Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 3 KR 313/11
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 503/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Eine nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG steuerfreie Gewinnausschüttung der Kapitalgesellschaft Deutsche Telekom AG als Leistung aus dem steuerlichen Einlagekonto unterliegt ebenso der Beitragspflicht wie etwa eine schlichte und gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG der Einkommenssteuerpflicht unterfallende Dividende; in beiden Fällen steigert die Gewinnausschüttung die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Empfängers (§ 240 Abs. 1 Satz 2 SGB V).
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 21. Oktober 2014 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Bemessung der Beiträge der Klägerin zur freiwilligen Krankenversicherung für die Zeit vom 1. Januar 2010 bis zum, 31. Dezember 2010.
Die im Jahre 1968 geborene Klägerin bezieht spätestens seit Januar 2009 Versorgungsbezüge seitens der Berufsgenossenschaft Handel und Warendistribution und ist bei der Beklagten freiwillig krankenversichert.
Mit bestandskräftigem Bescheid vom 12. Mai 2009 bemaß die Beklagte die Beiträge der Klägerin auf der Grundlage von Versorgungsbezügen in Höhe von 1.518,81 Euro monatlich.
Anfang April 2011 gab die Klägerin gegenüber der Beklagten eine aktuelle Einkommenserklärung ab. Darin gab sie auch an, zum 4. Mai 2010 eine "Ertrags- bzw. Dividendengutschrift nach § 27 Körperschaftssteuergesetz aus Wertpapieren (Deutsche Telekom AG)" in Höhe von 897,- Euro erhalten zu haben ("steuerliches Einlagekonto"); für Mai 2011 seien insoweit 805,- Euro zu erwarten.
Mit Bescheiden vom 7. April 2011, geändert durch Teilabhilfebescheide vom 24. Mai 2011, diese in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. August 2011, geändert wiederum durch Bescheide vom 23. Juli 2014 und 28. August 2014, setzte die Beklagte die Höhe der Beiträge der Klägerin zur freiwilligen Krankenversicherung für die Zeit 1. Januar 2010 fest. Dabei berücksichtigte sie ab 1. Mai 2010 die Dividendengutschrift in Höhe von 897,- Euro als beitragspflichtige Einnahme und rechnete ein Zwölftel hiervon (74,75 Euro) monatlich an. Auch für die Folgejahre behandelte die Beklagte die jährlich zugeflossene Ertrags- bzw. Dividendengutschrift jeweils als beitragspflichtige Einnahme.
Nach Erhalt des Widerspruchsbescheides vom 24. August 2011 hat die Klägerin am 16. September 2011 Klage erhoben. Sie ist der Auffassung, die Dividendengutschrift dürfe nicht als beitragspflichtige Einnahme fungieren, weil sie steuerfrei bleibe. Eine bloße Kapitalrückzahlung erhöhe nicht ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Auch fehle es den Beitragsverfahrensgrundsätzen Selbstzahler an der notwendigen demokratischen Legitimation.
Mit Urteil vom 21. Oktober 2014 hat das Sozialgericht Potsdam die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die fragliche Einmalzahlung mehre die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Klägerin und sei daher eine beitragspflichtige Einnahme im Sinne von § 240 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Satz 1 der "Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler". Beitragspflichtige Einnahmen seien danach nicht nur Arbeitsentgelt oder Rentenleistungen, sondern alle Einnahmen und Geldmittel, die für den Lebensunterhalt verbraucht werden können, ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung. Das verstoße nicht gegen höherrangiges Recht. Insbesondere verfügten die Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler des GKV-Spitzenverbandes über eine ausreichende gesetzliche Ermächtigung. Ob und wie die fragliche, dem Konto der Klägerin gutgeschriebene Einmalzahlung zu versteuern sei, sei deshalb rechtlich unerheblich. Es sei ein gerechtfertigtes Anliegen der zugrunde liegenden rechtlichen Regelungen, steuerliche Vergünstigungen im Einkommenssteuerrecht nicht beitragsmindernd auf die Beitragsbemessung in der freiwilligen Krankenversicherung durchschlagen zu lassen. Das sei höchstrichterlich bestätigt. Nicht zu beanstanden sei auch die unterschiedliche beitragsrechtliche Berücksichtigung von Kapitaleinkünften bei Pflichtversicherten einerseits und bei freiwillig Versicherten andererseits.
Gegen das ihr am 27. November 2014 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 29. Dezember 2014 (Montag) Berufung eingelegt.
Im Berufungsverfahren hat die Klägerin erklärt, Ihr Begehren auf die Höhe der Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung im Jahr 2010 zu beschränken; die Beklagte hat zugesichert, die Beitragsfestsetzung für die Zeit ab 1. Januar 2011 am rechtskräftigen Ausgang des vorliegenden Verfahrens zu orientieren.
Zur Begründung ihrer Berufung führt die Klägerin an: Die Wirksamkeit von § 3 der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler hätt das Sozialgericht nicht ungeprüft unterstellen dürfen. Bei der erhaltenen Einmalzahlung handele es sich nur um die Rückzahlung einer Einlage, die im Nachhinein den Kaufkurs der Aktie mindere. Der damit vorliegende Vermögensverzehr sei nicht beitragspflichtig. Maßgeblich sei insoweit § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 des Einkommenssteuergesetzes (EStG). Erst bei dem Verkauf der Aktien sei der Erlös beitragsrechtlich zu berücksichtigen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 21. Oktober 2014 sowie die Bescheide der Beklagten vom 7. April 2011, 24. Mai 2011, 24. August 2011 (Widerspruchsbescheid), 23. Juli 2014 und 28. August 2014 aufzuheben, soweit bei Bemessung der Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung für das Jahr 2010 auch die Einmalzahlung aus dem steuerlichen Einlagekonto nach § 27 Körperschaftssteuergesetz herangezogen wurde.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Schon aus der Gesetzesbegründung zu § 240 Abs. 1 SGB V – und damit nicht nur aus den Beitragsverfahrensgrundsätzen Selbstzahler – ergebe sich, dass für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit alle Einnahmen "ohne Rücksicht auf die steuerliche Behandlung" maßgeblich seien. Es sei höchstrichterlich anerkannt, dass gerade auch die Außerachtlassung der steuerrechtlichen Behandlung einer Einnahme beitragsrechtlich nicht zu beanstanden sei. Die der Klägerin zugeflossenen Dividendenausschüttungen hätten ihr ohne Weiteres zum Bestreiten des Lebensunterhalts zur Verfügung gestanden.
Die Beteiligten haben schriftlich ihr Einverständnis zu einer Entscheidung des Berichterstatters über die Berufung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war.
Entscheidungsgründe:
Im Einverständnis der Beteiligten durfte der Berichterstatter über die Berufung an Stelle des Senats ohne mündliche durch Urteil entscheiden (§§ 155 Abs. 3, 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).
Die Berufung ist zulässig, hat aber keinen Erfolg. Zu Recht hat die Beklagte die von der Klägerin am 4. Mai 2010 erhaltene "Ertragsgutschrift nach § 27 KStG" der Beitragspflicht nach § 240 Abs. 1 SGB V unterworfen. Denn auch zur Überzeugung des Berufungsgerichts handelt es sich um eine beitragspflichtige Einnahme, deren steuerliche Handhabung beitragsrechtlich gerade unerheblich ist.
Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat Bezug auf die überzeugende Begründung der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 153 Abs. 2 SGG). Zu ergänzen bleibt in Würdigung des Berufungsvorbringens:
Zwar schließt der Begriff der "gesamten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit" in § 240 Abs. 1 Satz 2 SGB V das Vermögen des freiwillig Versicherten regelmäßig nicht ein; wohl aber unterliegen die aus dem Vermögen erzielten Einnahmen der Beitragspflicht (vgl. Bernsdorff in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, Rdnr. 14 zu § 240 SGB V). Hier bestand das Vermögen der Klägerin in den vom Vater ererbten Namens-Aktien der Deutschen Telekom AG. Die bezogene Ertragsgutschrift (eine steuerfreie Dividende) stellt eine aus diesem Vermögen erzielte Einnahme dar.
Zutreffend hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass schon nach der Begründung zu § 249 des Regierungsentwurfs (BT-Drs. 11/2237, S. 225) der Beitragsbemessung "ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung alle Einnahmen und Geldmittel zu Grunde gelegt werden (sollen), die das Mitglied zum Lebensunterhalt verbraucht oder verbrauchen könnte". Die dem entsprechende und in § 3 Abs. 1 Satz 1 der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler getroffene Regelung ist daher ohne Zweifel von der gesetzlichen Ermächtigung in § 240 Abs. 1 Satz 1 SGB V bzw. vom Willen des Gesetzgebers umfasst (s.a. BSG, Urteil vom 28. Mai 2015, B 12 KR 12/13 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 15).
Dass die "Ertragsgutschrift nach § 27 Körperschaftssteuergesetz" gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG einkommenssteuerfrei bleibt, ist beitragsrechtlich unerheblich. Es handelt sich um eine lediglich steuerrechtliche Privilegierung, wie sie etwa auch der Sparer-Freibetrag nach § 20 Abs. 4 EStG a.F. darstellt (vgl. BSG, Urteil vom 9. August 2006, B 12 KR 8/06 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 19; s.a. Figge, Sozialversicherungs-Handbuch Beitragsrecht, 115. Lieferung 07.2017, 5. Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen, Gesamteinkommen, Einnahmen zum Lebensunterhalt und beitragspflichtige Einnahmen, Abschnitt 5.7.4.2.0.4). Die Beklagte musste die steuerliche Behandlung der Ertragsgutschrift keiner weiteren rechtlichen Würdigung unterziehen; es überstiege den den Trägern der GKV zumutbaren Verwaltungsaufwand, die steuerrechtliche Behandlung von unter Umständen sehr komplexen Finanzprodukten selbst zu prüfen und zu bewerten. Es kann daher keinem Zweifel begegnen, dass die der Klägerin zugeflossene Gewinnausschüttung der Kapitalgesellschaft Deutsche Telekom AG als Leistung aus dem steuerlichen Einlagekonto (steuerfreie Dividende) ebenso der Beitragspflicht unterliegt wie etwa eine schlichte und gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG der Einkommenssteuerpflicht unterfallende Dividende. Denn der Unterschied besteht lediglich darin, dass das Unternehmen die Dividende in dem einen Fall aus dem laufenden Gewinn (nicht steuerfrei) und in dem anderen fall (steuerfrei) aus bestimmten Kapitalrücklagen wie einem steuerlichen Einlagenkonto zahlt. In beiden Fällen steigert die Gewinnausschüttung die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Empfängers.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht, § 160 Abs. 2 SGG.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Bemessung der Beiträge der Klägerin zur freiwilligen Krankenversicherung für die Zeit vom 1. Januar 2010 bis zum, 31. Dezember 2010.
Die im Jahre 1968 geborene Klägerin bezieht spätestens seit Januar 2009 Versorgungsbezüge seitens der Berufsgenossenschaft Handel und Warendistribution und ist bei der Beklagten freiwillig krankenversichert.
Mit bestandskräftigem Bescheid vom 12. Mai 2009 bemaß die Beklagte die Beiträge der Klägerin auf der Grundlage von Versorgungsbezügen in Höhe von 1.518,81 Euro monatlich.
Anfang April 2011 gab die Klägerin gegenüber der Beklagten eine aktuelle Einkommenserklärung ab. Darin gab sie auch an, zum 4. Mai 2010 eine "Ertrags- bzw. Dividendengutschrift nach § 27 Körperschaftssteuergesetz aus Wertpapieren (Deutsche Telekom AG)" in Höhe von 897,- Euro erhalten zu haben ("steuerliches Einlagekonto"); für Mai 2011 seien insoweit 805,- Euro zu erwarten.
Mit Bescheiden vom 7. April 2011, geändert durch Teilabhilfebescheide vom 24. Mai 2011, diese in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. August 2011, geändert wiederum durch Bescheide vom 23. Juli 2014 und 28. August 2014, setzte die Beklagte die Höhe der Beiträge der Klägerin zur freiwilligen Krankenversicherung für die Zeit 1. Januar 2010 fest. Dabei berücksichtigte sie ab 1. Mai 2010 die Dividendengutschrift in Höhe von 897,- Euro als beitragspflichtige Einnahme und rechnete ein Zwölftel hiervon (74,75 Euro) monatlich an. Auch für die Folgejahre behandelte die Beklagte die jährlich zugeflossene Ertrags- bzw. Dividendengutschrift jeweils als beitragspflichtige Einnahme.
Nach Erhalt des Widerspruchsbescheides vom 24. August 2011 hat die Klägerin am 16. September 2011 Klage erhoben. Sie ist der Auffassung, die Dividendengutschrift dürfe nicht als beitragspflichtige Einnahme fungieren, weil sie steuerfrei bleibe. Eine bloße Kapitalrückzahlung erhöhe nicht ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Auch fehle es den Beitragsverfahrensgrundsätzen Selbstzahler an der notwendigen demokratischen Legitimation.
Mit Urteil vom 21. Oktober 2014 hat das Sozialgericht Potsdam die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die fragliche Einmalzahlung mehre die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Klägerin und sei daher eine beitragspflichtige Einnahme im Sinne von § 240 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Satz 1 der "Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler". Beitragspflichtige Einnahmen seien danach nicht nur Arbeitsentgelt oder Rentenleistungen, sondern alle Einnahmen und Geldmittel, die für den Lebensunterhalt verbraucht werden können, ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung. Das verstoße nicht gegen höherrangiges Recht. Insbesondere verfügten die Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler des GKV-Spitzenverbandes über eine ausreichende gesetzliche Ermächtigung. Ob und wie die fragliche, dem Konto der Klägerin gutgeschriebene Einmalzahlung zu versteuern sei, sei deshalb rechtlich unerheblich. Es sei ein gerechtfertigtes Anliegen der zugrunde liegenden rechtlichen Regelungen, steuerliche Vergünstigungen im Einkommenssteuerrecht nicht beitragsmindernd auf die Beitragsbemessung in der freiwilligen Krankenversicherung durchschlagen zu lassen. Das sei höchstrichterlich bestätigt. Nicht zu beanstanden sei auch die unterschiedliche beitragsrechtliche Berücksichtigung von Kapitaleinkünften bei Pflichtversicherten einerseits und bei freiwillig Versicherten andererseits.
Gegen das ihr am 27. November 2014 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 29. Dezember 2014 (Montag) Berufung eingelegt.
Im Berufungsverfahren hat die Klägerin erklärt, Ihr Begehren auf die Höhe der Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung im Jahr 2010 zu beschränken; die Beklagte hat zugesichert, die Beitragsfestsetzung für die Zeit ab 1. Januar 2011 am rechtskräftigen Ausgang des vorliegenden Verfahrens zu orientieren.
Zur Begründung ihrer Berufung führt die Klägerin an: Die Wirksamkeit von § 3 der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler hätt das Sozialgericht nicht ungeprüft unterstellen dürfen. Bei der erhaltenen Einmalzahlung handele es sich nur um die Rückzahlung einer Einlage, die im Nachhinein den Kaufkurs der Aktie mindere. Der damit vorliegende Vermögensverzehr sei nicht beitragspflichtig. Maßgeblich sei insoweit § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 des Einkommenssteuergesetzes (EStG). Erst bei dem Verkauf der Aktien sei der Erlös beitragsrechtlich zu berücksichtigen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 21. Oktober 2014 sowie die Bescheide der Beklagten vom 7. April 2011, 24. Mai 2011, 24. August 2011 (Widerspruchsbescheid), 23. Juli 2014 und 28. August 2014 aufzuheben, soweit bei Bemessung der Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung für das Jahr 2010 auch die Einmalzahlung aus dem steuerlichen Einlagekonto nach § 27 Körperschaftssteuergesetz herangezogen wurde.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Schon aus der Gesetzesbegründung zu § 240 Abs. 1 SGB V – und damit nicht nur aus den Beitragsverfahrensgrundsätzen Selbstzahler – ergebe sich, dass für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit alle Einnahmen "ohne Rücksicht auf die steuerliche Behandlung" maßgeblich seien. Es sei höchstrichterlich anerkannt, dass gerade auch die Außerachtlassung der steuerrechtlichen Behandlung einer Einnahme beitragsrechtlich nicht zu beanstanden sei. Die der Klägerin zugeflossenen Dividendenausschüttungen hätten ihr ohne Weiteres zum Bestreiten des Lebensunterhalts zur Verfügung gestanden.
Die Beteiligten haben schriftlich ihr Einverständnis zu einer Entscheidung des Berichterstatters über die Berufung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war.
Entscheidungsgründe:
Im Einverständnis der Beteiligten durfte der Berichterstatter über die Berufung an Stelle des Senats ohne mündliche durch Urteil entscheiden (§§ 155 Abs. 3, 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).
Die Berufung ist zulässig, hat aber keinen Erfolg. Zu Recht hat die Beklagte die von der Klägerin am 4. Mai 2010 erhaltene "Ertragsgutschrift nach § 27 KStG" der Beitragspflicht nach § 240 Abs. 1 SGB V unterworfen. Denn auch zur Überzeugung des Berufungsgerichts handelt es sich um eine beitragspflichtige Einnahme, deren steuerliche Handhabung beitragsrechtlich gerade unerheblich ist.
Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat Bezug auf die überzeugende Begründung der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 153 Abs. 2 SGG). Zu ergänzen bleibt in Würdigung des Berufungsvorbringens:
Zwar schließt der Begriff der "gesamten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit" in § 240 Abs. 1 Satz 2 SGB V das Vermögen des freiwillig Versicherten regelmäßig nicht ein; wohl aber unterliegen die aus dem Vermögen erzielten Einnahmen der Beitragspflicht (vgl. Bernsdorff in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, Rdnr. 14 zu § 240 SGB V). Hier bestand das Vermögen der Klägerin in den vom Vater ererbten Namens-Aktien der Deutschen Telekom AG. Die bezogene Ertragsgutschrift (eine steuerfreie Dividende) stellt eine aus diesem Vermögen erzielte Einnahme dar.
Zutreffend hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass schon nach der Begründung zu § 249 des Regierungsentwurfs (BT-Drs. 11/2237, S. 225) der Beitragsbemessung "ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung alle Einnahmen und Geldmittel zu Grunde gelegt werden (sollen), die das Mitglied zum Lebensunterhalt verbraucht oder verbrauchen könnte". Die dem entsprechende und in § 3 Abs. 1 Satz 1 der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler getroffene Regelung ist daher ohne Zweifel von der gesetzlichen Ermächtigung in § 240 Abs. 1 Satz 1 SGB V bzw. vom Willen des Gesetzgebers umfasst (s.a. BSG, Urteil vom 28. Mai 2015, B 12 KR 12/13 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 15).
Dass die "Ertragsgutschrift nach § 27 Körperschaftssteuergesetz" gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG einkommenssteuerfrei bleibt, ist beitragsrechtlich unerheblich. Es handelt sich um eine lediglich steuerrechtliche Privilegierung, wie sie etwa auch der Sparer-Freibetrag nach § 20 Abs. 4 EStG a.F. darstellt (vgl. BSG, Urteil vom 9. August 2006, B 12 KR 8/06 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 19; s.a. Figge, Sozialversicherungs-Handbuch Beitragsrecht, 115. Lieferung 07.2017, 5. Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen, Gesamteinkommen, Einnahmen zum Lebensunterhalt und beitragspflichtige Einnahmen, Abschnitt 5.7.4.2.0.4). Die Beklagte musste die steuerliche Behandlung der Ertragsgutschrift keiner weiteren rechtlichen Würdigung unterziehen; es überstiege den den Trägern der GKV zumutbaren Verwaltungsaufwand, die steuerrechtliche Behandlung von unter Umständen sehr komplexen Finanzprodukten selbst zu prüfen und zu bewerten. Es kann daher keinem Zweifel begegnen, dass die der Klägerin zugeflossene Gewinnausschüttung der Kapitalgesellschaft Deutsche Telekom AG als Leistung aus dem steuerlichen Einlagekonto (steuerfreie Dividende) ebenso der Beitragspflicht unterliegt wie etwa eine schlichte und gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG der Einkommenssteuerpflicht unterfallende Dividende. Denn der Unterschied besteht lediglich darin, dass das Unternehmen die Dividende in dem einen Fall aus dem laufenden Gewinn (nicht steuerfrei) und in dem anderen fall (steuerfrei) aus bestimmten Kapitalrücklagen wie einem steuerlichen Einlagenkonto zahlt. In beiden Fällen steigert die Gewinnausschüttung die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Empfängers.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht, § 160 Abs. 2 SGG.
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