Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 9 R 4458/15
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 16 R 576/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 21. Juni 2017 aufgehoben. Der Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 18. August 2015 wird aufgehoben. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin im gesamten Verfahren zu erstatten. Im Übrigen findet keine Kostenerstattung statt. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen eine Erstattungsforderung der Beklagten.
Die 1945 geborene Klägerin ist Witwe des 1939 geborenen und am 2011 an den Folgen eines Arbeitsunfalls (Wegeunfall mit dem Motorrad mit anschließender Querschnittslähmung) verstorbenen Versicherten W G. Die Ehe bestand seit 1974.
Die Beklagte bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 28. Juli 2011 antragsgemäß für die Zeit ab 1. Juni 2011 große Witwenrente in Höhe eines monatlichen Zahlbetrages von 474,64 EUR. Die Beigeladene bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 12. August 2011 ab dem Todestag bis 30. Juni 2011 Witwenrente in Höhe von monatlich 1.133,74 EUR, vom 1. Juli 2011 bis 31. August 2011 in Höhe von 1.144,96 EUR monatlich und anschließend ab 1. September 2011 in Höhe von 686,98 EUR monatlich. Sie informierte die Beklagte zugleich über die durch sie bewilligte Hinterbliebenenrente sowie darüber, dass sich die Nachzahlung für die Zeit vom 25. Mai bis 31. August 2011 auf 3.679,67 EUR belaufe und wegen eines eventuellen Erstattungsanspruchs der Beklagten einbehalten würde.
Die Beklagte berechnete die große Witwenrente mit Bescheid vom 6. September 2011 ab 1. Juni 2011 neu, errechnete für die Zeit vom 1. Juni bis 31. Oktober 2011 eine Überzahlung in Höhe von 3.130,52 EUR und forderte von der Klägerin die Erstattung dieses Betrages. Der Rentenbescheid werde hinsichtlich der Rentenhöhe ab dem 1. Juni 2011 aufgehoben, weil die Unfallrente anzurechnen sei. Die dadurch entstehende Überzahlung würde mit der einbehaltenen Nachzahlung der Unfallrente im Rahmen des Erstattungsanspruchs verrechnet werden. Aufgrund der rückwirkenden Anerkennung des Anspruchs auf Unfallrente bestehe für den Nachzahlungszeitraum der Unfallrente kraft Gesetzes ein Erstattungsanspruch gegenüber dem Unfallversicherungsträger, der Beigeladenen, so dass die Höhe der von ihr gezahlten Rente für den Zeitraum der Nachzahlung der Unfallrente rechtmäßig bleibe. Ab dem Zeitpunkt der laufenden Zahlung der Unfallrente wirke sich die Unfallrente mindernd auf die Höhe der Rente aus.
Auf den von der Beklagten der Beigeladenen gegenüber erhobenen Erstattungsanspruch für den Zeitraum vom 1. Juni bis 31. Oktober 2011 erstattete die Beigeladene der Beklagten wegen der erforderlichen zeitlichen Kongruenz der Leistungen nur 2.212,02 EUR für die Zeit vom 1. Juni bis 31. August 2011 und zahlte die darüber hinaus einbehaltenen 1.467,65 EUR an die Klägerin aus.
Mit Schreiben vom 5. Oktober 2011 forderte die Beklagte von der Klägerin die Erstattung einer restlichen Überzahlung in Höhe von 918,50 EUR für die Zeit vom 1. September bis 31. Oktober 2011, die von der Beigeladenen nicht erstattet worden sei. Die Klägerin widersprach "dem Bescheid vom 5.10.11" (Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 20. Oktober 2011, mit dem jener darüber hinaus "in Fortsetzung des gegen den Bescheid vom 6.9.11 rechtshängigen Vorverfahrens" Akteneinsicht sowie die Überprüfung der dem Versicherten bis zum 31. Mai 2011 gewährten Rente begehrte). Mit Rentenbescheid vom 19. März 2012 leistete die Beklagte der Klägerin auf die vom 1. Oktober 1993 bis 31. Januar 2004 gewährte Rente wegen Erwerbsunfähigkeit eine Nachzahlung in Höhe von 282,57 EUR. Mit dem Rentenbescheid vom 10. April 2012 stellte die Beklagte die dem Versicherten gewährte Regelaltersrente neu fest und leistete für die Zeit vom 1. Januar 2007 bis 31. Mai 2011 eine Nachzahlung in Höhe von 13,03 EUR. Mit Bescheid vom 16. April 2012 stellte die Beklagte gegenüber der Klägerin die große Witwenrente ab 1. Juni 2011 neu fest. Die Nachzahlung vom 1. Juni 2011 bis 31. Mai 2012 betrage 31,08 EUR und für die Zeit ab 1. Juni 2012 würden laufend monatlich 40,78 EUR gezahlt. Die Rente vermindere sich ab 1. Juni 2011 wegen des Zusammentreffens mit Leistungen aus der Unfallversicherung. Wegen der Berechnung der Nachzahlung wurde mit dem Bescheid auf die beigefügten Anlagen 1 und 7 verwiesen. Die Klägerin erhob gegen die Bescheide vom 19. März 2012, 10. April 2012 und 16. April 2012 Widerspruch. Mit Bescheid vom 24. September 2012 lehnte die Beklagte die Zahlung eines Übergangszuschlags ab und mit Bescheid vom 2. Oktober 2012, die Rente des Versicherten nach einem am 31. Oktober 1969 eingetretenen Leistungsfall auf der Grundlage des AVG zu berechnen. Mit Bescheid vom 20. November 2012 stellte die Beklagte die große Witwenrente ab 1. Juni 2011 neu fest und errechnete für die Zeit ab 1. Januar 2013 einen monatlichen Zahlbetrag in Höhe von 31,44 EUR unter Anrechnung der Unfallrente.
Der Prozessbevollmächtigte erwog mit Schreiben vom 17. Januar 2013 gegenüber der Beklagten, die Vorverfahren in der Hauptsache für erledigt zu erklären, sofern seine Hypothese zutreffe, dass die Bescheide vom 19. März 2012, 10. und 16. April 2012 sowie vom 20. November 2012 Gegenstand des Vorverfahrens geworden seien, "so dass im Rahmen rechtshängiger Widerspruchsverfahren abgeholfen" sei. Die Beklagte bestätigte unter dem 29. Januar 2013 die mit Schreiben vom 17. Januar 2013 vorgenommenen Rücknahme der noch anhängigen Widersprüche vom 20. Oktober 2011, 24. April und 2. Oktober 2012 und erklärte mit Bescheid vom 30. Januar 2013 die durch das Widerspruchsverfahren entstandenen notwendigen Ausgaben dem Grunde nach für erstattungsfähig. Mit Schreiben vom 14. Februar 2013 stellte sie auf Bitten des Prozessbevollmächtigten klar, dass insgesamt nur ein Widerspruchsverfahren anhängig gewesen sei, nachdem alle nach dem Widerspruch vom 20. Oktober 2011 erteilten Bescheide Gegenstand des Verfahrens geworden seien. Der Prozessbevollmächtigte beantragte daraufhin die Kostenerstattung (Kostenantrag vom 20. Februar 2013), woraufhin die notwendigen Aufwendungen für das insgesamt abgeschlossene Widerspruchsverfahren in vollem Umfang erstattet wurden (Bescheid vom 3. Juni 2013).
Mit einem Schreiben vom 12. Februar 2015 mahnte die Beklagte gegenüber der Klägerin die Erstattung der Überzahlung in Höhe von 918,50 EUR an. Der Prozessbevollmächtigte wandte ein, dass den Bescheiden vom 6. September 2011, 5. Oktober 2011 und 20. Oktober 2011 widersprochen worden sei. Eine Hauptsachenerledigungs- bzw. Rücknahmeerklärung sei nicht abgegeben worden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 18. August 2015 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 5. Oktober 2011 zurück; ein Widerspruch gegen den Bescheid vom 6. September 2011 liege nicht vor.
Die nachfolgende Klage hat das Sozialgericht Berlin (SG) mit Urteil vom 21. Juni 2017 abgewiesen. Die zulässige Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 5. Oktober 2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18. August 2015 sei unbegründet. Die Beklagte habe den aufgrund der Erfüllungsfiktion rechtmäßigen Bescheid vom 28. Juli 2011 zu Recht aufgehoben. Sie habe als nachrangig verpflichteter Leistungsträger Ersatzansprüche gegen die Beigeladene gehabt, die ihrerseits die laufenden Zahlungen zum September 2011 aufgenommen habe. Der Ersatzanspruch und die Erfüllungsfiktion hätten am 31. August 2011 geendet.
Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter und macht insbesondere geltend, der Bescheid vom 6. September 2011 sei erledigt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 21. Juni 2017 sowie den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 18. August 2015 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze Bezug genommen. Die Gerichtsakten und die Verwaltungsakten der Beklagten haben vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung, über die der Senat entsprechend den vorliegenden Einverständnissen der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG – hat entscheiden können und mit der die Klägerin entsprechend ihrer vor dem SG erhobenen Klage den Widerspruchsbescheid vom 18. August 2015 isoliert anficht (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG), ist zulässig und begründet. Das SG hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 18. August 2015, der die Klägerin selbständig beschwert, ist rechtswidrig und daher aufzuheben. Zwar bilden Ausgangs- und Widerspruchsbescheid gemäß § 95 SGG grundsätzlich eine Einheit. Danach ist Gegenstand der Klage der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat. Ist indes das Vorverfahren, wie hier, bereits vor Erlass eines Widerspruchsbescheides abgeschlossen, dann liegt kein wirksamer Widerspruch mehr vor, so dass ein gleichwohl den vermeintlichen Widerspruch zurückweisender Widerspruchsbescheid eine selbständige Beschwer enthält, der sodann alleiniger Gegenstand der Anfechtungsklage sein kann (vgl. BSG, Urteil vom 15. August 1996 – 9 RV 10/95 – juris Rn. 14; B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017 Rn. 3ff. m.w.N.).
Offenbleiben kann hier, ob es sich – wie vom SG angenommen – bei dem Schreiben der Beklagten vom 5. Oktober 2011, mit dem jene eine Restforderung gegenüber der Klägerin in Höhe von 918,50 EUR nach zwischenzeitlicher Teilerstattung durch die Beigeladene geltend gemacht hatte, um einen Verwaltungsakt – den "Ausgangsbescheid" – handelte. Dahinstehen kann für das vorliegende Verfahren auch, dass sich der Rentenbescheid vom 6. September 2011, der u.a. eine Überzahlung zulasten der Klägerin in Höhe von 3.130,52 EUR feststellte, die insgesamt mit Leistungen der Beigeladenen verrechnet werden sollte, aufgrund der Neufeststellung der Rente ab 1. Juni 2011 durch den Bescheid vom 16. April 2012, der für die Zeit vom 1. Juni 2011 bis zum 31. Mai 2012 nur noch eine Nachzahlung in Höhe von 31,08 EUR zugunsten der Klägerin regelte, gemäß § 39 Abs. 2 Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) vollständig erledigt haben dürfte (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 23. August 2005 – B 4 RA 21/04 R – juris Rn. 34). Denn soweit die Klägerin "gegen den Bescheid vom 5. Oktober 2011" Widerspruch erhoben hatte (Schreiben vom 20. Oktober 2011), hatte sich dieser jedenfalls noch vor Erlass des Widerspruchsbescheides vom 18. August 2015 erledigt. Nachdem die sachkundig vertretene Klägerin der Beklagten gegenüber die Erklärung der Hauptsachenerledigung nach zwischenzeitlichem Erlass der Bescheide vom 19. März 2012, 10. und 16. April 2012 sowie vom 20. November 2012 zunächst in Aussicht gestellt hatte (Schriftsatz vom 17. Januar 2013), ist ihre auf den Bescheid der Beklagten vom 30. Januar 2013 (Kostengrundanerkenntnis) sowie das klarstellende Schreiben vom 14. Februar 2013 einschränkungslos gestellte Kostenrechnung für das Widerspruchsverfahren (Rechnung vom 20. Februar 2013) zugleich als Erklärung der vollumfänglichen Erledigung u.a. ihres Widerspruchs vom 20. Oktober 2011 auszulegen. Dies folgt aus dem in § 133 Bürgerliches Gesetzbuch zum Ausdruck kommenden allgemeinen Rechtsgedanken, der auch im öffentlichen Recht und im Prozessrecht gilt (vgl. BSG, Urteil vom 23. Februar 2017 – B 11 AL 2/16 R – juris Rn. 15; B. Schmidt, a.a.O. § 83 Rn. 5). Der Widerspruch war damit in der Hauptsache erledigt – ein Widerspruch gegen den Rentenbescheid vom 6. September 2011 war von vornherein von der Klägerin nicht erhoben worden – und das Widerspruchsverfahren mithin beendet, welchem die Beklagte mit der Erstattung der Kosten im (gesamten) Vorverfahren gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X (Kostenfestsetzungsbescheid vom 3. Juni 2013) Rechnung trug und mit ihrem Schreiben vom 14. April 2015 der Klägerin gegenüber erneut bestätigte. Bei dieser Sachlage war die Zurückweisung des Widerspruchs der Klägerin "gegen den Bescheid vom 05.10.2011" mit dem angefochtenen Widerspruchsbescheid rechtswidrig (arg. e. § 85 Abs. 2 SGG). Denn eine – hier: nicht abhelfende – Entscheidung der Widerspruchsbehörde gemäß § 85 Abs. 2 SGG setzt ein noch unerledigtes Vorverfahren aufgrund eines wirksamen Widerspruchs voraus (vgl. § 83 SGG). Aufgrund dessen hat die Behörde sodann nachzuprüfen, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung des Antrages auf Vornahme eines Verwaltungsaktes rechtmäßig ist oder nicht. Dagegen ist ihr aufgrund der §§ 83 ff. SGG nicht die Befugnis eingeräumt, auch darüber verbindlich zu entscheiden, ob ein erledigter – vermeintlicher – Verwaltungsakt rechtswidrig oder rechtmäßig gewesen ist, weil der Widerspruchsbehörde nach Erledigung des Widerspruchs in der Hauptsache eine mit § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG vergleichbare Befugnis zur Fortsetzungsfeststellung nicht übertragen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Februar 1967 – I C 49.64 – juris Rn. 18; BVerwG, Urteil vom 15. Juli 1980 – I C 54.75 – juris Rn. 20; BSG, a.a.O.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen eine Erstattungsforderung der Beklagten.
Die 1945 geborene Klägerin ist Witwe des 1939 geborenen und am 2011 an den Folgen eines Arbeitsunfalls (Wegeunfall mit dem Motorrad mit anschließender Querschnittslähmung) verstorbenen Versicherten W G. Die Ehe bestand seit 1974.
Die Beklagte bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 28. Juli 2011 antragsgemäß für die Zeit ab 1. Juni 2011 große Witwenrente in Höhe eines monatlichen Zahlbetrages von 474,64 EUR. Die Beigeladene bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 12. August 2011 ab dem Todestag bis 30. Juni 2011 Witwenrente in Höhe von monatlich 1.133,74 EUR, vom 1. Juli 2011 bis 31. August 2011 in Höhe von 1.144,96 EUR monatlich und anschließend ab 1. September 2011 in Höhe von 686,98 EUR monatlich. Sie informierte die Beklagte zugleich über die durch sie bewilligte Hinterbliebenenrente sowie darüber, dass sich die Nachzahlung für die Zeit vom 25. Mai bis 31. August 2011 auf 3.679,67 EUR belaufe und wegen eines eventuellen Erstattungsanspruchs der Beklagten einbehalten würde.
Die Beklagte berechnete die große Witwenrente mit Bescheid vom 6. September 2011 ab 1. Juni 2011 neu, errechnete für die Zeit vom 1. Juni bis 31. Oktober 2011 eine Überzahlung in Höhe von 3.130,52 EUR und forderte von der Klägerin die Erstattung dieses Betrages. Der Rentenbescheid werde hinsichtlich der Rentenhöhe ab dem 1. Juni 2011 aufgehoben, weil die Unfallrente anzurechnen sei. Die dadurch entstehende Überzahlung würde mit der einbehaltenen Nachzahlung der Unfallrente im Rahmen des Erstattungsanspruchs verrechnet werden. Aufgrund der rückwirkenden Anerkennung des Anspruchs auf Unfallrente bestehe für den Nachzahlungszeitraum der Unfallrente kraft Gesetzes ein Erstattungsanspruch gegenüber dem Unfallversicherungsträger, der Beigeladenen, so dass die Höhe der von ihr gezahlten Rente für den Zeitraum der Nachzahlung der Unfallrente rechtmäßig bleibe. Ab dem Zeitpunkt der laufenden Zahlung der Unfallrente wirke sich die Unfallrente mindernd auf die Höhe der Rente aus.
Auf den von der Beklagten der Beigeladenen gegenüber erhobenen Erstattungsanspruch für den Zeitraum vom 1. Juni bis 31. Oktober 2011 erstattete die Beigeladene der Beklagten wegen der erforderlichen zeitlichen Kongruenz der Leistungen nur 2.212,02 EUR für die Zeit vom 1. Juni bis 31. August 2011 und zahlte die darüber hinaus einbehaltenen 1.467,65 EUR an die Klägerin aus.
Mit Schreiben vom 5. Oktober 2011 forderte die Beklagte von der Klägerin die Erstattung einer restlichen Überzahlung in Höhe von 918,50 EUR für die Zeit vom 1. September bis 31. Oktober 2011, die von der Beigeladenen nicht erstattet worden sei. Die Klägerin widersprach "dem Bescheid vom 5.10.11" (Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 20. Oktober 2011, mit dem jener darüber hinaus "in Fortsetzung des gegen den Bescheid vom 6.9.11 rechtshängigen Vorverfahrens" Akteneinsicht sowie die Überprüfung der dem Versicherten bis zum 31. Mai 2011 gewährten Rente begehrte). Mit Rentenbescheid vom 19. März 2012 leistete die Beklagte der Klägerin auf die vom 1. Oktober 1993 bis 31. Januar 2004 gewährte Rente wegen Erwerbsunfähigkeit eine Nachzahlung in Höhe von 282,57 EUR. Mit dem Rentenbescheid vom 10. April 2012 stellte die Beklagte die dem Versicherten gewährte Regelaltersrente neu fest und leistete für die Zeit vom 1. Januar 2007 bis 31. Mai 2011 eine Nachzahlung in Höhe von 13,03 EUR. Mit Bescheid vom 16. April 2012 stellte die Beklagte gegenüber der Klägerin die große Witwenrente ab 1. Juni 2011 neu fest. Die Nachzahlung vom 1. Juni 2011 bis 31. Mai 2012 betrage 31,08 EUR und für die Zeit ab 1. Juni 2012 würden laufend monatlich 40,78 EUR gezahlt. Die Rente vermindere sich ab 1. Juni 2011 wegen des Zusammentreffens mit Leistungen aus der Unfallversicherung. Wegen der Berechnung der Nachzahlung wurde mit dem Bescheid auf die beigefügten Anlagen 1 und 7 verwiesen. Die Klägerin erhob gegen die Bescheide vom 19. März 2012, 10. April 2012 und 16. April 2012 Widerspruch. Mit Bescheid vom 24. September 2012 lehnte die Beklagte die Zahlung eines Übergangszuschlags ab und mit Bescheid vom 2. Oktober 2012, die Rente des Versicherten nach einem am 31. Oktober 1969 eingetretenen Leistungsfall auf der Grundlage des AVG zu berechnen. Mit Bescheid vom 20. November 2012 stellte die Beklagte die große Witwenrente ab 1. Juni 2011 neu fest und errechnete für die Zeit ab 1. Januar 2013 einen monatlichen Zahlbetrag in Höhe von 31,44 EUR unter Anrechnung der Unfallrente.
Der Prozessbevollmächtigte erwog mit Schreiben vom 17. Januar 2013 gegenüber der Beklagten, die Vorverfahren in der Hauptsache für erledigt zu erklären, sofern seine Hypothese zutreffe, dass die Bescheide vom 19. März 2012, 10. und 16. April 2012 sowie vom 20. November 2012 Gegenstand des Vorverfahrens geworden seien, "so dass im Rahmen rechtshängiger Widerspruchsverfahren abgeholfen" sei. Die Beklagte bestätigte unter dem 29. Januar 2013 die mit Schreiben vom 17. Januar 2013 vorgenommenen Rücknahme der noch anhängigen Widersprüche vom 20. Oktober 2011, 24. April und 2. Oktober 2012 und erklärte mit Bescheid vom 30. Januar 2013 die durch das Widerspruchsverfahren entstandenen notwendigen Ausgaben dem Grunde nach für erstattungsfähig. Mit Schreiben vom 14. Februar 2013 stellte sie auf Bitten des Prozessbevollmächtigten klar, dass insgesamt nur ein Widerspruchsverfahren anhängig gewesen sei, nachdem alle nach dem Widerspruch vom 20. Oktober 2011 erteilten Bescheide Gegenstand des Verfahrens geworden seien. Der Prozessbevollmächtigte beantragte daraufhin die Kostenerstattung (Kostenantrag vom 20. Februar 2013), woraufhin die notwendigen Aufwendungen für das insgesamt abgeschlossene Widerspruchsverfahren in vollem Umfang erstattet wurden (Bescheid vom 3. Juni 2013).
Mit einem Schreiben vom 12. Februar 2015 mahnte die Beklagte gegenüber der Klägerin die Erstattung der Überzahlung in Höhe von 918,50 EUR an. Der Prozessbevollmächtigte wandte ein, dass den Bescheiden vom 6. September 2011, 5. Oktober 2011 und 20. Oktober 2011 widersprochen worden sei. Eine Hauptsachenerledigungs- bzw. Rücknahmeerklärung sei nicht abgegeben worden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 18. August 2015 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 5. Oktober 2011 zurück; ein Widerspruch gegen den Bescheid vom 6. September 2011 liege nicht vor.
Die nachfolgende Klage hat das Sozialgericht Berlin (SG) mit Urteil vom 21. Juni 2017 abgewiesen. Die zulässige Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 5. Oktober 2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18. August 2015 sei unbegründet. Die Beklagte habe den aufgrund der Erfüllungsfiktion rechtmäßigen Bescheid vom 28. Juli 2011 zu Recht aufgehoben. Sie habe als nachrangig verpflichteter Leistungsträger Ersatzansprüche gegen die Beigeladene gehabt, die ihrerseits die laufenden Zahlungen zum September 2011 aufgenommen habe. Der Ersatzanspruch und die Erfüllungsfiktion hätten am 31. August 2011 geendet.
Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter und macht insbesondere geltend, der Bescheid vom 6. September 2011 sei erledigt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 21. Juni 2017 sowie den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 18. August 2015 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze Bezug genommen. Die Gerichtsakten und die Verwaltungsakten der Beklagten haben vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung, über die der Senat entsprechend den vorliegenden Einverständnissen der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG – hat entscheiden können und mit der die Klägerin entsprechend ihrer vor dem SG erhobenen Klage den Widerspruchsbescheid vom 18. August 2015 isoliert anficht (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG), ist zulässig und begründet. Das SG hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 18. August 2015, der die Klägerin selbständig beschwert, ist rechtswidrig und daher aufzuheben. Zwar bilden Ausgangs- und Widerspruchsbescheid gemäß § 95 SGG grundsätzlich eine Einheit. Danach ist Gegenstand der Klage der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat. Ist indes das Vorverfahren, wie hier, bereits vor Erlass eines Widerspruchsbescheides abgeschlossen, dann liegt kein wirksamer Widerspruch mehr vor, so dass ein gleichwohl den vermeintlichen Widerspruch zurückweisender Widerspruchsbescheid eine selbständige Beschwer enthält, der sodann alleiniger Gegenstand der Anfechtungsklage sein kann (vgl. BSG, Urteil vom 15. August 1996 – 9 RV 10/95 – juris Rn. 14; B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017 Rn. 3ff. m.w.N.).
Offenbleiben kann hier, ob es sich – wie vom SG angenommen – bei dem Schreiben der Beklagten vom 5. Oktober 2011, mit dem jene eine Restforderung gegenüber der Klägerin in Höhe von 918,50 EUR nach zwischenzeitlicher Teilerstattung durch die Beigeladene geltend gemacht hatte, um einen Verwaltungsakt – den "Ausgangsbescheid" – handelte. Dahinstehen kann für das vorliegende Verfahren auch, dass sich der Rentenbescheid vom 6. September 2011, der u.a. eine Überzahlung zulasten der Klägerin in Höhe von 3.130,52 EUR feststellte, die insgesamt mit Leistungen der Beigeladenen verrechnet werden sollte, aufgrund der Neufeststellung der Rente ab 1. Juni 2011 durch den Bescheid vom 16. April 2012, der für die Zeit vom 1. Juni 2011 bis zum 31. Mai 2012 nur noch eine Nachzahlung in Höhe von 31,08 EUR zugunsten der Klägerin regelte, gemäß § 39 Abs. 2 Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) vollständig erledigt haben dürfte (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 23. August 2005 – B 4 RA 21/04 R – juris Rn. 34). Denn soweit die Klägerin "gegen den Bescheid vom 5. Oktober 2011" Widerspruch erhoben hatte (Schreiben vom 20. Oktober 2011), hatte sich dieser jedenfalls noch vor Erlass des Widerspruchsbescheides vom 18. August 2015 erledigt. Nachdem die sachkundig vertretene Klägerin der Beklagten gegenüber die Erklärung der Hauptsachenerledigung nach zwischenzeitlichem Erlass der Bescheide vom 19. März 2012, 10. und 16. April 2012 sowie vom 20. November 2012 zunächst in Aussicht gestellt hatte (Schriftsatz vom 17. Januar 2013), ist ihre auf den Bescheid der Beklagten vom 30. Januar 2013 (Kostengrundanerkenntnis) sowie das klarstellende Schreiben vom 14. Februar 2013 einschränkungslos gestellte Kostenrechnung für das Widerspruchsverfahren (Rechnung vom 20. Februar 2013) zugleich als Erklärung der vollumfänglichen Erledigung u.a. ihres Widerspruchs vom 20. Oktober 2011 auszulegen. Dies folgt aus dem in § 133 Bürgerliches Gesetzbuch zum Ausdruck kommenden allgemeinen Rechtsgedanken, der auch im öffentlichen Recht und im Prozessrecht gilt (vgl. BSG, Urteil vom 23. Februar 2017 – B 11 AL 2/16 R – juris Rn. 15; B. Schmidt, a.a.O. § 83 Rn. 5). Der Widerspruch war damit in der Hauptsache erledigt – ein Widerspruch gegen den Rentenbescheid vom 6. September 2011 war von vornherein von der Klägerin nicht erhoben worden – und das Widerspruchsverfahren mithin beendet, welchem die Beklagte mit der Erstattung der Kosten im (gesamten) Vorverfahren gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X (Kostenfestsetzungsbescheid vom 3. Juni 2013) Rechnung trug und mit ihrem Schreiben vom 14. April 2015 der Klägerin gegenüber erneut bestätigte. Bei dieser Sachlage war die Zurückweisung des Widerspruchs der Klägerin "gegen den Bescheid vom 05.10.2011" mit dem angefochtenen Widerspruchsbescheid rechtswidrig (arg. e. § 85 Abs. 2 SGG). Denn eine – hier: nicht abhelfende – Entscheidung der Widerspruchsbehörde gemäß § 85 Abs. 2 SGG setzt ein noch unerledigtes Vorverfahren aufgrund eines wirksamen Widerspruchs voraus (vgl. § 83 SGG). Aufgrund dessen hat die Behörde sodann nachzuprüfen, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung des Antrages auf Vornahme eines Verwaltungsaktes rechtmäßig ist oder nicht. Dagegen ist ihr aufgrund der §§ 83 ff. SGG nicht die Befugnis eingeräumt, auch darüber verbindlich zu entscheiden, ob ein erledigter – vermeintlicher – Verwaltungsakt rechtswidrig oder rechtmäßig gewesen ist, weil der Widerspruchsbehörde nach Erledigung des Widerspruchs in der Hauptsache eine mit § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG vergleichbare Befugnis zur Fortsetzungsfeststellung nicht übertragen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Februar 1967 – I C 49.64 – juris Rn. 18; BVerwG, Urteil vom 15. Juli 1980 – I C 54.75 – juris Rn. 20; BSG, a.a.O.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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BRB
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