Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
1
1. Instanz
SG Fulda (HES)
Aktenzeichen
S 3c EG 354/88
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 Eg 1271/88
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Es besteht kein Anspruch auf Erziehungsgeld für die Ehefrau eines ohne Dienstbezüge beurlaubten Lehrers, der zeitlich befristet für eine deutsche Schule im Ausland (privater Schulträger) als Lehrkraft tätig war.
2. durch die Vergütung, die das Bundesverwaltungsamt – Zentralstelle für das Auslands Schulwesen – aus Mitteln des Auswärtigen Amtes nach § 44 BHO zur Verfügung stellt, wird kein Arbeits- oder Dienstverhältnis zur Bundesrepublik Deutschland begründet.
3. Deshalb liegt in solchen Fällen keine durch einen inländischen Arbeitgeber oder Dienstherren erfolgte „Entsendung, Abordnung, Versetzung oder Kommandierung” vor.
2. durch die Vergütung, die das Bundesverwaltungsamt – Zentralstelle für das Auslands Schulwesen – aus Mitteln des Auswärtigen Amtes nach § 44 BHO zur Verfügung stellt, wird kein Arbeits- oder Dienstverhältnis zur Bundesrepublik Deutschland begründet.
3. Deshalb liegt in solchen Fällen keine durch einen inländischen Arbeitgeber oder Dienstherren erfolgte „Entsendung, Abordnung, Versetzung oder Kommandierung” vor.
I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 27. September 1988 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um Erziehungsgeld für die Zeit eines Auslandsaufenthaltes.
Die Klägerin hat am 4. Oktober 1986 in Madrid ihre Tochter geboren. Dort lebte sie damals mit ihrem Ehemann der vom 1. September 1982 bis 31. August 1987 als Lehrer an der Deutschen Schule in Madrid tätig war. Grundlage dieser Tätigkeit war ein am 6. März 1982 mit dem Deutschen Schulverein in Madrid geschlossener Dienstvertrag, der auf Bewerbung durch Vermittlung und mit Zustimmung des Bundesverwaltungsamts – Zentralstelle für das Auslandsschulwesen – zustandegekommen war. Von dort erfolgte auch die Zahlung der Dienstbezüge, die das Auswärtige Amt für diesen Zweck aus dem Bundeshaushalt zur Verfügung stellt. Der Ehemann der Klägerin war zuvor als Studienrat im Schuldienst des Landes Hessen tätig gewesen und von dem Hessischen Kultusminister durch Erlaß vom 15. Juni 1982 ohne Besoldung zur Übernahme einer Lehrtätigkeit an der Deutschen Schule in Madrid beurlaubt worden.
Den am 29. Dezember 1986 formlos gestellten Antrag auf Erziehungsgeld lehnte das Versorgungsamt Aachen durch Bescheid vom 14. Oktober 1987 mit der Begründung ab, daß die Klägerin in dem streitigen Bezugszeitraum weder ihren Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland gehabt habe. Auch der Ausnahmetatbestand des insoweit anwendbaren Bundeskindergeldgesetzes liege nicht vor, weil der Ehemann nicht durch seinen bisherigen Dienstherrn zu einer vorübergehenden Dienstleistung "entsandt, abgeordnet, versetzt oder kommandiert” gewesen sei.
Den hiergegen am 13. November 1987 erhobenen Widerspruch begründete die Klägerin damit, daß der von ihrem Ehemann geschlossene Dienstvertrag in seinem Bestand von dem Willen des Bundesverwaltungsamts abhängig gewesen sei. Da von dort auch die Bezahlung erfolgt sei, müsse letztlich der Bund als Arbeitgeber und Dienstherr gelten. Aus einem Bescheid des Bundesverwaltungsamts vom 23. Dezember 1983 ergebe sich auch die Anwendbarkeit des deutsch-spanischen Abkommens über die soziale Sicherheit, was Bestandteil des Dienstverhältnisses gewesen sei und folglich den Anspruch auf Erziehungsgeld als Teil des Sozialgesetzbuchs auslöse.
Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 27. Juni 1988).
Auf die am 1. Juli 1988 vor dem Sozialgericht Fulda erhobene Klage hat das Sozialgericht durch Urteil vom 27. September 1988 den Beklagten unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, an die Klägerin ab 4. Oktober 1986 Erziehungsgeld in gesetzlichem Umfang zu zahlen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, daß eine Anspruchsberechtigung nach dem Ausnahmetatbestand des Bundeskindergeldgesetzes zu bejahen sei. Zwar habe wegen der Beurlaubung des Ehemannes keine "Entsendung” durch den bisherigen Dienstherrn vorgelegen. Gleichwohl sei zu berücksichtigen, daß der befristete Dienstvertrag nur mit Zustimmung des Bundesverwaltungsamts habe abgeschlossen werden können. Für Streitigkeiten aus diesem Vertrag sei deutsches Recht anwendbar gewesen. Die Dienstbezüge (mit Kinderzuschuß) habe ihr Ehemann von der Bundesbesoldungsstelle erhalten. Nach alledem sei dieser besoldungs-, sozialversicherungs-, steuer- und arbeitsrechtlich so behandelt worden, als ob das Beschäftigungsverhältnis im Inland bestanden hätte. Dies spreche für eine "Entsendung”. Deshalb gebe es keinen einleuchtenden Grund, der Klägerin Erziehungsgeld zu verwehren. Das Sozialgericht hat die Berufung im Tenor des angefochtenen Urteils zugelassen.
Gegen dieses dem Beklagten am 24. Oktober 1988 zugestellte Urteil richtet sich die ihm mit Schriftsatz vom 14. November 1988 – eingegangen beim Hessischen Landessozialgericht am 15. November 1988 – eingelegte Berufung, mit der er Aufhebung des Urteils und Abweisung der Klage verfolgt. Zur Begründung trägt der Beklagte vor: Der Ehemann der Klägerin habe sich 1981 über den Hessischen Kultusminister bei der Zentralstelle des Bundesverwaltungsamts um eine Vermittlung an eine Auslandsschule beworben, worauf die Zentralstelle die Bewerbungsunterlagen an den Vorstand des Deutschen Schulvereins in Madrid weitergeleitet habe. Von dort sei dann ein Vertrag angeboten worden. Weder die Zentralstelle noch der Hessische Kultusminister hätten auf das Zustandekommen des abgeschlossenen Dienstvertrages Einfluß genommen. Die deutschen Auslandsschulen seien – von wenigen Ausnahmen abgesehen – Privatschulen. Als Schulträger fungierten Schulvereine, deren Mitglieder sich überwiegend aus den Eltern der Schüler zusammensetzten. Die Bundesrepublik finanziere solche Schulen im Rahmen der Auswärtigen Kulturpolitik durch Beihilfen und die Vermittlung von Lehrern (Bundesverwaltungsamt – Zentralstelle für das Auslandsschulwesen –), wobei sie deren wirtschaftliche Absicherung im Auftrag der Schulvereine übernehme. Dies erfolge durch monatliche Zuwendungen nach der Bundeshaushaltsordnung. Arbeits- und disziplinarrechtlich unterstehe der Lehrer allein der Schulleitung bzw. dem Schulträger.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 27. September 1988 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und vertritt die Auffassung, daß eine "Entsendung” ihres Ehemannes vorgelegen habe.
Im übrigen wird auf den Inhalt der Gerichts- und Leistungsakte des Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz –SGG–). Der Berufungsausschluß nach § 146 SGG, der gem. § 13 Abs. 2 Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) auch bei Ansprüchen auf Erziehungsgeld zu berücksichtigen ist, greift hier nicht ein, weil die Berufung Infolge ausdrücklicher Zulassung durch das erstinstanzliche Gericht statthaft ist.
Die Berufung ist auch sachlich begründet.
Das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 27. September 1988 war aufzuheben. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erziehungsgeld.
Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 BErzGG hat Anspruch auf Erziehungsgeld, wer – neben weiteren Voraussetzungen – einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes hat. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, weil die Klägerin in dem hier in Betracht kommenden Bezugszeitraum mit ihrer Familie in Madrid lebte. Nach ihrer Erklärung im Verwaltungsverfahren hat sie ihren Wohnsitz erst wieder am 5. August 1988 in der Bundesrepublik Deutschland genommen.
Ein Anspruch ergibt sich auch nicht nach dem gem. § 1 Abs. 2 BErzGG sinngemäß anwendbaren § 1 Abs. 1 Nr. 2 des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG), der auch für den Ehegatten einer hiernach berechtigten Person gilt, wenn die Eheleute – wie hier – in einem Haushalt leben. Nach dieser Vorschrift wird einer Person, die im Geltungsbereich des BKGG einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, gleichgestellt, wer von seinem im Geltungsbereich dieses Gesetzes ansässigen Arbeitgeber oder Dienstherrn zur vorübergehenden Dienstleistung in ein Gebiet außerhalb dieses Geltungsbereiches entsandt, abgeordnet, versetzt oder kommandiert ist (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a BKGG). Die Tatbestandsmerkmale "abgeordnet”, "versetzt” oder "kommandiert” beziehen sich nur auf Maßnahmen im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses (vgl. Wiegand, Kommentar zum BErzGG, Stand April 1987, § 1 Rn. 39), in dem der Ehemann der Klägerin zwar als Lehrer im Schuldienst des Landes Hessen stand. Der Dienstherr und Arbeitgeber, das Land Hessen, hat den Ehemann der Klägerin jedoch nicht zur vorübergehenden Dienstleistung nach Spanien abgeordnet oder versetzt. Nach dem im erstinstanzlichen Verfahren in Kopie vorgelegten Erlaß des Hessischen Kultusministers vom 15. Juni 1982 war ihm zur Übernahme einer Lehrtätigkeit an der Deutschen Schule in Madrid Sonderurlaub ohne Besoldung nach § 15 Abs. 1 der Urlaubsverordnung für die Beamten im Lande Hessen in der Fassung vom 16. November 1982 (GVBl. I S. 269) gewährt worden. Nach dieser Vorschrift kann die oberste Dienstbehörde Beamten bei Vorliegen eines wichtigen Grundes (z.B. zur Fortbildung, zu Studienzwecken oder für eine Tätigkeit bei internationalen Organisationen) auf Antrag Sonderurlaub ohne Besoldung gewähren. Dies zeigt, daß mit Beginn des Sonderurlaubs keine Dienstleistung mehr im Schuldienst gegenüber dem bisherigen Dienstherrn zu erbringen war.
Damit scheitert gleichfalls die Annahme einer "Entsendung” durch den bisherigen Dienstherrn. Ebenso wie bei der Abordnung, Versetzung und Kommandierung kennzeichnet auch der Begriff der Entsendung das Abhängigkeitsverhältnis, das sich vor allem aus der Weisungsbefugnis des Arbeitgebers bzw. Dienstherrn ergibt (vgl. Wiegand, a.a.O.). Auch hieran fehlt es vorliegend wegen der Beurlaubung. Konstitutiv für das während der Zeit des Auslandsaufenthalts bestehende "Beschäftigungs- bzw. Dienstverhältnis” war allein der am 6. März 1982 in Madrid geschlossene Dienstvertrag mit dem Deutschen Schulverein, nicht aber das bis zur Beurlaubung bestehende Dienstverhältnis zum Lande Hessen. In dem abgeschlossenen Dienstvertrag waren die Dienstobliegenheiten des Lehrers festgelegt. Er unterlag den Anordnungen des Schulträgers; für Weisungen in schulisch-pädagogischen Angelegenheiten war allein der Schulleiter zuständig. Damit ergeben sich keine Anhaltspunkte für aus dem bisherigen Dienstverhältnis fortbestehende dienstrechtliche Verpflichtungen.
Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts und der Klägerin ist der mit dem deutschen Schulverein abgeschlossene Dienstvertrag auch nicht der Bundesrepublik Deutschland – Bundesverwaltungsamt – als Arbeitgeberin zuzurechnen. Vertragspartner waren allein der Ehemann der Klägerin und der deutsche Schulverein in Madrid. Dem Bundesverwaltung samt – Zentralstelle für das Auslandsschulwesen – oblag lediglich die Vermittlung des Vertrages und nachfolgend die Zahlung der Dienstbezüge aus dem Etat des Bundeshaushalts; es hatte keinen Einfluß auf die Auswahl der Lehrer. Die Bundesrepublik konnte dadurch nicht den Status eines "Entsendungsarbeitgebers” oder "Entsendungsdienstherrn” erlangen. Ein Arbeits- oder Dienstverhältnis zur Bundesrepublik Deutschland als Dienstherr konnte dadurch nicht begründet werden. Dies erhellt insbesondere die Tatsache, daß das mit dem Schulverein in Madrid abgeschlossene Dienstverhältnis zeitlich befristet war und auch dort endete. Es folgte keine Weiter- oder Wiederbeschäftigung auf dieser Grundlage in einem Dienstverhältnis zur Bundesrepublik oder zu einem Bundesland. Dies setzt aber eine "Entsendung” zur vorübergehenden Dienstleistung nach dem Wortlaut des § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a BKGG voraus.
Ein Anspruch ergibt sich auch nicht aus dem deutsch-spanischen Abkommen über die soziale Sicherheit. Zwar war der Ehemann der Klägerin ausweislich eines Bescheids des Bundesverwaltungsamts vom 23. Dezember 1983 für die Dauer der Tätigkeit als vermittelter Lehrer den Rechtsvorschriften über die soziale Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland unterstellt. Die Frage der Anwendung dieser Vorschriften stellt sich vorliegend gleichwohl nicht, weil nach dem Beurlaubungs-Erlaß des Hessischen Kultusministers vom 15. Juni 1982 das Besoldungsdienstalter nicht hinausgeschoben und die Zeit der Beurlaubung als ruhegehaltsfähig anerkannt wurde, folglich eine Nachversicherung ausscheidet.
Nicht anwendbar ist auch die Vorschrift des § 4 Abs. 1 Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – (SGB IV). Abgesehen davon, daß es an einer nach dieser Vorschrift erforderlichen "Entsendung” fehlt, ergibt sich schon deshalb kein Anspruch, weil sich der sachliche Geltungsbereich dieser Vorschrift nur auf die Gebiete der Krankenversicherung sowie der Unfall- und Rentenversicherung einschließlich der Altershilfe für Landwirte erstreckt (vgl. dazu BSG, Urteil vom 22. Juni 1989 – 4 REg 4/88 –).
Auf die Berufung des Beklagten war deshalb das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 27. September 1988 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil es an den Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1, 2 SGG fehlt.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um Erziehungsgeld für die Zeit eines Auslandsaufenthaltes.
Die Klägerin hat am 4. Oktober 1986 in Madrid ihre Tochter geboren. Dort lebte sie damals mit ihrem Ehemann der vom 1. September 1982 bis 31. August 1987 als Lehrer an der Deutschen Schule in Madrid tätig war. Grundlage dieser Tätigkeit war ein am 6. März 1982 mit dem Deutschen Schulverein in Madrid geschlossener Dienstvertrag, der auf Bewerbung durch Vermittlung und mit Zustimmung des Bundesverwaltungsamts – Zentralstelle für das Auslandsschulwesen – zustandegekommen war. Von dort erfolgte auch die Zahlung der Dienstbezüge, die das Auswärtige Amt für diesen Zweck aus dem Bundeshaushalt zur Verfügung stellt. Der Ehemann der Klägerin war zuvor als Studienrat im Schuldienst des Landes Hessen tätig gewesen und von dem Hessischen Kultusminister durch Erlaß vom 15. Juni 1982 ohne Besoldung zur Übernahme einer Lehrtätigkeit an der Deutschen Schule in Madrid beurlaubt worden.
Den am 29. Dezember 1986 formlos gestellten Antrag auf Erziehungsgeld lehnte das Versorgungsamt Aachen durch Bescheid vom 14. Oktober 1987 mit der Begründung ab, daß die Klägerin in dem streitigen Bezugszeitraum weder ihren Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland gehabt habe. Auch der Ausnahmetatbestand des insoweit anwendbaren Bundeskindergeldgesetzes liege nicht vor, weil der Ehemann nicht durch seinen bisherigen Dienstherrn zu einer vorübergehenden Dienstleistung "entsandt, abgeordnet, versetzt oder kommandiert” gewesen sei.
Den hiergegen am 13. November 1987 erhobenen Widerspruch begründete die Klägerin damit, daß der von ihrem Ehemann geschlossene Dienstvertrag in seinem Bestand von dem Willen des Bundesverwaltungsamts abhängig gewesen sei. Da von dort auch die Bezahlung erfolgt sei, müsse letztlich der Bund als Arbeitgeber und Dienstherr gelten. Aus einem Bescheid des Bundesverwaltungsamts vom 23. Dezember 1983 ergebe sich auch die Anwendbarkeit des deutsch-spanischen Abkommens über die soziale Sicherheit, was Bestandteil des Dienstverhältnisses gewesen sei und folglich den Anspruch auf Erziehungsgeld als Teil des Sozialgesetzbuchs auslöse.
Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 27. Juni 1988).
Auf die am 1. Juli 1988 vor dem Sozialgericht Fulda erhobene Klage hat das Sozialgericht durch Urteil vom 27. September 1988 den Beklagten unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, an die Klägerin ab 4. Oktober 1986 Erziehungsgeld in gesetzlichem Umfang zu zahlen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, daß eine Anspruchsberechtigung nach dem Ausnahmetatbestand des Bundeskindergeldgesetzes zu bejahen sei. Zwar habe wegen der Beurlaubung des Ehemannes keine "Entsendung” durch den bisherigen Dienstherrn vorgelegen. Gleichwohl sei zu berücksichtigen, daß der befristete Dienstvertrag nur mit Zustimmung des Bundesverwaltungsamts habe abgeschlossen werden können. Für Streitigkeiten aus diesem Vertrag sei deutsches Recht anwendbar gewesen. Die Dienstbezüge (mit Kinderzuschuß) habe ihr Ehemann von der Bundesbesoldungsstelle erhalten. Nach alledem sei dieser besoldungs-, sozialversicherungs-, steuer- und arbeitsrechtlich so behandelt worden, als ob das Beschäftigungsverhältnis im Inland bestanden hätte. Dies spreche für eine "Entsendung”. Deshalb gebe es keinen einleuchtenden Grund, der Klägerin Erziehungsgeld zu verwehren. Das Sozialgericht hat die Berufung im Tenor des angefochtenen Urteils zugelassen.
Gegen dieses dem Beklagten am 24. Oktober 1988 zugestellte Urteil richtet sich die ihm mit Schriftsatz vom 14. November 1988 – eingegangen beim Hessischen Landessozialgericht am 15. November 1988 – eingelegte Berufung, mit der er Aufhebung des Urteils und Abweisung der Klage verfolgt. Zur Begründung trägt der Beklagte vor: Der Ehemann der Klägerin habe sich 1981 über den Hessischen Kultusminister bei der Zentralstelle des Bundesverwaltungsamts um eine Vermittlung an eine Auslandsschule beworben, worauf die Zentralstelle die Bewerbungsunterlagen an den Vorstand des Deutschen Schulvereins in Madrid weitergeleitet habe. Von dort sei dann ein Vertrag angeboten worden. Weder die Zentralstelle noch der Hessische Kultusminister hätten auf das Zustandekommen des abgeschlossenen Dienstvertrages Einfluß genommen. Die deutschen Auslandsschulen seien – von wenigen Ausnahmen abgesehen – Privatschulen. Als Schulträger fungierten Schulvereine, deren Mitglieder sich überwiegend aus den Eltern der Schüler zusammensetzten. Die Bundesrepublik finanziere solche Schulen im Rahmen der Auswärtigen Kulturpolitik durch Beihilfen und die Vermittlung von Lehrern (Bundesverwaltungsamt – Zentralstelle für das Auslandsschulwesen –), wobei sie deren wirtschaftliche Absicherung im Auftrag der Schulvereine übernehme. Dies erfolge durch monatliche Zuwendungen nach der Bundeshaushaltsordnung. Arbeits- und disziplinarrechtlich unterstehe der Lehrer allein der Schulleitung bzw. dem Schulträger.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 27. September 1988 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und vertritt die Auffassung, daß eine "Entsendung” ihres Ehemannes vorgelegen habe.
Im übrigen wird auf den Inhalt der Gerichts- und Leistungsakte des Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz –SGG–). Der Berufungsausschluß nach § 146 SGG, der gem. § 13 Abs. 2 Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) auch bei Ansprüchen auf Erziehungsgeld zu berücksichtigen ist, greift hier nicht ein, weil die Berufung Infolge ausdrücklicher Zulassung durch das erstinstanzliche Gericht statthaft ist.
Die Berufung ist auch sachlich begründet.
Das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 27. September 1988 war aufzuheben. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erziehungsgeld.
Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 BErzGG hat Anspruch auf Erziehungsgeld, wer – neben weiteren Voraussetzungen – einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes hat. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, weil die Klägerin in dem hier in Betracht kommenden Bezugszeitraum mit ihrer Familie in Madrid lebte. Nach ihrer Erklärung im Verwaltungsverfahren hat sie ihren Wohnsitz erst wieder am 5. August 1988 in der Bundesrepublik Deutschland genommen.
Ein Anspruch ergibt sich auch nicht nach dem gem. § 1 Abs. 2 BErzGG sinngemäß anwendbaren § 1 Abs. 1 Nr. 2 des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG), der auch für den Ehegatten einer hiernach berechtigten Person gilt, wenn die Eheleute – wie hier – in einem Haushalt leben. Nach dieser Vorschrift wird einer Person, die im Geltungsbereich des BKGG einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, gleichgestellt, wer von seinem im Geltungsbereich dieses Gesetzes ansässigen Arbeitgeber oder Dienstherrn zur vorübergehenden Dienstleistung in ein Gebiet außerhalb dieses Geltungsbereiches entsandt, abgeordnet, versetzt oder kommandiert ist (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a BKGG). Die Tatbestandsmerkmale "abgeordnet”, "versetzt” oder "kommandiert” beziehen sich nur auf Maßnahmen im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses (vgl. Wiegand, Kommentar zum BErzGG, Stand April 1987, § 1 Rn. 39), in dem der Ehemann der Klägerin zwar als Lehrer im Schuldienst des Landes Hessen stand. Der Dienstherr und Arbeitgeber, das Land Hessen, hat den Ehemann der Klägerin jedoch nicht zur vorübergehenden Dienstleistung nach Spanien abgeordnet oder versetzt. Nach dem im erstinstanzlichen Verfahren in Kopie vorgelegten Erlaß des Hessischen Kultusministers vom 15. Juni 1982 war ihm zur Übernahme einer Lehrtätigkeit an der Deutschen Schule in Madrid Sonderurlaub ohne Besoldung nach § 15 Abs. 1 der Urlaubsverordnung für die Beamten im Lande Hessen in der Fassung vom 16. November 1982 (GVBl. I S. 269) gewährt worden. Nach dieser Vorschrift kann die oberste Dienstbehörde Beamten bei Vorliegen eines wichtigen Grundes (z.B. zur Fortbildung, zu Studienzwecken oder für eine Tätigkeit bei internationalen Organisationen) auf Antrag Sonderurlaub ohne Besoldung gewähren. Dies zeigt, daß mit Beginn des Sonderurlaubs keine Dienstleistung mehr im Schuldienst gegenüber dem bisherigen Dienstherrn zu erbringen war.
Damit scheitert gleichfalls die Annahme einer "Entsendung” durch den bisherigen Dienstherrn. Ebenso wie bei der Abordnung, Versetzung und Kommandierung kennzeichnet auch der Begriff der Entsendung das Abhängigkeitsverhältnis, das sich vor allem aus der Weisungsbefugnis des Arbeitgebers bzw. Dienstherrn ergibt (vgl. Wiegand, a.a.O.). Auch hieran fehlt es vorliegend wegen der Beurlaubung. Konstitutiv für das während der Zeit des Auslandsaufenthalts bestehende "Beschäftigungs- bzw. Dienstverhältnis” war allein der am 6. März 1982 in Madrid geschlossene Dienstvertrag mit dem Deutschen Schulverein, nicht aber das bis zur Beurlaubung bestehende Dienstverhältnis zum Lande Hessen. In dem abgeschlossenen Dienstvertrag waren die Dienstobliegenheiten des Lehrers festgelegt. Er unterlag den Anordnungen des Schulträgers; für Weisungen in schulisch-pädagogischen Angelegenheiten war allein der Schulleiter zuständig. Damit ergeben sich keine Anhaltspunkte für aus dem bisherigen Dienstverhältnis fortbestehende dienstrechtliche Verpflichtungen.
Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts und der Klägerin ist der mit dem deutschen Schulverein abgeschlossene Dienstvertrag auch nicht der Bundesrepublik Deutschland – Bundesverwaltungsamt – als Arbeitgeberin zuzurechnen. Vertragspartner waren allein der Ehemann der Klägerin und der deutsche Schulverein in Madrid. Dem Bundesverwaltung samt – Zentralstelle für das Auslandsschulwesen – oblag lediglich die Vermittlung des Vertrages und nachfolgend die Zahlung der Dienstbezüge aus dem Etat des Bundeshaushalts; es hatte keinen Einfluß auf die Auswahl der Lehrer. Die Bundesrepublik konnte dadurch nicht den Status eines "Entsendungsarbeitgebers” oder "Entsendungsdienstherrn” erlangen. Ein Arbeits- oder Dienstverhältnis zur Bundesrepublik Deutschland als Dienstherr konnte dadurch nicht begründet werden. Dies erhellt insbesondere die Tatsache, daß das mit dem Schulverein in Madrid abgeschlossene Dienstverhältnis zeitlich befristet war und auch dort endete. Es folgte keine Weiter- oder Wiederbeschäftigung auf dieser Grundlage in einem Dienstverhältnis zur Bundesrepublik oder zu einem Bundesland. Dies setzt aber eine "Entsendung” zur vorübergehenden Dienstleistung nach dem Wortlaut des § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a BKGG voraus.
Ein Anspruch ergibt sich auch nicht aus dem deutsch-spanischen Abkommen über die soziale Sicherheit. Zwar war der Ehemann der Klägerin ausweislich eines Bescheids des Bundesverwaltungsamts vom 23. Dezember 1983 für die Dauer der Tätigkeit als vermittelter Lehrer den Rechtsvorschriften über die soziale Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland unterstellt. Die Frage der Anwendung dieser Vorschriften stellt sich vorliegend gleichwohl nicht, weil nach dem Beurlaubungs-Erlaß des Hessischen Kultusministers vom 15. Juni 1982 das Besoldungsdienstalter nicht hinausgeschoben und die Zeit der Beurlaubung als ruhegehaltsfähig anerkannt wurde, folglich eine Nachversicherung ausscheidet.
Nicht anwendbar ist auch die Vorschrift des § 4 Abs. 1 Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – (SGB IV). Abgesehen davon, daß es an einer nach dieser Vorschrift erforderlichen "Entsendung” fehlt, ergibt sich schon deshalb kein Anspruch, weil sich der sachliche Geltungsbereich dieser Vorschrift nur auf die Gebiete der Krankenversicherung sowie der Unfall- und Rentenversicherung einschließlich der Altershilfe für Landwirte erstreckt (vgl. dazu BSG, Urteil vom 22. Juni 1989 – 4 REg 4/88 –).
Auf die Berufung des Beklagten war deshalb das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 27. September 1988 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil es an den Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1, 2 SGG fehlt.
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