L 16 R 1022/15

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 12 R 7681/13
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 16 R 1022/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 23. November 2015 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung (EM), hilfsweise bei Berufsunfähigkeit (BU).

Die Klägerin ist 1957 geboren und hat keinen Beruf erlernt. Eine zunächst begonnene Berufsausbildung brach sie 1974 ohne Abschluss ab. Bis Ende Juni 2014 war sie sozialversicherungspflichtig als ungelernte Arbeiterin in einer Leuchtmittelfabrik beschäftigt. Arbeitsunfähigkeit bestand seit 7. Februar 2012. Nach Aussteuerung erhielt sie ab Juli 2012 zunächst Arbeitslosengeld (Alg) und nach dessen Auslaufen Alg II. Die Beklagte gewährte ihr in den Jahren 2009, 2011 und 2012 Leistungen der medizinischen Rehabilitation. Das Versorgungsamt stellte bei der Klägerin einen Grad der Behinderung von 30 fest (Bescheid des Landesamtes für Gesundheit und Soziales Berlin vom 10. November 2010). Die Bundesagentur für Arbeit stellte die Klägerin einem schwerbehinderten Menschen gleich (Bescheid vom 6. April 2011) und wegen Minderbelastbarkeit der Lendenwirbelsäule und Magengeschwüren bzw. wegen schmerzhafter Funktionseinschränkung im Bereich des Stütz- und Bewegungsapparates ein Leistungsvermögen von täglich weniger als 3 Stunden für voraussichtlich länger als 6 Monaten fest (Gutachten nach Aktenlage des Ärztlichen Dienstes vom 11. Juli 2011).

Am 22. Februar 2013 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Zahlung einer EM-Rente. Die Beklagte errechnete für diesen Zeitpunkt 378 anrechnungsfähige Monate mit Beitragszeiten. Nach Einholung ärztlicher Befundberichte und eines Sachverständigengutachtens durch den Orthopäden Dr. M vom 16. Juni 2013 (Untersuchung am 11. Juni 2013) lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 3. Juli 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. November 2013 ab. Volle bzw. teilweise EM lägen nicht vor. Die Klägerin könne nach ärztlicher Feststellung noch sechs Stunden je Arbeitstag unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes tätig sein. Der Ärztliche Dienst der Agentur für Arbeit Berlin Mitte habe sich dieser Leistungseinschätzung angeschlossen (Schreiben vom 4. September 2013). Die Klägerin sei auch nicht berufsunfähig. Nach ihrem beruflichen Werdegang seien ihr alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zumutbar.

Das Sozialgericht Berlin (SG) hat im anschließenden Klageverfahren Befundberichte der die Klägerin behandelnden Ärzte eingeholt, und zwar des Orthopäden F vom 31. März 2014, des Internisten Dr. W vom 2. April 2014, des Neurologen MD A, der Hausärztin Dr. M vom 4. Mai 2014 und der Allgemeinmedizinerin W vom 12. Dezember 2014. Es hat sodann den Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. R als Sachverständigen eingesetzt. Auf dessen nach Untersuchung am 8. Oktober 2014 erstattetes Gutachten vom 4. November 2014 wird wegen des Inhalts verwiesen. Ferner hat es die Ärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Frau Dr. S als Sachverständige eingesetzt. Auf deren nach Untersuchung am 1. Juni 2015 erstattetes Gutachten vom 10. August 2015 wird wegen des Inhalts verwiesen.

Mit Gerichtsbescheid vom 23. November 2015 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser EM, da sie – wie sich insbesondere aus den vom Gericht eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten ergebe – bei ausschließlich qualitativen Leistungseinschränkungen jedenfalls noch sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes tätig sein könne. Die Klägerin sei auch nicht berufsunfähig. Angesichts ihres beruflichen Werdegangs als ungelernte Arbeiterin seien ihr alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zumutbar, denen sie körperlich, geistig und seelisch gewachsen sei, ohne dass es der konkreten Benennung eines bestimmten Verweisungsberufs bedürfte.

Mit ihrer Berufung vom 22. Dezember 2015 verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Eine Besserung der Schmerzproblematik sei bisher nicht eingetreten und auch nicht absehbar. Ein GdB von 50 sei zwischenzeitlich festgestellt worden (Bescheid des Versorgungsamts vom 16. August 2016). Mit der sozialmedizinischen Leistungseinschätzung nach Entlassung aus der medizinischen Rehabilitation im Juni 2016 sei sie nicht einverstanden (Entlassungsbericht der Rehabilitationsklinik H vom 21. Juni 2016); aus der medizinischen Rehabilitation im August und September 2017 sei sie nach 2/3-Resektion des Magens für nur 3 bis unter 6 Stunden für leichte Tätigkeiten leistungsfähig entlassen worden (Entlassungsbericht der Klinik am S vom 18. September 2017). Seit der Magenteilresektion im Mai 2017 benötige sie arbeitstäglich ca. alle zwei Stunden betriebsunübliche Pausen. Sie sei daher unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht mehr einsetzbar.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 23. November 2015 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 3. Juli 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. November 2013 zu verurteilen, ihr für die Zeit ab 1. Februar 2013 Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweise Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das erstinstanzliche Urteil unter Bezugnahme auf die fachärztlichen Stellungnahmen ihres Sozialmedizinischen Dienstes für zutreffend. Eine rentenrelevante Minderung des Leistungsvermögens sei nicht nachgewiesen.

Der Senat hat Behandlungs- und Befundberichte der die Klägerin behandelnden Ärzte und Therapeuten, nämlich des Dipl.-Psych. S vom 31. Januar 2017 und 12. Februar 2018, des Neurologen Dr. K vom 27. Januar 2017, des Facharztes für Anästhesie, Intensivmedizin und spezielle Schmerztherapie Dr. J vom 6. Februar 2017 und 27. Februar 2018, des Internisten Dr. W vom 22. Februar 2017 und 1. Februar 2018, des Orthopäden F vom 3. März 2017 und des Internisten Dr. M vom 11. April 2017 eingeholt, auf die wegen des Inhalts verwiesen wird. Im Berufungsverfahren ist ferner aufgrund einer entsprechenden Beweisanordnung ein Gutachten der Fachärztin für Orthopädie, Unfallchirurgie und Chirurgie Dr. T vom 16. Dezember 2017 nach ambulanter Untersuchung der Klägerin am 24. Oktober 2017 nebst ergänzender Stellungnahme vom 4. Januar 2018 erstattet worden. Hierauf wird wegen des Inhalts ebenfalls Bezug genommen.

Die Gerichtsakten und die Verwaltungsakten der Beklagten, auf die wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten, der eingeholten Befundberichte und sonstigen ärztlichen Unterlagen ergänzend Bezug genommen wird, haben vorgelegen und sind, soweit erforderlich, Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin, mit der sie ihre erstinstanzlich erhobene kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage im Sinne von § 54 Abs. 1 und 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Bezug auf die Gewährung einer EM-Rente nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) für die Zeit ab 1. Februar 2013 (Rentenantragsmonat, vgl. § 99 Abs. 1 SGB VI) zulässigerweise weiterverfolgt, ist nicht begründet. Trotz der Vielzahl der bei der Klägerin diagnostizierten und teilweise schwerwiegenden Gesundheitseinschränkungen sind nicht sämtliche Voraussetzungen für einen Anspruch auf eine Rente wegen EM bzw. BU, die anderen Voraussetzungen als eine Arbeitsunfähigkeit folgt, im Vollbeweis nachgewiesen.

Die Klägerin hat weder einen Anspruch auf Rente wegen voller EM gemäß § 43 Abs. 2 SGB VI oder auf Rente wegen teilweiser EM nach § 43 Abs. 1 SGB VI noch auf Rente wegen teilweiser EM bei BU nach § 240 SGB VI. Zwar sind die jeweils erforderlichen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (Erfüllung der allgemeinen Wartezeit gem. §§ 50 Abs. 1, 51 Abs. 1 SGB VI; Vorhandensein von drei Jahren mit Pflichtbeiträgen für eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der EM bzw. BU gem. § 43 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 2 und 3, Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 SGB VI, § 240 Abs. 1 Satz 1 SGB VI) gegeben. Die weiteren – medizinischen – Voraussetzungen für eine Rente wegen voller oder teilweiser EM bzw. wegen BU (vgl. §§ 43 Abs. 2 Satz 2, Abs. 1 Satz 2, 240 Abs. 2 SGB VI) liegen hingegen bei der Klägerin nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens zur Überzeugung des Senats nicht vor.

Voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei bzw. mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (vgl. § 43 Abs. 2 Satz 2, Abs. 1 Satz 2 SGB VI). Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen. So liegt es bei der Klägerin. Zweifellos litt und leidet die Klägerin, wie bereits ausgeführt, unter einer Vielzahl gesundheitlicher Einschränkungen. Dennoch war und ist sie in dem vorliegend streitgegenständlichen Zeitraum ab 1. Februar 2013 nicht voll bzw. teilweise erwerbsgemindert i.S.v. § 43 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 SGB VI. Sie verfügte und verfügt in dem maßgebenden Zeitraum noch über ein mindestens sechsstündiges Restleistungsvermögen jedenfalls für leichte körperliche und ihrem Ausbildungs- und Berufsniveau entsprechende einfache geistige Arbeiten (vgl. insbesondere das Gutachten von Dr. T vom 16. Dezember 2017 nebst ergänzender Stellungnahme vom 4. Januar 2018), mit dem sie regelmäßig einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nachgehen konnte und kann. Dass die Klägerin über ein derartiges Leistungsvermögen verfügte und auch derzeit noch verfügt, folgt zur Überzeugung des Senats aus dem Gesamtergebnis der medizinischen Ermittlungen, und zwar insbesondere aus den im Gerichtsverfahren erstatteten, den Senat sämtlich überzeugenden, da vollständigen, schlüssigen und inhaltlich im Wesentlichen übereinstimmenden Gutachten der Sachverständigen Dr. R, Frau Dr. S und Frau Dr. T. In Übereinstimmung mit dem bereits im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten des Sachverständigen Dr. M vom 16. Juni 2013 haben alle Sachverständigen der Klägerin trotz der festgestellten Erkrankungen mit der Folge qualitativer Leistungseinschränkungen ein quantitativ noch erhaltenes Leistungsvermögen für die volle Arbeitszeit von mindestens sechs Stunden täglich bescheinigt. Sie war und ist aus sachverständiger Sicht auch noch in der Lage, zumutbare Tätigkeiten täglich ohne zusätzliche betriebliche Pausen bei erhaltener Wegefähigkeit auszuüben. Dafür, dass dies seit Antragstellung bzw. zu einem späteren Zeitpunkt, insbesondere nach postoperativer Rekonvaleszenz infolge der Magenteilresektion am 30. Mai 2017 nicht mehr möglich wäre, bestehen zur Überzeugung des Senats keine hinreichenden Anhaltspunkte, und zwar weder im Sinne des erforderlichen Vollbeweises noch insofern, als der Senat sich zu weiteren Ermittlungen von Amts wegen gedrängt sehen würde (vgl. § 103 SGG).

Dahinstehen kann, dass die Klägerin laut Entlassungsbericht der Klinik am S vom 18. September 2017 mit einem quantitativen Restleistungsvermögen von drei bis unter sechs Stunden entlassen wurde, da zugleich festgestellt wurde, dass sie nach einer Rekonvaleszenzzeit von sechs Monaten wieder vollschichtig für leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten einsetzbar wäre. Dies hat die Sachverständige Dr. T mit ihrer Stellungnahme vom 4. Januar 2018 bestätigt und allein die Notwendigkeit einer Rekonvaleszenzdauer von sechs Monaten angezweifelt, die auch bei größeren Baucheingriffen regelmäßig mit drei Monaten ausreichend bemessen sei. Die abdominellen Restbeschwerden seien auch für die Klägerin nicht vordergründig leistungslimitierend, sondern ihre orthopädischen und von der Sachverständigen fachkundig zu bewertenden Erkrankungen, die indes, wie ausgeführt, eine Einschränkung des Restleistungsvermögens auf unter drei bzw. unter sechs Stunden nicht rechtfertigten. Hiermit in Einklang steht, dass der behandelnde Internist Dr. W unter dem 1. Februar 2018 mitgeteilt hat, die Befunde hätten sich verbessert. Im Übrigen wird selbst mit einer quantitativ reduzierten Leistungsfähigkeit für sechs Monate die erforderliche Mindestdauer für das Vorliegen von EM nicht erreicht. Denn eine EM ist erst dann rentenrechtlich relevant, wenn sie "auf nicht absehbare Zeit" vorliegt, welches im Umkehrschluss aus § 101 Abs. 1 SGB VI erst nach mehr als sechs Monaten angenommen werden kann. Nichts anderes folgt nach den Feststellungen der Sachverständigen Frau Dr. S aus nervenärztlicher Sicht, nach deren plausibler und auf umfassender Anamnese und Untersuchung fußender Einschätzung die tägliche Arbeitszeit der Klägerin auch unter Berücksichtigung der Schmerzerkrankung nicht eingeschränkt werden müsse bzw. hat eingeschränkt werden müssen, die üblichen Pausen seien ausreichend, Besonderheiten für den Weg zur Arbeitsstelle seien nicht zu berücksichtigen, insbesondere sei eine Begleitperson nicht erforderlich. Im Einklang damit hat der behandelnde Psychotherapeut Dipl.-Psych. S mit seinem Behandlungsbericht vom 12. Februar 2018 mitgeteilt, nach sieben in größeren Abständen (2-8 Wochen) durchgeführten Behandlungsterminen seit dem 1. Februar 2017 (die von der Krankenkasse genehmigte Therapie habe am 24. Oktober 2016 begonnen) seien die Termine wegen Besserung der Symptomatik bis auf Weiteres auf Betreiben der Klägerin eingestellt worden. Diese zur Überzeugung des Senats für den gesamten zeitgegenständlichen Zeitraum zutreffende Einschätzung des Leistungsvermögens wird auch nicht durch die weiteren Befunde ihrer behandelnden Ärzte bzw. das Vorbringen der Klägerin bzw. ihres Prozessbevollmächtigten in Frage gestellt. Bei Beachtung der bei der Klägerin gegebenen qualitativen Leistungseinschränkungen bestand und besteht ferner weder eine spezifische Leistungsbehinderung noch lag bzw. liegt eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor (vgl. BSG, Urteil vom 18. Februar 1998 – B 5/4 RA 58/97 R – juris), die eine Pflicht zur Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit zur Folge gehabt hätte. Dabei begründet lediglich die "Summierung" – notwendig also eine Mehrheit von wenigstens zwei ungewöhnlichen Leistungseinschränkungen als tauglichen Summanden (vgl. BSG, Urteil vom 9. Mai 2012 – B 5 R 68/11 R – juris) – die Benennungspflicht, nicht aber bereits das Zusammentreffen einer – potenziell – ungewöhnlichen mit einer oder mehrerer "gewöhnlicher" Leistungseinschränkungen (vgl. BSG, Urteil vom 9. Mai 2012, a.a.O.). Es lagen und liegen zwar bei der Klägerin nach Einschätzung aller Sachverständigen Leistungseinschränkungen vor, die teilweise über den Rahmen dessen hinaus gehen, was inhaltlich vom Begriff der körperlich leichten Tätigkeiten umfasst wird. So hat zuletzt die Sachverständige Dr. T in Übereinstimmung mit den Vorgutachtern festgestellt, dass der Klägerin keine Überkopfarbeiten, keine Zwangshaltungen oder Tätigkeiten mit Rüttellungen und Stauchungen der Wirbelsäule, im Hocken oder Knien und mit besonderen Anforderungen an die Stressbelastbarkeit, in Nachtschicht und im Akkord zumutbar seien. Die bei ihr hiernach festgestellten qualitativen Leistungseinschränkungen sind aber nicht geeignet, sogar das Feld körperlich leichter Arbeiten zusätzlich wesentlich einzuengen. Sie sind daher von vornherein nicht als ungewöhnlich einzustufen. Denn die vorliegenden Leistungseinschränkungen, unter Berücksichtigung des Gesamtergebnisses der Ermittlungen für den gesamten Streitzeitraum im Wesentlichen der Ausschluss von Kälte, Nässe und Zugluft, starken Temperaturschwankungen, unter Lärm und mit allergieauslösenden Substanzen, Überkopfarbeiten, Zwangshaltungen, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten und von Arbeiten mit besonderem Zeitdruck sowie in Nachtschicht bei überwiegendem Sitzen mit selbstbestimmten Haltungswechsel zählen nicht zu den ungewöhnlichen Leistungseinschränkungen und schon gar nicht zu den schweren spezifischen Leistungsbehinderungen (vgl. dazu die auf die Vorlagebeschlüsse des 13. Senats ergangenen Beschlüsse des Großen Senats des BSG vom 19. Dezember 1996 – GS 1 bis 4/95 - GS 2/95 – juris). Das Gleiche gilt hinsichtlich der geistigen Fähigkeiten der Klägerin, die keine nennenswerten Schwierigkeiten zumindest hinsichtlich der Gewöhnung und Anpassung an einen neuen, ihrem Ausbildungs- und Intelligenzniveau entsprechenden Arbeitsplatz mit entsprechenden geistigen Arbeiten sowie gegebenenfalls Publikumsverkehr erkennen lassen; nur eine besondere Einschränkung der Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit, für die vorliegend jedoch keine Anhaltspunkte bestehen, könnte aber eine spezifische schwere Leistungsbehinderung darstellen (vgl. BSG SozR 2200, § 1246 Nr. 104, 117).

Der Arbeitsmarkt ist für die Klägerin entgegen ihrer und von ihrem Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung bekräftigten Auffassung trotz vollschichtiger Erwerbsfähigkeit nicht deshalb verschlossen, weil sie nach Magenteilresektion zusätzliche Pausen zur Aufnahme kleiner Mengen an Nahrung – ihrem Vortrag zufolge etwa alle zwei Stunden – benötige. Laut Entlassungsbericht vom 18. September 2017 seien 6-8 Mahlzeiten am Tag einzuhalten, wobei ihr der Internist Dr. W im September 2017 geraten habe, die letzte bereits drei Stunden vor dem Zubettgehen einzunehmen. Betriebsunübliche Pausen benötigt die Klägerin danach nicht. Betriebsüblich sind Arbeitsbedingungen, wenn sie nach Dauer, Lage und Verteilung arbeitszeitüblichen Bedingungen entsprechen. Hierzu gehören die Arbeitspausen i.S.d. Arbeitszeitgesetzes (ArbZG). Insofern keine echten Arbeitspausen im Sinne des § 4 ArbZG sind aus gesundheitlichen Gründen notwendigen Arbeitsunterbrechungen, die im Rahmen der persönlichen Verteilzeit – regelmäßig zumindest bei Büro- und Verwaltungstätigkeiten – absolviert werden können. Hierfür können etwa 12% der regelmäßigen Arbeitszeit veranschlagt werden, sodass stündlich jedenfalls rund 7 Minuten, alle zwei Stunden damit etwa 14 Minuten, neben den Pausen zur Verfügung stehen. Dafür, dass innerhalb dieser Zeiträume die für die Klägerin notwendigen Zwischenmahlzeiten nicht eingenommen werden können, bestehen nach dem Ergebnis der Ermittlungen und dem Vortrag der Klägerin keine Anhaltspunkte (vgl. Beschluss des Senats vom 7. August 2012 – L 16 R 698/09 – juris Rn. 33 m.w.N.; Urteil vom 7. September 2011 – L 16 R 423/09 – juris Rn. 27). Im öffentlichen Dienst gelten im Übrigen Kurzpausen von weniger als 15 Minuten alle zwei Stunden von vornherein nicht als Arbeitszeit verkürzende Pausen (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 20. März 2007 – L 11 R 684/06 – juris Rn. 34 m.w.N.).

Auch die Wegefähigkeit der Klägerin ist insbesondere trotz der Schmerzerkrankung sowie unter Beachtung der orthopädischen und psychischen Erkrankungen – entgegen dem Dafürhalten ihres Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung – erhalten. Die Klägerin war und ist in der Lage, täglich viermal eine Fußstrecke von mehr als 500 Metern in mindestens 20 Minuten zurückzulegen (vgl. zum Ganzen: BSG, Urteil vom 21. März 2006 – B 5 RJ 51/04 R – juris m.w.N.); sie kann ferner uneingeschränkt öffentliche Verkehrsmittel und den eigenen Pkw ausweislich der Sachverständigengutachten, die sich sämtlich hiermit befasst haben, benutzen. Der Schmerztherapeut der Klägerin, Dr. J, hat zudem unter dem 27. Februar 2018 eine der Klägerin mögliche Gehstrecke von 500 m – überwiegend mit Gehhilfe – bescheinigt. Zweifel hieran lässt das Gesamtergebnis der Ermittlungen selbst dann nicht zu, wenn die subjektive Einschätzung der Klägerin, worauf ihr Prozessbevollmächtigter in der mündlichen Verhandlung hingewiesen hat, eine andere ist. Dafür, dass sie insofern aus psychischer Sicht limitiert wäre, fehlt es schon im Ansatz an plausiblen Anhaltspunkten. Mithin betreffen die bei der Klägerin festgestellten, qualitativen Leistungseinschränkungen lediglich einen kleinen Teilbereich des allgemeinen Arbeitsmarktes, lassen aber ein weites Feld von Beschäftigungsmöglichkeiten zur Überzeugung des Senats in Gänze unberührt. So konnte und kann die Klägerin mit dem ihr verbliebenen Leistungsvermögen etwa, wie schon vom SG zu Recht ausgeführt worden ist, noch leichte Büroarbeiten nach einer Zeit der Einarbeitung von bis zu drei Monaten vollwertig verrichten (vgl. BSG SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 25).

Die Klägerin hat für die Zeit ab 1. Februar 2013 auch keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser EM bei BU. Denn sie war und ist seit diesem Zeitpunkt nicht berufsunfähig i.S.d. § 240 Abs. 2 SGB VI. Nach § 240 Abs. 2 SGB VI sind berufsunfähig Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfanges ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufes und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (vgl. § 240 Abs. 2 Satz 4 SGB VI). So liegt es hier. Zwar fällt die Klägerin, da sie vor dem 1. Januar 1961 geboren ist, grundsätzlich in den Anwendungsbereich dieser Vorschrift. Berufsschutz genießt die Klägerin, die keine Berufsausbildung absolviert hat, indes nach ihrem beruflichen Werdegang nicht, so dass sie sozial zumutbar auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes einschließlich der Anlernebene verweisbar ist, soweit ihr qualitatives Leistungsvermögen hierfür ausreichte und ausreicht. Auf die Ausführungen in dem angefochtenen Widerspruchsbescheid wird insofern Bezug genommen.

Darauf, ob die Klägerin einen ihrem verbliebenen Leistungsvermögen entsprechenden Arbeitsplatz auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tatsächlich erhalten konnte bzw. kann, kommt es nicht an. Denn die jeweilige Arbeitsmarktlage, die für leistungsgeminderte und zudem schwerbehinderte Arbeitnehmerinnen – wie die Klägerin – kaum entsprechende Arbeitsplatzangebote zur Verfügung stellte bzw. stellt, ist für die Feststellung von voller bzw. teilweiser EM – wie der Gesetzgeber ausdrücklich klargestellt hat – unerheblich (vgl. § 43 Abs. 3 Halbsatz 2 SGB VI).

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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