Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 3 U 27/81
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 887/82
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Einkommen aus illegaler Beschäftigung kann nach deutschem Unterhaltsrecht bei der Berechnung zukünftiger Unterhaltsansprüche nicht berücksichtigt werden (Anschluß an OLG Hamm, Urteil vom 1978-01-19, 1 UF 259/77).
2. Auch wenn der Sohn aus illegal erworbenem Arbeitsverdienst seine Eltern tatsächlich unterhalten hat, steht den Eltern kein Unterhaltsanspruch zu, der die Fortsetzung der illegalen Beschäftigung voraussetzen würde. Im Todesfall steht den Eltern daher auch keine Elternrente zu.
2. Auch wenn der Sohn aus illegal erworbenem Arbeitsverdienst seine Eltern tatsächlich unterhalten hat, steht den Eltern kein Unterhaltsanspruch zu, der die Fortsetzung der illegalen Beschäftigung voraussetzen würde. Im Todesfall steht den Eltern daher auch keine Elternrente zu.
I. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 8. Juli 1982 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob den Klägern Elternrente zusteht.
Der 1948 geborene und aus F. in J. stammende St. V. (V.) starb im Alter von 25 Jahren am 10. Juli 1973 an den Folgen eines Verkehrsunfalles. V. war seit dem 1. Juli 1973 bei der Firma R. L. in St. beschäftigt gewesen und hatte sich zum Unfallzeitpunkt auf dem Weg zu einer anderen Arbeitsstelle befunden. Nach einer Mitteilung seines Arbeitgebers (vom 14. Juli 1973) erzielte er in der Zeit vom 1. bis 9. Juli 1973 einen Gesamtbruttolohn von 312,00 DM.
Im Oktober 1979 stellten die Kläger, die Eltern des verstorbenen V., einen Antrag auf Elternrente. Im Laufe des Verwaltungsverfahrens teilten sie mit, Belege für erfolgte Unterhaltszahlungen seien nicht vorhanden; ihr Sohn habe aber in der Zeit vom 4. April bis 10. Juli 1973 1.220,00 DM als Unterhalt an sie geleistet. Mit Schreiben vom 25. Januar 1980 konkretisierten sie diese Ausführungen dahingehend, daß V. "im Mai 1977 den Betrag von 800,00 DM und im Juni 420,00 DM geschickt” habe. Zum Beweis legte der Kläger zu 1) u.a. eine "Bescheinigung” der Gemeindeverwaltung F., Sekretariat für Wirtschaft, gesellschaftliche Tätigkeiten und Verwaltung, vom 3. Januar 1980 vor, in der ebenfalls – offensichtlich aus Versehen – die Jahreszahl 1977 genannt wird. Nach dieser Bescheinigung hat der Zeuge S. P. ausgesagt, der Verstorbene habe seiner Familie im April und Mai 1977 800,00 DM und im Juni 420,00 DM geschickt.
Weitere Ermittlungen der Beklagten ergaben, daß V., der bis zum 20. März 1973 an der T. Hochschule N. studiert hatte, vor dem 1. Juli 1973 bei der Allgemeinen Ortskrankenkasse St. nicht gemeldet war; wo er vorher gearbeitet habe, sei nicht bekannt. Der damalige Arbeitgeber teilte ebenfalls mit, ihm sei nicht bekannt, bei welcher Firma V. vom 4. April bis 30. Juni 1973 beschäftigt gewesen sei.
Mit Bescheid vom 15. Juli 1980 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Elternrente ab. Den hiergegen, erhobenen Widerspruch begründeten die Kläger u.a. damit, ihr Sohn sei bereits ab dem 4. April 1973 bei der Firma L. in St. beschäftigt gewesen. Die Beklagte wies den Widerspruch jedoch mit Widerspruchsbescheid vom 6. Februar 1981 zurück, weil nicht wahrscheinlich sei, daß V. seine Eltern zu Lebzeiten wesentlich unterhalten habe oder ohne den Arbeitsunfall wesentlich unterhalten würde.
Im anschließenden Klageverfahren haben die Kläger – wiederum im Wege einer "Bescheinigung” der Gemeindeverwaltung F. Sekretariat für Wirtschaft, Soziales und Verwaltung – vorgetragen, der Verstorbene sei vorübergehend bei der Firma "R.” St. beschäftigt gewesen und habe in der Zeit vom 4. April bis 10. Juli 1973 monatlich 1.000,00 bis 1.200,00 DM verdient. Ferner haben sie u.a. ein Protokoll über die Vernehmung des Zeugen O. I. vom 13. November 1981 vorgelegt. Dieser Zeuge hat ausgesagt, er sei zusammen mit dem Verstorbenen vorübergehend in der Bundesrepublik Deutschland bei der Firma "R. L.” in St. seit Anfang April 1973 beschäftigt gewesen. Ihm – dem Zeugen – sei auch bekannt, daß der Verstorbene den Lebensunterhalt seines Vaters, seiner Brüder und Schwestern bestritten habe und ihnen das Geld über seinen Nachbarn S. P. geschickt habe.
Das angerufene Sozialgericht Kassel hat die Klage mit Urteil vom 8. Juli 1982 abgewiesen, weil der Verstorbene seinen Eltern im Zeitpunkt der Antragstellung (Oktober 1979) wahrscheinlich keinen Unterhalt mehr geleistet hätte. Vielmehr sei davon auszugehen, daß er wahrscheinlich geheiratet hätte und daher nicht mehr in der Lage gewesen wäre, neben seiner Familie gleichzeitig seine Eltern zu unterstützen. Das Sozialgericht stützt sich bei seiner Entscheidung auf näher zitierte Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG).
Mit seiner fristgerecht eingelegten Berufung machen die Kläger vor allem geltend, ihr Sohn hätte sie – entgegen der Ansicht des Sozialgerichts – auch weiterhin unterstützt. V. sei zum Unfallzeitpunkt noch ledig gewesen und es lägen keinerlei Anhaltspunkte vor, daß er später geheiratet haben würde. Gerade die Tatsache, daß V. noch nicht lange in Deutschland beschäftigt gewesen sei, spreche dafür, daß er vor einer eventuell beabsichtigten Eheschließung sich erst eine wirtschaftliche und finanzielle Basis für eine Ehe erarbeitet haben würde. Selbst dann, wenn er sich vor Oktober 1979 verehelicht hätte, könne nicht unterstellt werden, daß er dann seine Eltern nicht mehr unterstützt hätte. Die insofern andere Haltung deutscher Abkömmlinge gegenüber ihren Eltern könne nicht auf Südländer, die noch Familiensinn hätten und für die Bedürftigen einträten, übertragen werden.
Die Kläger beantragen (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 8. Juli 1982 sowie den Bescheid der Beklagten vom 15. Juli 1980 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Februar 1981 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihnen Elternrente zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bestreitet weiterhin, daß der Verstorbene zu Lebzeiten seine Eltern wesentlich aus seinem Arbeitsverdienst unterhalten hat und ohne den Arbeitsunfall noch wesentlich unterhalten würde. Im übrigen beruft sich die Beklagte auf die Ausführungen der Vorinstanz.
Der erkennende Senat hat bei der Stadtverwaltung von St. angefragt, ob V. polizeilich gemeldet gewesen sei und eine Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis besessen habe. Das Amt für öffentliche Ordnung hat darauf hin mitgeteilt, V. sei weder polizeilich gemeldet noch ausländerrechtlich erfaßt gewesen.
Die Beteiligten haben übereinstimmend ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Ergänzend wird auf den sonstigen wesentlichen Inhalt der Verwaltungs- und Gerichtsakten Bezug genommen, der Gegenstand der geheimen Beratung war.
Entscheidungsgründe:
Die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Berufung liegen unbedenklich vor. Der erkennende Senat konnte nach § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
Die Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht Kassel hat in seiner Entscheidung bereits die maßgeblichen Gründe dargelegt, weshalb der Anspruch der Kläger auf jeden Fall scheitert. Die Ablehnung der Elternrente durch die Beklagte ist somit rechtmäßig.
Hinterläßt der durch Arbeitsunfall Verstorbene Verwandte der aufsteigenden Linie, die er aus seinem Arbeitsverdienst wesentlich unterhalten hat oder ohne den Arbeitsunfall wesentlich unterhalten würde, so ist ihnen nach § 596 Abs. 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) eine Rente zu gewähren, solange sie ohne den Arbeitsunfall gegen den Verstorbenen einen Anspruch auf Unterhalt hätten geltend machen können. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift für den Bezug einer Elternrente liegen im Falle der Kläger nicht vor.
Der Senat stellt zunächst fest, daß V. nach dem eigenen Vorbringen der Kläger überhaupt nur zweimal Unterhaltszahlungen an sie geleistet hat. Bis März 1973 war V. als Student an der T. Hochschule zu Unterhaltszahlungen auch kaum in der Lage. Wenn er seit dem 4. April 1973 tatsächlich – wie es die Gemeindeverwaltung F. am 3. Oktober 1980 auf Antrag des Klägers zu 1) bescheinigt hat – nur etwa 1.000,00 bis 1.200,00 DM monatlich verdient haben sollte, ist unglaubhaft, daß er für die Monate April und Mai 1973 800,00 DM an die Kläger geschickt haben soll. Mit dem Restbetrag hätte er nämlich kaum seinen eigenen Lebensunterhalt in der Bundesrepublik Deutschland decken können. Sofern außerdem von den Klägern behauptet (und von dem früheren Arbeitskollegen P. bestätigt) wird, V. habe im Juni 1973 420,00 DM überwiesen, ist dies unter Berücksichtigung der Angabe des Arbeitgebers vom 14. Juli 1973 ebenfalls unglaubhaft. Denn danach hat V. im Juni 1973 überhaupt nur 312,00 DM brutto verdient. Da schriftliche Zahlungsbelege fehlen, müssen deshalb schon die Zahlungen an sich angezweifelt werden.
§ 596 RVO setzt ferner voraus, daß der Unterhalt "aus dem Arbeitsverdienst” geleistet wird. Bei einem Gesamtbruttolohn von 312,00 DM im Juni 1973 konnte V. für diese Zeit keine 420,00 DM Unterhalt "aus seinem Arbeitsverdienst” leisten. Für die Zeit davor – vom 4. April bis 30. Juni 1973 – ist ein Beschäftigungsverhältnis, das zu einem Arbeitsverdienst hätte führen können, nicht bewiesen. Den Angaben der Kläger und der jugoslawischen Arbeitskollegen P. und O. wonach V. ab dem 4. April 1973 bei der Firma L. beschäftigt war, steht die Tatsache gegenüber, daß V. jedenfalls für diese Zeit nicht bei der zuständigen AOK gemeldet war, ferner auch nicht polizeilich gemeldet war und weder Aufenthaltserlaubnis noch Arbeitserlaubnis besaß. Auch der vermeintliche Arbeitgeber hat nach seiner Auskunft vom 12. Mai 1980 keine Kenntnis von dem behaupteten Beschäftigungsverhältnis vor dem 1. Juli 1973.
Einer eingehenden Beweiswürdigung der nach Ansicht des Senats zweifelhaften Angaben des Klägers zu 1) und der Aussagen der Zeugen P. und O. sowie etwaiger weiterer Beweiserhebungen über die angeblichen Zahlungen bedurfte es allerdings nicht. Denn da V. weder polizeilich noch ausländerrechtlich erfaßt war, könnte es sich bei einem etwaigen Beschäftigungsverhältnis vor dem 1. Juli 1973 nur um eine illegale Beschäftigung gehandelt haben. Im Hinblick auf die danach ständig drohende Ausweisung des Versicherten aus der Bundesrepublik Deutschland stellt das illegal erworbene Arbeitseinkommen kein hinreichend verläßliches und dauerhaftes Einkommen dar, das allein die Grundlage für eine darauf beruhende Unterhaltsverpflichtung gegenüber seinen Eltern sein könnte. Der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung knüpft zwar allein an eine Beschäftigung im Geltungsbereich dieses Gesetzes an (sogenanntes Territorialitätsprinzip – § 3 Nr. 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch – SGB 4). Das bedeutet jedoch nicht, daß wegen der Anerkennung eines Versicherungsschutzes auch eine auf dem illegal erworbenen Arbeitsverdienst beruhende Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten rechtlich anerkannt werden müßte. Einkommen aus Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung kann nach deutschem Unterhaltsrecht bei der Berechnung zukünftiger Unterhaltsansprüche nicht berücksichtigt werden (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 19. Januar 1978 – 1 UF 259/77). Die Unterhaltsansprüche der Kläger sind zwar nach dem Recht ihres Heimatlandes zu beurteilen (vgl. Lauterbach/Watermann; Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Aufl., Stand: 1. Juni 1984, Anm. 10 am Ende zu § 596); selbst wenn jedoch nach jugoslawischem Recht solche Ansprüche bestünden, wäre hier die Anwendung der ausländischen Gesetze nach Art. 30 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) ausgeschlossen, weil diese Anwendung gegen die guten Sitten und gegen den Zweck der deutschen Gesetze, die eine illegale Beschäftigung verbieten, verstieße. Denn wenn man eine auf rechtswidrig erworbenem Arbeitsverdienst beruhende Unterhaltsleistungsfähigkeit bejahen und daraus eine Unterhaltsverpflichtung herleiten würde, müßte der Unterhaltsberechtigte vom Verpflichteten auch die Fortsetzung seiner illegalen Arbeit verlangen können, um so den Unterhaltsverpflichtungen nachzukommen. Ein Anspruch darauf besteht aber nicht.
Schließlich scheitert der Anspruch der Kläger jedenfalls auch daran, daß V. wahrscheinlich zum Zeitpunkt der Antragstellung (Oktober 1979) keinen Unterhalt mehr geleistet hätte. Nach § 596 RVO wird die Elternrente nur gewährt, solange die Eltern ohne den Arbeitsunfall gegen den Verstorbenen einen Anspruch auf Unterhalt hätten geltend machen können. Der Rentenanspruch wird damit vom Fortbestehen der Unterhallsfähigkeit des tödlich Verletzten und damit von einem künftigen mutmaßlichen Geschehensablauf abhängig gemacht. Nach der Rechtsprechung des BSG ist davon auszugehen, daß ein durch Arbeitsunfall getöteter lediger junger Mann, der zum Unfallzeitpunkt seine Berufsausbildung bereits abgeschlossen hatte, später einmal geheiratet haben würde. Als Zeitpunkt der Eheschließung kann aufgrund der statistischen Jahrbücher als Mittelwert das vollendete 26. Lebensjahr angenommen werden. Dieser statistische Mittelwert gilt auch für ausländische ledige Männer, die in der Bundesrepublik leben (vgl. BSG – SozR 2200, Nr. 6 zu § 596 RVO). Schließlich kann auch unterstellt werden, daß der ehemals Unterhaltspflichtige dann sein Einkommen für die Einrichtung seines Haushalts und den Unterhalt seiner neu gegründeten Familie benötigt (vgl. BSG SozR 2200, Nrn. 3, 4, 6 zu § 596 RVO; Lauterbach/Watermann, Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Auflage, Stand: 1. Juni 1984, Anm. 10 zu § 596 RVO). Im Anschluß an diese Rechtsprechung geht auch der Senat davon aus, daß V. jedenfalls vor Oktober 1979 noch geheiratet haben würde und wegen der dadurch entstandenen anderen Unterhaltsverpflichtungen nicht mehr in der Lage gewesen wäre, seine Eltern weiterhin zu unterhalten. Konkrete Hinweise, daß V. nicht geheiratet hätte, sind nicht vorgetragen worden. Die von den Klägern aufgezeigte Möglichkeit einer Nichtverheiratung oder einer Unterhaltsgewährung trotz einer Verheiratung entspricht nicht einer statistisch gesicherten Wahrscheinlichkeit.
Ferner ist auch unwahrscheinlich, daß ohne polizeiliche Anmeldung und ohne Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis die Beschäftigung des V. bei der Firma L. oder bei einem anderen deutschen Arbeitgeber angedauert hätte, um daraus Geld für den Unterhalt der Eltern zu verdienen.
Abschließend ist darauf hinzuweisen, daß eine Rentengewährung vor dem Zeitpunkt der Antragstellung ohnehin nicht in Betracht kommt. Wie das Sozialgericht auch insofern zutreffend ausgeführt hat, scheidet eine rückwirkende Gewährung der Elternrente aus. Stirbt der Verletzte infolge eines Arbeitsunfalls, so ist nach § 1548 RVO der Anspruch auf Entschädigung für die Hinterbliebenen, wenn sie nicht von Amts wegen festgestellt ist, spätestens zwei Jahre nach dem Tode des Verletzten bei dem Versicherungsträger anzumelden. Wird der Anspruch später angemeldet, so beginnen die Leistungen nach § 1548, 2. Halbsatz RVO in Verbindung mit § 1546 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz RVO mit dem Ersten des Antragsmonats, es sei denn, daß die verspätete Anmeldung durch Verhältnisse begründet ist, die außerhalb des Willens des Antragstellers lagen. Solche außergewöhnlichen Verhältnisse sind hier aber nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG; die Nichtzulassung der Revision folgt aus § 160 SGG.
II. Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob den Klägern Elternrente zusteht.
Der 1948 geborene und aus F. in J. stammende St. V. (V.) starb im Alter von 25 Jahren am 10. Juli 1973 an den Folgen eines Verkehrsunfalles. V. war seit dem 1. Juli 1973 bei der Firma R. L. in St. beschäftigt gewesen und hatte sich zum Unfallzeitpunkt auf dem Weg zu einer anderen Arbeitsstelle befunden. Nach einer Mitteilung seines Arbeitgebers (vom 14. Juli 1973) erzielte er in der Zeit vom 1. bis 9. Juli 1973 einen Gesamtbruttolohn von 312,00 DM.
Im Oktober 1979 stellten die Kläger, die Eltern des verstorbenen V., einen Antrag auf Elternrente. Im Laufe des Verwaltungsverfahrens teilten sie mit, Belege für erfolgte Unterhaltszahlungen seien nicht vorhanden; ihr Sohn habe aber in der Zeit vom 4. April bis 10. Juli 1973 1.220,00 DM als Unterhalt an sie geleistet. Mit Schreiben vom 25. Januar 1980 konkretisierten sie diese Ausführungen dahingehend, daß V. "im Mai 1977 den Betrag von 800,00 DM und im Juni 420,00 DM geschickt” habe. Zum Beweis legte der Kläger zu 1) u.a. eine "Bescheinigung” der Gemeindeverwaltung F., Sekretariat für Wirtschaft, gesellschaftliche Tätigkeiten und Verwaltung, vom 3. Januar 1980 vor, in der ebenfalls – offensichtlich aus Versehen – die Jahreszahl 1977 genannt wird. Nach dieser Bescheinigung hat der Zeuge S. P. ausgesagt, der Verstorbene habe seiner Familie im April und Mai 1977 800,00 DM und im Juni 420,00 DM geschickt.
Weitere Ermittlungen der Beklagten ergaben, daß V., der bis zum 20. März 1973 an der T. Hochschule N. studiert hatte, vor dem 1. Juli 1973 bei der Allgemeinen Ortskrankenkasse St. nicht gemeldet war; wo er vorher gearbeitet habe, sei nicht bekannt. Der damalige Arbeitgeber teilte ebenfalls mit, ihm sei nicht bekannt, bei welcher Firma V. vom 4. April bis 30. Juni 1973 beschäftigt gewesen sei.
Mit Bescheid vom 15. Juli 1980 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Elternrente ab. Den hiergegen, erhobenen Widerspruch begründeten die Kläger u.a. damit, ihr Sohn sei bereits ab dem 4. April 1973 bei der Firma L. in St. beschäftigt gewesen. Die Beklagte wies den Widerspruch jedoch mit Widerspruchsbescheid vom 6. Februar 1981 zurück, weil nicht wahrscheinlich sei, daß V. seine Eltern zu Lebzeiten wesentlich unterhalten habe oder ohne den Arbeitsunfall wesentlich unterhalten würde.
Im anschließenden Klageverfahren haben die Kläger – wiederum im Wege einer "Bescheinigung” der Gemeindeverwaltung F. Sekretariat für Wirtschaft, Soziales und Verwaltung – vorgetragen, der Verstorbene sei vorübergehend bei der Firma "R.” St. beschäftigt gewesen und habe in der Zeit vom 4. April bis 10. Juli 1973 monatlich 1.000,00 bis 1.200,00 DM verdient. Ferner haben sie u.a. ein Protokoll über die Vernehmung des Zeugen O. I. vom 13. November 1981 vorgelegt. Dieser Zeuge hat ausgesagt, er sei zusammen mit dem Verstorbenen vorübergehend in der Bundesrepublik Deutschland bei der Firma "R. L.” in St. seit Anfang April 1973 beschäftigt gewesen. Ihm – dem Zeugen – sei auch bekannt, daß der Verstorbene den Lebensunterhalt seines Vaters, seiner Brüder und Schwestern bestritten habe und ihnen das Geld über seinen Nachbarn S. P. geschickt habe.
Das angerufene Sozialgericht Kassel hat die Klage mit Urteil vom 8. Juli 1982 abgewiesen, weil der Verstorbene seinen Eltern im Zeitpunkt der Antragstellung (Oktober 1979) wahrscheinlich keinen Unterhalt mehr geleistet hätte. Vielmehr sei davon auszugehen, daß er wahrscheinlich geheiratet hätte und daher nicht mehr in der Lage gewesen wäre, neben seiner Familie gleichzeitig seine Eltern zu unterstützen. Das Sozialgericht stützt sich bei seiner Entscheidung auf näher zitierte Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG).
Mit seiner fristgerecht eingelegten Berufung machen die Kläger vor allem geltend, ihr Sohn hätte sie – entgegen der Ansicht des Sozialgerichts – auch weiterhin unterstützt. V. sei zum Unfallzeitpunkt noch ledig gewesen und es lägen keinerlei Anhaltspunkte vor, daß er später geheiratet haben würde. Gerade die Tatsache, daß V. noch nicht lange in Deutschland beschäftigt gewesen sei, spreche dafür, daß er vor einer eventuell beabsichtigten Eheschließung sich erst eine wirtschaftliche und finanzielle Basis für eine Ehe erarbeitet haben würde. Selbst dann, wenn er sich vor Oktober 1979 verehelicht hätte, könne nicht unterstellt werden, daß er dann seine Eltern nicht mehr unterstützt hätte. Die insofern andere Haltung deutscher Abkömmlinge gegenüber ihren Eltern könne nicht auf Südländer, die noch Familiensinn hätten und für die Bedürftigen einträten, übertragen werden.
Die Kläger beantragen (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 8. Juli 1982 sowie den Bescheid der Beklagten vom 15. Juli 1980 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Februar 1981 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihnen Elternrente zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bestreitet weiterhin, daß der Verstorbene zu Lebzeiten seine Eltern wesentlich aus seinem Arbeitsverdienst unterhalten hat und ohne den Arbeitsunfall noch wesentlich unterhalten würde. Im übrigen beruft sich die Beklagte auf die Ausführungen der Vorinstanz.
Der erkennende Senat hat bei der Stadtverwaltung von St. angefragt, ob V. polizeilich gemeldet gewesen sei und eine Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis besessen habe. Das Amt für öffentliche Ordnung hat darauf hin mitgeteilt, V. sei weder polizeilich gemeldet noch ausländerrechtlich erfaßt gewesen.
Die Beteiligten haben übereinstimmend ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Ergänzend wird auf den sonstigen wesentlichen Inhalt der Verwaltungs- und Gerichtsakten Bezug genommen, der Gegenstand der geheimen Beratung war.
Entscheidungsgründe:
Die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Berufung liegen unbedenklich vor. Der erkennende Senat konnte nach § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
Die Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht Kassel hat in seiner Entscheidung bereits die maßgeblichen Gründe dargelegt, weshalb der Anspruch der Kläger auf jeden Fall scheitert. Die Ablehnung der Elternrente durch die Beklagte ist somit rechtmäßig.
Hinterläßt der durch Arbeitsunfall Verstorbene Verwandte der aufsteigenden Linie, die er aus seinem Arbeitsverdienst wesentlich unterhalten hat oder ohne den Arbeitsunfall wesentlich unterhalten würde, so ist ihnen nach § 596 Abs. 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) eine Rente zu gewähren, solange sie ohne den Arbeitsunfall gegen den Verstorbenen einen Anspruch auf Unterhalt hätten geltend machen können. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift für den Bezug einer Elternrente liegen im Falle der Kläger nicht vor.
Der Senat stellt zunächst fest, daß V. nach dem eigenen Vorbringen der Kläger überhaupt nur zweimal Unterhaltszahlungen an sie geleistet hat. Bis März 1973 war V. als Student an der T. Hochschule zu Unterhaltszahlungen auch kaum in der Lage. Wenn er seit dem 4. April 1973 tatsächlich – wie es die Gemeindeverwaltung F. am 3. Oktober 1980 auf Antrag des Klägers zu 1) bescheinigt hat – nur etwa 1.000,00 bis 1.200,00 DM monatlich verdient haben sollte, ist unglaubhaft, daß er für die Monate April und Mai 1973 800,00 DM an die Kläger geschickt haben soll. Mit dem Restbetrag hätte er nämlich kaum seinen eigenen Lebensunterhalt in der Bundesrepublik Deutschland decken können. Sofern außerdem von den Klägern behauptet (und von dem früheren Arbeitskollegen P. bestätigt) wird, V. habe im Juni 1973 420,00 DM überwiesen, ist dies unter Berücksichtigung der Angabe des Arbeitgebers vom 14. Juli 1973 ebenfalls unglaubhaft. Denn danach hat V. im Juni 1973 überhaupt nur 312,00 DM brutto verdient. Da schriftliche Zahlungsbelege fehlen, müssen deshalb schon die Zahlungen an sich angezweifelt werden.
§ 596 RVO setzt ferner voraus, daß der Unterhalt "aus dem Arbeitsverdienst” geleistet wird. Bei einem Gesamtbruttolohn von 312,00 DM im Juni 1973 konnte V. für diese Zeit keine 420,00 DM Unterhalt "aus seinem Arbeitsverdienst” leisten. Für die Zeit davor – vom 4. April bis 30. Juni 1973 – ist ein Beschäftigungsverhältnis, das zu einem Arbeitsverdienst hätte führen können, nicht bewiesen. Den Angaben der Kläger und der jugoslawischen Arbeitskollegen P. und O. wonach V. ab dem 4. April 1973 bei der Firma L. beschäftigt war, steht die Tatsache gegenüber, daß V. jedenfalls für diese Zeit nicht bei der zuständigen AOK gemeldet war, ferner auch nicht polizeilich gemeldet war und weder Aufenthaltserlaubnis noch Arbeitserlaubnis besaß. Auch der vermeintliche Arbeitgeber hat nach seiner Auskunft vom 12. Mai 1980 keine Kenntnis von dem behaupteten Beschäftigungsverhältnis vor dem 1. Juli 1973.
Einer eingehenden Beweiswürdigung der nach Ansicht des Senats zweifelhaften Angaben des Klägers zu 1) und der Aussagen der Zeugen P. und O. sowie etwaiger weiterer Beweiserhebungen über die angeblichen Zahlungen bedurfte es allerdings nicht. Denn da V. weder polizeilich noch ausländerrechtlich erfaßt war, könnte es sich bei einem etwaigen Beschäftigungsverhältnis vor dem 1. Juli 1973 nur um eine illegale Beschäftigung gehandelt haben. Im Hinblick auf die danach ständig drohende Ausweisung des Versicherten aus der Bundesrepublik Deutschland stellt das illegal erworbene Arbeitseinkommen kein hinreichend verläßliches und dauerhaftes Einkommen dar, das allein die Grundlage für eine darauf beruhende Unterhaltsverpflichtung gegenüber seinen Eltern sein könnte. Der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung knüpft zwar allein an eine Beschäftigung im Geltungsbereich dieses Gesetzes an (sogenanntes Territorialitätsprinzip – § 3 Nr. 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch – SGB 4). Das bedeutet jedoch nicht, daß wegen der Anerkennung eines Versicherungsschutzes auch eine auf dem illegal erworbenen Arbeitsverdienst beruhende Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten rechtlich anerkannt werden müßte. Einkommen aus Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung kann nach deutschem Unterhaltsrecht bei der Berechnung zukünftiger Unterhaltsansprüche nicht berücksichtigt werden (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 19. Januar 1978 – 1 UF 259/77). Die Unterhaltsansprüche der Kläger sind zwar nach dem Recht ihres Heimatlandes zu beurteilen (vgl. Lauterbach/Watermann; Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Aufl., Stand: 1. Juni 1984, Anm. 10 am Ende zu § 596); selbst wenn jedoch nach jugoslawischem Recht solche Ansprüche bestünden, wäre hier die Anwendung der ausländischen Gesetze nach Art. 30 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) ausgeschlossen, weil diese Anwendung gegen die guten Sitten und gegen den Zweck der deutschen Gesetze, die eine illegale Beschäftigung verbieten, verstieße. Denn wenn man eine auf rechtswidrig erworbenem Arbeitsverdienst beruhende Unterhaltsleistungsfähigkeit bejahen und daraus eine Unterhaltsverpflichtung herleiten würde, müßte der Unterhaltsberechtigte vom Verpflichteten auch die Fortsetzung seiner illegalen Arbeit verlangen können, um so den Unterhaltsverpflichtungen nachzukommen. Ein Anspruch darauf besteht aber nicht.
Schließlich scheitert der Anspruch der Kläger jedenfalls auch daran, daß V. wahrscheinlich zum Zeitpunkt der Antragstellung (Oktober 1979) keinen Unterhalt mehr geleistet hätte. Nach § 596 RVO wird die Elternrente nur gewährt, solange die Eltern ohne den Arbeitsunfall gegen den Verstorbenen einen Anspruch auf Unterhalt hätten geltend machen können. Der Rentenanspruch wird damit vom Fortbestehen der Unterhallsfähigkeit des tödlich Verletzten und damit von einem künftigen mutmaßlichen Geschehensablauf abhängig gemacht. Nach der Rechtsprechung des BSG ist davon auszugehen, daß ein durch Arbeitsunfall getöteter lediger junger Mann, der zum Unfallzeitpunkt seine Berufsausbildung bereits abgeschlossen hatte, später einmal geheiratet haben würde. Als Zeitpunkt der Eheschließung kann aufgrund der statistischen Jahrbücher als Mittelwert das vollendete 26. Lebensjahr angenommen werden. Dieser statistische Mittelwert gilt auch für ausländische ledige Männer, die in der Bundesrepublik leben (vgl. BSG – SozR 2200, Nr. 6 zu § 596 RVO). Schließlich kann auch unterstellt werden, daß der ehemals Unterhaltspflichtige dann sein Einkommen für die Einrichtung seines Haushalts und den Unterhalt seiner neu gegründeten Familie benötigt (vgl. BSG SozR 2200, Nrn. 3, 4, 6 zu § 596 RVO; Lauterbach/Watermann, Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Auflage, Stand: 1. Juni 1984, Anm. 10 zu § 596 RVO). Im Anschluß an diese Rechtsprechung geht auch der Senat davon aus, daß V. jedenfalls vor Oktober 1979 noch geheiratet haben würde und wegen der dadurch entstandenen anderen Unterhaltsverpflichtungen nicht mehr in der Lage gewesen wäre, seine Eltern weiterhin zu unterhalten. Konkrete Hinweise, daß V. nicht geheiratet hätte, sind nicht vorgetragen worden. Die von den Klägern aufgezeigte Möglichkeit einer Nichtverheiratung oder einer Unterhaltsgewährung trotz einer Verheiratung entspricht nicht einer statistisch gesicherten Wahrscheinlichkeit.
Ferner ist auch unwahrscheinlich, daß ohne polizeiliche Anmeldung und ohne Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis die Beschäftigung des V. bei der Firma L. oder bei einem anderen deutschen Arbeitgeber angedauert hätte, um daraus Geld für den Unterhalt der Eltern zu verdienen.
Abschließend ist darauf hinzuweisen, daß eine Rentengewährung vor dem Zeitpunkt der Antragstellung ohnehin nicht in Betracht kommt. Wie das Sozialgericht auch insofern zutreffend ausgeführt hat, scheidet eine rückwirkende Gewährung der Elternrente aus. Stirbt der Verletzte infolge eines Arbeitsunfalls, so ist nach § 1548 RVO der Anspruch auf Entschädigung für die Hinterbliebenen, wenn sie nicht von Amts wegen festgestellt ist, spätestens zwei Jahre nach dem Tode des Verletzten bei dem Versicherungsträger anzumelden. Wird der Anspruch später angemeldet, so beginnen die Leistungen nach § 1548, 2. Halbsatz RVO in Verbindung mit § 1546 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz RVO mit dem Ersten des Antragsmonats, es sei denn, daß die verspätete Anmeldung durch Verhältnisse begründet ist, die außerhalb des Willens des Antragstellers lagen. Solche außergewöhnlichen Verhältnisse sind hier aber nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG; die Nichtzulassung der Revision folgt aus § 160 SGG.
Rechtskraft
Aus
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