L 18 AS 767/18 NZB

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
18
1. Instanz
SG Frankfurt (Oder) (BRB)
Aktenzeichen
S 38 AS 1793/17
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 AS 767/18 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Berufung in dem Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 11. April 2018 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt auch die außergerichtlichen Kosten der Klägerinnen im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe:

Die Nichtzulassungsbeschwerde (NZB) des Beklagten ist nicht begründet und war daher zurückzuweisen.

Das Rechtsmittel der Berufung, das nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) vorliegend ausgeschlossen ist, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,- EUR nicht übersteigt, ist nicht nach § 144 Abs. 2 SGG zuzulassen. Die in den Nrn. 1 bis 3 dieser Vorschrift normierten Zulassungsvoraussetzungen liegen nicht vor.

Der Rechtssache kommt zunächst keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zu. Sie wirft im Hinblick auf bereits vorliegende höchstrichterliche Rspr eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, nicht auf. Soweit der Beklagte die Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig hält, ob die Aufrechnungserklärung des Jobcenters im Rahmen eines Kostenerstattungsverfahrens mit einer Erstattungsforderung, welche dem Jobcenter gegenüber einer leistungsberechtigten Person zusteht, in entsprechender Höhe zum Erlöschen des Kostenerstattungsanspruchs führe, weil sich zwei gleichartige Forderungen gegenüber ständen, wenn ein Widerspruchsführer einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen im Klageverfahren beauftragt, ergibt sich die Beantwortung der gegenständlichen Rechtsfragen bereits aus dem Gesetz bzw aus höchstrichterlicher Rechtsprechung auch anderer oberster Bundesgerichte. Gleiches gilt für die weiter aufgeworfene Rechtsfrage, ob aus § 197 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein Befreiungsanspruch folgt, der die Aufrechnung hindert.

Es entspricht gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass im sozialrechtlichen Verfahren die die Aufrechnung betreffenden zivilrechtlichen Vorschriften der §§ 387 ff Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), soweit sich aus §§ 51 ff Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil (SGB I) – nichts Abweichendes ergibt, entsprechende Anwendung finden (vgl Bundessozialgericht (BSG), Urteile vom 12. Juni 2008 – B 3 P 1/07 R – juris - Rn 13, vom 11. Oktober 1979 – 3 RK 88/77 – juris - Rn 13 und vom 25. August 1961 – 1 RA 233/59 – juris Rn 12f). Sodann ist ebenfalls höchstrichterlich geklärt, dass es an der Voraussetzung einer gleichartigen Forderung gemäß § 387 BGB fehlt – danach bewirkt die Aufrechnung, dass Forderungen, soweit sie sich decken, als in dem Zeitpunkt als erloschen gelten, in welchem sie zur Aufrechnung geeignet einander gegenübergetreten sind –, wenn eine Geldforderung einem Freistellungsanspruch gegenüber steht (vgl BGH, Beschluss vom 9. Juli 2009 – IX ZR 135/08 – juris - Rn 3; Urteil vom 6. Juli 1977 – IV ZR 17/76 – Rn 51; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 6. Mai 2015 – L 6 AS 288/13 – juris - Rn 31). Ein solcher Freistellungsanspruch besteht etwa in Ausfluss eines Kostenerstattungsanspruchs nach § 63 Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X), der nicht von einer tatsächlich geleisteten Zahlung des Erstattungsgläubigers abhängt, vielmehr ausreichend ist, wenn dieser einer Honorarforderung des bevollmächtigten Rechtsanwalts tatsächlich ausgesetzt ist (BSG, Urteil vom 2. Dezember 2014 – B 14 AS 60/13 R – juris Rn. 2; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 5. Mai 2009 – L 1 AL 13/08 – juris Rn. 34) – soweit der Erstattungsanspruch weder an den Bevollmächtigten abgetreten noch ein Forderungsübergang aus sonstigen Gründen eingetreten ist und solange der Erstattungsgläubiger den Gebührenanspruch des Rechtsanwalts noch nicht beglichen hat (vgl BSG, Urteil vom 2. Dezember 2014 – B 14 AS 60/13 R – juris - Rn 17; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13. Oktober 2016 – L 31 AS 1774/16 – juris - Rn 32; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 6. Mai 2015 – L 6 AS 288/13 – Rn 26 f).

Vorliegend ist der Beklagte indes einem Kostenerstattungsanspruch aus einem – rechtskräftigen – Kostenfestsetzungsbeschluss vom 15. August 2017 (- S 66 AS 4430/15 -) nach § 197 SGG ausgesetzt, in dem der Kostenbeamte, wie sich zweifelsfrei dem Gesetz entnehmen lässt, den "Betrag" der aus dem genannten Rechtsstreit zu erstattenden Kosten (vgl § 193 Abs. 2 SGG) festgesetzt hat. Dieser Beschluss richtet sich als Vollstreckungstitel gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 4 SGG originär und ausschließlich auf Zahlung in Geld, und der Zahlungsschuldner hat – anders als bei einem nach § 887 Zivilprozessordnung zu vollstreckenden Freistellungsanspruch (vgl BGH, Urteil vom 28. Juni 1983 – VI ZR 285/81 – juris – Rn 9) - keine andere Möglichkeit, als sich durch Zahlung in Geld von seiner Schuld zu entlasten (vgl auch Sozialgericht (SG) Berlin, Beschluss vom 16. Oktober 2017 – S 173 AS 16394/15 ER – juris – Rn 42, 43); die Frage der Gleichartigkeit von Freistellungs- und Zahlungsanspruch stellt sich in dieser Konstellation gar nicht. Darauf, ob das BSG die aufgeworfenen Rechtsfragen bereits ausdrücklich entschieden hat, kommt es indes nicht an, soweit sich, wie hier, in Bezug auf die sich stellenden bzw formulierten Rechtsfragen ausreichende Anhaltspunkte aus höchstrichterlichen Entscheidungen oberster Bundesgerichte dafür ergeben, wie diese zu beantworten sind (vgl BSG, Beschlüsse vom 11. Mai 2010 – B 13 R 589/09 B – juris mwN und vom 21. Januar 1993 – 13 BJ 207/92 – juris – Rn 2) bzw sich dies zweifelsfrei bereits aus dem Gesetz ergibt.

Das SG ist in der angefochtenen Entscheidung zwar unzutreffend davon ausgegangen, dass vorliegend ein Aufwendungsersatzanspruch nach § 63 SGB X streitgegenständlich ist. Eine Abweichung von einer Entscheidung eines der in § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG aufgeführten Gerichte liegt insoweit jedoch nicht vor. Das SG hat keinen – entscheidungserheblichen – abstrakten Rechtssatz aufgestellt, der einem Rechtssatz in einer Entscheidung der genannten Gerichte widersprechen würde. Im Übrigen sind die Voraussetzungen für eine Divergenz (erst) erfüllt, wenn entscheidungstragende abstrakte Obersätze in dem Urteil des SG einerseits und Obersätze des Landessozialgerichts (LSG), des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) andererseits miteinander unvereinbar sind. Eine Abweichung iSv § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG liegt hingegen nicht schon dann vor, wenn das Urteil des SG möglicherweise nicht den Kriterien entspricht, die das LSG, das BSG oder ein anderes der in § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte aufgestellt haben, oder wenn es Vorgaben der höchstrichterlichen Rechtsprechung im Einzelfall mangels im Ergebnis möglicherweise unzutreffender Subsumtion nicht oder falsch übernommen hätte. Es bedarf vielmehr eines fallübergreifenden abstrakten Rechtssatzes, der mit einem abstrakten Rechtssatz eines der in § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte nicht übereinstimmt und diesem somit im Grundsätzlichen widerspricht, was (nur dann) der Fall ist, wenn das SG einen allgemeinen Obersatz aufstellt, der über den Einzelfall hinaus auch für vergleichbare Sachverhalte gelten soll. Aus diesen Untermerkmalen der Divergenz ergibt sich, dass zwei sich widersprechende Rechtssätze zu formulieren und gegenüber zu stellen sind; dies lässt sich der Beschwerdebegründung indes nicht entnehmen. Dem Senat ist es darüber hinaus verwehrt, im Rahmen der NZB das angefochtene Urteil inhaltlich zu prüfen.

Schließlich hat der Beklagte mit seiner Beschwerde auch keinen Verfahrensmangel hinreichend bezeichnet, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (vgl. § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Der Antrag auf Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren war im Hinblick auf den ausgeworfenen Kostenerstattungsanspruch abzulehnen.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das BSG angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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