Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
7
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 79 KA 448/11
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 7 KA 84/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Bei kurzfristig gestellten Terminsaufhebungsanträgen muss der Verhinderungsgrund so dargelegt und untermauert sein, dass das Gericht ohne weitere Nachforschungen selbst beurteilen kann, ob Verhandlungs- bzw. Reiseunfähigkeit besteht.
2. Eine sachlich-rechnerische Richtigstellung bezüglich einzelner Gebührenordnungspositionen - hier: aus Bereich "Früherkennung von Krankheiten bei Erwachsenen" - begründet keinen Vertrauensschutz für eine spätere, dasselbe Quartal betreffende sachlich-rechnerische Richtigstellung bezüglich ganz anderer Gebührenordnungspositionen - hier: Substitutionsbehandlung bei Drogenabhängigkeit -.
2. Eine sachlich-rechnerische Richtigstellung bezüglich einzelner Gebührenordnungspositionen - hier: aus Bereich "Früherkennung von Krankheiten bei Erwachsenen" - begründet keinen Vertrauensschutz für eine spätere, dasselbe Quartal betreffende sachlich-rechnerische Richtigstellung bezüglich ganz anderer Gebührenordnungspositionen - hier: Substitutionsbehandlung bei Drogenabhängigkeit -.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 18. September 2013 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger und die Beklagte jeweils zur Hälfte. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen eine Honorarkürzung für die Quartale I/07 bis IV/07 infolge einer Plausibilitätsprüfung.
Der Kläger nimmt seit 1994 in B-R an der vertragsärztlichen Versorgung (hausärztlicher Bereich) teil. Ihm wurde die Genehmigung zur Durchführung von Substitutionsbehandlungen erteilt (Bescheid vom 24. Juni 1996). Mit Schreiben vom 15. April 2004 wies ihn die Beklagte darauf hin, dass er gegen vertragsärztliche Pflichten verstoße, weil er aktuell bei 68 Patienten eine Substitutionsbehandlung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) durchführe und damit die in § 10 Abs. 4 der Richtlinie des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen zur substitutionsgestützten Behandlung Opiatabhängiger festgelegte Patientenhöchstzahl von 50 Versicherten deutlich überschreite. Die Qualitätssicherungskommission der Beklagten – so dieses Schreiben weiter – empfehle ihm, mit Hilfe der bei der Beklagten gebildeten Arbeitsgruppe Substitution Patienten an einen anderen berechtigten Vertragsarzt zu vermitteln, und mache zugleich darauf aufmerksam, dass bei einer weiteren Überschreitung der Patientenhöchstzahl von 50 Versicherten der Vorstand der Beklagten hierüber informiert und ggf. geeignete Maßnahmen (Entzug der Genehmigung und Honorarrückforderung) einleiten werde.
Für die streitgegenständlichen Quartale bewilligte die Beklagte dem Kläger Honorare (nach Abzug der Praxisgebühr) zwischen rund 87.200 und 90.800 Euro. Mit Wider-spruchsbescheid vom 19. August 2008 wies die Beklagte die trotz Aufforderung nicht begründeten Widersprüche des Klägers gegen die Honorarfestsetzungsbescheide für die Quartale II/06 bis III/07 bestandskräftig zurück. Die Prüfungsstelle lehnte in vier Bescheiden vom 20. November 2008 im Zusammenhang mit der arztbezogenen Prüfung auf der Grundlage von Durchschnittskosten je definierter Dosiereinheit für jedes Quartal des Jahres 2007 die Festsetzung von Maßnahmen ab. Auf Antrag zweier Krankenkassen kürzte die Beklagte im Hinblick auf zu Unrecht abgerechnete Leistungen der Gebührenordnungspositionen (GOP) 01730, 01731 und 01732 (bzw. deren Vorgängerregelung) des einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM) das Honorar des Klägers wie folgt: Bescheid vom Krankenkasse betroffener Zeitraum Kürzungsbetrag (abzüglich Verwaltungskosten) 06.11.2008 BARMER I/04 bis IV/07 152,56 Euro 03.06.2009 KKH II/05 bis I/08 25,51 Euro
Im Rahmen der im März 2011 eingeleiteten Plausibilitätsprüfung des Klägers für das Jahr 2007 stellte die Beklagte u.a. folgende Daten fest: Quartal Fallzahl Kläger durchschnittliche Fallzahl der Fachgruppe der praktischen Ärzte / Allgemeinmediziner abgerechnete Leistungszeit Leistungszeit ohne Wochenende / Feiertage I/07 1.223 722 56.756 Min. 50.112 Min. II/07 1.156 685 54.708 Min. 46.616 Min. III/07 1.194 688 57.447 Min. 49.853 Min. IV/07 1.251 745 56.709 Min. 50.820 Min.
Quartal Substitutionsgestützte Behandlung (GOP 01950) Zuschlag zur Nr. 01950 für das therapeutische Gespräch (GOP 01952) Anzahl Zeit Anzahl Zeit I/07 4.501 300:04 h 238 39:40 h II/07 4.760 317:20 h 247 41:10 h III/07 5.070 338:00 h 243 40:30 h IV/07 3.740 249:20 h 257 42:50 h
Sie ging dabei davon aus, dass die Leistung nach der GOP 01950 vier Minuten und nach der GOP 01952 zehn Minuten in Anspruch nimmt.
Nachdem die Beklagte dem Kläger Gelegenheit gegeben hatte, sich zur Überschreitung der Obergrenze für die Quartalsleistungszeiten (u.a.) der Quartale I/07 bis IV/07 zu äußern (Schreiben vom 11. März 2011), ließ der Kläger durch seinen damaligen Prozess-bevollmächtigten vortragen (Schreiben vom 03. Mai 2011):
"Der Leistungserbringungsaufwand für unseren Mandanten ist nur unter Ansatz eines unrealistisch hohen Zeitaufwands im Rahmen der Drogensubstitution auffällig. Herr Dr. S versorgt einen hohen Anteil drogenabhängiger Patienten, die die Praxis täglich zur Versorgung mit Methadon aufsuchten (GOP 01950, 01952). Dabei ist die Ausgabe des Medikaments unter Gewährleistung des Arzt-Patienten-Kontakts organisiert, nimmt jedoch nicht die in dem Tagesprofil angesetzten 4 Minuten in Anspruch. Die tatsächliche benötigte Zeit beträgt allenfalls die Hälfte. [ ] Wir regen an, die Tagesprofile hinsichtlich der Ziff. 01950 und 01952 im Zeitansatz auf die Hälfte zu reduzieren".
Mit Bescheid vom 22. August 2011 hob die Beklagte die Honorarfestsetzungsbescheide des Klägers für die Quartale I/07 bis IV/07 teilweise auf und kürzte sein ärztliches Honorar für diese Quartale wie folgt: I/07 2.653,25 Euro II/07 2.796,00 Euro III/07 2.726,58 Euro IV/07 2.833,96 Euro
Zur Begründung der durchgeführten sachlich-rechnerischen Berichtigung heißt es in diesem Bescheid: Mit dem Hinweis, die zugrunde zu legende Leistungszeit für den Ansatz der GOP 01952 auf die Hälfte zu reduzieren, habe der Verfahrensbevollmächtigte des Klägers unmissverständlich eingeräumt, dass dieser bei Abrechnung der Leistungsziffer nicht die gemäß der Leistungslegende zwingend vorgeschriebene Gesprächsdauer von mindestens 10 Minuten eingehalten habe, so dass die Leistung nicht vollständig erbracht und daher weder berechnungs- noch vergütungsfähig sei. Dieses Abrechnungsverhalten offenbare den vom Kläger regelhaft begangenen Abrechnungsfehler, der auch die noch auffälligen Leistungszeitüberschreitungen erkläre. Außerdem habe der Kläger – dies ist inzwischen nicht mehr streitig – in einigen Fällen die GOP 03312 neben der GOP 03311 unzulässigerweise angesetzt. Nach Abzug der Verwaltungsgebühr (2,1 Prozent für die Quartale I und III/07, 1,9 Prozent für das Quartal IV/07) betrage der Rückforderungsbetrag 10.784,25 Euro.
Seinen hiergegen gerichteten Widerspruch begründete der Kläger damit, dass bezüglich der GOP 01952 kein Abrechnungsfehler existiere, diese Ziffer sei lediglich versehentlich am Ende des Schreibens vom 03. Mai 2011 erwähnt worden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 18. Oktober 2011 wies die Beklagte diesen Widerspruch zurück und führte zur Begründung aus: Es könne dahingestellt bleiben, ob der Kläger an Wochenenden und Feiertagen ärztlich tätig gewesen sei, ob er nur die Hälfte der vorgegebenen Tagesprofilzeit von 4 Minuten für die GOP 01950 benötigt habe oder ob der Hinweis, die GOP 01952 sei ebenfalls in der Hälfte der vorgegebenen Mindestzeit erbracht worden, ein Versehen gewesen sei. Denn in den fraglichen Quartalen habe die Anzahl der vom Kläger substituierten Patienten die Anzahl, zu der er berechtigt sei, weiterhin erheblich überstiegen. Die Überschreitungen könnten nicht auf besondere Situationen, z.B. Praxisschließung oder Übernahme der sofortigen Fortsetzung einer bereits begonnenen Substitutionsbehandlung, gestützt werden, weil dies ihr – der Beklagten – bekannt wäre. Selbst wenn man eine Toleranz von 10 Prozent zulasse, um der besonderen Lage und Behandlung Opiatabhängiger Rechnung zu tragen, werde die Grenze von 50 Patienten generell zwischen 15 und 20 Prozent überschritten. Damit könne dem Kläger der Vorwurf einer nicht ordnungsgemäßen Abrechnung gemacht werden, so dass die Garantiefunktion der Abrechnungs-Sammelerklärung entfallen sei. Bei der daher erforderlichen Neufestsetzung der Honorare habe sie – die Beklagte – ein weites Schätzungsermessen. Die Berechnung der Schadenssumme sei richtigerweise darauf zu stützten, dass der Kläger seinen Genehmigungsumfang bei der Substitutionsbehandlung erheblich ausgeweitet habe. Dies führe zu folgender Berechnung: Quartal Genehmigungsumfang + 10 % Toleranz Abgerechnete Fälle Überschreitung in % Honoraranforderung EBM-Nrn. 01950, 01951, 01952 Rückforderung gemäß Überschreitung I/07 55 69 20 % 28.062,75 EUR 5.612,55 EUR II/07 55 65 15 % 31.268,13 EUR 4.690,22 EUR III/07 55 64 15 % 31.378,77 EUR 4.706,82 EUR IV/07 55 65 15 % 23.971,10 EUR 3.595,67 EUR 18.605,26 EUR
Somit hätte eigentlich eine höhere Kürzung ausgesprochen werden müssen, was im Rahmen des Widerspruchsverfahrens aufgrund des Verbots der reformatio in peius nicht möglich gewesen sei.
Im Klageverfahren hat der Kläger vorgebracht: Wegen der o.g. Bescheide aus den Jahren 2008 und 2009 habe für die betroffenen Abrechnungsquartale schon vor der Plausibilitätsprüfung Bestandsschutz gegolten. Im Rahmen der Plausibilität seien zu Unrecht Leistungen berücksichtigt worden, die im Rahmen der sachlich-rechnerischen Richtigstellung bereits gestrichen worden seien. Die beigefügte Schadensberechnung habe die im Jahr 2007 vorgenommene Gebührenabstaffelung unberücksichtigt gelassen. Eine Rechtsgrundlage für eine von ihm einzuhaltende Beschränkung der Substitutionsbehandlung auf eine bestimmte Zahl zu substituierender Patienten gebe es nicht. Soweit sich in § 11 der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) zu Untersuchung- und Behandlungsmethoden der vertragsärztlichen Versorgung eine Beschränkung der Patienten pro Arzt finde, richte sich diese Vorschrift an die Genehmigung erteilende Kassenärztliche Vereinigung (KV), nicht jedoch an die behandelnden Ärzte. Da er alle Substitutionsbehandlungen ordnungsgemäß bei der Beklagten angemeldet habe und seitens der Beklagten keinerlei Einwände gegen den Beginn der angemeldeten Substitutionsbehandlung geltend gemacht worden seien, habe er davon ausgehen dürfen, dass er diese Substitutionsbehandlungen ohne Verstoß gegen geltendes Recht durchführen dürfe, zumal eine numerische Abweichung der Patientenzahl pro behandelndem Arzt in der vorgenannten Richtlinie durchaus vorgesehen sei. Seine Beschränkung auf eine bestimmte Patientenzahl sei ein Eingriff in seine Handlungs- und Berufsfreiheit nach Artikel 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Die Versagungsgründe für eine Substitutionsbehandlung seien in § 4 der o.g. Richtlinie abschließend aufgezählt. Eine Überschreitung der zulässigen Patientenzahl finde sich darin nicht.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht am 18. September 2013 hat der Kläger die Klage zurückgenommen, soweit sie die GOP 03311 und 03312 betrifft (Bruttobetrag 710,67 Euro). Mit Urteil vom selben Tag hat das Sozialgericht den Bescheid vom 22. August 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Oktober 2011 aufgehoben, weil das Recht der Beklagten zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung bereits durch die Bescheide vom 06. November 2008 und 03. Juni 2009 verbraucht sei.
Gegen dieses ihr frühestens am 02. Oktober 2013 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten vom 30. Oktober 2013, zu deren Begründung sie vorträgt: Es könne nicht darauf ankommen, ob sie bereits bei Erlass der Honorarbescheide hätte erkennen können, dass der Kläger mehr als 50 Substitutionspatienten behandelt habe. In Bezug auf Abrechnungsgenehmigungen werde zu diesem Zeitpunkt allenfalls geprüft, ob für genehmigungspflichtige Leistungen auch tatsächlich Genehmigungen vorlägen. Es könne zu diesem Zeitpunkt jedoch noch gar nicht festgestellt werden, ob die angeforderten Leistungen auch vollständig von der Abrechnungsgenehmigung gedeckt seien, weil hierzu die entsprechenden Genehmigungsbescheide herangezogen und im Einzelnen ausgewertet werden müssten, was die Zusammenarbeit mehrerer Fachabteilungen erfordere und die an eine routinemäßige Abrechnungsprüfung zu stellenden Anforderungen erheblich überschreite. Im Bezug auf die Bescheide vom 06. November 2008 und 03. Juni 2009 genieße der Kläger keinen Vertrauensschutz im Hinblick auf weitere Richtigstellungen anderer Leistungen. Einen Antrag, die Patientenzahl bei der Substitutionsbehandlung zu erweitern, habe der Kläger zu keinem Zeitpunkt gestellt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 18. September 2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
In der (ersten) mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 9. Mai 2018 hat die Beklagte den Widerspruchsbescheid vom 18. Oktober 2011 aufgehoben und den Widerspruch des Klägers vom 24. August 2011 gegen den Bescheid vom 22. August 2011 aus den Gründen dieses Bescheides zurückgewiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat durfte trotz des Terminsaufhebungsantrags des Klägers, den er mit akuter Myokardinsuffizienz begründete und mit einem Antrag auf Akteneinsicht für seinen neu zu bestimmenden Prozessbevollmächtigten verband, entscheiden. Dieser Antrag ging erst ca. eine Stunde vor Beginn der mündlichen Verhandlung bei Gericht ein. Zu diesem Zeitpunkt führte der Senat die mündliche Verhandlung anderer Verfahren durch. Daher durfte der Senat von einer gesonderten Entscheidung über den Terminaufhebungsantrag absehen, zumal er diese an den Kläger nicht mehr hätte so rechtzeitig übermitteln können, dass dem Kläger noch eine Teilnahme an der mündlichen Verhandlung möglich gewesen wäre. Gründe für eine Aufhebung des Termins lagen nicht vor. Die vom Kläger angegebene Erkrankung genügte schon deshalb nicht, weil bei kurzfristig gestellten Terminsaufhebungsanträge der Verhinderungsgrund so dargelegt und untermauert sein muss, dass das Gericht ohne weitere Nachforschungen selbst beurteilen kann, ob Verhandlungs- bzw. Reiseunfähigkeit besteht (BSG, Beschluss vom 13. Oktober 2010 – B 6 KA 2/10 B –, juris, m.w.N.). Hierzu enthielt der Antrag des Klägers keinerlei Angaben. Die beabsichtigte Bestellung eines (neuen) Prozessbevollmächtigten konnte eine Terminsaufhebung ebenfalls nicht rechtfertigen, weil der letzte Prozessbevollmächtigte des Klägers in diesem Rechtsstreit sein Mandat im Jahre 2015 niedergelegt hat und der Kläger keinerlei Umstände dargelegt hat, warum nicht er sich nicht bereits zum einem früheren Zeitpunkt um einen neuen Bevollmächtigten bemüht hat.
Die Berufung ist begründet. Das Urteil des Sozialgerichts ist aufzuheben, weil die Klage zwar zulässig (hierzu II.), aber unbegründet (hierzu III. und IV.) ist.
I. Streitgegenstand dieses Rechtsstreits ist der Bescheid der Beklagten vom 22. August 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Mai 2018. In zulässiger Weise hat die Beklagte den ursprünglichen Widerspruchsbescheid aufgehoben und durch einen Widerspruchsbescheid mit anderer Begründung ersetzt. Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers in seinem Terminverlegungsantrag vom 13. Juni 2018 durfte der Senat die mündliche Verhandlung am 9. Mai 2018 trotz seiner Abwesenheit durchführen. Denn hierdurch wurden Rechte des Klägers nicht verletzt. Nachdem ihm das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 9. Mai 2018 (einschließlich der darin enthaltenen Ladung zum 13. Juni 2018) mit Postzustellungsurkunde vom 18. Mai 2018 zugestellt worden war, verblieb ihm ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme zum neuen Widerspruchsbescheid und dessen Begründung. Unabhängig hiervon hat der Kläger – wie der Senat seinem o.g. Schreiben vom 13. Juni 2018 entnimmt – offenkundig verkannt, dass die Verfahren L 7 KA 84/13 und L 7 KA 52/14 unterschiedliche Streitgegenstände betreffen und das letztgenannte Verfahren bereits am 9. Mai 2018 mit einem Urteil zugunsten des Klägers beendet worden war.
II. Der Zulässigkeit der Klage steht nicht entgegen, dass der Widerspruchsbescheid vom 9. Mai 2018 von einem Terminsvertreter der Beklagten, nicht aber – wie es § 5 Abs. 2 Nr. 5 ihrer Satzung vorsieht – von der aus gewählten KV-Mitgliedern bestehenden Widerspruchsstelle erlassen wurde. Hierin liegt zwar ein Fehler. Dieser ist aber, soweit § 78 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) für die Zulässigkeit der Anfechtungsklage die Durchführung eines Vorverfahrens fordert, unbeachtlich. Denn die Fehlerfreiheit des Vorverfahrens ist keine Prozessvoraussetzung (BSG, Urteile vom 24. März 2015 – B 8 SO 16/14 R – vom 28. Oktober 1965 – 8 RV 721/62 –, juris; Beschlüsse vom 13. Juni 2013 – B 13 R 454/12 B – und vom 31. Januar 2008 – B 13 R 43/07 B –, jeweils juris; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/B. Schmidt, Sozialgerichtsgesetz, 12.A., § 78 Rd. 2).
III. Rechtsgrundlage der sachlich-rechnerischen Richtigstellung und Rückforderung ist § 106a Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch / Fünftes Buch (SGB V) in der bis zum 22. Juli 2015 geltenden, hier anzuwendenden Fassung (alte Fassung - aF). Danach stellt die KV die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der Vertragsärzte fest; dazu gehört auch die arztbezogene Prüfung der Abrechnungen auf Plausibilität sowie die Prüfung der abgerechneten Sachkosten. Die Prüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen des Vertragsarztes zielt auf die Feststellung, ob die Leistungen rechtmäßig, also im Einklang mit den gesetzlichen, vertraglichen oder satzungs-rechtlichen Vorschriften des Vertragsarztrechts - mit Ausnahme des Wirtschaftlichkeitsgebots -, erbracht und abgerechnet worden sind. Die Befugnis zu Richtigstellungen besteht auch für bereits erlassene Honorarbescheide (nachgehende Richtigstellung). Sie bedeutet dann im Umfang der vorgenommenen Korrekturen eine teilweise Rücknahme des Honorarbescheids. Die genannten Bestimmungen stellen Sonderregelungen dar, die gemäß § 37 Satz 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) in ihrem Anwendungsbereich die Regelungen des § 45 Sozialgesetzbuch / Zehntes Buch (SGB X) verdrängen. Eine nach den Bestimmungen zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung rechtmäßige (Teil-)Rücknahme des Honorarbescheids mit Wirkung für die Vergangenheit löst nach § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X eine entsprechende Rückzahlungsverpflichtung des Empfängers der Leistung aus (BSG, Urteil vom 28. August 2013 – B 6 KA 50/12 R –, juris, m.w.N.).
IV. Hieran gemessen erweist sich der Bescheid der Beklagten vom 22. August 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Mai 2011 als rechtmäßig.
1. Der Kläger hat die mit der GOP 01952 umschriebene Leistung zu Unrecht abgerechnet. Diese GOP wird als Zuschlag zur Leistung nach der GOP 01950 gewährt und umfasst als obligaten Leistungsinhalt ein therapeutisches Gespräch mit einer Dauer von mindestens 10 Minuten. Mit der GOP 01950 wird die "substitutionsgestützte Behandlung Opiatabhängiger nach den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses" (je Behandlungstag) vergütet; sie ist nur bei persönlichem Arzt-Patienten-Kontakt berechnungsfähig.
Der Kläger hat die Leistung der GOP 01952 nicht vollständig erbracht, wie der Senat seiner Stellungnahme vom 3. Mai 2011 entnimmt. Darin hat der Kläger die Auffassung vertreten, im Rahmen der Drogensubstitution werde ein unrealistisch hoher Zeitaufwand angesetzt, und die GOP 01950 und 01952 genannt. Die folgenden beiden Sätze beziehen sich auf beide GOP. Zwar entsprechen "die in den Tagesprofilen angesetzten 4 Minuten" der Prüfzeit von vier Minuten für die GOP 01950 in Anhang 3 des 2007 geltenden EBM, was nahelegt, dass der Kläger an dieser Stelle nur die GOP 01950 thematisiert. Dies ließe aber unberücksichtigt, dass der Satzanfang ("dabei") sich offenkundig auf den vorangehenden Satz bezieht, indem der Kläger zur "Versorgung mit Methadon" beide GOP zählt. Der Umstand, dass der Kläger die GOP 01952 und die "in den Tagesprofilen angesetzten 4 Minuten" im gleichen Zusammenhang erwähnt, belegt jedenfalls, dass er die Mindestdauer des therapeutischen Gesprächs von 10 Minuten entweder völlig ignoriert hat oder davon ausging, er dürfe diese Leistung auch in der Hälfte der Zeit erbringen. Für letzteres spricht auch – unabhängig von den o.g. Ausführungen des Klägers –, dass er am Ende seines Schreibens vom 3. Mai 2011 anregt, auch den Zeitansatz für die GOP 01952 "auf die Hälfte zu reduzieren". Auch aus einem weiteren Grund lässt sich dieses Schreiben des Klägers nicht dahin verstehen, dass er nur die auf die GOP 01950 entfallende Zeit halbiert sehen wollte: Denn wenn man die von der Beklagten zugrunde gelegten Quartalszeiten um die nach klägerischer Vorstellung auf die GOP 01950 entfallenden Minuten verringern würde, läge die Differenz in drei von vier streitigen Quartalen immer noch oberhalb der kritischen und daher erklärungsbedürftigen Höchstzeit von 780 Stunden (46.800 Minuten), wie sie sich aus § 8 Abs. 3 Satz 1 der von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen auf der Grundlage von § 106a Abs. 6 SGB V aF erlassenen Richtlinie (DÄBl. 2008, A-1925) ergibt: Quartal Minuten je Quartal Häufigkeit 01950 x 2 Minuten Differenz (korrigierte Quartalsminuten ) I/07 56.756 4.497 8.994 47.762 II/07 54.708 4.745 9.490 45.218 III/07 57.447 5.068 10.136 47.311 IV/07 56.709 3.737 7.474 49.235
Die gegen ihn erhobenen Vorwürfe einer implausiblen Abrechnungspraxis wären also nicht entkräftet, würde man lediglich die nach klägerischer Ansicht auf die GOP 01950 entfallenden Zeiten unberücksichtigt lassen. Hat der Kläger aber in der o.g. Stellungnahme seine Unkenntnis über den Mindestinhalt der GOP 01952 offen gelegt, indiziert dies, dass er die entsprechende Leistung auch nicht vollständig erbracht hat.
2. Das Recht der Beklagten zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung war nicht verbraucht.
Die Befugnis der KV zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung ist aus Vertrauensschutzgesichtspunkten eingeschränkt, soweit sie ihre Befugnis zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung bereits "verbraucht" hat, indem sie die Honoraranforderung des Vertragsarztes in einem der ursprünglichen Honorarverteilung nachfolgenden Verfahren auf ihre sachlich-rechnerische Richtigkeit überprüft und vorbehaltlos bestätigt hat. In diesem Fall ist die jedem Honorarbescheid innewohnende spezifische Vorläufigkeit und damit die Anwendbarkeit der Berichtigungsvorschriften entfallen (BSG, Urteil vom 28. August 2013 – B 6 KA 50/12 R –, juris, m.w.N.). Das Vertrauen eines Vertragsarztes kann in diesem Zusammenhang aber nicht weiter reichen als die bereits vorgenommene sachlich-rechnerische Richtigstellung. Beschränkte sich die frühere Prüfung auf einzelne GOP, kann Vertrauen nur insoweit entstehen, als der Vertragsarzt nicht mit einer weiteren Prüfung dieser GOP rechnen muss. Hinsichtlich anderer GOP besteht jedoch kein Vertrauensschutz (BSG, Urteile vom 08. Februar 2006 – B 6 KA 12/05 R – und vom 12. Dezember 2001 – B 6 KA 3/01 R –, juris; Clemens, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3.A. 2016, § 106a SGB V, Rn. 223).
Dass die Beklagte das Honorar des Klägers mit den Bescheiden vom 6. November 2008 und 3. Juni 2009 hinsichtlich der GOP 01730, 01731 und 01732 auch für die Quartale des Jahres 2007 korrigierte, stand einer sachlich-rechnerischen Richtigstellung im Hinblick auf die GOP 01952 nicht entgegen. Gleiches gilt für die vom Kläger angeführten Bescheide aus der Arzneimittel betreffenden Wirtschaftlichkeitsprüfung, zumal Bescheide der Prüfeinrichtungen nicht geeignet sind, Vertrauen hinsichtlich entsprechender Bescheide der KV zu begründen (Clemens a.a.O.).
3. Die von der Beklagten vorgenommene Honorarkürzung für die betroffenen Quartale ist rechtmäßig. Hat der Kläger die abgerechneten Leistungen nach der GOP 01950 nicht vollständig erbracht, stand ihm kein Vergütungsanspruch insoweit zu. Auf ein Verschulden seinerseits kommt es insoweit nicht an (BSG, Urteil vom 22. März 2006 – B 6 KA 76/04 R –, juris, m.w.N.). Die Beklagte war daher befugt, die gesamte auf die GOP entfallende Vergütung zurückzufordern (vgl. BeckOK SozR/Kols, Stand: 1. März 2017, SGB V § 106d Rn. 34). Zweifel an der Berechnung des Rückforderungsbetrags sind weder geltend gemacht noch anderweitig ersichtlich.
V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 und § 155 Abs. 4 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Der Senat berücksichtigt bei der Anwendung von § 155 Abs. 4 VwGO ("Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden."), dass die Widerspruchsstelle im Rahmen des Widerspruchsbescheids vom 18. Oktober 2011 dessen Begründung einen gegenüber dem Ausgangsbescheid vollständig anderen Sachverhalt zugrunde gelegt hat ohne den Kläger hierzu gemäß § 24 Abs. 1 SGB X anzuhören. Dieser Fehler hätte zur isolierten Aufhebung dieses Widerspruchsbescheids geführt. Hat die Beklagte aber durch fehlerhaftes Vorgehen im Widerspruchsverfahren die Klageerhebung mitveranlasst hat, ist der Anwendungsbereich von § 155 Abs. 4 VwGO eröffnet (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. April 2010 – 9 B 42/10 –; Urteil vom 26. Juni 1980 – 2 C 8/78 –, jeweils juris; Neumann; in: Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 4.A. 2014 § 155 Rn. 99f) und eine Kostenteilung angemessen.
Die Revision wird nicht zugelassen, weil Gründe hierfür (§ 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen eine Honorarkürzung für die Quartale I/07 bis IV/07 infolge einer Plausibilitätsprüfung.
Der Kläger nimmt seit 1994 in B-R an der vertragsärztlichen Versorgung (hausärztlicher Bereich) teil. Ihm wurde die Genehmigung zur Durchführung von Substitutionsbehandlungen erteilt (Bescheid vom 24. Juni 1996). Mit Schreiben vom 15. April 2004 wies ihn die Beklagte darauf hin, dass er gegen vertragsärztliche Pflichten verstoße, weil er aktuell bei 68 Patienten eine Substitutionsbehandlung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) durchführe und damit die in § 10 Abs. 4 der Richtlinie des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen zur substitutionsgestützten Behandlung Opiatabhängiger festgelegte Patientenhöchstzahl von 50 Versicherten deutlich überschreite. Die Qualitätssicherungskommission der Beklagten – so dieses Schreiben weiter – empfehle ihm, mit Hilfe der bei der Beklagten gebildeten Arbeitsgruppe Substitution Patienten an einen anderen berechtigten Vertragsarzt zu vermitteln, und mache zugleich darauf aufmerksam, dass bei einer weiteren Überschreitung der Patientenhöchstzahl von 50 Versicherten der Vorstand der Beklagten hierüber informiert und ggf. geeignete Maßnahmen (Entzug der Genehmigung und Honorarrückforderung) einleiten werde.
Für die streitgegenständlichen Quartale bewilligte die Beklagte dem Kläger Honorare (nach Abzug der Praxisgebühr) zwischen rund 87.200 und 90.800 Euro. Mit Wider-spruchsbescheid vom 19. August 2008 wies die Beklagte die trotz Aufforderung nicht begründeten Widersprüche des Klägers gegen die Honorarfestsetzungsbescheide für die Quartale II/06 bis III/07 bestandskräftig zurück. Die Prüfungsstelle lehnte in vier Bescheiden vom 20. November 2008 im Zusammenhang mit der arztbezogenen Prüfung auf der Grundlage von Durchschnittskosten je definierter Dosiereinheit für jedes Quartal des Jahres 2007 die Festsetzung von Maßnahmen ab. Auf Antrag zweier Krankenkassen kürzte die Beklagte im Hinblick auf zu Unrecht abgerechnete Leistungen der Gebührenordnungspositionen (GOP) 01730, 01731 und 01732 (bzw. deren Vorgängerregelung) des einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM) das Honorar des Klägers wie folgt: Bescheid vom Krankenkasse betroffener Zeitraum Kürzungsbetrag (abzüglich Verwaltungskosten) 06.11.2008 BARMER I/04 bis IV/07 152,56 Euro 03.06.2009 KKH II/05 bis I/08 25,51 Euro
Im Rahmen der im März 2011 eingeleiteten Plausibilitätsprüfung des Klägers für das Jahr 2007 stellte die Beklagte u.a. folgende Daten fest: Quartal Fallzahl Kläger durchschnittliche Fallzahl der Fachgruppe der praktischen Ärzte / Allgemeinmediziner abgerechnete Leistungszeit Leistungszeit ohne Wochenende / Feiertage I/07 1.223 722 56.756 Min. 50.112 Min. II/07 1.156 685 54.708 Min. 46.616 Min. III/07 1.194 688 57.447 Min. 49.853 Min. IV/07 1.251 745 56.709 Min. 50.820 Min.
Quartal Substitutionsgestützte Behandlung (GOP 01950) Zuschlag zur Nr. 01950 für das therapeutische Gespräch (GOP 01952) Anzahl Zeit Anzahl Zeit I/07 4.501 300:04 h 238 39:40 h II/07 4.760 317:20 h 247 41:10 h III/07 5.070 338:00 h 243 40:30 h IV/07 3.740 249:20 h 257 42:50 h
Sie ging dabei davon aus, dass die Leistung nach der GOP 01950 vier Minuten und nach der GOP 01952 zehn Minuten in Anspruch nimmt.
Nachdem die Beklagte dem Kläger Gelegenheit gegeben hatte, sich zur Überschreitung der Obergrenze für die Quartalsleistungszeiten (u.a.) der Quartale I/07 bis IV/07 zu äußern (Schreiben vom 11. März 2011), ließ der Kläger durch seinen damaligen Prozess-bevollmächtigten vortragen (Schreiben vom 03. Mai 2011):
"Der Leistungserbringungsaufwand für unseren Mandanten ist nur unter Ansatz eines unrealistisch hohen Zeitaufwands im Rahmen der Drogensubstitution auffällig. Herr Dr. S versorgt einen hohen Anteil drogenabhängiger Patienten, die die Praxis täglich zur Versorgung mit Methadon aufsuchten (GOP 01950, 01952). Dabei ist die Ausgabe des Medikaments unter Gewährleistung des Arzt-Patienten-Kontakts organisiert, nimmt jedoch nicht die in dem Tagesprofil angesetzten 4 Minuten in Anspruch. Die tatsächliche benötigte Zeit beträgt allenfalls die Hälfte. [ ] Wir regen an, die Tagesprofile hinsichtlich der Ziff. 01950 und 01952 im Zeitansatz auf die Hälfte zu reduzieren".
Mit Bescheid vom 22. August 2011 hob die Beklagte die Honorarfestsetzungsbescheide des Klägers für die Quartale I/07 bis IV/07 teilweise auf und kürzte sein ärztliches Honorar für diese Quartale wie folgt: I/07 2.653,25 Euro II/07 2.796,00 Euro III/07 2.726,58 Euro IV/07 2.833,96 Euro
Zur Begründung der durchgeführten sachlich-rechnerischen Berichtigung heißt es in diesem Bescheid: Mit dem Hinweis, die zugrunde zu legende Leistungszeit für den Ansatz der GOP 01952 auf die Hälfte zu reduzieren, habe der Verfahrensbevollmächtigte des Klägers unmissverständlich eingeräumt, dass dieser bei Abrechnung der Leistungsziffer nicht die gemäß der Leistungslegende zwingend vorgeschriebene Gesprächsdauer von mindestens 10 Minuten eingehalten habe, so dass die Leistung nicht vollständig erbracht und daher weder berechnungs- noch vergütungsfähig sei. Dieses Abrechnungsverhalten offenbare den vom Kläger regelhaft begangenen Abrechnungsfehler, der auch die noch auffälligen Leistungszeitüberschreitungen erkläre. Außerdem habe der Kläger – dies ist inzwischen nicht mehr streitig – in einigen Fällen die GOP 03312 neben der GOP 03311 unzulässigerweise angesetzt. Nach Abzug der Verwaltungsgebühr (2,1 Prozent für die Quartale I und III/07, 1,9 Prozent für das Quartal IV/07) betrage der Rückforderungsbetrag 10.784,25 Euro.
Seinen hiergegen gerichteten Widerspruch begründete der Kläger damit, dass bezüglich der GOP 01952 kein Abrechnungsfehler existiere, diese Ziffer sei lediglich versehentlich am Ende des Schreibens vom 03. Mai 2011 erwähnt worden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 18. Oktober 2011 wies die Beklagte diesen Widerspruch zurück und führte zur Begründung aus: Es könne dahingestellt bleiben, ob der Kläger an Wochenenden und Feiertagen ärztlich tätig gewesen sei, ob er nur die Hälfte der vorgegebenen Tagesprofilzeit von 4 Minuten für die GOP 01950 benötigt habe oder ob der Hinweis, die GOP 01952 sei ebenfalls in der Hälfte der vorgegebenen Mindestzeit erbracht worden, ein Versehen gewesen sei. Denn in den fraglichen Quartalen habe die Anzahl der vom Kläger substituierten Patienten die Anzahl, zu der er berechtigt sei, weiterhin erheblich überstiegen. Die Überschreitungen könnten nicht auf besondere Situationen, z.B. Praxisschließung oder Übernahme der sofortigen Fortsetzung einer bereits begonnenen Substitutionsbehandlung, gestützt werden, weil dies ihr – der Beklagten – bekannt wäre. Selbst wenn man eine Toleranz von 10 Prozent zulasse, um der besonderen Lage und Behandlung Opiatabhängiger Rechnung zu tragen, werde die Grenze von 50 Patienten generell zwischen 15 und 20 Prozent überschritten. Damit könne dem Kläger der Vorwurf einer nicht ordnungsgemäßen Abrechnung gemacht werden, so dass die Garantiefunktion der Abrechnungs-Sammelerklärung entfallen sei. Bei der daher erforderlichen Neufestsetzung der Honorare habe sie – die Beklagte – ein weites Schätzungsermessen. Die Berechnung der Schadenssumme sei richtigerweise darauf zu stützten, dass der Kläger seinen Genehmigungsumfang bei der Substitutionsbehandlung erheblich ausgeweitet habe. Dies führe zu folgender Berechnung: Quartal Genehmigungsumfang + 10 % Toleranz Abgerechnete Fälle Überschreitung in % Honoraranforderung EBM-Nrn. 01950, 01951, 01952 Rückforderung gemäß Überschreitung I/07 55 69 20 % 28.062,75 EUR 5.612,55 EUR II/07 55 65 15 % 31.268,13 EUR 4.690,22 EUR III/07 55 64 15 % 31.378,77 EUR 4.706,82 EUR IV/07 55 65 15 % 23.971,10 EUR 3.595,67 EUR 18.605,26 EUR
Somit hätte eigentlich eine höhere Kürzung ausgesprochen werden müssen, was im Rahmen des Widerspruchsverfahrens aufgrund des Verbots der reformatio in peius nicht möglich gewesen sei.
Im Klageverfahren hat der Kläger vorgebracht: Wegen der o.g. Bescheide aus den Jahren 2008 und 2009 habe für die betroffenen Abrechnungsquartale schon vor der Plausibilitätsprüfung Bestandsschutz gegolten. Im Rahmen der Plausibilität seien zu Unrecht Leistungen berücksichtigt worden, die im Rahmen der sachlich-rechnerischen Richtigstellung bereits gestrichen worden seien. Die beigefügte Schadensberechnung habe die im Jahr 2007 vorgenommene Gebührenabstaffelung unberücksichtigt gelassen. Eine Rechtsgrundlage für eine von ihm einzuhaltende Beschränkung der Substitutionsbehandlung auf eine bestimmte Zahl zu substituierender Patienten gebe es nicht. Soweit sich in § 11 der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) zu Untersuchung- und Behandlungsmethoden der vertragsärztlichen Versorgung eine Beschränkung der Patienten pro Arzt finde, richte sich diese Vorschrift an die Genehmigung erteilende Kassenärztliche Vereinigung (KV), nicht jedoch an die behandelnden Ärzte. Da er alle Substitutionsbehandlungen ordnungsgemäß bei der Beklagten angemeldet habe und seitens der Beklagten keinerlei Einwände gegen den Beginn der angemeldeten Substitutionsbehandlung geltend gemacht worden seien, habe er davon ausgehen dürfen, dass er diese Substitutionsbehandlungen ohne Verstoß gegen geltendes Recht durchführen dürfe, zumal eine numerische Abweichung der Patientenzahl pro behandelndem Arzt in der vorgenannten Richtlinie durchaus vorgesehen sei. Seine Beschränkung auf eine bestimmte Patientenzahl sei ein Eingriff in seine Handlungs- und Berufsfreiheit nach Artikel 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Die Versagungsgründe für eine Substitutionsbehandlung seien in § 4 der o.g. Richtlinie abschließend aufgezählt. Eine Überschreitung der zulässigen Patientenzahl finde sich darin nicht.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht am 18. September 2013 hat der Kläger die Klage zurückgenommen, soweit sie die GOP 03311 und 03312 betrifft (Bruttobetrag 710,67 Euro). Mit Urteil vom selben Tag hat das Sozialgericht den Bescheid vom 22. August 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Oktober 2011 aufgehoben, weil das Recht der Beklagten zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung bereits durch die Bescheide vom 06. November 2008 und 03. Juni 2009 verbraucht sei.
Gegen dieses ihr frühestens am 02. Oktober 2013 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten vom 30. Oktober 2013, zu deren Begründung sie vorträgt: Es könne nicht darauf ankommen, ob sie bereits bei Erlass der Honorarbescheide hätte erkennen können, dass der Kläger mehr als 50 Substitutionspatienten behandelt habe. In Bezug auf Abrechnungsgenehmigungen werde zu diesem Zeitpunkt allenfalls geprüft, ob für genehmigungspflichtige Leistungen auch tatsächlich Genehmigungen vorlägen. Es könne zu diesem Zeitpunkt jedoch noch gar nicht festgestellt werden, ob die angeforderten Leistungen auch vollständig von der Abrechnungsgenehmigung gedeckt seien, weil hierzu die entsprechenden Genehmigungsbescheide herangezogen und im Einzelnen ausgewertet werden müssten, was die Zusammenarbeit mehrerer Fachabteilungen erfordere und die an eine routinemäßige Abrechnungsprüfung zu stellenden Anforderungen erheblich überschreite. Im Bezug auf die Bescheide vom 06. November 2008 und 03. Juni 2009 genieße der Kläger keinen Vertrauensschutz im Hinblick auf weitere Richtigstellungen anderer Leistungen. Einen Antrag, die Patientenzahl bei der Substitutionsbehandlung zu erweitern, habe der Kläger zu keinem Zeitpunkt gestellt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 18. September 2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
In der (ersten) mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 9. Mai 2018 hat die Beklagte den Widerspruchsbescheid vom 18. Oktober 2011 aufgehoben und den Widerspruch des Klägers vom 24. August 2011 gegen den Bescheid vom 22. August 2011 aus den Gründen dieses Bescheides zurückgewiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat durfte trotz des Terminsaufhebungsantrags des Klägers, den er mit akuter Myokardinsuffizienz begründete und mit einem Antrag auf Akteneinsicht für seinen neu zu bestimmenden Prozessbevollmächtigten verband, entscheiden. Dieser Antrag ging erst ca. eine Stunde vor Beginn der mündlichen Verhandlung bei Gericht ein. Zu diesem Zeitpunkt führte der Senat die mündliche Verhandlung anderer Verfahren durch. Daher durfte der Senat von einer gesonderten Entscheidung über den Terminaufhebungsantrag absehen, zumal er diese an den Kläger nicht mehr hätte so rechtzeitig übermitteln können, dass dem Kläger noch eine Teilnahme an der mündlichen Verhandlung möglich gewesen wäre. Gründe für eine Aufhebung des Termins lagen nicht vor. Die vom Kläger angegebene Erkrankung genügte schon deshalb nicht, weil bei kurzfristig gestellten Terminsaufhebungsanträge der Verhinderungsgrund so dargelegt und untermauert sein muss, dass das Gericht ohne weitere Nachforschungen selbst beurteilen kann, ob Verhandlungs- bzw. Reiseunfähigkeit besteht (BSG, Beschluss vom 13. Oktober 2010 – B 6 KA 2/10 B –, juris, m.w.N.). Hierzu enthielt der Antrag des Klägers keinerlei Angaben. Die beabsichtigte Bestellung eines (neuen) Prozessbevollmächtigten konnte eine Terminsaufhebung ebenfalls nicht rechtfertigen, weil der letzte Prozessbevollmächtigte des Klägers in diesem Rechtsstreit sein Mandat im Jahre 2015 niedergelegt hat und der Kläger keinerlei Umstände dargelegt hat, warum nicht er sich nicht bereits zum einem früheren Zeitpunkt um einen neuen Bevollmächtigten bemüht hat.
Die Berufung ist begründet. Das Urteil des Sozialgerichts ist aufzuheben, weil die Klage zwar zulässig (hierzu II.), aber unbegründet (hierzu III. und IV.) ist.
I. Streitgegenstand dieses Rechtsstreits ist der Bescheid der Beklagten vom 22. August 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Mai 2018. In zulässiger Weise hat die Beklagte den ursprünglichen Widerspruchsbescheid aufgehoben und durch einen Widerspruchsbescheid mit anderer Begründung ersetzt. Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers in seinem Terminverlegungsantrag vom 13. Juni 2018 durfte der Senat die mündliche Verhandlung am 9. Mai 2018 trotz seiner Abwesenheit durchführen. Denn hierdurch wurden Rechte des Klägers nicht verletzt. Nachdem ihm das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 9. Mai 2018 (einschließlich der darin enthaltenen Ladung zum 13. Juni 2018) mit Postzustellungsurkunde vom 18. Mai 2018 zugestellt worden war, verblieb ihm ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme zum neuen Widerspruchsbescheid und dessen Begründung. Unabhängig hiervon hat der Kläger – wie der Senat seinem o.g. Schreiben vom 13. Juni 2018 entnimmt – offenkundig verkannt, dass die Verfahren L 7 KA 84/13 und L 7 KA 52/14 unterschiedliche Streitgegenstände betreffen und das letztgenannte Verfahren bereits am 9. Mai 2018 mit einem Urteil zugunsten des Klägers beendet worden war.
II. Der Zulässigkeit der Klage steht nicht entgegen, dass der Widerspruchsbescheid vom 9. Mai 2018 von einem Terminsvertreter der Beklagten, nicht aber – wie es § 5 Abs. 2 Nr. 5 ihrer Satzung vorsieht – von der aus gewählten KV-Mitgliedern bestehenden Widerspruchsstelle erlassen wurde. Hierin liegt zwar ein Fehler. Dieser ist aber, soweit § 78 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) für die Zulässigkeit der Anfechtungsklage die Durchführung eines Vorverfahrens fordert, unbeachtlich. Denn die Fehlerfreiheit des Vorverfahrens ist keine Prozessvoraussetzung (BSG, Urteile vom 24. März 2015 – B 8 SO 16/14 R – vom 28. Oktober 1965 – 8 RV 721/62 –, juris; Beschlüsse vom 13. Juni 2013 – B 13 R 454/12 B – und vom 31. Januar 2008 – B 13 R 43/07 B –, jeweils juris; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/B. Schmidt, Sozialgerichtsgesetz, 12.A., § 78 Rd. 2).
III. Rechtsgrundlage der sachlich-rechnerischen Richtigstellung und Rückforderung ist § 106a Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch / Fünftes Buch (SGB V) in der bis zum 22. Juli 2015 geltenden, hier anzuwendenden Fassung (alte Fassung - aF). Danach stellt die KV die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der Vertragsärzte fest; dazu gehört auch die arztbezogene Prüfung der Abrechnungen auf Plausibilität sowie die Prüfung der abgerechneten Sachkosten. Die Prüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen des Vertragsarztes zielt auf die Feststellung, ob die Leistungen rechtmäßig, also im Einklang mit den gesetzlichen, vertraglichen oder satzungs-rechtlichen Vorschriften des Vertragsarztrechts - mit Ausnahme des Wirtschaftlichkeitsgebots -, erbracht und abgerechnet worden sind. Die Befugnis zu Richtigstellungen besteht auch für bereits erlassene Honorarbescheide (nachgehende Richtigstellung). Sie bedeutet dann im Umfang der vorgenommenen Korrekturen eine teilweise Rücknahme des Honorarbescheids. Die genannten Bestimmungen stellen Sonderregelungen dar, die gemäß § 37 Satz 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) in ihrem Anwendungsbereich die Regelungen des § 45 Sozialgesetzbuch / Zehntes Buch (SGB X) verdrängen. Eine nach den Bestimmungen zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung rechtmäßige (Teil-)Rücknahme des Honorarbescheids mit Wirkung für die Vergangenheit löst nach § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X eine entsprechende Rückzahlungsverpflichtung des Empfängers der Leistung aus (BSG, Urteil vom 28. August 2013 – B 6 KA 50/12 R –, juris, m.w.N.).
IV. Hieran gemessen erweist sich der Bescheid der Beklagten vom 22. August 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Mai 2011 als rechtmäßig.
1. Der Kläger hat die mit der GOP 01952 umschriebene Leistung zu Unrecht abgerechnet. Diese GOP wird als Zuschlag zur Leistung nach der GOP 01950 gewährt und umfasst als obligaten Leistungsinhalt ein therapeutisches Gespräch mit einer Dauer von mindestens 10 Minuten. Mit der GOP 01950 wird die "substitutionsgestützte Behandlung Opiatabhängiger nach den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses" (je Behandlungstag) vergütet; sie ist nur bei persönlichem Arzt-Patienten-Kontakt berechnungsfähig.
Der Kläger hat die Leistung der GOP 01952 nicht vollständig erbracht, wie der Senat seiner Stellungnahme vom 3. Mai 2011 entnimmt. Darin hat der Kläger die Auffassung vertreten, im Rahmen der Drogensubstitution werde ein unrealistisch hoher Zeitaufwand angesetzt, und die GOP 01950 und 01952 genannt. Die folgenden beiden Sätze beziehen sich auf beide GOP. Zwar entsprechen "die in den Tagesprofilen angesetzten 4 Minuten" der Prüfzeit von vier Minuten für die GOP 01950 in Anhang 3 des 2007 geltenden EBM, was nahelegt, dass der Kläger an dieser Stelle nur die GOP 01950 thematisiert. Dies ließe aber unberücksichtigt, dass der Satzanfang ("dabei") sich offenkundig auf den vorangehenden Satz bezieht, indem der Kläger zur "Versorgung mit Methadon" beide GOP zählt. Der Umstand, dass der Kläger die GOP 01952 und die "in den Tagesprofilen angesetzten 4 Minuten" im gleichen Zusammenhang erwähnt, belegt jedenfalls, dass er die Mindestdauer des therapeutischen Gesprächs von 10 Minuten entweder völlig ignoriert hat oder davon ausging, er dürfe diese Leistung auch in der Hälfte der Zeit erbringen. Für letzteres spricht auch – unabhängig von den o.g. Ausführungen des Klägers –, dass er am Ende seines Schreibens vom 3. Mai 2011 anregt, auch den Zeitansatz für die GOP 01952 "auf die Hälfte zu reduzieren". Auch aus einem weiteren Grund lässt sich dieses Schreiben des Klägers nicht dahin verstehen, dass er nur die auf die GOP 01950 entfallende Zeit halbiert sehen wollte: Denn wenn man die von der Beklagten zugrunde gelegten Quartalszeiten um die nach klägerischer Vorstellung auf die GOP 01950 entfallenden Minuten verringern würde, läge die Differenz in drei von vier streitigen Quartalen immer noch oberhalb der kritischen und daher erklärungsbedürftigen Höchstzeit von 780 Stunden (46.800 Minuten), wie sie sich aus § 8 Abs. 3 Satz 1 der von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen auf der Grundlage von § 106a Abs. 6 SGB V aF erlassenen Richtlinie (DÄBl. 2008, A-1925) ergibt: Quartal Minuten je Quartal Häufigkeit 01950 x 2 Minuten Differenz (korrigierte Quartalsminuten ) I/07 56.756 4.497 8.994 47.762 II/07 54.708 4.745 9.490 45.218 III/07 57.447 5.068 10.136 47.311 IV/07 56.709 3.737 7.474 49.235
Die gegen ihn erhobenen Vorwürfe einer implausiblen Abrechnungspraxis wären also nicht entkräftet, würde man lediglich die nach klägerischer Ansicht auf die GOP 01950 entfallenden Zeiten unberücksichtigt lassen. Hat der Kläger aber in der o.g. Stellungnahme seine Unkenntnis über den Mindestinhalt der GOP 01952 offen gelegt, indiziert dies, dass er die entsprechende Leistung auch nicht vollständig erbracht hat.
2. Das Recht der Beklagten zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung war nicht verbraucht.
Die Befugnis der KV zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung ist aus Vertrauensschutzgesichtspunkten eingeschränkt, soweit sie ihre Befugnis zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung bereits "verbraucht" hat, indem sie die Honoraranforderung des Vertragsarztes in einem der ursprünglichen Honorarverteilung nachfolgenden Verfahren auf ihre sachlich-rechnerische Richtigkeit überprüft und vorbehaltlos bestätigt hat. In diesem Fall ist die jedem Honorarbescheid innewohnende spezifische Vorläufigkeit und damit die Anwendbarkeit der Berichtigungsvorschriften entfallen (BSG, Urteil vom 28. August 2013 – B 6 KA 50/12 R –, juris, m.w.N.). Das Vertrauen eines Vertragsarztes kann in diesem Zusammenhang aber nicht weiter reichen als die bereits vorgenommene sachlich-rechnerische Richtigstellung. Beschränkte sich die frühere Prüfung auf einzelne GOP, kann Vertrauen nur insoweit entstehen, als der Vertragsarzt nicht mit einer weiteren Prüfung dieser GOP rechnen muss. Hinsichtlich anderer GOP besteht jedoch kein Vertrauensschutz (BSG, Urteile vom 08. Februar 2006 – B 6 KA 12/05 R – und vom 12. Dezember 2001 – B 6 KA 3/01 R –, juris; Clemens, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3.A. 2016, § 106a SGB V, Rn. 223).
Dass die Beklagte das Honorar des Klägers mit den Bescheiden vom 6. November 2008 und 3. Juni 2009 hinsichtlich der GOP 01730, 01731 und 01732 auch für die Quartale des Jahres 2007 korrigierte, stand einer sachlich-rechnerischen Richtigstellung im Hinblick auf die GOP 01952 nicht entgegen. Gleiches gilt für die vom Kläger angeführten Bescheide aus der Arzneimittel betreffenden Wirtschaftlichkeitsprüfung, zumal Bescheide der Prüfeinrichtungen nicht geeignet sind, Vertrauen hinsichtlich entsprechender Bescheide der KV zu begründen (Clemens a.a.O.).
3. Die von der Beklagten vorgenommene Honorarkürzung für die betroffenen Quartale ist rechtmäßig. Hat der Kläger die abgerechneten Leistungen nach der GOP 01950 nicht vollständig erbracht, stand ihm kein Vergütungsanspruch insoweit zu. Auf ein Verschulden seinerseits kommt es insoweit nicht an (BSG, Urteil vom 22. März 2006 – B 6 KA 76/04 R –, juris, m.w.N.). Die Beklagte war daher befugt, die gesamte auf die GOP entfallende Vergütung zurückzufordern (vgl. BeckOK SozR/Kols, Stand: 1. März 2017, SGB V § 106d Rn. 34). Zweifel an der Berechnung des Rückforderungsbetrags sind weder geltend gemacht noch anderweitig ersichtlich.
V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 und § 155 Abs. 4 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Der Senat berücksichtigt bei der Anwendung von § 155 Abs. 4 VwGO ("Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden."), dass die Widerspruchsstelle im Rahmen des Widerspruchsbescheids vom 18. Oktober 2011 dessen Begründung einen gegenüber dem Ausgangsbescheid vollständig anderen Sachverhalt zugrunde gelegt hat ohne den Kläger hierzu gemäß § 24 Abs. 1 SGB X anzuhören. Dieser Fehler hätte zur isolierten Aufhebung dieses Widerspruchsbescheids geführt. Hat die Beklagte aber durch fehlerhaftes Vorgehen im Widerspruchsverfahren die Klageerhebung mitveranlasst hat, ist der Anwendungsbereich von § 155 Abs. 4 VwGO eröffnet (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. April 2010 – 9 B 42/10 –; Urteil vom 26. Juni 1980 – 2 C 8/78 –, jeweils juris; Neumann; in: Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 4.A. 2014 § 155 Rn. 99f) und eine Kostenteilung angemessen.
Die Revision wird nicht zugelassen, weil Gründe hierfür (§ 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
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