L 18 AL 52/16

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
18
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 9 AL 152/10
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 AL 52/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Cottbus vom 23. Februar 2016 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Zahlung weiteren Insolvenzgeldes für die Monate Oktober und November 2009.

Der 1973 geborene Kläger war aufgrund Arbeitsvertrages vom 1. September 2008 bei der B GmbH als kaufmännischer Angestellter in G im Umfang von 40 Stunden in der Woche mit einem monatlichen Bruttolohn von 1.380 EUR beschäftigt. Nach Umfirmierung (vgl. HR B des AG C HRB 7910 CN) im Juli 2008 kündigte ihm der Geschäftsführer der nunmehrigen f gmbh (f GmbH) mit Sitz in G, der Zeuge M B (B), mit Schreiben vom 9. September 2009 betriebsbedingt zum 30. September 2009. Am 14. Februar 2012 wurde die Gesellschaft von Amts wegen gelöscht. Vor dem Arbeitsgericht S (ArbG) verglichen sich der Kläger sowie sein früherer Arbeitgeber am 14. Januar 2010 dahingehend, dass das Arbeitsverhältnis mit der f GmbH aufgrund der Kündigung am 30. November 2009 geendet habe und auf der Grundlage eines monatlichen Bruttolohns von 1.380 EUR ordnungsgemäß abgewickelt würde.

Aufgrund eines Gesellschaftsvertrages vom 23. September 2009 wurde die f gmbh mit Sitz in P gegründet (f GmbH i.G.) und ein Stammkapital iHv 25.000 EUR eingezahlt (HR B des AG S HRB xxxxx). Die Gesellschaft wurde am 18. März 2010 vertreten durch den früheren Geschäftsführer und späteren Liquidator, den Zeugen S G (G), aufgelöst und am 11. Mai 2011 mit dem Ende der Liquidation aus dem Handelsregister gelöscht.

Der Kläger beantragte am 19. November 2009 bei der Beklagten die Zahlung von Insolvenzgeld; Arbeitsentgelt sei seit September 2009 und für Oktober 2009 in Höhe eines Nettozahlbetrages von 1.011,85 EUR nicht mehr gezahlt worden. Der arbeitsgerichtliche Vergleich wurde am 1. Februar 2010 zum Verwaltungsverfahren gereicht.

Am 13. November 2009 wies das AG C – 63 IN 376/09 – den (Eigen-)Antrag vom 5. Oktober 2009 auf Eröffnung des Regelinsolvenzverfahrens über das Vermögen der f GmbH als unzulässig zurück. Diese, vertreten durch den Insolvenzverwalter, teilte unter dem 10. Februar 2010 mit der von der Beklagten angeforderten Insolvenzgeldbescheinigung mit, die Betriebstätigkeit sei am 1. Oktober 2009 vollständig beendet worden, nachdem bereits B unter dem 7. Januar 2010 für die f GmbH mitgeteilt hatte, die letzte, dem Betriebszweck dienende Tätigkeit sei am 30. September 2009 ausgeübt worden bei noch vorhandenem Vermögen von ca. 6.000 EUR. Zahlungsunfähigkeit habe zur Beendigung der Betriebstätigkeit geführt.

Mit Bescheid vom 8. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Mai 2010 gewährte die Beklagte dem Kläger für September 2009 Insolvenzgeld in Höhe von 1.011,85 EUR. Maßgebender Insolvenztag sei der 1. Oktober 2009 (vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland), der Insolvenzgeldzeitraum umfasse die Zeit vom 1. Juli bis 30. September 2009.

Im nachfolgenden Klageverfahren hat der Kläger zunächst begehrt, ihm unter Aufhebung des angefochtenen Bescheides für den Zeitraum vom 1. September 2009 bis zum 13. November 2009, dem Tag der Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse, zu gewähren (Schriftsatz vom 31. August 2010; Bl. 11 der Gerichtsakten [GA]). Später hat er den Zeitraum bis Ende November 2009 einbezogen (Schriftsatz vom 16. Oktober 2013, Bl. 113 GA). Auch insoweit sei Nettoarbeitsentgelt in Höhe von 1.011,85 EUR monatlich offen. Bisher fehle es an einer Entscheidung der Beklagten für November 2009. Die f GmbH habe nicht schon zum 1. Oktober 2009 die Betriebstätigkeit eingestellt.

Das SG hat im Erörterungstermin vom 11. April 2013 den Zeugen F G (Gr), der ab 1. Oktober 2009 bei der f GmbH i.G. beschäftigt gewesen sei, vernommen. Auf die Sitzungsniederschrift Bl. 72 f. GA wird verwiesen. Im Erörterungstermin vom 16. Oktober 2013 hat es den Zeugen Go, dem früheren Geschäftsführer und späteren Liquidator der am 23. September 2009 errichteten f GmbH i.G., vernommen. Auf die Sitzungsniederschrift Bl. 112 f. GA wird verwiesen. Schließlich hat es im Erörterungstermin vom 3. September 2015 den Zeugen B vernommen. Auf die Sitzungsniederschrift Bl. 154 f. GA wird Bezug genommen. Mit Gerichtsbescheid vom 23. Februar 2016 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die Klage sei zulässig, soweit ein Insolvenzgeldanspruch für den gesamten November 2009 geltend gemacht werde. Das insofern fehlende Widerspruchsverfahren sei obsolet. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Insolvenzgeld für Oktober und November 2009. Ein Insolvenzereignis nach dem 30. September 2009 sei nicht feststellbar. Nach dem Gesamtergebnis der Ermittlungen habe die f GmbH mit dem 30. September 2009 ihre Betriebstätigkeit eingestellt. Dahinstehen könne, ob die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens im Zeitpunkt der Betriebseinstellung mangels Masse nicht in Betracht kam. Denn ein Insolvenzereignis am 30. September 2009 könne den für Oktober und November 2009 geltend gemachten Insolvenzgeldanspruch nicht begründen. Der Kläger habe darüber hinaus nur bis Mitte September 2009 gearbeitet. Zwar sei der Betrieb auch in Bezug auf das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger auf die f GmbH i.G. P zum 1. Oktober 2009 übergegangen, das nach dem arbeitsgerichtlichen Vergleich erst mit dem 30. November 2009 endete. Für die f GmbH i.G. Parchim sei jedoch kein Insolvenzereignis ersichtlich. Ein Insolvenzantrag sei nicht gestellt, ein Insolvenzverfahren nicht eröffnet worden. Zwar sei die Betriebstätigkeit 2010 eingestellt worden. Bei noch vorhandenen Stammeinlagen könne jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass ein Insolvenzverfahren mangels Masse nicht in Betracht gekommen wäre.

Mit seiner Berufung vom 29. März macht der Kläger geltend, im Zeitpunkt der Beendigung der Betriebstätigkeit der f GmbH i.G. in P habe auch eine offensichtliche Masselosigkeit vorgelegen. Diese habe ihre Betriebstätigkeit im Jahr 2010 eingestellt, nachdem die Geschäftsräume in G bis Februar 2010 betrieben worden seien.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Cottbus vom 23. Februar 2016 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 8. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Mai 2010 zu verurteilen, ihm auch für die Zeit vom 1. Oktober 2009 bis 30. November 2009 Insolvenzgeld in Höhe von monatlich 1.011,85 EUR zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Die Gerichtsakte, die Gerichtsakte des ArbG Senftenberg – 4 Ca 840/09 – sowie des AG Cottbus – 63 IN 108/13 –, ferner die Verwaltungsakten der Beklagten einschließlich der Betriebsakte haben vorgelegen und sind, soweit erforderlich, Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Die erhobene kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG; BSG, Urteil vom 9. Juni 2017 – B 11 AL 14/16 R – juris Rn.11) ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht und mit zutreffenden Gründen abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung weiteren Insolvenzgeldes nach dem Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – (SGB III) für die streitgegenständlichen Monate Oktober und November 2009 (zur Begrenzung des streitgegenständlichen Insolvenzgeldzeitraums: BSG, Urteil vom 17. März 2015 – B 11 AL 9/14 R – juris Rn. 7, 11 sowie BSG, Urteil vom 6. Dezember 2012 – 11 AL 11/11 R – juris Rn. 1, 14). Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist nicht zu beanstanden.

Soweit der Kläger mit der Berufung seine Klage auch für den Zeitraum vom 14. November 2009 bis 30. November 2009 aufrecht erhält, ist die Berufung unbegründet, weil die Klage bereits unzulässig ist. Denn der Kläger hat die Klage bereits im erstinstanzlichen Verfahren mit Schriftsatz vom 31. August 2010 auf die Zeit vom 1. September 2009 bis zum 13. November 2009 beschränkt, und zwar unter ausdrücklicher Bezugnahme auf den Zeitpunkt der endgültigen Zurückweisung des Insolvenzantrags. Streitgegenstand ist nach Maßgabe der Dispositionsmaxime das vom Kläger auf Grund eines bestimmten Sachverhalts an das Gericht gerichtete Begehren; das Gericht ist zwar an die Fassung der Anträge nicht gebunden, darf aber nicht darüber hinausgehen (§ 123 SGG). Die Auslegung eines Antrags – ob als prozessuale Verfahrenshandlung oder als materiell-rechtliche Voraussetzung – hat sich danach zu richten, was als Leistung möglich ist, wenn jeder verständige Antragsteller mutmaßlich seinen Antrag bei entsprechender Beratung angepasst hätte und keine Gründe für anderes Verhalten vorliegen (vgl. BSG, Urteil vom 10. März 1994 – 7 RAr 28/93 – juris Rn. 15, 17). Eine Begrenzung des Streitgegenstandes auf einen bestimmten Zeitraum und auf einen abtrennbaren Teil ist allerdings zulässig und auch vom Gericht zu beachten, soweit der Streitstoff abspaltbar bzw. – wie hier – höhenmäßig begrenzbar ist (vgl. BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013 – B 7 AY 7/12 R – juris Rn. 12, 13). Ist der Streitgegenstand zeitlich begrenzt worden, hat sich die Prüfung des Klageanspruchs hierauf zu beschränken (BSG, Urteil vom 24. Juli 1986 – 7 RAr 9/85 – juris Rn. 31). So liegt es hier. Für den später vom Kläger "klargestellten" Zeitraum vom 14. bis 30. November 2009 ist die entsprechend erweiterte Klage gemäß § 87 Abs. 1 SGG verfristet. Bei dieser Sachlage liegt nachfolgend auch keine zulässige Klageerweiterung gem. (§ 153 Abs. 1 i.V.m.) § 99 Abs. 1 SGG durch uneingeschränkten (rügelosen) Zurückweisungsantrag seitens der Beklagten vor. Denn die Klageänderung erfüllt nicht die allgemeinen Sachurteilsvoraussetzungen für die Zulässigkeit der Klage insofern – hier die Klagefrist. Eine Erweiterung des Klageantrags i.S.d. § 99 Abs. 3 Nr. 2 SGG, die keine Klageänderung ist, liegt mit der späteren "Klarstellung" ebenso wenig vor. Zulässig ist danach etwa, von einer nicht näher konkretisierten Verpflichtungsklage auf eine bezifferte Leistungsklage überzugehen (BSG, Urteil vom 10. August 2016 – B 14 58/15 R – juris Rn. 13). Eine insofern einschränkungslos zulässige Erweiterung des Klageantrags setzt voraus, dass der Streitstoff insgesamt nicht verändert wird (BSG, Urteil vom 20. September 1989 – 7 RAr 110/87 – juris Rn. 32 f.). Nur einer nach § 99 Abs. 3 Nr. 2 SGG zulässigen Erweiterung des Klageantrags steht nicht die Bindungswirkung des angefochtenen Bescheides entgegen (BSG, Urteil vom 18. Dezember 1979 – 2 RU 61/77 – juris Rn. 13). Die "Rückkehr" von einer vorgenommen zeitlichen Beschränkung zu einem zeitlich unbeschränkten bzw. hier erweiterten Antrag ist indes aus vorstehenden Gründen unzulässig.

Im Übrigen liegen die Voraussetzungen für die Zahlung weiteren Insolvenzgeldes nicht vor. Nach § 183 Abs. 1 Satz 1 SGB III (vom 24. März 1997 – BGBl. I S. 594 – a.F.) haben Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen ihres Arbeitgebers (Nr. 1), Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse (Nr. 2) oder vollständiger Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt (Nr. 3; Insolvenzereignis), für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben. Der Kläger war zwar im Inland seit September 2008 als Arbeitnehmer beschäftigt und hat die Ausschlussfrist nach § 324 Abs. 3 Satz 1 SGB III gewahrt. Ausgefallen ist Arbeitsentgelt i.S.d. § 183 Abs. 1 Satz 1 SGB III a.F., wenn es beim Eintritt des Insolvenzereignisses rückständig und durchsetzbar und dem Insolvenzgeldzeitraum zeitlich zuzuordnen ist. Die Haftung Dritter für das Arbeitsentgelt, etwa aufgrund Betriebsübergangs nach § 613a BGB, schließt den Insolvenzgeldanspruch nicht aus. Besteht das Arbeitsverhältnis bis zum Insolvenzereignis oder länger, ist der Insolvenztag bei der rückwirkend zu berechnenden Dreimonatsfrist nicht mitzuzählen (Krodel in Niesel, SGB III, 4. Auflage 2007, § 183 Rn. 54). War das Arbeitsverhältnis vor dem Insolvenztag bereits beendet, endet die Dreimonatsfrist mit dem (dann mitzuzählenden) letzten Tag des Arbeitsverhältnisses (a.a.O. Rn. 56). Für das Ende des Arbeitsverhältnisses ist das rechtliche, nicht das faktische Ende maßgebend. Bei unberechtigter fristloser Kündigung besteht das Arbeitsverhältnis i.d.R. bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist fort (BSG, Urteil vom 23. Februar 1988 – 10 RAr 15/87 – juris Rn. 13). Eine Bindung zusprechender arbeitsgerichtlicher Urteile besteht bei Nichtbeteiligung der Beklagten im Arbeitsgerichtsprozess auch hinsichtlich ggf. zugesprochenen Arbeitsentgelts nicht; diese begründen wegen § 20 SGB X (Amtsermittlung) lediglich die Obergrenze eines etwaigen Insolvenzgeldanspruchs (BSG, Urteil vom 9. Mai 1995 – 10 RAr 5/94 – juris Rn. 21).

Das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der f GmbH sollte hier zwar ausweislich des vor dem ArbG Senftenberg – 4 Ca 840/09 – geschlossenen Vergleichs vom 14. Januar 2010 erst zum 30. November 2009 enden mit der Folge von Ansprüchen auf ausgefallenes Arbeitsentgelt gegen diese Gesellschaft (nicht dagegen gegen die im arbeitsgerichtlichen Verfahren beteiligte Beklagte zu 2, die f GmbH i.G). Insofern kann dem arbeitsgerichtlichen Vergleich aber keine weitergehende Tatbestandswirkung zukommen als einem stattgebenden rechtskräftigen Urteil, welches, wie ausgeführt, nicht präjudiziell ist, da andernfalls "Möglichkeiten einer Manipulation zu Ungunsten der Arbeitslosenversicherung Tür und Tor geöffnet wäre" (vgl. BSG, Urteil vom 9. Mai 1995 – 10 RAr 5/94 – juris Rn. 21). Der hiermit geregelte Arbeitsentgeltanspruch begründet mithin lediglich die Obergrenze des geltend gemachten Insolvenzgeldbegehrens des Klägers, Leistungen bis einschließlich 30. November 2009 zu erhalten.

Dafür, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers rechtlich erst zum 30. November 2009 endete, bestehen keine Anhaltspunkte. Im Falle der Wirksamkeit der schriftlichen, betriebsbedingt ausgesprochenen Kündigung vom 9. September 2009 hätte es bereits zum 30. September 2009 geendet, so dass für die sich anschließende Zeit von vornherein keine insolvenzgeldfähigen Ansprüche des Klägers mehr bestehen würden. Zwar dürfte die fristlos dem Kläger ausgesprochene Kündigung rechtswidrig gewesen sein; das Arbeitsverhältnis hätte dann aber gemäß § 622 Abs. 1 BGB bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist von einem Monat, mithin (nur) bis zum 15. Oktober 2009 (ggf. mit der Betriebsübernehmerin) fortbestanden (vgl. BSG, Urteil vom 23. Februar 1988 – 10 RAr 15/87 – juris Rn. 13 ff). Für die Zeit vom 16. Oktober bis 30. November 2009 stand der Kläger dagegen in keinem Beschäftigungsverhältnis – weder mit der f GmbH noch der f GmbH i.G. – mehr, so dass insoweit ein Anspruch auf Insolvenzgeld schon aus diesem Grund ausgeschlossen ist.

Dahinstehen kann, ob der Kläger nach Einstellung des Betriebs der f GmbH noch vom 1. bis 15. Oktober 2009 einen Anspruch auf Arbeitsentgelt gegen die Betriebsübernehmerin, die f GmbH i.G., hatte, der jedenfalls nicht an der in dem Vergleich vor dem ArbG zugleich liegenden, sinngemäßen Klagerücknahme scheitern dürfte, da hiermit kein entsprechender Verzicht verbunden war. Für den Fall eines Betriebsübergangs nach § 613a BGB haftet der Übernehmer für die im Zeitpunkt des Betriebsübergangs rückständigen Ansprüche auf Arbeitsentgelt und tritt neben den Veräußerer als Arbeitgeber (vgl. Krodel, a.a.O., Rn. 31). Unerheblich ist auch, dass der Kläger bereits ab Mitte September 2009 von seiner Arbeit freigestellt worden war, weil sich die Dauer des Arbeitsverhältnisses ausschließlich, wie ausgeführt, nach arbeitsrechtlichen Maßstäben richtet (Krodel, a.a.O., Rn. 54 ff.).

Der Kläger hat jedoch die weiteren Voraussetzungen für einen Anspruch auf Insolvenzgeld nicht belegt. Insofern begründet nicht jeder Ausfall von Arbeitsentgelt aufgrund vermeintlicher Zahlungsunfähigkeit einen solchen Anspruch, sondern nur die in § 183 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 SGB III a.F. umschriebenen Insolvenzereignisse der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, der Ablehnung des Insolvenzantrags mangels Masse und der vollständigen Beendigung der Betriebstätigkeit wegen Vermögenslosigkeit. Das Insolvenzereignis muss den konkreten Arbeitgeber betreffen.

Für die in den Nummern 1. und 2. beschriebenen Insolvenzereignisse fehlt es in Bezug auf beide Firmen – die f gmbH in Guben und die f gmbH i.G. in Parchim, an jeglichen Anhaltspunkten. Wie vom SG sinngemäß ausgeführt, lässt sich ein Insolvenzereignis in Bezug auf die f GmbH – die ursprüngliche Arbeitgeberin – allenfalls für den Ablauf des 30. September 2009 i.S. einer vollständigen Einstellung der Betriebstätigkeit feststellen. Anspruchsbegründend für weiteres Insolvenzgeld ist dies indes, wie ausgeführt, nicht.

Eine vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit des Arbeitgebers ist auch bei Weiterführung des Betriebs durch den Übernehmer gegeben. Zwar ist die Betriebstätigkeit nicht beendet, wenn der Arbeitgeber von mehreren Betrieben nur einen stilllegt und andere weiterführt (BSG, Urteil vom 29. Februar 1984 – 10 Rar 14/82 – juris). So lag es hier indes nicht, weil Arbeitgeberin die jeweilige GmbH war, und nach dem Ergebnis der umfangreichen Ermittlungen des SG ausweislich der protokollierten Zeugenaussagen die f GmbH i.G. den früheren Betrieb vollständig, und zwar ab 1. Oktober 2009 zunächst in den bisherigen Betriebsräumen weitergeführt hatte. Der Insolvenzantrag wurde für die f GmbH erst danach, nämlich am 5. Oktober 2009 gestellt. Offenbleiben kann insofern, ob im Zeitpunkt der Betriebseinstellung der f GmbH ein Insolvenzverfahren für diese Firma offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kam, wogegen bereits der selbst gestellte Insolvenzgeldantrag spricht sowie das vorprozessual von B angegebene Aktivvermögen von ca. 6.000 EUR, welches auf den Nachfolgebetrieb übergegangen sein dürfte. Jedenfalls würde ein solches Insolvenzereignis den ab Oktober 2009 geltend gemachten Anspruch nach Betriebsübergang und dem damit einhergehenden Wechsel des Arbeitgebers vornherein nicht begründen können. Arbeitgeber im arbeitsrechtlichen Sinne ist regelmäßig derjenige, dem die Arbeitsleistung geschuldet wird und der das Arbeitsentgelt zu zahlen hat. Die Identität des Arbeitgebers wird nicht durch das von ihm betriebene Unternehmen bzw. den von ihm geführten Betrieb oder durch die am Unternehmen beteiligten Kapitaleigner bestimmt, sondern durch den jeweiligen rechtlichen Unternehmensträger bzw. Betriebsinhaber (BSG, Urteil vom 28. Juni 1983 – 10 RAr 26/81 – a.a.O. Rn. 20). Dies gilt mangels Legaldefinition auch für § 183 SGB III a.F., wie sich bereits aus dem Sinnzusammenhang der Begriffe Arbeitgeber, Arbeitnehmer, Arbeitsverhältnis einerseits und dem Zweck des Insolvenzgeldes, rückständiges Arbeitsentgelt aus dem mit dem insolvent gewordenen Arbeitgeber bestehenden Arbeitsverhältnis auszugleichen, ergibt (vgl. zu § 141 AFG BSG, Urteil vom 28. Juni 1983 – 10 RAr 26/81 – juris Rn. 17). Daraus folgt zugleich, dass im Falle eines Betriebsübergangs nach § 613a BGB, wenn der Arbeitnehmer, wie der Kläger, nicht ausdrücklich der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses (längstens bis zur bereits ausgesprochenen Kündigung) widerspricht, selbst bei Insolvenz des früheren Betriebsinhabers bei späterer Insolvenz des Betriebsübernehmers erneute Ansprüche des Arbeitnehmers auf Insolvenzgeld entstehen können (vgl. BSG, Urteil vom 28. Juni 1983 – 10 Rar 26/81 – a.a.O.). Ein vom Prozessbevollmächtigten des Klägers erwogener Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über den 15. Oktober 2009 hinaus auf unbestimmte Zeit mangels Widerspruchs gegen die Betriebsübernahme ist dagegen nach bereits ausgesprochener, wirksamer Kündigung nicht belegt.

Jedoch kann auch für die f GmbH i.G. kein anspruchsbegründendes Insolvenzereignis i.S. des insoweit allein in Betracht kommenden § 183 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III a.F. festgestellt werden. Für eine vollständige Einstellung der Betriebstätigkeit bereits im Jahr 2009 bzw. im Januar oder Februar 2010 fehlt es an jeglichen erkennbaren Umständen und plausiblen Anhaltspunkten. Ob und ggf. wann die f GmbH i.G. die Geschäftstätigkeit danach eingestellt hatte – nach der protokollierten Aussage des Zeugen Go, des früheren Geschäftsführers und Liquidators, im März oder April 2011, welches mit dem sich aus dem Handelsregister (HRB xxxxx) ergebenden Ende der Liquidation übereinstimmt –, kann dahinstehen. Denn der Senat ist – wie das SG – nicht im Sinne eines Vollbeweises davon überzeugt, dass ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens – ein solcher war für diese Firma nicht gestellt worden – auch offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht gekommen wäre. Insofern sprechen auch nicht die erkennbaren Umstände für den Anschein von Masseunzulänglichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 4. März 1999 – B 11/10 AL 3/98 R – juris), da nach dem Ergebnis der Ermittlungen noch im Zeitpunkt des Betriebsübergangs Aktivvermögen bzw. übernommene Waren und "finanzielle Ressourcen" vorhanden gewesen seien. Im Übrigen erklärte der Zeuge Go, an dessen Bekundungen und der vollständigen Protokollierung zu zweifeln der Senat keinen Anlass hat, dass bei Beendigung des Handels der f GmbH i.G. die vormals in Höhe von 25.000 EUR eingezahlte Stammeinlage noch zum Teil, nämlich in Höhe von 10.000 EUR bis 12.000 EUR vorhanden gewesen sei. Bei dieser Sachlage ist Masselosigkeit, die vor oder gleichzeitig mit der vollständigen Beendigung der Betriebstätigkeit, die im Übrigen taggenau feststehen muss, nicht ansatzweise im Sinne des aufgrund äußerer Tatsachen sich aufdrängenden Anscheins offensichtlich.

Sonstige Umstände, die einen Insolvenzgeldanspruch im gegenständlichen Zeitraum begründen könnten, sind weder ersichtlich noch konkret vorgetragen, so dass sich der Senat nicht gedrängt sah, weitere Ermittlungen von Amts wegen durchzuführen (vgl. § 103 SGG).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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