L 23 SO 168/17 B ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
23
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 195 SO 720/17 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 23 SO 168/17 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 30. Juni 2017 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Der mit der Beschwerde weiterverfolgte Antrag, den Antragsgegner im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung zur Gewährung von Leistungen der Hilfe zur Pflege in Form der persönlichen Assistenz nach dem Leistungskomplex - LK - 32 (LK 32) zu verpflichten, ist vom Sozialgericht zu Recht abgelehnt worden.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) kann das Gericht der Hauptsache, sofern ein Fall des § 86b Abs. 1 SGG nicht vorliegt, auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn die Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dazu sind gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) sowohl der durch die Anordnung zu sichernde, im Hauptsacheverfahren geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) als auch der Grund, weshalb die Anordnung ergehen und dieser Anspruch vorläufig bis zur Entscheidung der Hauptsache gesichert werden soll (Anordnungsgrund), glaubhaft zu machen.

Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung liegen danach nicht vor. Der Antragsteller hat keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.

Zwar hat der Antragsteller, was zwischen den Beteiligten auch unstreitig ist, einen Anspruch auf Hilfe zur Pflege - HzPfl. - nach § 61 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - SGB XII -, er ist pflegebedürftig im Sinne des § 61a SGB XII, wobei die Schwere der Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten mit dem Pflegegrad 5 zu bemessen ist (§ 61b SGB XII), was der Antragsgegner zutreffend angenommen hat.

Der Antragsgegner gewährt dem Antragsteller zur Abdeckung seines Pflegebedarfs ein (gekürztes) Pflegegeld nach §§ 64a Abs. 1, 63b Abs. 5 SGB XII i.V.m. § 37 Abs. 1 SGB XI sowie Leistungen nach § 64b SGB XII, deren Umfang vorliegend allein streitig ist.

Zutreffend führt das Sozialgericht an, dass im Land Berlin, in dem der Antragsteller die von ihm begehrten Leistungen über den Beigeladenen in Anspruch nimmt, die Bemessung der konkreten Sachleistungen und auch die Leistungserbringung durch vertraglich gebundene Anbieter wie den Beigeladenen über Leistungskomplexe - LK - geregelt ist (vgl. Berliner Rahmenvertrag nach § 75 Abs. 1, 2 Sozialgesetzbuch Elftes Buch - SGB XI -), wobei sich die Vergütungen nach den auf der Grundlage des § 89 SGB XII geschlossenen Vereinbarungen richtet. Auf der Grundlage dieser Vereinbarungen, an die auch der Beigeladene gebunden ist, der auf der Grundlage des mit dem Antragsteller geschlossenen Pflegevertrages die erforderlichen Leistungen zu erbringen hat, hat der Antragsgegner nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren veranlassten Prüfung der Sach- und Rechtslage auf der Grundlage der vorliegenden Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners zutreffend bedarfsdeckende Leistungen nach dem LK 19 bewilligt (Bescheid vom 21. Februar 2017).

Wie bereits das Sozialgericht mit dem angefochtenen Beschluss zutreffend ausführt, sieht der LK 19 Leistungen zur Versorgung und Betreuung von pflegebedürftigen Menschen in Wohngemeinschaften von Pflegebedürftigen der Pflegegrade 4 und 5 vor.

Der Antragsteller lebt in einer Wohngemeinschaft in einem eigenen WG-Zimmer. Vermieterin ist die Wohnzimmer Leben im K GmbH, die dem Antragsteller ausdrücklich nach der Präambel ein Zimmer in einer Wohngemeinschaft für maximal sieben mehrfach schwerstbehinderte junge Erwachsene vermietet hat. Dass damit die vorliegend allein streitigen Pflegeleistungen zumindest auch in einer Wohngemeinschaft von Pflegebedürftigen im Sinne der Beschreibung LK 19 erfasst sind, liegt für den Senat auf der Hand. So wird bei der Leistungsbeschreibung des LK 19 unter "Hinweise" darauf abgestellt, dass eine WG im Sinne des LK eine Gruppe von in der Regel 6 bis 12 Personen ist, die zusammen eine Wohnung bewohnen, wobei jeder Bewohner über einen eigenen Wohn-/Schlafbereich verfügt, Küche, Wohnzimmer und Sanitärräume gemeinsam benutzt werden. Nach dem vom Antragsteller geschlossenen Mietvertrag (§ 2 Mietgegenstand) sind diese Umstände vorliegend gegeben. Dies wird von dem Antragsteller auch nicht in Abrede gestellt. Soweit auch mit der Beschwerde geltend gemacht wird, dass der LK 19 sich lediglich auf die Versorgung und Betreuung von an Demenz erkrankten Pflegebedürftigen beschränkt, ist dies der Beschreibung des vereinbarten LK nicht zu entnehmen. Dieser stellt auf Pflegebedürftige ab einem bestimmten Pflegegrad unabhängig von der Ursache der Pflegebedürftigkeit und unabhängig von dem Schwerpunkt des Bedarfs ab. Weder mit der Einleitung zur Übersicht der LK noch mit der Einzelbeschreibung des LK 19 wird danach differenziert, ob im Einzelfall aufgrund einer Behinderung ein Pflegebedarf besteht. Vielmehr wird einleitend ausgeführt, dass grundsätzlich alle Verrichtungen, die in einem Leistungskomplex zusammengefasst werden, zu erbringen sind. Soweit im Einzelfall vom individuellen Bedarf an häuslicher Pflegehilfe einzelne Verrichtungen nicht erforderlich sind, ist ein LK auch dann abrechenbar, wenn nicht alle aufgeführten Verrichtungen erbracht werden. Damit ist klargestellt, dass insoweit Pauschalbedarfe gebildet worden sind, die individuell angepasst erbracht werden müssen und pauschal abgerechnet werden. Schon einleitend ist weiter klargestellt, dass sich der zeitliche Umfang zur Erbringung der Leistungen grundsätzlich an den individuellen Erfordernissen des Einzelfalls auszurichten hat. Die Entscheidung, welche Hilfen bei den Verrichtungen des täglichen Lebens erbracht werden, obliegt dem Pflegebedürftigen. An diese vereinbarten Grundsätze ist auch der Beigeladene gegenüber dem Antragsgegner und - vorliegend für die Deckung des pflegerischen Bedarfs entscheidender - über den Pflegevertrag gegenüber dem Antragsteller gebunden. Soweit vorgetragen wird, dass etwaige Vereinbarungen über Vergütungen von gleichfalls vereinbarten LK nicht auskömmlich sind, kann dies nicht zu Lasten des Antragstellers gehen, wenn sein Bedarf dem vereinbarten LK entspricht.

Zutreffend ist das Sozialgericht mit dem angefochtenen Beschluss davon ausgegangen, dass der von dem Antragsteller allein geltend gemachte pflegerische Bedarf mit dem LK 19 abzudecken ist. Dieser LK umfasst nicht nur die LK 1 bis 16 (Bedarfe im grundpflegerischen Bereich, im Haushalt etc.), sondern auch den vom Antragsteller maßgeblich angeführten Bedarf an Begleitung, der mit den Betreuungsmaßnahmen des LK 20 umfasst ist. Die von dem Antragsteller angeführten Bedarfe für aushäusiges gesellschaftliches Engagement, Begleitung bei kulturellen Veranstaltungen, Teilnahme an Aktivitäten (außer Haus) mit anderen Menschen sind gerade beispielhaft in der Leistungsbeschreibung aufgeführt. Festgeschrieben ist auch, dass Gegenstand und Inhalt über den Pflegevertrag mit dem Pflegedienst zu vereinbaren sind. Dies betrifft die Organisation der individuell für den Antragsteller erforderlichen Betreuungsmaßnahmen. Unabhängig davon, dass auch eine persönliche Assistenz über eine Gewährung von Leistungen nach dem von dem Antragsteller begehrten LK 32 Vereinbarungen erforderlich macht, setzt die offene Beschreibung des Leistungsumfanges des LK 20 gerade eine individuelle Planung mit dem Pflegedienst voraus, um die individuellen Bedarfslagen, wie sie auch von dem Antragsteller angeführt werden, abzudecken. Sollte der von dem Antragsteller gewählte Pflegedienst die von ihm vertraglich geschuldeten Leistungen trotz der sich in anderen Bereichen ergebenen Synergieeffekte nicht kostendeckend erbringen können, so ändert dies nichts daran, dass der von dem Antragsteller auch im gerichtlichen Verfahren nachvollziehbar beschriebene Bedarf mit den Leistungen nach dem LK 19 zu decken ist, so dass ein weitergehender Anspruch auf Leistungen der HzPfl. gegen den Antragsgegner nicht glaubhaft gemacht ist.

Die von dem Antragsteller geltend gemachten Bedarfe mögen auch über den LK 32 gedeckt werden könnten. Dies ändert jedoch nichts daran, dass nach der geltenden Vereinbarungslage diese Bedarfe für den in einer Wohngemeinschaft lebenden Antragsteller über den LK 19 zu decken sind.

Aus dem vom Antragsteller angeführten Rundschreiben Nr. 01/2016 ergibt sich vorliegend kein Anspruch auf Weitergewährung von Leistungen nach dem LK 32, da eine Bewilligung des Antragsgegners zum 1. Januar 2017 gerade nicht vorlag. Weitergehende Leistungen der Eingliederungshilfe - EinglH - werden ausdrücklich nicht geltend gemacht, so dass dahinstehen kann, ob Leistungen in Form eines persönlichen Budgets, die der Antragsgegner (weiterhin) in Aussicht stellt, einen weitergehenden Anspruch auf EinglH ausreichend abdecken. Hier wären der Antragsteller und der Antragsgegner ohnehin gehalten, über eine Zielvereinbarung konkrete Bedarfslagen und deren Deckung zu beschreiben.

Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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