L 3 U 685/96

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 3 U 1161/94
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 685/96
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 25. März 1996 aufgehoben und die Klagen abgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über das Vorliegen eines Arbeitsunfalls.

Kläger sind die Ehefrau und die drei minderjährigen Kinder des 1959 geborenen und 1993 verstorbenen R. H ... Dieser war als Servicetechniker im Außendienst bei der Firma R. GmbH, D., beschäftigt und aufgrund dieser Tätigkeit bei der Beklagten gegen Arbeitsunfall versichert.

Am 4. März 1993 verließ der Versicherte wie üblich um ca. 5.15 Uhr seine Wohnung in G. E. und fuhr mit einem Firmenwagen – VW Golf – nach N.-I., um seinen Kollegen abzuholen. Gemeinsam setzten sie die Fahrt zur Firma O. in E. fort. Nach Beendigung dort ausgeführter Arbeiten um 14(30) Uhr traten der Versicherte und sein Arbeitskollege die Heimreise an. Sie kamen gegen 15(30) Uhr in N. an. Der Versicherte fuhr danach allein in die Firmenniederlassung nach R. um dort das Firmenfahrzeug für den nächsten Tag zu beladen. Nach Auskunft des Arbeitgebers verließ der Versicherte höchstwahrscheinlich zwischen 16(00) und 16(15) Uhr das Betriebsgelände, um seine 110 km lange Heimfahrt anzutreten. Die Fahrtdauer gab der Arbeitgeber mit maximal 1 ½ Stunden an.

Als der Versicherte am Abend die Kreisstraße aus Richtung M. R. in Richtung G.-E. befuhr, kam er in einer Rechtskurve bei km 1,150 nach links von der Fahrbahn ab, fuhr eine ca. 2 m tiefe Böschung hinunter und prallte gegen einen Baum. Aufgrund seiner schweren Verletzung verstarb der Versicherte noch am Unfallort. Der Verkehrsunfall wurde bei der Polizeistation in Alsfeld um 21(02) Uhr telefonisch gemeldet. Es wurde nicht vermerkt, von welcher Person oder welchem Ort diese Unfallmeldung kam. Der Versicherte wurde am 10. März 1993 beerdigt, ohne daß vorher eine Blutalkoholuntersuchung durchgeführt worden war.

Der Zeuge A. P. gab anläßlich seiner polizeilichen Vernehmung am 11. März 1993 an, er habe den Firmenwagen der Firma R. am Donnerstag gegen 20(30) Uhr bei der Gaststätte "Zum Reichsadler” in R. stehen sehen. Er habe deshalb die Gaststätte aufgesucht, um den Versicherten zu begrüßen. Dieser habe dort am Stammtisch gesessen. Ein dem Versicherten angebotenes Getränk habe dieser abgelehnt und zu verstehen gegeben, daß er ziemlich fertig sei. Ob dieser Zustand arbeits- oder alkoholbedingt gewesen sei, wisse er nicht. Sein Angebot, den Versicherten nach Hause zu fahren, habe dieser abgelehnt. Er sei dann nach Hause gefahren, um seine vergessene Geldbörse zu holen. Als er wieder in die Gaststätte zurückgekehrt sei, sei der Versicherte nicht mehr dort gewesen. Soweit er an der Unfallstelle vor der Polizei geäußert habe, der Versicherte habe einen schwankenden Gang gehabt, wisse er dies nur vom Hörensagen. Die Wirtsleute der Gastwirtschaft "Zum Reichsadler” konnten auf Befragen seitens der Beklagten keine genauen Angaben machen, in welcher Zeit sich der Versicherte in der Gaststätte aufgehalten und wieviel dieser dort getrunken hat. Die Klägerin zu 1) legte der Beklagten eine schriftliche Aussage des Zeugen G. M. vor, in der dieser bekundet, er habe den Versicherten gegen 18(30) Uhr am Straßenrand hinter M. F. in Richtung R. gesehen. Der Versicherte habe eine Panne gehabt und erzählt, daß er schon einige Zeit an dieser Stelle "festsitze”, der Schaden sei jedoch gleich behoben. Die Beklagte ließ den Zeugen M. durch die Ortspolizeibehörde der Gemeinde M. vernehmen. Dieser machte telefonische Angaben.

Mit Bescheiden vom 22. November 1993 teilte die Beklagte den Klägern mit, sie lehne wegen des Ereignisses vom 4. März 1993 die Gewährung von Leistungen ab, weil die Voraussetzungen für einen Arbeitsunfall nicht gegeben seien. Zwar gelte als Arbeitsunfall ein Unfall auf dem Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit. Der Versicherungsschutz entfalle jedoch für den Rest des Heimwegs, wenn der Heimweg aus eigenwirtschaftlichen Gründen länger als zwei Stunden unterbrochen werde. Der Verstorbene habe den Heimweg gegen 16(15) Uhr angetreten. Bei einer Fahrstrecke von ca. 110 km habe er die Unfallstelle höchstens 1,5 bis 2 Stunden später passieren müssen, also spätestens um 18(15) Uhr. Verkehrsstörungen wie Staus, die die Fahrzeit hätten verlängern können, seien nach Auskunft der Fernmeldestelle der hessischen Polizei für den Unfalltag auf den für den Heimweg in Betracht kommenden Straßen nicht registriert worden. Lediglich auf der Bundesautobahn A 5 Frankfurt am Main Richtung Kassel habe es zwischen Butzbach und Fernwald zwischen 17(56) und 18(06) Uhr in Höhe des Gambacher Kreuzes stockenden Verkehr gegeben. Wenn der Verstorbene um 18(30) Uhr im Begriff gewesen sei, die Fahrt fortzusetzen, habe er bei einer Entfernung von ca. 3–4 km zur Gaststätte in R. Gaststätte spätestens um 18(35) Uhr erreichen müssen. Aufgrund der Aussage des Zeugen P. sei sicher, daß der Verstorbene sich um 20(30) Uhr noch in der Gaststätte aufgehalten habe. Der Unfall selbst habe sich um 20(45) Uhr ereignet. Die Entfernung der Unfallstelle zur Gaststätte betrage ca. 3 bis 4 km. Für diese Strecke werde ebenfalls eine Zeit von ca. 5 Minuten benötigt, so daß die Gaststätte um 20(40) Uhr verlassen worden sei. Mit ihrem Widerspruchsschreiben machten die Kläger geltend, es stehe nicht fest, daß der Versicherte die Heimfahrt mehr als zwei Stunden unterbrochen habe. Die Beklagte nahm daraufhin nochmals Ermittlungen auf und befragte den Zeugen P., den Arbeitgeber des Klägers und traf Feststellungen über die Lage der Gaststätte "Zum Reichsadler”, die Entfernung zwischen dem Ort der Panne beim Ortsausgang Mücke-Flensungen und der Gaststätte sowie der Entfernung zwischen der Gaststätte und der Unfallstelle. Dabei stellte sie fest, daß der Ort der Panne 4,6 km von der Gaststätte entfernt ist und die Entfernung zwischen Gaststätte und Unfallstelle 1,7 km beträgt.

Mit Widerspruchsbescheiden vom 27. Juni 1994 wies die Beklagte die Widersprüche gegen die Bescheide vom 22. November 1993 zurück und führte aus, es könne nicht mehr festgestellt werden, wie lange der Versicherte seinen Heimweg unterbrochen habe. Die Folgen dieser Beweislosigkeit der anspruchsbegründenden Tatsachen träfen jedoch denjenigen, der Ansprüche aus dem Versicherungsfall herleiten wolle. Deshalb hätten im vorliegenden Fall die Hinterbliebenen die Beweislosigkeit zu tragen.

Die Kläger haben gegen die Widerspruchsbescheide jeweils am 25. Juli 1994 beim Sozialgericht Gießen (SG) Klage erhoben. Das SG hat die Rechtsstreite zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung miteinander verbunden. Das SG hat Beweis erhoben durch schriftliche Anhörung des Dr. G. und der Fachärztin für Allgemeinmedizin C. U. In den mündlichen Verhandlungen vom 4. November 1994 und 25. März 1996 hat es die Zeugen G. M., A. P. L., M. G. und I. G. als Zeugen vernommen. Hinsichtlich des Inhalts der Zeugenaussagen wird auf Bl. 16 bis 19 und Bl. 58 bis 60 der Gerichtsakte verwiesen. Zum Inhalt der Aussage des Dr. G. und der Fachärztin für Allgemeinmedizin U. wird auf Bl. 31 und 48 der Gerichtsakte verwiesen.

Durch Urteil vom 25. März 1996 hat das SG die Bescheide der Beklagten aufgehoben und die Beklagte verurteilt, das Ereignis vom 4. März 1993 als Arbeitsunfall anzuerkennen und den Klägerinnen und Klägern Hinterbliebenenleistungen zu gewähren. In den Gründen hat es ausgeführt, es habe nicht festgestellt werden können, ob der Versicherte vor dem Unfall seinen Heimweg für mehr oder weniger als 2 Stunden unterbrochen habe. Bei der Frage, ob der Verstorbene den Weg länger als 2 Stunden unterbrochen habe, handele es sich um eine anspruchsvernichtende Tatsache. Hierfür habe die Beklagte die Beweislast zu tragen.

Gegen dieses ihr am 2. Mai 1996 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 30. Mai 1996, eingegangen per Telefax am gleichen Tage, beim Hessischen Landessozialgericht Berufung eingelegt und geltend gemacht, die Feststellung, ob der Versicherte innerhalb der Zwei-Stundengrenze seinen Heimweg fortgesetzt habe, stelle einen für den Versicherten günstigen Umstand dar, weil der Versicherungsschutz auf die Zeit nach der Unterbrechung ausgedehnt werde. Insofern handele es sich um eine Anspruchserweiterung und nicht um eine anspruchsbegründende Tatsache, für die der Vollbeweis zu erbringen sei. Könne nicht festgestellt werden, wie lange der Heimweg unterbrochen worden sei, gehe dies zu Lasten des Anspruchstellers.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 25. März 1996 aufzuheben und die Klagen abzuweisen.

Die Kläger beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.

Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im übrigen wird auf die Gerichtsakten und die zum Verfahren beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig und begründet. Auf die Berufung der Beklagten war das Urteil des SG aufzuheben und die Klagen abzuweisen. Denn es ließ sich nicht feststellen, daß der Versicherte R. H. zum Zeitpunkt des Verkehrsunfalls unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stand. Der Versicherte hat seinen unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehenden Heimweg von der Arbeitsstätte durch den Besuch der Gaststätte "Zum Reichsadler” unterbrochen. Für die Nichterweislichkeit der Dauer der Unterbrechung hat nicht die Beklagte, sondern haben die Kläger die Beweislast zu tragen.

Nach den hier noch anzuwendenden Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (- RVO -vgl. §§ 212 ff. Sozialgesetzbuch - 7. Teil-SGB 7 -) gilt ein Unfall auf einem mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit nach § 550 Abs. 1 RVO als Arbeitsunfall. Fehlt es an dem erforderlichen inneren Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Weg zu oder von dem Ort der Tätigkeit, so scheidet der Versicherungsschutz selbst dann aus, wenn sich der Unfall auf derselben Strecke ereignet hat, die der Versicherte auf dem Weg von oder zur Arbeit gewöhnlich benutzt (z.B. BSG SozR 2200 § 550 Nrn. 60, 62).

Wird der versicherte Weg zu oder von dem Ort der versicherten Tätigkeit eine bestimmte Strecke weit oder Zeitspanne lang aus eigenwirtschaftlichen Gründen oder wegen einer eigenwirtschaftlichen Verrichtung unterbrochen, entfällt damit eine wesentliche Voraussetzung für den Versicherungsschutz. Der Versicherungsschutz entfällt mit Beginn der Unterbrechung und lebt wieder auf, sobald die eigenwirtschaftliche Betätigung beendet und der innere Zusammenhang mit der beruflichen Beschäftigung wieder gegeben ist (vgl. Lauterbach, Unfallversicherung, 3. Aufl., 62. Lieferung, § 550 Anm. 17). Ein Aufleben des Versicherungsschutzes ist jedoch ausgeschlossen, wenn durch die Unterbrechung eine Lösung von dem betrieblichen Zusammenhang eingetreten ist. Eine solche Lösung vom Betrieb ist nach der Rechtsprechung in zeitlicher Hinsicht dann anzunehmen, wenn der Versicherte den Weg für mehr als zwei Stunden unterbrochen hat.

Die Tatsachen, die einen betrieblichen Zusammenhang begründen, müssen, ebenso wie andere damit konkurrierende Unfallursachen, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen sein, während deren Ursächlichkeit für einen Unfall schon bewiesen ist, wenn dies hinreichend wahrscheinlich ist. Kann ein in Betracht zu ziehender Faktor entweder selber oder wenigstens in seiner Grundvoraussetzung nicht festgestellt werden, so stellt sich nicht einmal die Frage, ob er im konkreten Einzelfall im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne in Betracht zu ziehen ist. Dann kann eine solche ungewisse Bedingung auch keine Bedeutung für die Frage haben, ob die demgegenüber sicher festgestellten Bedingungen den Unfall im Sinne der wesentlichen Bedingung verursacht haben (BSG SozR 3-2200 § 550 Nr. 8 m.w.N.). Eine infolge Trunkenheit vorliegende Fahruntüchtigkeit kann deshalb nur als Unfallursache berücksichtigt werden, wenn die Fahruntüchtigkeit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststeht. Entsprechendes gilt für die tatsächlichen Grundlagen einer Unterbrechung des Heimwegs (BSG SozR 3-2200 § 550 Nr. 8).

Im vorliegenden Fall war zwar aufgrund des Unfallhergangs und der Aussagen des Zeugen P. L. anläßlich dessen polizeilicher Vernehmung als Unfallursache auch eine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit in Betracht zu ziehen. Jedoch kann eine im Unfallzeitpunkt bestehende alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden. Es konnte weder festgestellt werden, wieviel Alkohol der Versicherte in der Gaststätte "Zum Reichsadler” zu sich genommen hat, noch ob der Versicherte im Unfallzeitpunkt eine Blutalkoholkonzentration aufwies, die eine Fahruntüchtigkeit zur Folge hatte. Die Wirtsleute S. konnten lediglich angeben, daß der Versicherte üblicherweise "zwei bis drei sauer-gespritzten Apfelwein” getrunken habe. Eine Blutprobe zur Blutalkoholbestimmung wurde dem Versicherten nicht entnommen.

Fest steht jedoch aufgrund der Aussage des Zeugen P. und der Aussagen der Wirtsleute S., daß der Versicherte die Heimfahrt durch einen Besuch der Gastwirtschaft "Zum Reichsadler” in Ruppertenrod unterbrochen hat. Da es keine Anhaltspunkte dafür gibt, daß dieser Wirtshausbesuch im Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit stand, vielmehr die Gesamtumstände für das Vorliegen einer eigenwirtschaftlichen Verrichtung sprechen, entfiel mit Beginn des Wirtshausbesuches der Versicherungsschutz.

Ob nach dieser Unterbrechung der Versicherungsschutz wieder aufgelebt ist, läßt sich nach Ausschöpfung aller geeigneten und erreichbaren Beweismittel nicht mehr feststellen. Der Zeuge M. hat bekundet, er habe den Versicherten in der Zeit von 18(25) bis 18(35) Uhr am Straßenrand im Bereich des Ortsausgangs von M. F. angetroffen. Da der Versicherte seine Fahrt dort wegen einer Panne am Firmenfahrzeug hatte unterbrechen müssen, befand sich der Versicherte zu diesem Zeitpunkt noch auf dem versicherten Heimweg. Wann der Versicherte seine Fahrt zu der 4,6 km entfernten Gaststätte fortgesetzt hat, steht nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fest. Möglich ist, wenn der Zeuge M. den Versicherten bereits um 18(25) Uhr angetroffen hat, daß die Fahrt bereits um 18(30) oder 18(35) Uhr fortgesetzt wurde. Denn der Zeuge M. hat angegeben, er habe nur kurz angehalten und von dem Versicherten die Auskunft erhalten, daß der Schaden gleich behoben sei. Andererseits besteht aber auch die Möglichkeit, daß der Versicherte seine Fahrt erst um 18(40) oder um 18(45) Uhr fortgesetzt hat, wenn das Treffen erst um 18(35) Uhr stattgefunden hat. Der Versicherte konnte demzufolge die Gaststätte schon um 18(35) aber auch erst um 18(50) Uhr erreicht haben. Insoweit liegen keine sicheren Erkenntnisse vor. Die Wirtsleute S. konnten sich nicht mehr erinnern, wann der Versicherte die Gaststätte betreten hat. Sie äußerten lediglich die Vermutung, es könne etwa zwischen 19(00) und 19(30) Uhr gewesen sein, weil sich zu dieser Zeit mehrere Gäste in ihrem Lokal eingefunden hätten. Es steht auch nicht fest, wann der Versicherte die Gaststätte verlassen hat. Anläßlich seiner Vernehmung vor dem SG konnte der Zeuge P. L. keine konkreten Angaben darüber machen, wann er den Versicherten in der Gastwirtschaft angetroffen hat. Die Angaben, die der Zeuge zeitnah nach dem Verkehrsunfall gegenüber der Polizei gemacht hat, lassen darauf schließen, daß sich der Versicherte noch um 20(30) Uhr in der Gastwirtschaft aufgehalten hat. Zeugen, die zuverlässige Angaben über das Verlassen der Gaststätte machen könnten, konnten nicht ermittelt werden. Da der Unfallzeitpunkt ebenfalls nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden konnte, kann auch aufgrund dessen der Zeitpunkt des Verlassens der Gaststätte nicht konkret festgestellt werden. Fest steht lediglich, daß die Zeugen I. und M. Geist den Versicherten in der Zeit um 20(50) Uhr leblos in dem Pkw liegend aufgefunden haben müssen. Dieser Zeitpunkt 20(50) Uhr kann anhand der Angaben des Zeugen M. G. ermittelt werden. Denn der Zeuge hat angegeben, er sei, nachdem er das Unfallfahrzeug in Augenschein genommen habe, sofort mit seiner Ehefrau zurück nach Hause gefahren, um von dort die Polizei zu verständigen. Die Fahrtzeit zwischen Unfallort und ihrem Haus habe ca. 5 Minuten betragen und es sei kurz vor 21(00) Uhr gewesen, als er zu Hause auf die Uhr gesehen habe. In Anbetracht der vorliegenden Zeugenaussagen und der Tatsache, daß die Fahrtstrecke zwischen Gaststätte und Unfallort 1,7 km beträgt, ist davon auszugehen, daß sich der Verkehrsunfall zwischen 20(35) und 20(50) Uhr ereignet haben kann. Der Aufenthalt des Versicherten in der Gaststätte kann mehr als 2 Stunden, d.h. von 18(35) bis 20(45) Uhr, aber auch weniger als zwei Stunden angedauert haben.

Für die Nichterweislichkeit dieser Tatsache haben die Kläger und nicht die Beklagte die Beweislast zu tragen. Denn der Umstand, ob eine Unterbrechung weniger als zwei Stunden gedauert hat, stellt eine anspruchsbegründende Tatsache dar. Bei Beurteilung der Frage, wer in diesem Falle die Beweislast zu tragen hat, ist zwischen den tatsächlichen Grundlagen einer nicht betriebsbedingten Unterbrechung und den tatsächlichen Grundlagen, die eine Feststellung der Dauer der Unterbrechung ermöglichen, zu unterscheiden. Das Vorliegen einer nicht betriebsbedingten Unterbrechung beseitigt den Versicherungsschutz. Dieser Umstand kommt als rechtshindernde Tatsache dem Versicherungsträger zugute. Beim Vorliegen einer nur bis zu zwei Stunden dauernden Unterbrechung lebt der Versicherungsschutz wieder auf. Diese Tatsache kommt als rechtsbegründende oder anspruchserweiternde Tatsache dem Versicherten oder seinen Hinterbliebenen zugute. Nach den Grundsätzen über die Verteilung der Beweislast hat derjenige das Risiko für die Nichterweislichkeit einer Tatsache zu tragen, der aus dem Vorliegen der Tatsache einen rechtlichen Vorteil hat (vgl. Ricke, BG 1988, 799; Bonvie, BG 1988, 459). Demzufolge hat die Beklagte die Beweislast zu tragen, wenn nicht nachgewiesen werden kann, ob ein Versicherter den versicherten Weg unterbrochen hat. Denn es handelt sich hierbei um eine rechtshindernde Tatsache. Macht der Versicherte jedoch geltend, die Unterbrechung habe nur bis zu zwei Stunden gedauert und der Versicherungsschutz sei deshalb nach Ende der Unterbrechung wieder aufgelebt, beruft er sich auf eine anspruchserweiternde bzw. rechtsbegründende Tatsache, für die der Versicherte die Beweislast zu tragen hat.

Nach alledem ist die Berufung der Beklagten begründet. Das Urteil des SG war aufzuheben. Der Senat hat die Revision zugelassen, weil er bei Beurteilung der Beweislast im vorliegenden Fall von der Entscheidung des BSG vom 20. August 1987 – 5 a RKnU 1/86 – (BSGE 62, 100) abgewichen ist.
Rechtskraft
Aus
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