L 9 KR 234/17 B

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 208 KR 908/16 WA
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 234/17 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Zur Beschwerde gegen einen Beschluss des Sozialgerichts, mit dem nach Erlass eines Gerichtsbescheids ein unzulässiger Antrag auf mündliche Verhandlung abgelehnt wurde.
Die Beschwerde des Antragsstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 8. März 2017 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerde des Antragsstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts vom 8. März 2017 bleibt ohne Erfolg. Hierbei kann offen bleiben, ob das Rechtsmittel des Antragsstellers als Beschwerde nach § 172ff Sozialgerichtsgesetz (SGG) oder als Nichtzulassungsbeschwerde nach § 145 SGG zu qualifizieren ist.

I. Die Klage des Antragsstellers, mit der er sich gegen eine Beitragsforderung der Beklagten i.H.v. zuletzt 381,50 Euro gewandt hatte, wies das Sozialgericht nach Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 11. Dezember 2015 zurück. Dessen Zustellung erfolgte, wie sich aus der betreffenden Postzustellungsurkunde (PZU) ergibt, am 19. Dezember 2015 durch Einwurf in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten. Das Schreiben des Antragsstellers vom 18. Mai 2016 verstand das Sozialgericht als Antrag auf mündliche Verhandlung und lehnte diesen mit Beschluss vom 8. März 2017, dem Antragsteller zugestellt am 14. März 2017, zurück. Hiergegen richtet sich die am 28. März 2017 eingelegte Beschwerde des Antragstellers.

II. Unter der Prämisse, dass das Sozialgericht über den aus seiner Sicht unzulässigen, weil verfristeten Antrag auf mündliche Verhandlung durch Beschluss entscheiden durfte (statt vieler: Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27. August 2012 – L 34 AS 1737/12 B –, juris; Bienert, SGb 2014, 365; Hintz/Lowe, Sozialgerichtsgesetz, § 105 Rd. 25), ist die Beschwerde zwar zulässig, aber unbegründet. Zu Recht ist das Sozialgericht davon ausgegangen, dass der Antrag auf mündliche Verhandlung zu spät gestellt wurde. Auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts wird gemäß § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG wird verwiesen.

Den Argumenten des Sozialgerichts hat der Antragsteller nichts Substantielles entgegengesetzt. Seine Behauptung, die die PZU und den Gerichtsbescheid enthaltende Sendung sei "bereits auf dem Postweg geöffnet" worden, steht zum einen im Widerspruch zu seinem Vorbringen, er habe den Gerichtsbescheid überhaupt nicht erhalten, und ist schon deshalb unverwertbar. Zum anderen hat der Antragsteller diese Behauptung auch nicht – etwa durch die Einreichung des aus seiner Sicht widerrechtlich geöffneten Umschlags – belegt. Auf die weitere Behauptung des Antragsstellers, die Zustellerin der o.g. PZU habe in der Vergangenheit wiederholt Postsendungen nicht ordnungsgemäß bei ihm abgeliefert, kann der Senat schon deshalb nicht eingehen, weil sie zu unsubstantiiert ist. Weder hat der Antragsteller die Zustellerin namentlich benannt – dies wäre erforderlich, um eine Verwechslung auszuschließen –, noch hat er angegeben, wann sie welche Sendung in welcher konkreten Weise inkorrekt behandelt haben soll, noch hat er auf seinerseits u.U. eingereichte Beschwerden bei der Arbeitgeberin der Zustellerin oder gar Strafanzeigen gegen sie verwiesen.

III. Geht man hingegen davon aus, dass das Sozialgericht auch über einen unzulässigen Antrag auf mündliche Verhandlung nicht durch Beschluss, sondern nur durch Urteil entscheiden darf (vgl. Senat, Beschluss vom 27. Mai 2016 – L 9 AS 1782/14 B –; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Februar 2017 – L 13 AS 3192/16 B –; beide juris; jetzt auch Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/B. Schmidt, Sozialgerichtsgesetz, 12.A., § 105 Rd. 24; jeweils m.w.N.), ist die Beschwerde des Antragsstellers vom 28. März 2017 als Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 145 SGG auszulegen. Denn hat das Sozialgericht im Streitfall eine der Art nach falsche Entscheidung getroffen, darf dem Rechtsmittelführer kein Nachteil dadurch erwachsen, dass er von dem Rechtsmittel Gebrauch gemacht hat, auf das er durch das Gericht hingewiesen worden ist (hier: auf die Beschwerde nach § 172 SGG) und das der Art der Entscheidung entspricht. Nach dem Grundsatz der sogenannten Meistbegünstigung ist dann sowohl das Rechtsmittel zulässig, das gegen die gewählte Entscheidungsform zulässig wäre, als auch das Rechtsmittel, das gegen die richtige Entscheidungsform zulässig gewesen wäre (Landessozialgericht Baden-Württemberg, a.a.O. m.w.N.). Hätte das Sozialgericht durch Urteil über den Antrag auf mündliche Verhandlung entschieden und entsprechend dem vorangegangenen Gerichtsbescheid die Berufung nicht zugelassen (weil es zu Recht einen Streitwert von unter 750.- Euro und keinen Berufungszulassungsgrund nach § 144 Abs. 2 SGG angenommen hat), hätte dem Antragsteller die Nichtzulassungsbeschwerde offen gestanden.

Auch die Nichtzulassungsbeschwerde wäre zulässig, aber unbegründet.

Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr. 1), das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr. 2) oder ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Nr. 3). Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch liegt eine Abweichung im o.g. Sinne vor. Einen Verfahrensmangel hat der Antragsteller im Hinblick auf die Entscheidung des Sozialgerichts vom 8. März 2017 nicht konkret geltend gemacht. Das Beschwerdegericht darf jedoch nur geltend gemachte Verfahrensmängel berücksichtigen.

IV. Über die Beschwerde des Antragsstellers darf der Senat nur durch Beschluss entscheiden (a.A.: Landesozialgericht Baden-Württemberg, a.a.O.). Dies ergibt sich für eine Beschwerde nach § 172 SGG aus § 176 SGG und für eine Nichtzulassungsbeschwerde aus § 145 Abs. 4 Satz 1 SGG.

V. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 Abs. 1 SGG analog und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits.

Diese Entscheidung kann gem. § 177 SGG nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden.
Rechtskraft
Aus
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