Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
5
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 5 V 922/74
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Die Ursachen einer Trigeminusneuralgie sind nach wissenschaftlicher Auffassung vielschichtig.
2. Eine kriegsbedingte Schädigung des Trigeminus ist nur wahrscheinlich, wenn der Nerv unmittelbar durch eine Kriegseinwirkung verletzt worden ist und wenn sich außerdem in zeitlich nahen Abstand von der Verletzung typische Beschwerden einstellen.
2. Eine kriegsbedingte Schädigung des Trigeminus ist nur wahrscheinlich, wenn der Nerv unmittelbar durch eine Kriegseinwirkung verletzt worden ist und wenn sich außerdem in zeitlich nahen Abstand von der Verletzung typische Beschwerden einstellen.
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 5. Juli 1974 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Der 1910 geborene Kläger beantragte erstmalig am 15. September 1964 Versorgungsbezüge wegen Schmerzen in der linken Gesichtshälfte nach Bombensplitterverletzung an der Nase. Er berief sich dazu auf die ärztlichen Bescheinigungen der Dres. K. und H. vom 21. und 31. August 1964. Danach leide er seit über 10 Jahren an einer wechselnd starken, meist anfallsweise auftretenden Trigeminusneuralgie, vorzugsweise im Bereich des zweiten Astes links. Deshalb sei im August 1962 eine operative Ausscheidung dieser Nerven mittels Elektrokoagulation vorgenommen worden. Diesen Ärzten hatte der Kläger angegeben, daß er im Bereich des Nervenwangenbereichs links wie auch oberhalb des linken Auges Granatsplitterverletzungen erlitten habe (10.1.1945). Diese Verletzungen hätten die Neuralgie ausgelöst.
Die Versorgungsverwaltung holte daraufhin von dem Facharzt für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten Dr. W. das Gutachten vom 10. April 1965 ein. Diesem Gutachter gab der Kläger zur Vorgeschichte an, etwa acht Monate nach der Verletzung seien im Herbst erstmals Neuralgien im Bereich der linken Gesichtshälfte aufgetreten. Der Sachverständige lehnte einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Trigeminusneuralgie und der oberflächlichen Granatsplitterverletzung 1945 ab. Die Splitterchen lägen einwandfrei außerhalb der Nervenaustrittspunkte des Nervus Trigeminus und natürlich auch außerhalb des Ganglion Gasserie.
Der weiterhin gehörte Nervenarzt Dr. Hä. vertrat in dem Gutachten vom 25. Juni 1965 die Ansicht, für die Beurteilung einer etwaigen Schädigungsfolge seien die Brückensymptome zwischen der Verwundung und dem ersten Auftreten der neuralgischen Schmerzen sehr wichtig.
Die Versorgungsverwaltung zog hierauf das Krankenblatt der Chirurgischen Klinik der Universität F. aus dem Jahre 1962 bei, wo zur Epikrise vermerkt ist, daß eine seit über 10 Jahren wechselnd starke, meist anfallsweise auftretende Neuralgie im Bereich des II. Trigeminusastes bestehe. Seit 1951 verursache sie gelegentlich auftretende anfallsartige Schmerzen.
Aus dem von dem prakt. Arzt Dr. K. beigezogenen Bericht folgt, daß der Kläger dort am 1. Dezember 1952 erstmals in Behandlung wegen der Trigeminusneuralgie links gestanden hat.
In der Eigenanamnese des ärztlichen Entlassungsberichtes über die im Jahre 1964 durchgeführte Kur durch die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte ist ausgeführt, daß seit 1948 eine zunehmende Trigeminusneuralgie links vorliege. Dort äußerte der Kläger, es handele sich dabei um ein reines Gemütsleiden.
Nachdem Dres. W. und Hä. versorgungsärztliche Äußerungen abgegeben hatten, stellte der Bescheid vom 12. April 1966 als Schädigungsfolge "Knapp stecknadelkopfgroßes Geschoßsplitterchen in den Unterkieferweichteilen” ohne eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von wenigstens 25 v.H. fest. Die Trigeminusneuralgie sei weder durch schädigende Einwirkungen im Sinne des § 1 BVG entstanden noch verschlimmert worden.
Der Widerspruchsbescheid vom 23. Mai 1969 führte nach der weiteren fachärztlichen Äußerung des Oberregierungs-Medizinalrats Dr. W. aus, allein das langjährige Freisein von Krankheitserscheinungen und Beschwerden in Richtung einer Trigeminusneuralgie seit der im Januar 1945 erlittenen Bombensplitterverletzung im Nasenbereich mache den Kausalzusammenhang medizinisch nicht wahrscheinlich. Daß folge aus dem Krankenblatt der Chirurgischen Universitätsklinik F. vom 16. August 1962. Die Trigeminusschmerzen seien ein selbständiges Leiden, das vom Trigeminusnerven selbst ausgehe.
In dem Klageverfahren vor dem Sozialgericht Darmstadt hat der Kläger, der nach den Gutachten des Prof. Dr. Huf. vom 1. Juni 1967 und 12. Juni 1967 aufgrund der Urteile des Sozialgerichts Darmstadt und des Hessischen Landessozialgerichts vom 8. Januar 1968 und 21. November 1968 Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 1. Mai 1965 von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte bezieht, mit den ärztlichen Berichten seines Bruders Dr. R. und des Dr. K. vorgetragen, bereits nach der Entlassung aus der Gefangenschaft im Juni 1945 hätten sich einzelne zeitlich punktweise leichte Schmerzzuckungen eingestellt. Die Schmerzempfindlichkeit habe in der nachfolgenden Zeit zugenommen und sei zeitlich unterschiedlich gewesen. Zuerst habe er dafür Zahnerkrankungen und Erkältungen verantwortlich gemacht.
Dazu hat der Beklagte mit dem Facharzt für Nervenkrankheiten Dr. M. und dem Oberregierungs-Medizinalrat Wi. ausgeführt, einheitlicher Zusammenhang der Trigeminusneuralgie mit dem Wehrdienst und seinen Folgen könne nicht begründet werden. Das gelte auch von dem ursächlichen Zusammenhang, da der nur kleine Stecksplitter unterhalb des linken Mundwinkels keine lokalen Beziehungen zu den Asten des Trigeminus habe und diese daher auch nicht geschädigt sein könnten. Auch der Stecksplitter oberhalb des linken Auges sei als Auslösungsursache der Neuralgie im Bereich des II. Trigeminusastes nicht in Betracht zu ziehen. Das Gutachten des Prof. Dr. Huf., das er in der Rentensache des Klägers erstattet habe, gehe von falschen Voraussetzungen aus, wenn es für die Trigeminusneuralgie die Weichteilverletzung aus dem Jahre 1945 verantwortlich gemacht habe.
Das Sozialgericht, das von der Krankenversicherung S. den Schadenskartenauszug des Klägers ab 1. April 1949 beigezogen hat, hat von Prof. Dr. Huf. von der Neurochirurgischen Universitätsklinik B. das Gutachten vom 15. März 1971 eingeholt. Darin wird die Ansicht vertreten, eine Verwundung, wie sie der Kläger erlitten habe, könne auslösende Ursache einer Trigeminusneuralgie sein. Eine solche Verwundung habe aber nicht das nachfolgende Krankheitsbild als solches bedingt.
In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 22. September 1971 unterstrich Prof. Dr. Huf. nochmals, daß eine Verletzung ein Auslösemechanismus sein könne. Er habe das im vorliegenden Falle für möglich gehalten, könne aber nicht mit Sicherheit von einer Wahrscheinlichkeit sprechen. Die Verletzung könne eine Mitursache, aber sicherlich keine wesentliche sein.
Im Auftrag des Klägers hat das Sozialgericht von dem Nervenfacharzt Dr. F. und dem wissenschaftlichen Assistenten Dr. Ru. von der Universitäts-Nervenklinik T. das Gutachten vom 4. Oktober 1972 gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) beigezogen. Die Sachverständigen haben darin ausgeführt, daß die beim Kläger vorliegende Trigeminusneuralgie am Trigeminusast II auf die Bombensplitterverletzung des Jahres 1945 mit Wahrscheinlichkeit zurückzuführen sei. Unter Berücksichtigung der durch die massiven Schmerzzustände hervorgerufenen psychoreaktiven Störungen sei der Grad der MdE dafür mit 100 v.H. zu werten.
Ein weiteres Gutachten haben im Auftrag des Sozialgerichts Prof. Dr. L. und Assistenzarzt Dr. Wie. von den Städtischen Kliniken D. – Hautklinik – erstattet. In dem Gutachten vom 27. Januar 1974 vertraten die Sachverständigen die Ansicht, in dem Naso-Labial-Bereich links beständen einige Teleangiektasien sowie ein in der Haut gelegenes Knötchen. Bei der Inspektion mit dem bloßen Auge sowie bei der Lupenbetrachtung ließen sich in diesem Bereich keine Narben feststellen.
Zu diesen Gutachten hat der Kläger mit dem Bericht des Dr. R. ausgeführt, mit hoher Wahrscheinlichkeit sei die Trigeminusneuralgie durch den Splitter zur Auslösung gelangt. Die Verwundung habe sich an der Stelle des Knötchens am unmittelbaren Austritt des Trigeminusastes II zugetragen. Diese Stelle sei noch heute sichtbar. Daß die Narbe abgeheilt sei, spräche nicht dagegen.
Demgegenüber hat der Beklagte mit Oberregierungs-Medizinalrat Wi. und Dres. Ha. sowie He. ausgeführt, es bestünde lediglich die Möglichkeit, daß die Verwundung auslösender Faktor für die Trigeminusneuralgie gewesen sei. Bei den Ausführungen des Dr. R. handele es sich um rein theoretische Erörterungen, die zudem noch im Hinblick auf das Hin- und Herwandern eines kleinen Weichteilstecksplitters medizinisch äußerst fraglich seien. Wenn wirklich eine Granatsplitterverletzung im Bereich der linken Naso-Labial-Falte erfolgt sei, dann könne es sich dabei nur um eine sehr wenig ausgedehnte Verletzung gehandelt haben. Damit sei natürlich die Frage zu stellen, ob eine derartige Verletzung geeignet sei, eine Trigeminusneuralgie, auch wenn sie vielleicht nur isoliert den II. Ast betreffe, zu verursachen. Das Gutachten der Städtischen Hautklinik D. habe einen Farbenbefund im Naso-Labial-Bereich nicht objektivieren können. Demzufolge sei auch ein Schädigungstatbestand im Sinne des Gutachtens der Universitäts-Nervenklinik T. nicht erwiesen.
Mit Urteil vom 5. Juni 1974 hat das Sozialgericht den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 12. April 1966 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23. Mai 1969 verurteilt, unter zusätzlicher Anerkennung der Trigeminusneuralgie links dem Kläger ab Antragsmonat Beschädigtenrente nach einer MdE um 100 v.H. zu gewähren. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, die Neuralgie des Klägers werde wesentlich durch das nach Lage und Größe ebenfalls unstreitig kleine Geschoßsplitterchen verursacht. Damit sei eine Schädigungsfolge nach dem BVG gegeben, so daß dem Kläger Beschädigtenrente nach einem Grade der MdE um 100 v.H. zu gewähren sei. Die Gutachten hätten die Möglichkeit des Ursachenzusammenhanges nicht ausgeschlossen. Der Splitter liege im Bereich des II. Trigeminusastes links, wo auch die Neuralgie hervorgerufen worden sei. Der zeitliche Zusammenhang sei gleichfalls nicht in Abrede zu stellen. Der örtliche und zeitliche Zusammenhang rechtfertigten aufgrund der medizinischen Beschreibungen über Entstehung und Ablauf der Krankheit den Schluß auf einen inneren Zusammenhang mit der Kriegsverletzung. Hierfür sprächen die überwiegenden Umstände.
Der Beklagte hat gegen das am 4. September 1974 zugestellte Urteil am 2. Oktober 1974 Berufung bei dem Hessischen Landessozialgericht eingelegt. Zur Begründung trägt er vor, es sei weder ein lokaler Zusammenhang noch, die zeitliche Verbindung zwischen schädigendem Ereignis und der beim Kläger bestehenden Trigeminusneuralgie wahrscheinlich zu machen. Zahlreiche Fachgutachten kämen zu einer Ablehnung des wahrscheinlichen Zusammenhangs. Das für den Kläger positive Gutachten gründe sich auf zahlreiche hypothetische und theoretische Erörterungen. Gegen die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs spräche, daß im Bereich des Austrittes des II. Trigeminusastes weder eine Narbe zum Nachweis gekommen sei noch ein Stecksplitter. Auch sei der zeitliche Zusammenhang nicht erwiesen, denn der Beginn der Trigeminusneuralgie sei zeitlich unterschiedlich angegeben worden, anfänglich in einem vierjährigen Abstand vom angeblichen schädigenden Ereignis. Neuralgien, die auf traumatischer Basis beruhten, stellten sich im zeitlich engen Zusammenhang mit der Verletzung ein und nicht erst viele Jahre danach in nennenswertem Ausmaß.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 5. Juli 1974 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und führt ergänzend aus, es sei unverständlich, daß der Beklagte an dem Vorhandensein eines Geschoßsplitters Zweifel hege. Dieser sei bei der Erstuntersuchung röntgenologisch festgestellt worden. Die Schmerzzustände hätten bereits im Jahre 1948 begonnen. Ein zeitlicher Zusammenhang sei damit gleichfalls zu bejahen.
Die Versorgungsakte mit der Archiv-Nr ... sowie die Akte des Sozialgerichts Darmstadt S-2/An-11/66 haben vorgelegen. Auf ihren Inhalt und den der Gerichtsakte beider Rechtszüge, der auszugsweise in der mündlichen Verhandlung vorgetragen worden ist, wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig; sie ist insbesondere frist- und formgerecht eingelegt worden (§§ 143, 151 Abs. 1 SGG). Sie ist auch begründet.
Der Bescheid vom 12. April 1966, der in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Mai 1969 Gegenstand der Klage geworden ist (§ 95 SGG), ist zu Recht ergangen.
Wer durch eine militärische oder militärähnliche Dienstverrichtung oder durch einen Unfall während der Ausübung des militärischen oder militärähnlichen Dienstes oder durch die diesem Dienst eigentümlichen Verhältnisse eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält nach § 1 BVG wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung auf Antrag Versorgung. Dabei genügt zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs (§ 1 Abs. 3 BVG). Eine solche Wahrscheinlichkeit liegt hier jedoch nicht vor. Wenn das Sozialgericht davon ausgegangen ist, daß die Trigeminusneuralgie des Klägers durch ein Geschoßsplitterchen anläßlich der Verwundung im Januar 1945 verursacht worden sei, so könnte seiner Beweisführung bereits insoweit nicht gefolgt werden. Der Röntgenbefund des Dr. Kl. vom 9. März 1965 ist dadurch erschüttert worden, daß spätere Röntgenaufnahmen in den Universitätskliniken B. und T. überhaupt keinen Splitter mehr erkennen ließen. Nach dem überzeugenden Gutachten des Prof. Dr. L. vom 27. Januar 1974 sind im Bereich der Naso-Labial-Falte keine Narben zu finden, während solche aufgrund der Splitterverletzung an der Stirn und an der Oberlippe links unterhalb der Nase noch deutlich sichtbar sind. Hieraus muß der Schluß gezogen werden, daß die Knötchenbildung im Naso-Labial-Bereich links fälschlich als Geschoßsplitter angesehen wurde. Wäre ein Splitter eingedrungen, müßte nach Prof. Dr. L. eine Narbe wie an der Stirn und an der Oberlippe links unterhalb der Nase zu erkennen sein. Für die Annahme des Prof. Dr. L. sprechen die militärischen Unterlagen, wonach die Verletzung den Nasenbereich selbst betroffen hat, nicht aber den benachbarten Wangenbereich links neben der Nase. Wenn sich in dem Naso-Labial-Bereich zahlreiche Teleangiektasien befinden und diese nach Ansicht des Sachverständigen die verschiedensten Ursachen haben können, so folgt daraus, daß eine Splitterverletzung im Trigeminusbereich nicht nachzuweisen ist. Damit fehlt es bereits am Nachweis eines schädigenden Ereignisses, so daß alle Erörterungen über einen etwaigen ursächlichen Zusammenhang der Trigeminusneuralgie rein spekulativ bleiben müssen.
Bestärkt wird der Senat in seiner Auffassung durch die wechselnden Angaben des Klägers über den Beginn der Erkrankung. Daran vermögen auch die Ausführungen seines Bruders als medizinischen Beraters nichts zu ändern, weil dieser ausschließlich von den Angaben des Klägers ausgegangen ist. Diesen kann jedoch wegen ihrer Widersprüchlichkeit nicht gefolgt werden. So hat der Kläger bei Dr. H. anläßlich der Elektrokoagulation am 16. August 1962 unbefangen von einem versorgungsärztlichen Rechtsstreit den Beginn der Beschwerden mit dem Jahr 1951 angegeben. Dieser Sachverständige ist nach der Anamnese auch der Ursache der Beschwerden nachgegangen, fand aber keinen Hinweis auf eine symptomatische Genese. Damit ist schon deswegen eine kriegsunabhängige Entstehung des Leidens wahrscheinlicher. Bei späteren Untersuchungen hat der Kläger den Beginn der Beschwerden dann immer näher an das Kriegsgeschehen heranverlegt. So gab er anläßlich einer Kurbehandlung 1964 in P. an, daß er seit 1948 an zunehmenden Beschwerden von seiten des Trigeminusnerven leide. Bei dem HNO-Arzt Dr. W. wurde der Beginn der Beschwerden mit etwa 8 Monaten nach der Verletzung angegeben und wenig später bei der Untersuchung durch Dr. Hä. wurden die Beschwerden schon unmittelbar an die Kriegsverletzung heranverlegt. Im Hinblick auf diese Widersprüche in den Angaben bestehen begründete Zweifel, ob die Beschwerden von seiten der Trigeminusneuralgie tatsächlich in unmittelbarem Anschluß an die Kriegsverletzung begonnen haben, wie das der Kläger später bei den Begutachtungen in B. und T. angegeben hat. Aus allen diesen Gründen folgt, daß die Annahme, die Trigeminusneuralgie sei durch die Kriegsverletzung verursacht worden, äußerst problematisch ist.
Selbst wenn man aber davon ausgehen wollte, daß der Kläger im Trigeminusbereich tatsächlich eine Bombensplitterverletzung erlitten habe, kann ein ursächlicher Zusammenhang des Leidens mit diesem Kriegsereignis aufgrund der beigezogenen Gutachten nicht wahrscheinlich gemacht werden. So hat bereits Prof. Dr. Huf. in dem Gutachten vom 15. März 1971 mit dem Ergänzungsgutachten vom 22. September 1971 eine Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs nicht bejaht. Auch er geht davon aus, daß es sich bei der Verletzung um eine relativ kleine gehandelt haben muß, da Splitter nicht mehr nachzuweisen seien. Es sei infolgedessen zweifelhaft, ob eine derartig geringfügige Verletzung eine Trigeminusneuralgie überhaupt auslösen könne. Wäre dies der Fall, so müßte die Krankheit bei Gesichtsverletzungen durch Unfälle, wie sie heute an der Tagesordnung seien, weit verbreitet sein. Das sei aber nicht der Fall. In der Literatur werde eine Verursachung nur dann angenommen, wenn eine massive Verletzung oder Kompression des Trigeminus vorgelegen habe. Nach Prof. Dr. Huf. könne eine geringfügige Verletzung zwar die Bedeutung einer sogenannten Gelegenheitsursache haben in dem Sinne, daß auch jede andere Verletzung als Auslöser der Krankheit in Betracht zu ziehen sei, wie z.B. ein Anstoßen des Gesichts, das Ziehen eines Zahnes oder eine plötzliche Abkühlung der Wange. Alle diese Gelegenheitsursachen stießen auf eine bereits vorhandene Veranlagung. Im Hinblick auf dieses Gutachten kann deshalb allenfalls die Möglichkeit einer Verursachung der Trigeminusneuralgie durch die Kriegsverletzung bejaht werden, niemals aber eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, wie sie nach § 1 Abs. 3 BVG erforderlich ist.
Auch nach dem Gutachten des Prof. Dr. F. von der Universitäts-Nervenklinik T. läßt sich eine hinreichende Wahrscheinlichkeit der Entstehung der Trigeminusneuralgie durch die behauptete Kriegsverletzung nicht begründen. Wenn er mit Dr. Ru. im Bereich der linken Naso-Labial-Falte keine umschriebene deutlich erkennbare Narbe mehr entdecken konnte, ist er zu Unrecht davon ausgegangen, daß ein kleiner Metallsplitter im Bereich des Austrittspunktes des II. Trigeminusastes in das Gesicht des Klägers eingedrungen ist. Denn diese Feststellung ist jedenfalls nicht beweisbar. Selbst wenn man aber zugunsten des Klägers von einem derartigen Befund ausgehen wollte, reicht die von den Sachverständigen vertretene Meinung zur Annahme einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit im Sinne des § 1 Abs. 3 BVG nicht aus. Denn die Sachverständigen gehen mit der wissenschaftlichen Literatur davon aus, daß periphere Störungen zu einer Trigeminusneuralgie führen können. Das deckt sich mit der Auffassung des Prof. Dr. Huf. Daneben kämen aber als Ursachen auch Zahnerkrankungen, Erkrankungen der Nasennebenhöhle, orbitale Läsionen und eine Kiefergelenksarthritis in Frage. An Zahnerkrankungen hat der Kläger aber ausweislich seines Schriftsatzes vom 18. September 1969 nach 1945 gelitten und hat deswegen bei mehreren Zahnärzten in Behandlung gestanden. Kommt deshalb auch die Zahnerkrankung als Ursache der Trigeminusneuralgie in Frage, so ist es eine fehlerhafte Beweiswürdigung, wenn eine Wahrscheinlichkeit trotz mehrerer Möglichkeiten der Verursachung angenommen wird. In diesem Falle scheidet eine hinreichende Wahrscheinlichkeit nach § 1 Abs. 3 BVG aus.
Danach vermag der Senat nicht festzustellen, daß die Trigeminusneuralgie links eine Schädigungsfolge ist, da sie nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit auf die behauptete Kriegsverletzung bezogen werden kann. Insoweit vermochte sich der Senat den sachlichen Argumenten des Facharztes für Neurologie Dr. Ha. nicht zu verschließen.
Demzufolge war auf die Berufung das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 5. Juli 1974 aufzuheben.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG kam nach Lage des Falles nicht in Betracht.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Der 1910 geborene Kläger beantragte erstmalig am 15. September 1964 Versorgungsbezüge wegen Schmerzen in der linken Gesichtshälfte nach Bombensplitterverletzung an der Nase. Er berief sich dazu auf die ärztlichen Bescheinigungen der Dres. K. und H. vom 21. und 31. August 1964. Danach leide er seit über 10 Jahren an einer wechselnd starken, meist anfallsweise auftretenden Trigeminusneuralgie, vorzugsweise im Bereich des zweiten Astes links. Deshalb sei im August 1962 eine operative Ausscheidung dieser Nerven mittels Elektrokoagulation vorgenommen worden. Diesen Ärzten hatte der Kläger angegeben, daß er im Bereich des Nervenwangenbereichs links wie auch oberhalb des linken Auges Granatsplitterverletzungen erlitten habe (10.1.1945). Diese Verletzungen hätten die Neuralgie ausgelöst.
Die Versorgungsverwaltung holte daraufhin von dem Facharzt für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten Dr. W. das Gutachten vom 10. April 1965 ein. Diesem Gutachter gab der Kläger zur Vorgeschichte an, etwa acht Monate nach der Verletzung seien im Herbst erstmals Neuralgien im Bereich der linken Gesichtshälfte aufgetreten. Der Sachverständige lehnte einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Trigeminusneuralgie und der oberflächlichen Granatsplitterverletzung 1945 ab. Die Splitterchen lägen einwandfrei außerhalb der Nervenaustrittspunkte des Nervus Trigeminus und natürlich auch außerhalb des Ganglion Gasserie.
Der weiterhin gehörte Nervenarzt Dr. Hä. vertrat in dem Gutachten vom 25. Juni 1965 die Ansicht, für die Beurteilung einer etwaigen Schädigungsfolge seien die Brückensymptome zwischen der Verwundung und dem ersten Auftreten der neuralgischen Schmerzen sehr wichtig.
Die Versorgungsverwaltung zog hierauf das Krankenblatt der Chirurgischen Klinik der Universität F. aus dem Jahre 1962 bei, wo zur Epikrise vermerkt ist, daß eine seit über 10 Jahren wechselnd starke, meist anfallsweise auftretende Neuralgie im Bereich des II. Trigeminusastes bestehe. Seit 1951 verursache sie gelegentlich auftretende anfallsartige Schmerzen.
Aus dem von dem prakt. Arzt Dr. K. beigezogenen Bericht folgt, daß der Kläger dort am 1. Dezember 1952 erstmals in Behandlung wegen der Trigeminusneuralgie links gestanden hat.
In der Eigenanamnese des ärztlichen Entlassungsberichtes über die im Jahre 1964 durchgeführte Kur durch die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte ist ausgeführt, daß seit 1948 eine zunehmende Trigeminusneuralgie links vorliege. Dort äußerte der Kläger, es handele sich dabei um ein reines Gemütsleiden.
Nachdem Dres. W. und Hä. versorgungsärztliche Äußerungen abgegeben hatten, stellte der Bescheid vom 12. April 1966 als Schädigungsfolge "Knapp stecknadelkopfgroßes Geschoßsplitterchen in den Unterkieferweichteilen” ohne eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von wenigstens 25 v.H. fest. Die Trigeminusneuralgie sei weder durch schädigende Einwirkungen im Sinne des § 1 BVG entstanden noch verschlimmert worden.
Der Widerspruchsbescheid vom 23. Mai 1969 führte nach der weiteren fachärztlichen Äußerung des Oberregierungs-Medizinalrats Dr. W. aus, allein das langjährige Freisein von Krankheitserscheinungen und Beschwerden in Richtung einer Trigeminusneuralgie seit der im Januar 1945 erlittenen Bombensplitterverletzung im Nasenbereich mache den Kausalzusammenhang medizinisch nicht wahrscheinlich. Daß folge aus dem Krankenblatt der Chirurgischen Universitätsklinik F. vom 16. August 1962. Die Trigeminusschmerzen seien ein selbständiges Leiden, das vom Trigeminusnerven selbst ausgehe.
In dem Klageverfahren vor dem Sozialgericht Darmstadt hat der Kläger, der nach den Gutachten des Prof. Dr. Huf. vom 1. Juni 1967 und 12. Juni 1967 aufgrund der Urteile des Sozialgerichts Darmstadt und des Hessischen Landessozialgerichts vom 8. Januar 1968 und 21. November 1968 Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 1. Mai 1965 von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte bezieht, mit den ärztlichen Berichten seines Bruders Dr. R. und des Dr. K. vorgetragen, bereits nach der Entlassung aus der Gefangenschaft im Juni 1945 hätten sich einzelne zeitlich punktweise leichte Schmerzzuckungen eingestellt. Die Schmerzempfindlichkeit habe in der nachfolgenden Zeit zugenommen und sei zeitlich unterschiedlich gewesen. Zuerst habe er dafür Zahnerkrankungen und Erkältungen verantwortlich gemacht.
Dazu hat der Beklagte mit dem Facharzt für Nervenkrankheiten Dr. M. und dem Oberregierungs-Medizinalrat Wi. ausgeführt, einheitlicher Zusammenhang der Trigeminusneuralgie mit dem Wehrdienst und seinen Folgen könne nicht begründet werden. Das gelte auch von dem ursächlichen Zusammenhang, da der nur kleine Stecksplitter unterhalb des linken Mundwinkels keine lokalen Beziehungen zu den Asten des Trigeminus habe und diese daher auch nicht geschädigt sein könnten. Auch der Stecksplitter oberhalb des linken Auges sei als Auslösungsursache der Neuralgie im Bereich des II. Trigeminusastes nicht in Betracht zu ziehen. Das Gutachten des Prof. Dr. Huf., das er in der Rentensache des Klägers erstattet habe, gehe von falschen Voraussetzungen aus, wenn es für die Trigeminusneuralgie die Weichteilverletzung aus dem Jahre 1945 verantwortlich gemacht habe.
Das Sozialgericht, das von der Krankenversicherung S. den Schadenskartenauszug des Klägers ab 1. April 1949 beigezogen hat, hat von Prof. Dr. Huf. von der Neurochirurgischen Universitätsklinik B. das Gutachten vom 15. März 1971 eingeholt. Darin wird die Ansicht vertreten, eine Verwundung, wie sie der Kläger erlitten habe, könne auslösende Ursache einer Trigeminusneuralgie sein. Eine solche Verwundung habe aber nicht das nachfolgende Krankheitsbild als solches bedingt.
In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 22. September 1971 unterstrich Prof. Dr. Huf. nochmals, daß eine Verletzung ein Auslösemechanismus sein könne. Er habe das im vorliegenden Falle für möglich gehalten, könne aber nicht mit Sicherheit von einer Wahrscheinlichkeit sprechen. Die Verletzung könne eine Mitursache, aber sicherlich keine wesentliche sein.
Im Auftrag des Klägers hat das Sozialgericht von dem Nervenfacharzt Dr. F. und dem wissenschaftlichen Assistenten Dr. Ru. von der Universitäts-Nervenklinik T. das Gutachten vom 4. Oktober 1972 gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) beigezogen. Die Sachverständigen haben darin ausgeführt, daß die beim Kläger vorliegende Trigeminusneuralgie am Trigeminusast II auf die Bombensplitterverletzung des Jahres 1945 mit Wahrscheinlichkeit zurückzuführen sei. Unter Berücksichtigung der durch die massiven Schmerzzustände hervorgerufenen psychoreaktiven Störungen sei der Grad der MdE dafür mit 100 v.H. zu werten.
Ein weiteres Gutachten haben im Auftrag des Sozialgerichts Prof. Dr. L. und Assistenzarzt Dr. Wie. von den Städtischen Kliniken D. – Hautklinik – erstattet. In dem Gutachten vom 27. Januar 1974 vertraten die Sachverständigen die Ansicht, in dem Naso-Labial-Bereich links beständen einige Teleangiektasien sowie ein in der Haut gelegenes Knötchen. Bei der Inspektion mit dem bloßen Auge sowie bei der Lupenbetrachtung ließen sich in diesem Bereich keine Narben feststellen.
Zu diesen Gutachten hat der Kläger mit dem Bericht des Dr. R. ausgeführt, mit hoher Wahrscheinlichkeit sei die Trigeminusneuralgie durch den Splitter zur Auslösung gelangt. Die Verwundung habe sich an der Stelle des Knötchens am unmittelbaren Austritt des Trigeminusastes II zugetragen. Diese Stelle sei noch heute sichtbar. Daß die Narbe abgeheilt sei, spräche nicht dagegen.
Demgegenüber hat der Beklagte mit Oberregierungs-Medizinalrat Wi. und Dres. Ha. sowie He. ausgeführt, es bestünde lediglich die Möglichkeit, daß die Verwundung auslösender Faktor für die Trigeminusneuralgie gewesen sei. Bei den Ausführungen des Dr. R. handele es sich um rein theoretische Erörterungen, die zudem noch im Hinblick auf das Hin- und Herwandern eines kleinen Weichteilstecksplitters medizinisch äußerst fraglich seien. Wenn wirklich eine Granatsplitterverletzung im Bereich der linken Naso-Labial-Falte erfolgt sei, dann könne es sich dabei nur um eine sehr wenig ausgedehnte Verletzung gehandelt haben. Damit sei natürlich die Frage zu stellen, ob eine derartige Verletzung geeignet sei, eine Trigeminusneuralgie, auch wenn sie vielleicht nur isoliert den II. Ast betreffe, zu verursachen. Das Gutachten der Städtischen Hautklinik D. habe einen Farbenbefund im Naso-Labial-Bereich nicht objektivieren können. Demzufolge sei auch ein Schädigungstatbestand im Sinne des Gutachtens der Universitäts-Nervenklinik T. nicht erwiesen.
Mit Urteil vom 5. Juni 1974 hat das Sozialgericht den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 12. April 1966 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23. Mai 1969 verurteilt, unter zusätzlicher Anerkennung der Trigeminusneuralgie links dem Kläger ab Antragsmonat Beschädigtenrente nach einer MdE um 100 v.H. zu gewähren. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, die Neuralgie des Klägers werde wesentlich durch das nach Lage und Größe ebenfalls unstreitig kleine Geschoßsplitterchen verursacht. Damit sei eine Schädigungsfolge nach dem BVG gegeben, so daß dem Kläger Beschädigtenrente nach einem Grade der MdE um 100 v.H. zu gewähren sei. Die Gutachten hätten die Möglichkeit des Ursachenzusammenhanges nicht ausgeschlossen. Der Splitter liege im Bereich des II. Trigeminusastes links, wo auch die Neuralgie hervorgerufen worden sei. Der zeitliche Zusammenhang sei gleichfalls nicht in Abrede zu stellen. Der örtliche und zeitliche Zusammenhang rechtfertigten aufgrund der medizinischen Beschreibungen über Entstehung und Ablauf der Krankheit den Schluß auf einen inneren Zusammenhang mit der Kriegsverletzung. Hierfür sprächen die überwiegenden Umstände.
Der Beklagte hat gegen das am 4. September 1974 zugestellte Urteil am 2. Oktober 1974 Berufung bei dem Hessischen Landessozialgericht eingelegt. Zur Begründung trägt er vor, es sei weder ein lokaler Zusammenhang noch, die zeitliche Verbindung zwischen schädigendem Ereignis und der beim Kläger bestehenden Trigeminusneuralgie wahrscheinlich zu machen. Zahlreiche Fachgutachten kämen zu einer Ablehnung des wahrscheinlichen Zusammenhangs. Das für den Kläger positive Gutachten gründe sich auf zahlreiche hypothetische und theoretische Erörterungen. Gegen die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs spräche, daß im Bereich des Austrittes des II. Trigeminusastes weder eine Narbe zum Nachweis gekommen sei noch ein Stecksplitter. Auch sei der zeitliche Zusammenhang nicht erwiesen, denn der Beginn der Trigeminusneuralgie sei zeitlich unterschiedlich angegeben worden, anfänglich in einem vierjährigen Abstand vom angeblichen schädigenden Ereignis. Neuralgien, die auf traumatischer Basis beruhten, stellten sich im zeitlich engen Zusammenhang mit der Verletzung ein und nicht erst viele Jahre danach in nennenswertem Ausmaß.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 5. Juli 1974 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und führt ergänzend aus, es sei unverständlich, daß der Beklagte an dem Vorhandensein eines Geschoßsplitters Zweifel hege. Dieser sei bei der Erstuntersuchung röntgenologisch festgestellt worden. Die Schmerzzustände hätten bereits im Jahre 1948 begonnen. Ein zeitlicher Zusammenhang sei damit gleichfalls zu bejahen.
Die Versorgungsakte mit der Archiv-Nr ... sowie die Akte des Sozialgerichts Darmstadt S-2/An-11/66 haben vorgelegen. Auf ihren Inhalt und den der Gerichtsakte beider Rechtszüge, der auszugsweise in der mündlichen Verhandlung vorgetragen worden ist, wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig; sie ist insbesondere frist- und formgerecht eingelegt worden (§§ 143, 151 Abs. 1 SGG). Sie ist auch begründet.
Der Bescheid vom 12. April 1966, der in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Mai 1969 Gegenstand der Klage geworden ist (§ 95 SGG), ist zu Recht ergangen.
Wer durch eine militärische oder militärähnliche Dienstverrichtung oder durch einen Unfall während der Ausübung des militärischen oder militärähnlichen Dienstes oder durch die diesem Dienst eigentümlichen Verhältnisse eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält nach § 1 BVG wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung auf Antrag Versorgung. Dabei genügt zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs (§ 1 Abs. 3 BVG). Eine solche Wahrscheinlichkeit liegt hier jedoch nicht vor. Wenn das Sozialgericht davon ausgegangen ist, daß die Trigeminusneuralgie des Klägers durch ein Geschoßsplitterchen anläßlich der Verwundung im Januar 1945 verursacht worden sei, so könnte seiner Beweisführung bereits insoweit nicht gefolgt werden. Der Röntgenbefund des Dr. Kl. vom 9. März 1965 ist dadurch erschüttert worden, daß spätere Röntgenaufnahmen in den Universitätskliniken B. und T. überhaupt keinen Splitter mehr erkennen ließen. Nach dem überzeugenden Gutachten des Prof. Dr. L. vom 27. Januar 1974 sind im Bereich der Naso-Labial-Falte keine Narben zu finden, während solche aufgrund der Splitterverletzung an der Stirn und an der Oberlippe links unterhalb der Nase noch deutlich sichtbar sind. Hieraus muß der Schluß gezogen werden, daß die Knötchenbildung im Naso-Labial-Bereich links fälschlich als Geschoßsplitter angesehen wurde. Wäre ein Splitter eingedrungen, müßte nach Prof. Dr. L. eine Narbe wie an der Stirn und an der Oberlippe links unterhalb der Nase zu erkennen sein. Für die Annahme des Prof. Dr. L. sprechen die militärischen Unterlagen, wonach die Verletzung den Nasenbereich selbst betroffen hat, nicht aber den benachbarten Wangenbereich links neben der Nase. Wenn sich in dem Naso-Labial-Bereich zahlreiche Teleangiektasien befinden und diese nach Ansicht des Sachverständigen die verschiedensten Ursachen haben können, so folgt daraus, daß eine Splitterverletzung im Trigeminusbereich nicht nachzuweisen ist. Damit fehlt es bereits am Nachweis eines schädigenden Ereignisses, so daß alle Erörterungen über einen etwaigen ursächlichen Zusammenhang der Trigeminusneuralgie rein spekulativ bleiben müssen.
Bestärkt wird der Senat in seiner Auffassung durch die wechselnden Angaben des Klägers über den Beginn der Erkrankung. Daran vermögen auch die Ausführungen seines Bruders als medizinischen Beraters nichts zu ändern, weil dieser ausschließlich von den Angaben des Klägers ausgegangen ist. Diesen kann jedoch wegen ihrer Widersprüchlichkeit nicht gefolgt werden. So hat der Kläger bei Dr. H. anläßlich der Elektrokoagulation am 16. August 1962 unbefangen von einem versorgungsärztlichen Rechtsstreit den Beginn der Beschwerden mit dem Jahr 1951 angegeben. Dieser Sachverständige ist nach der Anamnese auch der Ursache der Beschwerden nachgegangen, fand aber keinen Hinweis auf eine symptomatische Genese. Damit ist schon deswegen eine kriegsunabhängige Entstehung des Leidens wahrscheinlicher. Bei späteren Untersuchungen hat der Kläger den Beginn der Beschwerden dann immer näher an das Kriegsgeschehen heranverlegt. So gab er anläßlich einer Kurbehandlung 1964 in P. an, daß er seit 1948 an zunehmenden Beschwerden von seiten des Trigeminusnerven leide. Bei dem HNO-Arzt Dr. W. wurde der Beginn der Beschwerden mit etwa 8 Monaten nach der Verletzung angegeben und wenig später bei der Untersuchung durch Dr. Hä. wurden die Beschwerden schon unmittelbar an die Kriegsverletzung heranverlegt. Im Hinblick auf diese Widersprüche in den Angaben bestehen begründete Zweifel, ob die Beschwerden von seiten der Trigeminusneuralgie tatsächlich in unmittelbarem Anschluß an die Kriegsverletzung begonnen haben, wie das der Kläger später bei den Begutachtungen in B. und T. angegeben hat. Aus allen diesen Gründen folgt, daß die Annahme, die Trigeminusneuralgie sei durch die Kriegsverletzung verursacht worden, äußerst problematisch ist.
Selbst wenn man aber davon ausgehen wollte, daß der Kläger im Trigeminusbereich tatsächlich eine Bombensplitterverletzung erlitten habe, kann ein ursächlicher Zusammenhang des Leidens mit diesem Kriegsereignis aufgrund der beigezogenen Gutachten nicht wahrscheinlich gemacht werden. So hat bereits Prof. Dr. Huf. in dem Gutachten vom 15. März 1971 mit dem Ergänzungsgutachten vom 22. September 1971 eine Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs nicht bejaht. Auch er geht davon aus, daß es sich bei der Verletzung um eine relativ kleine gehandelt haben muß, da Splitter nicht mehr nachzuweisen seien. Es sei infolgedessen zweifelhaft, ob eine derartig geringfügige Verletzung eine Trigeminusneuralgie überhaupt auslösen könne. Wäre dies der Fall, so müßte die Krankheit bei Gesichtsverletzungen durch Unfälle, wie sie heute an der Tagesordnung seien, weit verbreitet sein. Das sei aber nicht der Fall. In der Literatur werde eine Verursachung nur dann angenommen, wenn eine massive Verletzung oder Kompression des Trigeminus vorgelegen habe. Nach Prof. Dr. Huf. könne eine geringfügige Verletzung zwar die Bedeutung einer sogenannten Gelegenheitsursache haben in dem Sinne, daß auch jede andere Verletzung als Auslöser der Krankheit in Betracht zu ziehen sei, wie z.B. ein Anstoßen des Gesichts, das Ziehen eines Zahnes oder eine plötzliche Abkühlung der Wange. Alle diese Gelegenheitsursachen stießen auf eine bereits vorhandene Veranlagung. Im Hinblick auf dieses Gutachten kann deshalb allenfalls die Möglichkeit einer Verursachung der Trigeminusneuralgie durch die Kriegsverletzung bejaht werden, niemals aber eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, wie sie nach § 1 Abs. 3 BVG erforderlich ist.
Auch nach dem Gutachten des Prof. Dr. F. von der Universitäts-Nervenklinik T. läßt sich eine hinreichende Wahrscheinlichkeit der Entstehung der Trigeminusneuralgie durch die behauptete Kriegsverletzung nicht begründen. Wenn er mit Dr. Ru. im Bereich der linken Naso-Labial-Falte keine umschriebene deutlich erkennbare Narbe mehr entdecken konnte, ist er zu Unrecht davon ausgegangen, daß ein kleiner Metallsplitter im Bereich des Austrittspunktes des II. Trigeminusastes in das Gesicht des Klägers eingedrungen ist. Denn diese Feststellung ist jedenfalls nicht beweisbar. Selbst wenn man aber zugunsten des Klägers von einem derartigen Befund ausgehen wollte, reicht die von den Sachverständigen vertretene Meinung zur Annahme einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit im Sinne des § 1 Abs. 3 BVG nicht aus. Denn die Sachverständigen gehen mit der wissenschaftlichen Literatur davon aus, daß periphere Störungen zu einer Trigeminusneuralgie führen können. Das deckt sich mit der Auffassung des Prof. Dr. Huf. Daneben kämen aber als Ursachen auch Zahnerkrankungen, Erkrankungen der Nasennebenhöhle, orbitale Läsionen und eine Kiefergelenksarthritis in Frage. An Zahnerkrankungen hat der Kläger aber ausweislich seines Schriftsatzes vom 18. September 1969 nach 1945 gelitten und hat deswegen bei mehreren Zahnärzten in Behandlung gestanden. Kommt deshalb auch die Zahnerkrankung als Ursache der Trigeminusneuralgie in Frage, so ist es eine fehlerhafte Beweiswürdigung, wenn eine Wahrscheinlichkeit trotz mehrerer Möglichkeiten der Verursachung angenommen wird. In diesem Falle scheidet eine hinreichende Wahrscheinlichkeit nach § 1 Abs. 3 BVG aus.
Danach vermag der Senat nicht festzustellen, daß die Trigeminusneuralgie links eine Schädigungsfolge ist, da sie nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit auf die behauptete Kriegsverletzung bezogen werden kann. Insoweit vermochte sich der Senat den sachlichen Argumenten des Facharztes für Neurologie Dr. Ha. nicht zu verschließen.
Demzufolge war auf die Berufung das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 5. Juli 1974 aufzuheben.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG kam nach Lage des Falles nicht in Betracht.
Rechtskraft
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