom 19. Oktober 2004 – B 1 KR 27/02 R). Die Klägerin hat einen neuen Heil- und Kostenplan (vom 18. August 2014) eingereicht.
Das SG hat mit Urteil vom 7. Oktober 2015 die Klage auf Bewilligung eines Zuschusses mindestens in Höhe des doppelten Festzuschusses abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin habe derzeit keinen Anspruch auf Festsetzung eines höheren Zuschusses, weil kein zur Begründung des konkreten Versorgungsanspruches notwendiger Heil- und Kostenplan (HKP) vorliege, dessen Genehmigung noch wirksam sei. Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V hätten Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig sei, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasse unter anderem die zahnärztliche Behandlung und die Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und Nr. 2 a SGB V). Die zahnärztliche Behandlung umfasse die Tätigkeit des Zahnarztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten nach den Regeln der zahnärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig sei. Sie umfasse auch konservierend-chirurgische Leistungen und Röntgenleistungen, die im Zusammenhang mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen erbracht würden (§ 28 Abs. 2 Satz 1 SGB V). Der Anspruch auf Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen sei in § 55 ff. SGB V näher geregelt. Nach § 55 Abs. 1 Satz 1 SGB V hätten Versicherte nach den Vorgaben in Satz 2 bis 7 Anspruch auf Leistungen in den Fällen, in denen eine zahnprothetische Versorgung notwendig und die geplante Versorgung einer Methode entspreche, die gemäß § 135 Abs. 1 SGB V anerkannt sei. Der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) bestimme in Richtlinien die Befunde, für die Festzuschüsse nach § 55 SGB V gewährt würden und ordne diesen prothetische Regelversorgungen zu (§ 56 Abs. 1 SGB V). Maßgaben hierfür ergäben sich aus § 56 Abs. 2 SGB V. Der GBA könne von den Vorgaben der dortigen Sätze 5 bis 8 abweisen und die Leistungsbeschreibung fortentwickeln (§ 56 Abs. 2 Satz 12 SGB V). Der GBA habe hierzu die Richtlinien für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche vertragszahnärztliche Versorgung mit Zahnersatz und Zahnkronen (Zahnersatz-Richtlinie) erlassen. Zudem werde der Anspruch Versicherter auf Zahnersatzleistungen auch durch § 87 Abs. 1 a SGB V näher geregelt. § 87 Abs. 1 a Satz 2 ff. SGB V bestimme, dass im Bundesmantelvertrag-Zahnärzte (BMV-Z) Regelungen zu treffen seien, wonach der Vertragszahnarzt vor Beginn der Behandlung einen kostenfreien HKP zu erstellen habe, der den Befund, die Regelversorgung und die tatsächlich geplante Versorgung nach Art, Umfang und Kosten beinhalte. Der HKP sei von der Krankenkasse vor Beginn der Behandlung zu prüfen (§ 87 Abs. 1 a Satz 4 SGB V). Nach Nr. 4 der Anlage 3 zur BMV-Z würden die Festzuschüsse gezahlt, wenn der Zahnersatz in der bewilligten Form innerhalb von 6 Monaten eingegliedert werde. Hier habe die Klägerin noch nicht mit der Behandlung begonnen. Ein genehmigter HKP, der im Zeitpunkt der Verhandlung wirksam und gültig sei, liege nicht vor. Die Genehmigung aus dem HKP vom 10. Januar 2014 entfalle durch Ablauf der sechsmonatigen Frist. Unabhängig hiervon sei eine Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Bescheides vom 18. Februar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. April 2014 nicht festzustellen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf einen höheren Zuschuss. Vielmehr habe ihr die Beklagte einen Anspruch entsprechend den maximal möglichen Abstaffelungen nach § 55 Abs. 1 Satz 2, 3 und 5 SGB V der auf die Regelversorgung entfallenden Beträge nach § 57 Abs. 1 Satz 6, Abs. 2 Satz 6 und 7 SGB V zuerkannt. Die Klägerin habe eine unzumutbare wirtschaftliche Belastung im Sinne des § 55 Abs. 2 SGB V ausdrücklich nicht geltend gemacht. Ein solcher komme angesichts des angegebenen eigenen Einkommens in Höhe von monatlich 1.200 EUR netto auch nicht in Betracht. Die besonderen Gründe, die bei der Klägerin eine Eingliederung von Zahnersatz notwendig machten, rechtfertigten weder einen höheren Prozentsatz noch die vollständige Übernahme der Kosten der zahnprothetischen Behandlung. Die §§ 55 f. SGB V seien gegenüber § 28 Abs. 2 SGB V die spezielleren Vorschriften für Zahnersatz (Bezugnahme auf BSG, BSGE 85, 66, 68; BSGE 76,40). Bei der Versorgung mit Zahnersatz bleibe die Leistung der Krankenkasse auch dann auf einen Zuschuss beschränkt, wenn der Zahnersatz anderen als zahnmedizinischen Zwecken diene oder integrierender Bestandteil einer anderen Behandlung sei (Bezugnahme auf BSGE 86, 66, 67 f). § 55 SGB V knüpfe die Beschränkung der Leistung allein an den Gegenstand und nicht an die Ursache des Behandlungsbedarfs. Deshalb verbiete sich ein Rückgriff auf die allgemeinen Regelungen (Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 2. September 2014 – B 1 KR 12/13 R). Die Beschränkung der Leistungen für Zahnersatz auf einen Zuschuss nach der genannten Vorschrift sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts -BVerfG, BVerfGE 115, 25, 45). Versicherte könnten nicht alles von der gesetzlichen Krankenversicherung beanspruchen, was ihrer Ansicht nach oder objektiv der Behandlung einer Krankheit diene. Hier habe sich der Gesetzgeber bewusst für einen Kostenzuschuss entschieden. § 55 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 SGB V sehe eine vollständige kostendeckende Leistung sogar über den doppelten Festzuschuss hinaus dann vor, wenn der Versicherte wirtschaftlich nicht leistungsfähig sei und nur die Regelversorgung in Anspruch nehme. Zwingende verfassungsrechtliche Gründe für eine darüber hinausgehende Härtefallregelung seien nicht ersichtlich (Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 2. September 2014 – B 1 KR 12/13 R).
Gegen dieses ihr am 21. Oktober 2015 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin vom 11. November 2015. Zu ihrer Begründung führt sie aus, dass SG habe nicht ohne Sachverständigengutachten entscheiden dürfen, ob ein Härtefall vorliege. Es obliege gerade nicht dem Richter, kraft seiner eigenen Sachkunde zu beurteilen, ob eine Anomalie des Kiefers vorliege. Aufgrund ihrer Vorerkrankungen und der bereits geschilderten Ausnahmeindikation habe sie einen Anspruch auf einen doppelten Festzuschuss.
Sie beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Berlin vom 7. Oktober 2015 die Beklagte zu verpflichten, unter Aufhebung des Bescheides vom 18. Februar 2014 und des Widerspruchsbescheides vom 16. April 2014 die Höhe des Zuschusses für den Zahnersatz unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts festzusetzen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angegriffene Urteil. Eine Modifizierung der Zahnersatz-Richtlinie liege im Ermessen des Normengebers. Selbst wenn der Bevollmächtigte der Klägerin eine ähnliche Vorgehensweise wie bei Implantatversorgungen anstrebe, bleibe es hinsichtlich der Zahnersatzleistungen bei der Zuschussgewährung.
Entscheidungsgründe:
Es konnte im Beschlusswege ohne mündliche Verhandlung nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entschieden werden. Die Beteiligten sind auf die Absicht, so vorzugehen, mit Verfügung des Senates vom 15. November 2016 hingewiesen worden.
Der Berufung bleibt Erfolg versagt. Das SG hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen, auf die zunächst zur Vermeidung bloßer Wiederholungen gemäß § 153 Abs. 2 SGG verwiesen wird.
Eine "Einzelfallentscheidung" gegen das Gesetz ist der Beklagten verwehrt. Die Beschränkung des Zuschusses stellt sich nicht als Systemversagen dar, sondern als vom Gesetz gewollt. Ein Sachverständigengutachten war nicht einzuholen. Es steht außer Streit, dass bei der Klägerin eine zahnprothetische Versorgung der im HKP genannten Zähne geboten ist. Aufgrund der gesetzlichen Regelung ist dabei unerheblich, aufgrund welcher Erkrankung dies der Fall ist.
Die Regelungen über die Versorgung der Versicherten mit Zahnersatz (zahnärztliche und zahntechnische Leistungen) verstoßen nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz. Welche Behandlungsmaßnahmen in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkasse einbezogen und welche davon ausgenommen und damit der Eigenverantwortung des Versicherten (vgl. § 2 Abs. 1 S 1 SGB V) zugeordnet werden, unterliegt aus verfassungsrechtlicher Sicht einem weiten gesetzgeberischen Ermessen. Der Gesetzgeber kann grundsätzlich frei entscheiden, von welchen Elementen der zu ordnenden Lebenssachverhalte die Leistungspflicht abhängig gemacht und die Unterscheidung gestützt werden soll (BSG, Urteil vom 02. September 2014 – B 1 KR 12/13 R –, Rdnr. 16).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis in der Sache.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Im Streit steht die Höhe eines Zuschusses für Zahnersatz.
Die 1962 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert.
Das Landesamt für Gesundheit und Soziales stellte bei ihr mit Bescheid vom 22. April 2013 aufgrund Taubheit des linken Ohres, Gesichtsnervlähmung links, Stimmbandlähmung links, Schluckstörungen, degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule, Beeinträchtigung der Gehirnfunktion, Depression, Anpassungsstörungen, psychosomatischen Störungen und Sehbehinderung beidseits unter anderem einen Grad der Behinderung von 70 fest.
Die Klägerin beantragte im Februar 2014 bei der Beklagten als "kulanzmäßige Einzelfallentscheidung" die vollständige Übernahme der Kosten einer Zahnersatzversorgung. Sie verwies dazu auf einen Heil- und Kostenplan ihres behandelnden Zahnarztes Dr. med. Jvom 10. Januar 2014 zu einer Verkronung zweier Zähne links (Vollkeramik der Zähne 34 und 36). Die Behandlungskosten wurden dabei auf insgesamt 1.023,30 EUR geschätzt.
Die Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 18. Februar 2014 einen "voraussichtlichen Zuschuss in Höhe von 389,47 EUR. Ein höherer Zuschuss sei nur möglich, wenn die Bruttoeinnahmen unter einer bestimmten Grenze lägen. Gesundheitliche Gründe dürften hingegen nicht berücksichtigt werden.
Die Klägerin widersprach. Ihr behandelnder Zahnarzt führte im Attest vom 3. März 2014 aus, die Klägerin leide unter einer Funktionsbeeinträchtigung des Gesichtsnerves und einer eingeschränkten Taktilität der Zunge. Deshalb sei die Funktion der Selbstreinigung der Zähne beeinträchtigt. Die Klägerin bitte aufgrund dieser Behinderung um die Gewährung eines doppelten Festzuschusses.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 16. April 2014 zurück. Zur Begründung führte sie unter anderem aus, sie dürfe nach § 55 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) nur den gesetzlich vorgesehen Festzuschuss gewähren.
Die Klägerin hat hiergegen am 9. Mai 2014 Klage beim Sozialgericht Berlin (SG) erhoben. Zur Begründung hat sie ausgeführt, sie sei aufgrund ihrer Facialisparese auf speziellen Zahnersatz angewiesen. Es liege eine gestörte Okklusion vor, sodass ein Druckausgleich auf der linken Seite besonders berücksichtigt werden müsse. Es liege ein Systemversagen und ein Seltenheitsfall vor (Bezugnahme auf Bundessozialgericht – BSG, Urteil vom 19. Oktober 2004 – B 1 KR 27/02 R). Die Klägerin hat einen neuen Heil- und Kostenplan (vom 18. August 2014) eingereicht.
Das SG hat mit Urteil vom 7. Oktober 2015 die Klage auf Bewilligung eines Zuschusses mindestens in Höhe des doppelten Festzuschusses abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin habe derzeit keinen Anspruch auf Festsetzung eines höheren Zuschusses, weil kein zur Begründung des konkreten Versorgungsanspruches notwendiger Heil- und Kostenplan (HKP) vorliege, dessen Genehmigung noch wirksam sei. Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V hätten Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig sei, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasse unter anderem die zahnärztliche Behandlung und die Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und Nr. 2 a SGB V). Die zahnärztliche Behandlung umfasse die Tätigkeit des Zahnarztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten nach den Regeln der zahnärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig sei. Sie umfasse auch konservierend-chirurgische Leistungen und Röntgenleistungen, die im Zusammenhang mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen erbracht würden (§ 28 Abs. 2 Satz 1 SGB V). Der Anspruch auf Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen sei in § 55 ff. SGB V näher geregelt. Nach § 55 Abs. 1 Satz 1 SGB V hätten Versicherte nach den Vorgaben in Satz 2 bis 7 Anspruch auf Leistungen in den Fällen, in denen eine zahnprothetische Versorgung notwendig und die geplante Versorgung einer Methode entspreche, die gemäß § 135 Abs. 1 SGB V anerkannt sei. Der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) bestimme in Richtlinien die Befunde, für die Festzuschüsse nach § 55 SGB V gewährt würden und ordne diesen prothetische Regelversorgungen zu (§ 56 Abs. 1 SGB V). Maßgaben hierfür ergäben sich aus § 56 Abs. 2 SGB V. Der GBA könne von den Vorgaben der dortigen Sätze 5 bis 8 abweisen und die Leistungsbeschreibung fortentwickeln (§ 56 Abs. 2 Satz 12 SGB V). Der GBA habe hierzu die Richtlinien für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche vertragszahnärztliche Versorgung mit Zahnersatz und Zahnkronen (Zahnersatz-Richtlinie) erlassen. Zudem werde der Anspruch Versicherter auf Zahnersatzleistungen auch durch § 87 Abs. 1 a SGB V näher geregelt. § 87 Abs. 1 a Satz 2 ff. SGB V bestimme, dass im Bundesmantelvertrag-Zahnärzte (BMV-Z) Regelungen zu treffen seien, wonach der Vertragszahnarzt vor Beginn der Behandlung einen kostenfreien HKP zu erstellen habe, der den Befund, die Regelversorgung und die tatsächlich geplante Versorgung nach Art, Umfang und Kosten beinhalte. Der HKP sei von der Krankenkasse vor Beginn der Behandlung zu prüfen (§ 87 Abs. 1 a Satz 4 SGB V). Nach Nr. 4 der Anlage 3 zur BMV-Z würden die Festzuschüsse gezahlt, wenn der Zahnersatz in der bewilligten Form innerhalb von 6 Monaten eingegliedert werde. Hier habe die Klägerin noch nicht mit der Behandlung begonnen. Ein genehmigter HKP, der im Zeitpunkt der Verhandlung wirksam und gültig sei, liege nicht vor. Die Genehmigung aus dem HKP vom 10. Januar 2014 entfalle durch Ablauf der sechsmonatigen Frist. Unabhängig hiervon sei eine Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Bescheides vom 18. Februar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. April 2014 nicht festzustellen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf einen höheren Zuschuss. Vielmehr habe ihr die Beklagte einen Anspruch entsprechend den maximal möglichen Abstaffelungen nach § 55 Abs. 1 Satz 2, 3 und 5 SGB V der auf die Regelversorgung entfallenden Beträge nach § 57 Abs. 1 Satz 6, Abs. 2 Satz 6 und 7 SGB V zuerkannt. Die Klägerin habe eine unzumutbare wirtschaftliche Belastung im Sinne des § 55 Abs. 2 SGB V ausdrücklich nicht geltend gemacht. Ein solcher komme angesichts des angegebenen eigenen Einkommens in Höhe von monatlich 1.200 EUR netto auch nicht in Betracht. Die besonderen Gründe, die bei der Klägerin eine Eingliederung von Zahnersatz notwendig machten, rechtfertigten weder einen höheren Prozentsatz noch die vollständige Übernahme der Kosten der zahnprothetischen Behandlung. Die §§ 55 f. SGB V seien gegenüber § 28 Abs. 2 SGB V die spezielleren Vorschriften für Zahnersatz (Bezugnahme auf BSG, BSGE 85, 66, 68; BSGE 76,40). Bei der Versorgung mit Zahnersatz bleibe die Leistung der Krankenkasse auch dann auf einen Zuschuss beschränkt, wenn der Zahnersatz anderen als zahnmedizinischen Zwecken diene oder integrierender Bestandteil einer anderen Behandlung sei (Bezugnahme auf BSGE 86, 66, 67 f). § 55 SGB V knüpfe die Beschränkung der Leistung allein an den Gegenstand und nicht an die Ursache des Behandlungsbedarfs. Deshalb verbiete sich ein Rückgriff auf die allgemeinen Regelungen (Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 2. September 2014 – B 1 KR 12/13 R). Die Beschränkung der Leistungen für Zahnersatz auf einen Zuschuss nach der genannten Vorschrift sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts -BVerfG, BVerfGE 115, 25, 45). Versicherte könnten nicht alles von der gesetzlichen Krankenversicherung beanspruchen, was ihrer Ansicht nach oder objektiv der Behandlung einer Krankheit diene. Hier habe sich der Gesetzgeber bewusst für einen Kostenzuschuss entschieden. § 55 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 SGB V sehe eine vollständige kostendeckende Leistung sogar über den doppelten Festzuschuss hinaus dann vor, wenn der Versicherte wirtschaftlich nicht leistungsfähig sei und nur die Regelversorgung in Anspruch nehme. Zwingende verfassungsrechtliche Gründe für eine darüber hinausgehende Härtefallregelung seien nicht ersichtlich (Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 2. September 2014 – B 1 KR 12/13 R).
Gegen dieses ihr am 21. Oktober 2015 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin vom 11. November 2015. Zu ihrer Begründung führt sie aus, dass SG habe nicht ohne Sachverständigengutachten entscheiden dürfen, ob ein Härtefall vorliege. Es obliege gerade nicht dem Richter, kraft seiner eigenen Sachkunde zu beurteilen, ob eine Anomalie des Kiefers vorliege. Aufgrund ihrer Vorerkrankungen und der bereits geschilderten Ausnahmeindikation habe sie einen Anspruch auf einen doppelten Festzuschuss.
Sie beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Berlin vom 7. Oktober 2015 die Beklagte zu verpflichten, unter Aufhebung des Bescheides vom 18. Februar 2014 und des Widerspruchsbescheides vom 16. April 2014 die Höhe des Zuschusses für den Zahnersatz unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts festzusetzen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angegriffene Urteil. Eine Modifizierung der Zahnersatz-Richtlinie liege im Ermessen des Normengebers. Selbst wenn der Bevollmächtigte der Klägerin eine ähnliche Vorgehensweise wie bei Implantatversorgungen anstrebe, bleibe es hinsichtlich der Zahnersatzleistungen bei der Zuschussgewährung.
Entscheidungsgründe:
Es konnte im Beschlusswege ohne mündliche Verhandlung nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entschieden werden. Die Beteiligten sind auf die Absicht, so vorzugehen, mit Verfügung des Senates vom 15. November 2016 hingewiesen worden.
Der Berufung bleibt Erfolg versagt. Das SG hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen, auf die zunächst zur Vermeidung bloßer Wiederholungen gemäß § 153 Abs. 2 SGG verwiesen wird.
Eine "Einzelfallentscheidung" gegen das Gesetz ist der Beklagten verwehrt. Die Beschränkung des Zuschusses stellt sich nicht als Systemversagen dar, sondern als vom Gesetz gewollt. Ein Sachverständigengutachten war nicht einzuholen. Es steht außer Streit, dass bei der Klägerin eine zahnprothetische Versorgung der im HKP genannten Zähne geboten ist. Aufgrund der gesetzlichen Regelung ist dabei unerheblich, aufgrund welcher Erkrankung dies der Fall ist.
Die Regelungen über die Versorgung der Versicherten mit Zahnersatz (zahnärztliche und zahntechnische Leistungen) verstoßen nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz. Welche Behandlungsmaßnahmen in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkasse einbezogen und welche davon ausgenommen und damit der Eigenverantwortung des Versicherten (vgl. § 2 Abs. 1 S 1 SGB V) zugeordnet werden, unterliegt aus verfassungsrechtlicher Sicht einem weiten gesetzgeberischen Ermessen. Der Gesetzgeber kann grundsätzlich frei entscheiden, von welchen Elementen der zu ordnenden Lebenssachverhalte die Leistungspflicht abhängig gemacht und die Unterscheidung gestützt werden soll (BSG, Urteil vom 02. September 2014 – B 1 KR 12/13 R –, Rdnr. 16).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis in der Sache.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
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