Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 11 AL 1151/02
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 9 AL 254/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 14. Oktober 2004 sowie der Bescheid der Beklagten vom 24. April 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Juni 2002 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger Arbeitslosengeld für die Zeit ab 15. Mai 2001 für 333 Kalendertage in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
II. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Es geht in dem Rechtsstreit um Arbeitslosengeld ab 15. Mai 2001 und dabei insbesondere um die Frage, ob ein Restanspruch gemäß § 147 Abs. 2 Sozialgesetzbuch 3. Buch (SGB 3) erloschen ist. Der 1953 geborene Kläger ist gelernter Schreiner und Holztechniker. Er war zuletzt versicherungspflichtig beschäftigt von April 1991 bis 31. August 1997 und bezog sodann vom 1. September 1997 bis zum 31. Juli 1998 Arbeitslosengeld. Mit Bescheid vom 22. Januar 1998 hatte die Beklagte dem Kläger mitgeteilt, dass er ab 1. Januar 1998 nach Umrechnung des bisherigen Restanspruchs noch 545 Kalendertage Anspruch auf Arbeitslosengeld habe, so dass zum 31. Juli 1998 ein Restanspruch von 333 Kalendertagen verblieb. Zum 1. August 1998 nahm der Kläger eine selbständige Tätigkeit auf (lt. Gewerbeanmeldung: Montage von vorgefertigten Teilen (Fenster, Möbel, Türen). Zum 27. April 2001 meldete der Kläger das Gewerbe wieder ab. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob sich der Kläger Anfang bis spätestens Mitte Mai 2001 bei dem Arbeitsamt gemeldet, dort ein Formular über seinen beruflichen Werdegang ausgefüllt und mit einem Sachbearbeiter ein Beratungsgespräch geführt hat. In den zwischenzeitlich bei der Beklagten offenbar versehentlich vernichteten Leistungsakten der Beklagten sollen über die Vorsprache im Mai 2001 keine Unterlagen enthalten gewesen sein. Am 12. April 2002 hat der Kläger bei der Beklagten vorgesprochen, sich arbeitslos gemeldet und Arbeitslosengeld beantragt. Mit Bescheid vom 24. April 2002 hat die Beklagte den Antrag mit der Begründung abgelehnt, der Kläger habe seit dem Erlöschen des Anspruchs am 2. September 2001 nicht mindestens 12 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden und daher keine neue Anwartschaft erworben. Einen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe erfülle der Kläger ebenfalls nicht, da er innerhalb der Vorfrist vom 12. April 1999 bis zum 1. April 2002 kein Arbeitslosengeld bezogen habe. Den hiergegen eingelegten Widerspruch hat die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 7. Juni 2002 zurückgewiesen. Zur Begründung hat die Beklagte u. a. ausgeführt, der Anspruch auf Arbeitslosengeld könne gemäß § 147 SGB 3 nicht mehr geltend gemacht werden, wenn nach seiner Entstehung vier Jahre verstrichen seien. Der am 1. September 1997 entstandene Anspruch sei am 2. September 2001 erloschen und habe daher am 12. April 2002 nicht mehr geltend gemacht werden können. Soweit der Kläger geltend mache, er sei bereits zu einem Zeitpunkt bei dem Arbeitsamt vorstellig geworden, zu dem der Anspruch noch nicht erloschen gewesen sei, könne dies zu keinem anderen Ergebnis führen. Es fehle nämlich an einer persönlichen Arbeitslosmeldung als materiell-rechtliche Anspruchsvoraussetzung. Hätte der Kläger klar zu erkennen gegeben, dass die Vorsprache der Arbeitslosmeldung diene, wäre dies auch entsprechend dokumentiert worden. Eine andere Entscheidung lasse sich auch nicht im Wege eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches erreichen, da eine formelle Arbeitslosmeldung vor dem 12. April 2002 nicht feststellbar sei. Es sei auch fraglich, inwieweit eine Verletzung der Beratungs- und Betreuungspflicht unterstellt werden könne. Bei einem Hinweis auf einen vorangegangenen Bezug von Arbeitslosengeld wäre dies sicherlich überprüft und eine entsprechend andere Auskunft erteilt worden. Hiergegen hat der Kläger am 5. Juli 2002 Klage erhoben. Der Kläger hat den bisherigen Vortrag wiederholt und vertieft. Die Kernaussage des Sachbearbeiters, mit dem er bei seiner ersten Vorsprache im Jahre 2001 geredet habe, sei gewesen, er müsse sich erst mal um die eigenen Leute kümmern. Im Termin am 14. Oktober 2004 hat das Sozialgericht Kassel den Kläger persönlich gehört und dessen Ehefrau als Zeugin vernommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des Protokolls Bezug genommen.
Mit Urteil vom 14. Oktober 2004 hat das Sozialgericht Kassel die Klage abgewiesen im Wesentlichen mit der Begründung, der Kläger habe die gemäß § 123 SGB 3 erforderliche Anwartschaft in der gemäß § 124 SGB 3 verlängerten Rahmenfrist (1. September 1997 bis 11. April 2002) nicht zurückgelegt, da er in der gesamten Zeit keine versicherungspflichtige Beschäftigung zurückgelegt habe. Die Geltendmachung des bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit verbliebenen Restanspruchs auf Arbeitslosengeld von 333 Tagen am 12. April 2002 sei gemäß § 147 Abs. 2 SGB 3 nicht mehr möglich gewesen, da nach Entstehung des Anspruchs (1. September 1997) bereits vier Jahre verstrichen gewesen seien. Auch unter dem Gesichtspunkt eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs könne der Kläger nicht so gestellt werden, als habe er den Antrag auf Arbeitslosengeld vor dem 1. September 2001 geltend gemacht. Denn eine persönliche Arbeitslosmeldung des Klägers vor dem 1. September 2001 könne nicht als erwiesen angesehen werden. Zwar sei nach den Angaben des Klägers und seiner Ehefrau glaubhaft, dass der Kläger nach der offiziellen Abmeldung seines Gewerbes bei der Arbeitsvermittlung der Beklagten vorgesprochen habe. Eine Arbeitslosmeldung lasse sich daraus jedoch nicht entnehmen. Vielmehr sei es ihm weniger um die Gewährung von Leistungen als um die Sondierung der Lage im Hinblick auf die Vermittlung von Arbeitsstellen gegangen. Denn anderenfalls wären seine Angaben in die Bewerberdatei des Arbeitsamtes aufgenommen worden. Allerdings werde die Vermittlungstätigkeit gemäß § 38 Abs. 1 und Abs. 2 SGB 3 nach drei Monaten eingestellt, wenn der Arbeitslose sein Arbeitsgesuch nicht erneuere. Der Kläger habe sich aber nicht nach einem Vierteljahr wieder bei der Beklagten gemeldet, sondern erst nach fast einem Jahr. Damit habe er spätestens nach einem Vierteljahr (nach seiner Vorsprache im Mai 2001) dem Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung gestanden.
Gegen das am 4. November 2004 zugestellte Urteil hat der Kläger am 3. Dezember 2004 Berufung eingelegt. Der Kläger trägt vor, er sei im Mai 2001 persönlich im Arbeitsamt gewesen, so dass im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches die fehlende Arbeitslosmeldung durchaus ersetzt werden könne. Das Sozialgericht verkenne bei Auslegung des § 122 Abs. 1 SGB 3, dass seine Vorsprache entsprechende Pflichten des Arbeitsamtes ausgelöst hätte und mithin Folgen von Beratungsdefiziten auch im Grundsatz über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch ausgeglichen werden könnten. Insoweit könne die Rechtsprechung zur Nichtersetzbarkeit der persönlichen Arbeitslosmeldung bei Fehlen jeglicher Vorsprache nicht herangezogen werden. Das Sozialgericht sei lebensfremd, wenn es von ihm verlange, dass er auf der Stellung eines Arbeitslosengeld-Antrages hätte bestehen müssen. Er habe sich zum Arbeitsamt und dort in die Hand und die Anleitung des Sachbearbeiters begeben. Die Annahme des Sozialgerichts, er habe sich nur nach Qualifizierungsmaßnahmen erkundigt, sei lebensfremd. Selbstverständlich habe er das "volle Programm" haben wollen und dabei sei auch über den Arbeitslosengeld-Anspruch gesprochen worden, wenngleich auch nur in Bausch und Bogen ablehnend. Die Beratungspflichten des Arbeitsamtes würden dabei vom Sozialgericht zu eng eingegrenzt, während die Obliegenheiten des einfachen Mannes zu weit gefasst würden. Der Kläger hat die noch bei ihm befindlichen und den streitbefangenen Vorgang betreffenden Unterlagen vorgelegt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 14. Oktober 2004, sowie den Bescheid der Beklagten vom 24. April 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Juni 2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Arbeitslosengeld ab 15. Mai 2001 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte trägt vor, trotz intensiver Suche seien die Verwaltungsakten des Klägers nicht aufgefunden worden. Sowohl die CoLei- als auch die BewA-Daten seien gelöscht. Nach Auskunft der zuständigen Agentur für Arbeit K. stehe zu vermuten, dass die Verwaltungsakten Ende 2004 versehentlich vernichtet worden seien. Es könnten nur die Kopien aus den eigenen Prozessunterlagen vorgelegt werden. Bei einer Prüfung mit den Personalien des Klägers anhand der EDV im Mai 2001 wären der Vorbezug von Arbeitslosengeld und der damals noch bestehende Restanspruch im Arbeitsamt festzustellen gewesen. Wenn ein Arbeitsloser lediglich Arbeitsvermittlung begehre, aber keinen Leistungsantrag stelle, würden lediglich die persönlichen Daten als BewA in CoArb eingetragen. Hierzu werde dem Bewerber ein Anmeldebogen ausgehändigt, in den der Betreffende seine persönlichen Daten eintrage, die dann zur EDV übertragen würden. Dieser Anmeldebogen ersetze nicht die Arbeitslosmeldung. Weitere Unterlagen würden bei dieser Fallgestaltung nicht gefertigt. Der EDV-Datensatz bleibe drei Monate aktiv; wenn sich der Bewerber innerhalb von drei Monaten nicht mehr bei der Beklagten melde, werde der Datensatz deaktiviert. Ab dem Zeitpunkt der Deaktivierung bestehe für weitere 10 Monate die Möglichkeit, im Bedarfsfall den Datensatz wieder aufzurufen. Dies wäre aus der Sicht der Beklagten auch anlässlich der am 12. April 2002 erfolgten Arbeitslosmeldung geschehen. Obwohl der 12. April 2002 noch innerhalb der 10-Monatsfrist gelegen habe, sei offensichtlich ein solcher Datensatz nicht mehr vorhanden gewesen. BewAs lägen bei der Beklagten erst ab dem Tag der persönlichen Arbeitslosmeldung am 12. April 2002 vor. Da der Kläger Leistungen begehre, trage er die Beweislast für die Tatsachen, die den von ihm geltend gemachten Anspruch begründeten. Wie in dem vom Bundessozialgericht (BSG) mit Urteil vom 19. Januar 2005 entschiedenen Fall sei auch im vorliegenden Fall nirgends eine Vorsprache bei der Beklagten dokumentiert. Das BSG habe vorgegeben, dass bei einem solchen Sachverhalt ausdrücklich ermittelt werden müsse, ob in der behaupteten Zeit tatsächlich eine Vorsprache bei der Beklagten erfolgt sei.
Die Beklagte hat die bei ihr noch vorhandenen EDV-Auszüge vorgelegt.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt worden, sowie an sich statthaft und somit insgesamt zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz – SGG -).
Die Berufung ist auch begründet. Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts vom 14. Oktober 2004 ist rechtswidrig und war deshalb aufzuheben. Der Bescheid der Beklagten vom 24. April 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Juni 2002 hat zu Unrecht einen Restanspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld verneint und die begehrte Leistung abgelehnt.
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Bewilligung von Arbeitslosengeld von noch 333 Tagen für die Zeit ab 15. Mai 2001 gemäß §§ 117, 118, 119, 122 SGB 3. Der Kläger war arbeitslos, hatte sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet und hatte einen am 1. September 1997 entstandenen Anspruch auf Arbeitslosengeld von restlichen 333 Tagen. Der Anspruch konnte auch noch vom Kläger geltend gemacht werden, da die Ausschlussfrist des 147 Abs. 2 SGB 3 am 15. Mai 2001 noch nicht verstrichen war.
Zur Überzeugung des erkennenden Senates steht fest, dass der Kläger spätestens am 15. Mai 2001 bei dem zuständigen Arbeitsamt vorgesprochen und sich dort arbeitslos gemeldet hat, § 122 Abs. 1 Satz 1 SGB 3. Dies ergibt sich aus den glaubhaften und glaubwürdigen Angaben des Klägers im Termin am 13. März 2006 unter Berücksichtigung auch der Feststellungen des Sozialgerichts im angefochtenen Urteil, dass es glaubhaft sei, dass der Kläger nach seinen Angaben und der Aussage seiner Ehefrau als Zeugin nach der offiziellen Abmeldung seines Gewerbes bei der Arbeitsvermittlung der Beklagten vorgesprochen habe. Nach der Abmeldung seines selbständigen Gewerbes (27. April 2001), das der Kläger 2 ¾ Jahre betrieben hatte, gab es für den Kläger allen Grund, sich zum Arbeitsamt zu begeben. Er hat im Termin am 13. März 2006 auch eindringlich geschildert, dass sein Hauptanliegen eine Verbesserung seiner beruflichen Chancen durch eine Umschulung oder Fortbildung war. Hier schätzte er seine Berufschancen ohne eine solche Maßnahme als ungünstig ein und es schwebte ihm vor allem eine Fortbildung in CAD (computergestütztes Zeichnen) vor. Dies hat er auch bei dem Sachbearbeiter zum Ausdruck gebracht, dass er sein Gewerbe aufgegeben habe, dass er zur Zeit keine Beschäftigung habe und dass er eine neue Beschäftigung suche. Dabei sind nach Auffassung des erkennenden Senates an die Arbeitslosmeldung als Tatsachenerklärung keine übertriebenen Anforderungen zu stellen (vgl. BSG 19.1.2005 - B 11a/11 AL 41/04 R = SGb 2005, 233). Im Gegensatz zum angefochtenen Urteil des Sozialgerichts sieht der erkennende Senat die Arbeitslosmeldung bereits dann als erfüllt an, wenn ein Versicherter persönlich bei dem Arbeitsamt vorspricht, darauf hinweist, dass seine letzte Beschäftigung beendet ist (sei diese selbständiger oder unselbständiger Art gewesen), und zum Ausdruck bringt, dass er eine (unselbständige) Arbeit sucht und hierzu die Hilfe des Arbeitsamtes in Anspruch nehmen möchte. Der Kläger war auch dringend auf Arbeitseinkommen angewiesen, da das von der Familie bewohnte Einfamilienhaus weiter finanziert werden musste und das Einkommen der Ehefrau für die Ausgaben der Familie nicht ausgereicht hat. Dementsprechend war bei Fortdauer der Arbeitslosigkeit des Klägers ohne entsprechende Einnahmen das Haus nicht mehr zu halten und musste veräußert werden, nachdem ein zur Überbrückung aufgenommenes weiteres Darlehen ebenfalls nicht mehr abgedeckt werden konnte. Die zusätzliche ausdrückliche Stellung eines Antrages auf Arbeitslosengeld, die nach den insoweit etwas unklaren Angaben des Klägers durchaus unterblieben sein kann, ist jedoch nicht mehr Leistungsvoraussetzung (vgl. Scheidt in PK-SGB III § 117 RdNr. 2), sondern gilt mit der Arbeitslosmeldung als gestellt (Scheidt s. o.). Der Senat hat dem Kläger auch geglaubt, dass dieser nach der Selbständigkeit nicht mehr davon ausgegangen ist, dass ihm noch ein Anspruch auf Arbeitslosengeld zustehe, da er sich selbst insoweit vorwirft, dass er wohl zu dumm gewesen sei, um auf diese Idee zu kommen. Der Senat sieht auch keinen Widerspruch darin, dass der Kläger sich erst wieder im April 2002 bei der Beklagten gemeldet hat. Aus Sicht des Klägers hatte er von der Beklagten auch keine Unterstützung hinsichtlich Fortbildung und Suche für eine neue Arbeit zu erwarten. Insoweit sei ihm von dem Sachbearbeiter klar gemacht worden, dass dieser sich zuerst um die eigenen Leute kümmern müsse, womit er nach Verständnis des Klägers wohl die Arbeitslosen mit Leistungsanspruch gemeint haben muss. Da der Kläger sich buchstäblich "rausgeschmissen vorkam", konnte auch nicht von ihm erwartet werden, dass er sich durch weitere Besuche bei dem Arbeitsamt um die ihm dort verweigerte Unterstützung bemühte. Der erkennende Senat geht ferner davon aus, dass die Arbeitslosigkeit des Klägers bis zu seiner erneuten Meldung im April 2002 andauerte, dass er sich insbesondere umfassend um Arbeit bemühte und auch durchgehend arbeitsbereit und arbeitsfähig war, § 119 SGB 3. Der Kläger hat insoweit überzeugend angegeben, dass er sich weder außerhalb des Wohnortes aufgehalten noch arbeitsunfähig gewesen ist und alle Möglichkeiten der Arbeitssuche genutzt hat, so z. B. 80 bis 100 (evtl. sogar 120) schriftliche Bewerbungen abgeschickt hat und auch täglich SIS über Internet benutzt hat (wie sich aus einer der noch vorhandenen BewA-Vermerke - hier 12.4.2002 – ergibt). Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts hat die Vorschrift des § 38 Abs. 4 Satz 2 SGB 3 keine Auswirkung auf den vorliegenden Fall, da sie nur bei Arbeitsuchenden ohne Leistungsanspruch Anwendung findet. Bei Arbeitsuchenden mit Anspruch auf Ersatz des Arbeitsentgelts bei Arbeitslosigkeit besteht die Verpflichtung der Beklagten zur Arbeitsvermittlung auch ohne Erneuerung des Arbeitsgesuchs, § 38 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB 3 (vgl. Mutschler in PK-SGB III § 38 RdNr. 29, a. M. LSG NRW 6.12.2001 – L 9 AL 100/00).
Hinsichtlich des Beginns des Anspruchs geht der erkennende Senat davon aus, dass der genaue Tag der Vorsprache nicht mehr feststellbar ist, jedoch nach den Angaben der Ehefrau des Klägers spätestens bis Mitte Mai 2001 stattgefunden hat, so dass jedenfalls der 15. Mai 2001 als feststellbarer spätester Beginn des Anspruchs anzunehmen ist. Entgegen der Auffassung der Beklagten sieht der erkennende Senat es nicht als schlüssig an, dass das im April 2002 festgestellte Fehlen eines EDV-mäßigen Eintrages über eine Vorsprache des Klägers den Nachweis erbringe, dass eine solche Vorsprache im April/Mai 2001 auf keinen Fall stattgefunden haben kann. Bei Einräumung aller Sorgfalt und Sicherheit von Dienstanweisungen und auch Computerprogrammen kann niemals ausgeschlossen werden, dass entweder Eintragungen nicht richtig erfolgen, nicht nachvollzogen werden oder sich einem versuchten Zugriff entziehen. Dies lässt sich im vorliegenden Fall bereits daran erkennen, dass die Verwaltungsakten der Beklagten in deren Herrschaftsbereich nicht mehr auffindbar und vermutlich versehentlich vernichtet worden sind und auch die CoLei- und BewA-Daten nach Angaben der Beklagten gelöscht wurden, obwohl sich dies bei noch anhängigem Gerichtsverfahren von selbst verbietet.
Da der erkennende Senat davon ausgeht, dass der Kläger sich bis zum 15. Mai 2001 bei der Beklagten arbeitslos gemeldet hat, war nicht mehr zu prüfen, ob und in welchem Umfang ein Beratungsfehler im Bereich der Beklagten vorgelegen hat und ob sich daraus der vom Kläger begehrte Anspruch auf Arbeitslosengeld ab 15. Mai 2001 im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ableiten ließe (vgl. BSG 19.1.2005 s. o.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
II. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Es geht in dem Rechtsstreit um Arbeitslosengeld ab 15. Mai 2001 und dabei insbesondere um die Frage, ob ein Restanspruch gemäß § 147 Abs. 2 Sozialgesetzbuch 3. Buch (SGB 3) erloschen ist. Der 1953 geborene Kläger ist gelernter Schreiner und Holztechniker. Er war zuletzt versicherungspflichtig beschäftigt von April 1991 bis 31. August 1997 und bezog sodann vom 1. September 1997 bis zum 31. Juli 1998 Arbeitslosengeld. Mit Bescheid vom 22. Januar 1998 hatte die Beklagte dem Kläger mitgeteilt, dass er ab 1. Januar 1998 nach Umrechnung des bisherigen Restanspruchs noch 545 Kalendertage Anspruch auf Arbeitslosengeld habe, so dass zum 31. Juli 1998 ein Restanspruch von 333 Kalendertagen verblieb. Zum 1. August 1998 nahm der Kläger eine selbständige Tätigkeit auf (lt. Gewerbeanmeldung: Montage von vorgefertigten Teilen (Fenster, Möbel, Türen). Zum 27. April 2001 meldete der Kläger das Gewerbe wieder ab. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob sich der Kläger Anfang bis spätestens Mitte Mai 2001 bei dem Arbeitsamt gemeldet, dort ein Formular über seinen beruflichen Werdegang ausgefüllt und mit einem Sachbearbeiter ein Beratungsgespräch geführt hat. In den zwischenzeitlich bei der Beklagten offenbar versehentlich vernichteten Leistungsakten der Beklagten sollen über die Vorsprache im Mai 2001 keine Unterlagen enthalten gewesen sein. Am 12. April 2002 hat der Kläger bei der Beklagten vorgesprochen, sich arbeitslos gemeldet und Arbeitslosengeld beantragt. Mit Bescheid vom 24. April 2002 hat die Beklagte den Antrag mit der Begründung abgelehnt, der Kläger habe seit dem Erlöschen des Anspruchs am 2. September 2001 nicht mindestens 12 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden und daher keine neue Anwartschaft erworben. Einen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe erfülle der Kläger ebenfalls nicht, da er innerhalb der Vorfrist vom 12. April 1999 bis zum 1. April 2002 kein Arbeitslosengeld bezogen habe. Den hiergegen eingelegten Widerspruch hat die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 7. Juni 2002 zurückgewiesen. Zur Begründung hat die Beklagte u. a. ausgeführt, der Anspruch auf Arbeitslosengeld könne gemäß § 147 SGB 3 nicht mehr geltend gemacht werden, wenn nach seiner Entstehung vier Jahre verstrichen seien. Der am 1. September 1997 entstandene Anspruch sei am 2. September 2001 erloschen und habe daher am 12. April 2002 nicht mehr geltend gemacht werden können. Soweit der Kläger geltend mache, er sei bereits zu einem Zeitpunkt bei dem Arbeitsamt vorstellig geworden, zu dem der Anspruch noch nicht erloschen gewesen sei, könne dies zu keinem anderen Ergebnis führen. Es fehle nämlich an einer persönlichen Arbeitslosmeldung als materiell-rechtliche Anspruchsvoraussetzung. Hätte der Kläger klar zu erkennen gegeben, dass die Vorsprache der Arbeitslosmeldung diene, wäre dies auch entsprechend dokumentiert worden. Eine andere Entscheidung lasse sich auch nicht im Wege eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches erreichen, da eine formelle Arbeitslosmeldung vor dem 12. April 2002 nicht feststellbar sei. Es sei auch fraglich, inwieweit eine Verletzung der Beratungs- und Betreuungspflicht unterstellt werden könne. Bei einem Hinweis auf einen vorangegangenen Bezug von Arbeitslosengeld wäre dies sicherlich überprüft und eine entsprechend andere Auskunft erteilt worden. Hiergegen hat der Kläger am 5. Juli 2002 Klage erhoben. Der Kläger hat den bisherigen Vortrag wiederholt und vertieft. Die Kernaussage des Sachbearbeiters, mit dem er bei seiner ersten Vorsprache im Jahre 2001 geredet habe, sei gewesen, er müsse sich erst mal um die eigenen Leute kümmern. Im Termin am 14. Oktober 2004 hat das Sozialgericht Kassel den Kläger persönlich gehört und dessen Ehefrau als Zeugin vernommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des Protokolls Bezug genommen.
Mit Urteil vom 14. Oktober 2004 hat das Sozialgericht Kassel die Klage abgewiesen im Wesentlichen mit der Begründung, der Kläger habe die gemäß § 123 SGB 3 erforderliche Anwartschaft in der gemäß § 124 SGB 3 verlängerten Rahmenfrist (1. September 1997 bis 11. April 2002) nicht zurückgelegt, da er in der gesamten Zeit keine versicherungspflichtige Beschäftigung zurückgelegt habe. Die Geltendmachung des bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit verbliebenen Restanspruchs auf Arbeitslosengeld von 333 Tagen am 12. April 2002 sei gemäß § 147 Abs. 2 SGB 3 nicht mehr möglich gewesen, da nach Entstehung des Anspruchs (1. September 1997) bereits vier Jahre verstrichen gewesen seien. Auch unter dem Gesichtspunkt eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs könne der Kläger nicht so gestellt werden, als habe er den Antrag auf Arbeitslosengeld vor dem 1. September 2001 geltend gemacht. Denn eine persönliche Arbeitslosmeldung des Klägers vor dem 1. September 2001 könne nicht als erwiesen angesehen werden. Zwar sei nach den Angaben des Klägers und seiner Ehefrau glaubhaft, dass der Kläger nach der offiziellen Abmeldung seines Gewerbes bei der Arbeitsvermittlung der Beklagten vorgesprochen habe. Eine Arbeitslosmeldung lasse sich daraus jedoch nicht entnehmen. Vielmehr sei es ihm weniger um die Gewährung von Leistungen als um die Sondierung der Lage im Hinblick auf die Vermittlung von Arbeitsstellen gegangen. Denn anderenfalls wären seine Angaben in die Bewerberdatei des Arbeitsamtes aufgenommen worden. Allerdings werde die Vermittlungstätigkeit gemäß § 38 Abs. 1 und Abs. 2 SGB 3 nach drei Monaten eingestellt, wenn der Arbeitslose sein Arbeitsgesuch nicht erneuere. Der Kläger habe sich aber nicht nach einem Vierteljahr wieder bei der Beklagten gemeldet, sondern erst nach fast einem Jahr. Damit habe er spätestens nach einem Vierteljahr (nach seiner Vorsprache im Mai 2001) dem Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung gestanden.
Gegen das am 4. November 2004 zugestellte Urteil hat der Kläger am 3. Dezember 2004 Berufung eingelegt. Der Kläger trägt vor, er sei im Mai 2001 persönlich im Arbeitsamt gewesen, so dass im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches die fehlende Arbeitslosmeldung durchaus ersetzt werden könne. Das Sozialgericht verkenne bei Auslegung des § 122 Abs. 1 SGB 3, dass seine Vorsprache entsprechende Pflichten des Arbeitsamtes ausgelöst hätte und mithin Folgen von Beratungsdefiziten auch im Grundsatz über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch ausgeglichen werden könnten. Insoweit könne die Rechtsprechung zur Nichtersetzbarkeit der persönlichen Arbeitslosmeldung bei Fehlen jeglicher Vorsprache nicht herangezogen werden. Das Sozialgericht sei lebensfremd, wenn es von ihm verlange, dass er auf der Stellung eines Arbeitslosengeld-Antrages hätte bestehen müssen. Er habe sich zum Arbeitsamt und dort in die Hand und die Anleitung des Sachbearbeiters begeben. Die Annahme des Sozialgerichts, er habe sich nur nach Qualifizierungsmaßnahmen erkundigt, sei lebensfremd. Selbstverständlich habe er das "volle Programm" haben wollen und dabei sei auch über den Arbeitslosengeld-Anspruch gesprochen worden, wenngleich auch nur in Bausch und Bogen ablehnend. Die Beratungspflichten des Arbeitsamtes würden dabei vom Sozialgericht zu eng eingegrenzt, während die Obliegenheiten des einfachen Mannes zu weit gefasst würden. Der Kläger hat die noch bei ihm befindlichen und den streitbefangenen Vorgang betreffenden Unterlagen vorgelegt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 14. Oktober 2004, sowie den Bescheid der Beklagten vom 24. April 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Juni 2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Arbeitslosengeld ab 15. Mai 2001 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte trägt vor, trotz intensiver Suche seien die Verwaltungsakten des Klägers nicht aufgefunden worden. Sowohl die CoLei- als auch die BewA-Daten seien gelöscht. Nach Auskunft der zuständigen Agentur für Arbeit K. stehe zu vermuten, dass die Verwaltungsakten Ende 2004 versehentlich vernichtet worden seien. Es könnten nur die Kopien aus den eigenen Prozessunterlagen vorgelegt werden. Bei einer Prüfung mit den Personalien des Klägers anhand der EDV im Mai 2001 wären der Vorbezug von Arbeitslosengeld und der damals noch bestehende Restanspruch im Arbeitsamt festzustellen gewesen. Wenn ein Arbeitsloser lediglich Arbeitsvermittlung begehre, aber keinen Leistungsantrag stelle, würden lediglich die persönlichen Daten als BewA in CoArb eingetragen. Hierzu werde dem Bewerber ein Anmeldebogen ausgehändigt, in den der Betreffende seine persönlichen Daten eintrage, die dann zur EDV übertragen würden. Dieser Anmeldebogen ersetze nicht die Arbeitslosmeldung. Weitere Unterlagen würden bei dieser Fallgestaltung nicht gefertigt. Der EDV-Datensatz bleibe drei Monate aktiv; wenn sich der Bewerber innerhalb von drei Monaten nicht mehr bei der Beklagten melde, werde der Datensatz deaktiviert. Ab dem Zeitpunkt der Deaktivierung bestehe für weitere 10 Monate die Möglichkeit, im Bedarfsfall den Datensatz wieder aufzurufen. Dies wäre aus der Sicht der Beklagten auch anlässlich der am 12. April 2002 erfolgten Arbeitslosmeldung geschehen. Obwohl der 12. April 2002 noch innerhalb der 10-Monatsfrist gelegen habe, sei offensichtlich ein solcher Datensatz nicht mehr vorhanden gewesen. BewAs lägen bei der Beklagten erst ab dem Tag der persönlichen Arbeitslosmeldung am 12. April 2002 vor. Da der Kläger Leistungen begehre, trage er die Beweislast für die Tatsachen, die den von ihm geltend gemachten Anspruch begründeten. Wie in dem vom Bundessozialgericht (BSG) mit Urteil vom 19. Januar 2005 entschiedenen Fall sei auch im vorliegenden Fall nirgends eine Vorsprache bei der Beklagten dokumentiert. Das BSG habe vorgegeben, dass bei einem solchen Sachverhalt ausdrücklich ermittelt werden müsse, ob in der behaupteten Zeit tatsächlich eine Vorsprache bei der Beklagten erfolgt sei.
Die Beklagte hat die bei ihr noch vorhandenen EDV-Auszüge vorgelegt.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt worden, sowie an sich statthaft und somit insgesamt zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz – SGG -).
Die Berufung ist auch begründet. Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts vom 14. Oktober 2004 ist rechtswidrig und war deshalb aufzuheben. Der Bescheid der Beklagten vom 24. April 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Juni 2002 hat zu Unrecht einen Restanspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld verneint und die begehrte Leistung abgelehnt.
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Bewilligung von Arbeitslosengeld von noch 333 Tagen für die Zeit ab 15. Mai 2001 gemäß §§ 117, 118, 119, 122 SGB 3. Der Kläger war arbeitslos, hatte sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet und hatte einen am 1. September 1997 entstandenen Anspruch auf Arbeitslosengeld von restlichen 333 Tagen. Der Anspruch konnte auch noch vom Kläger geltend gemacht werden, da die Ausschlussfrist des 147 Abs. 2 SGB 3 am 15. Mai 2001 noch nicht verstrichen war.
Zur Überzeugung des erkennenden Senates steht fest, dass der Kläger spätestens am 15. Mai 2001 bei dem zuständigen Arbeitsamt vorgesprochen und sich dort arbeitslos gemeldet hat, § 122 Abs. 1 Satz 1 SGB 3. Dies ergibt sich aus den glaubhaften und glaubwürdigen Angaben des Klägers im Termin am 13. März 2006 unter Berücksichtigung auch der Feststellungen des Sozialgerichts im angefochtenen Urteil, dass es glaubhaft sei, dass der Kläger nach seinen Angaben und der Aussage seiner Ehefrau als Zeugin nach der offiziellen Abmeldung seines Gewerbes bei der Arbeitsvermittlung der Beklagten vorgesprochen habe. Nach der Abmeldung seines selbständigen Gewerbes (27. April 2001), das der Kläger 2 ¾ Jahre betrieben hatte, gab es für den Kläger allen Grund, sich zum Arbeitsamt zu begeben. Er hat im Termin am 13. März 2006 auch eindringlich geschildert, dass sein Hauptanliegen eine Verbesserung seiner beruflichen Chancen durch eine Umschulung oder Fortbildung war. Hier schätzte er seine Berufschancen ohne eine solche Maßnahme als ungünstig ein und es schwebte ihm vor allem eine Fortbildung in CAD (computergestütztes Zeichnen) vor. Dies hat er auch bei dem Sachbearbeiter zum Ausdruck gebracht, dass er sein Gewerbe aufgegeben habe, dass er zur Zeit keine Beschäftigung habe und dass er eine neue Beschäftigung suche. Dabei sind nach Auffassung des erkennenden Senates an die Arbeitslosmeldung als Tatsachenerklärung keine übertriebenen Anforderungen zu stellen (vgl. BSG 19.1.2005 - B 11a/11 AL 41/04 R = SGb 2005, 233). Im Gegensatz zum angefochtenen Urteil des Sozialgerichts sieht der erkennende Senat die Arbeitslosmeldung bereits dann als erfüllt an, wenn ein Versicherter persönlich bei dem Arbeitsamt vorspricht, darauf hinweist, dass seine letzte Beschäftigung beendet ist (sei diese selbständiger oder unselbständiger Art gewesen), und zum Ausdruck bringt, dass er eine (unselbständige) Arbeit sucht und hierzu die Hilfe des Arbeitsamtes in Anspruch nehmen möchte. Der Kläger war auch dringend auf Arbeitseinkommen angewiesen, da das von der Familie bewohnte Einfamilienhaus weiter finanziert werden musste und das Einkommen der Ehefrau für die Ausgaben der Familie nicht ausgereicht hat. Dementsprechend war bei Fortdauer der Arbeitslosigkeit des Klägers ohne entsprechende Einnahmen das Haus nicht mehr zu halten und musste veräußert werden, nachdem ein zur Überbrückung aufgenommenes weiteres Darlehen ebenfalls nicht mehr abgedeckt werden konnte. Die zusätzliche ausdrückliche Stellung eines Antrages auf Arbeitslosengeld, die nach den insoweit etwas unklaren Angaben des Klägers durchaus unterblieben sein kann, ist jedoch nicht mehr Leistungsvoraussetzung (vgl. Scheidt in PK-SGB III § 117 RdNr. 2), sondern gilt mit der Arbeitslosmeldung als gestellt (Scheidt s. o.). Der Senat hat dem Kläger auch geglaubt, dass dieser nach der Selbständigkeit nicht mehr davon ausgegangen ist, dass ihm noch ein Anspruch auf Arbeitslosengeld zustehe, da er sich selbst insoweit vorwirft, dass er wohl zu dumm gewesen sei, um auf diese Idee zu kommen. Der Senat sieht auch keinen Widerspruch darin, dass der Kläger sich erst wieder im April 2002 bei der Beklagten gemeldet hat. Aus Sicht des Klägers hatte er von der Beklagten auch keine Unterstützung hinsichtlich Fortbildung und Suche für eine neue Arbeit zu erwarten. Insoweit sei ihm von dem Sachbearbeiter klar gemacht worden, dass dieser sich zuerst um die eigenen Leute kümmern müsse, womit er nach Verständnis des Klägers wohl die Arbeitslosen mit Leistungsanspruch gemeint haben muss. Da der Kläger sich buchstäblich "rausgeschmissen vorkam", konnte auch nicht von ihm erwartet werden, dass er sich durch weitere Besuche bei dem Arbeitsamt um die ihm dort verweigerte Unterstützung bemühte. Der erkennende Senat geht ferner davon aus, dass die Arbeitslosigkeit des Klägers bis zu seiner erneuten Meldung im April 2002 andauerte, dass er sich insbesondere umfassend um Arbeit bemühte und auch durchgehend arbeitsbereit und arbeitsfähig war, § 119 SGB 3. Der Kläger hat insoweit überzeugend angegeben, dass er sich weder außerhalb des Wohnortes aufgehalten noch arbeitsunfähig gewesen ist und alle Möglichkeiten der Arbeitssuche genutzt hat, so z. B. 80 bis 100 (evtl. sogar 120) schriftliche Bewerbungen abgeschickt hat und auch täglich SIS über Internet benutzt hat (wie sich aus einer der noch vorhandenen BewA-Vermerke - hier 12.4.2002 – ergibt). Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts hat die Vorschrift des § 38 Abs. 4 Satz 2 SGB 3 keine Auswirkung auf den vorliegenden Fall, da sie nur bei Arbeitsuchenden ohne Leistungsanspruch Anwendung findet. Bei Arbeitsuchenden mit Anspruch auf Ersatz des Arbeitsentgelts bei Arbeitslosigkeit besteht die Verpflichtung der Beklagten zur Arbeitsvermittlung auch ohne Erneuerung des Arbeitsgesuchs, § 38 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB 3 (vgl. Mutschler in PK-SGB III § 38 RdNr. 29, a. M. LSG NRW 6.12.2001 – L 9 AL 100/00).
Hinsichtlich des Beginns des Anspruchs geht der erkennende Senat davon aus, dass der genaue Tag der Vorsprache nicht mehr feststellbar ist, jedoch nach den Angaben der Ehefrau des Klägers spätestens bis Mitte Mai 2001 stattgefunden hat, so dass jedenfalls der 15. Mai 2001 als feststellbarer spätester Beginn des Anspruchs anzunehmen ist. Entgegen der Auffassung der Beklagten sieht der erkennende Senat es nicht als schlüssig an, dass das im April 2002 festgestellte Fehlen eines EDV-mäßigen Eintrages über eine Vorsprache des Klägers den Nachweis erbringe, dass eine solche Vorsprache im April/Mai 2001 auf keinen Fall stattgefunden haben kann. Bei Einräumung aller Sorgfalt und Sicherheit von Dienstanweisungen und auch Computerprogrammen kann niemals ausgeschlossen werden, dass entweder Eintragungen nicht richtig erfolgen, nicht nachvollzogen werden oder sich einem versuchten Zugriff entziehen. Dies lässt sich im vorliegenden Fall bereits daran erkennen, dass die Verwaltungsakten der Beklagten in deren Herrschaftsbereich nicht mehr auffindbar und vermutlich versehentlich vernichtet worden sind und auch die CoLei- und BewA-Daten nach Angaben der Beklagten gelöscht wurden, obwohl sich dies bei noch anhängigem Gerichtsverfahren von selbst verbietet.
Da der erkennende Senat davon ausgeht, dass der Kläger sich bis zum 15. Mai 2001 bei der Beklagten arbeitslos gemeldet hat, war nicht mehr zu prüfen, ob und in welchem Umfang ein Beratungsfehler im Bereich der Beklagten vorgelegen hat und ob sich daraus der vom Kläger begehrte Anspruch auf Arbeitslosengeld ab 15. Mai 2001 im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ableiten ließe (vgl. BSG 19.1.2005 s. o.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
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