Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
1
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 3 Kg 13/77
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 Kg 1378/78
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
§ 2 Abs. 2 Nr. 1 u. Abs. 2 S. 2 BKGG i.d.F. d. Art. 44 Nr. 1 Haushaltsstrukturgesetz v. 1975-12-18 (BGBl. I S. 3091) ist nicht verfassungswidrig; es verstößt nicht gegen die Art. 3, 6 oder 20 GG (Sozialstaatsgrundsatz), wenn in den Fällen des § 2 Abs. 2 Nr. 1 BKGG Kinder in Berufsausbildung nicht berücksichtigt werden, denen aus dem Ausbildungsverhältnis Bruttobezüge in Höhe von wenigstens 750,– DM monatlich zustehen.
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 7. November 1978 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Rechtsmäßigkeit der Entziehung des Kindergeldes für die Tochter U. von Oktober 1976 an. Die 1958 geborene Tochter U. beendete in Juni 1976 die Schulausbildung (Abitur) und trat am 1. Oktober 1976, ohne bis dahin in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden zu haben, als Inspektor-Anwärterin in den Dienst des Landes Hessen ein. Der Hessische Kultusminister wies sie zur Ableistung des Vorbereitungsdienstes der Gesamthochschul-Bibliothek K. zu. Ausweislich des Sollnachweises der Besoldungskasse Hessen in Wiesbaden bezog sie Dienstbezüge in Höhe von 889,– DM zuzüglich 13,– DM vermögenswirksame Leistungen, somit 902,– DM monatlich. Kindergeld bezog der Kläger für U. bis September 1976.
Mit Bescheid vom 31. Januar 1977 entzog die Beklagte das Kindergeld – für das zweite Kind – in Höhe von monatlich 70,– DM mit Wirkung vom Oktober 1976 an. Zur Begründung führte sie an, das Kind U. könne nicht berücksichtigt werden, weil es die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 S. 2 und 3 Bundeskindergeldgesetz – BKGG – in der Fassung des Artikel 44 Haushaltsstrukturgesetz vom 18. Dezember 1975 nicht erfülle. Danach können ab Juli 1976 Kinder, die nach Vollendung des 18. Lebensjahres in Berufsausbildung stünden, bei der Kindergeldzahlung u.a. nicht mehr berücksichtigt werden, wenn ihnen aus dem Ausbildungsverhältnis Bruttobezüge in Höhe von wenigstens 750,– DM monatlich zustünden. Damit stehe dem Kläger ab Oktober 1976 Kindergeld nur noch in Höhe von 50,– DM monatlich für das Kind B. zu. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22. März 1977 zurück.
Gegen diesen dem Kläger am 30. März 1977 zugestellten Bescheid richtet sich seine mit Schriftsatz vom 24. April 1977, eingegangen beim Sozialgericht Darmstadt am 26. April 1977, erhobene Klage.
Er trug vor, es stehe mit dem Gleichheitsgrundsatz nicht in Einklang, wenn der Kindergeldanspruch allein an das Einkommen des Kindes anknüpfe, auch wenn das Familieneinkommen insgesamt nicht sehr hoch sei. Bleibe das Einkommen des Kindes unter 750 – DM, stehe ein im Übrigen sehr erhebliches Familieneinkommen der Gewährung von Kindergeld nicht entgegen. Nachteilig wirke sich auch aus, daß hinsichtlich der Möglichkeit der Einräumung eines steuerlichen Freibetrages für die Kosten einer auswärtigen Unterbringung des Kindes während der Berufsausbildung an die Gewährung von Kindergeld angeknüpft werde. Damit trete zu dem Nachteil der Versagung von Kindergeld ein steuerlicher Nachteil hinzu.
Das Sozialgericht Darmstadt wies die Klage mit Urteil vom 7. November 1978 ab. Zur Begründung führte es an, das Kindergeld sei in Höhe von 70,– DM mit Wirkung vom 1. Oktober 1976 zu Recht entzogen worden, da die Tochter des Klägers von diesem Zeitpunkt an Dienstbezüge in Höhe von 902,– DM erhalten habe. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese mit dem Haushaltsstrukturgesetz eingeführte Regelung bestünden nicht, insbesondere liege kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 des Grundgesetzes – GG –) vor. Der Gesetzgeber sei nicht gehindert, aus der Gruppe der über 18 Jahren alten Kinder, die sich in Berufsausbildung befänden, und für die an und für sich Kindergeld zu zahlen sei, diejenigen herauszunehmen, die während der Ausbildung über ein eigenes Einkommen von 750,– DM oder mehr monatlich verfügen könnten. Eine solche Differenzierung erfolge nicht ohne sachlich zutreffenden Grund, da die Belastung des Klägers durch die in Ausbildung befindliche Tochter dadurch gemindert werde, daß sie aufgrund ihres Einkommens in der Lage sei, ihren Unterhalt zum größten Teil selbst zu bestreiten. Aus diesem Grunde lasse auch der Hinweis auf eine evtl. steuerliche Benachteiligung die Entscheidung des Gesetzgebers nicht als unsozial erscheinen.
Gegen dieses an den Kläger durch Einschreiben am 18. November 1978 zur Post aufgelieferte Urteil richtet sich die mit Schriftsatz vom 3. November 1978, eingegangen beim Hessischen Landessozialgericht am 6. Dezember 1978, eingelegte Berufung.
Der Kläger ist der Auffassung, die Anknüpfung an das Einkommen des Kindes verstoße gegen den Gleichheitssatz und benachteilige insbesondere Familien, deren Familieneinkommen trotz des Einkommens des Kindes gering sei und bevorzuge Familien, deren Gesamteinkommen hoch sei, obgleich das Kind durch die Ausbildung ein Einkommen von weniger als 750,– DM erziele.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 7. November 1978
sowie den Bescheid der Beklagten vom 31. Januar 1977 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. März 1977 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm über den Monat September 1976 hinaus Kindergeld unter Berücksichtigung seiner Tochter U. zu gewähren,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, die hier anzuwendende gesetzliche Regelung verstoße nicht gegen den Gleichheitssatz des Grundgesetzes. Die mit dem Haushaltsstrukturgesetz vom 8. Dezember 1975 eingefügte Änderung beruhe auf der Erwägung, daß Kinder mit monatlichen Einkünften in dieser Höhe im allgemeinen ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten könnten.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf dem übrigen Akteninhalt, insbesondere auf den der Kindergeldakte, Kg-Nr. XXXXX Arbeitsamt D., der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, denn sie ist form- und fristgerecht eingelegt sowie an sich statthaft. Berufungsausschließungsgründe gemäß § 27 Abs. 2 Bundeskindergeldgesetz – BKGG – greifen nicht ein. Streitgegenstand ist der Anspruch des Klägers auf fortlaufende Gewährung von Kindergeld für den laufenden Zeitraum ab Oktober 1976, weil die Berufung nicht lediglich den Beginn des Anspruchs auf Kindergeld oder nur das Kindergeld für bereits abgelaufene Zeiträume betrifft.
Die Berufung des Klägers ist jedoch unbegründet.
Dem Kläger steht kein Kindergeld für die Tochter U. zu. Gemäß § 22 BKGG wird das Kindergeld von Amts wegen u.a. entzogen, wenn die Anspruchsvoraussetzungen nicht vorgelegen haben. Für die Zeit bis September 1976 stand dem Kläger für seine Tochter U. Kindergeld zu, weil sie sich in Schulausbildung befand bzw. ihre neue Ausbildungsstelle noch nicht angetreten hatte (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 BKGG). Hiernach werden Kinder, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, für die Kindergeldzahlung berücksichtigt, wenn sie sich in Berufsausbildung befinden. Anzuwenden ist die Bestimmung in der Fassung durch Art. 14 Nr. 1 des Haushaltsstrukturgesetzes vom 18. Dezember 1975 (BGBl. I S. 3091 mit Wirkung vom 1. Juli 1976), wonach in Fällen des Satzes 1 Nr. 1 Kinder, die sich in Berufsausbildung befinden, nicht berücksichtigt werden, wenn diesen aus dem Ausbildungsverhältnis Bruttobezüge in Höhe von wenigstens 750,– DM monatlich zustehen.
Gegen diese Bestimmungen, die die Beklagte auch auf den Kläger angewandt hat, bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken, insbesondere liegt kein Verstoß gegen die Art. 3, 6 und 20 Abs. 1 Grundgesetz – GG – vor. Ziel der Kindergeldregelung ist es, einen Familienlastenausgleich herbeizuführen (vgl. BVerfGE 23, 258 ff. zu § 34 Abs. 2 Kindergeldgesetz in der Fassung vom 23. Dezember 1955). Dabei wird dem Gesetzgeber zur Verwirklichung der Zielsetzung jedoch das Recht zur Differenzierung eingeräumt, wobei diese jedoch nicht sachwidrig sein darf. Insbesondere verstößt die Regelung auch nicht gegen Art. 6 Abs. 1 GG und das dahin enthaltene Gebot die Familie durch geeignete Maßnahmen zu fördern und damit zugleich auch die Tendenz zu stärken, den wirtschaftlichen Zusammenhalt der Familie zu unterstützen (vgl. BVerfGE 13, 331, 347; 28, 104, 113). Dem soll gerade die Regelung Rechnung tragen, daß das Kindergeld auch über das 18. Lebensjahr hinaus – nach oben regelmäßig begrenzt durch das 27. Lebensjahr – gewährt werden soll, wenn das Kind eine Berufsausbildung durchmacht und deshalb noch ganz oder sehr weitgehend seinen Lebensunterhalt aus dem Familieneinkommen beziehen muß. Der Staat kann jedoch nicht gehalten sein, jegliche die Familie betreffende Belastung auszugleichen und jeden Unterhaltspflichtigen finanziell zu entlasten (vgl. BVerfGE 23, 258, 264; 28, 104, 113 f.). Ein Verstoß gegen Verfassungsgrundsätze wäre zudem auch nur erkennbar, wenn die getroffene Regelung den Anforderungen sozialer Gerechtigkeit nicht entspräche, in dem der Kreis der Empfänger der Sozialleistung, hier des Kindesgeldes, sachwidrig abgegrenzt wäre oder daß bei einer Gesamtbetrachtung der soziale Schutz einer ins Gewicht fallenden Gruppe vernachlässigt würde; beides ist hier jedoch nicht der Fall. Die hier angegriffene Bestimmung des Kindergeldrechts soll die typisierbare Erfassung eines bestimmten Lebenssachverhaltes entsprechend den Grundsätzen der Massenverwaltung ermöglichen. Kinder, die nach Vollendung des 18. Lebensjahres in einem Ausbildungsverhältnis stehen und über nicht unerhebliche Bruttobezüge verfügen können, können sich damit wirtschaftlich soweit aus dem Familienverband herauslösen, daß für sie eine Sonderregelung für die weitere Gewährung des Kindergeldes an die Eltern nicht mehr angewandt werden soll. Insoweit konnte der Gesetzgeber auch berücksichtigen, daß Kinder über 18 Jahre, die in einem normalen Arbeitsverhältnis stehen und ihre Berufsausbildung bereits abgeschlossen haben, jedoch über ein niedrigeres Arbeitseinkommen verfügen, nicht wesentlich anders behandelt werden sollen als Kinder, die in der Berufsausbildung sich befinden und hier eine nicht urerhebliche Unterstützung durch die Ausbildungsstelle erfahren. Hierbei erscheint auch der Betrag von 750,– DM nicht willkürlich, wenn man sich verdeutlicht, daß dieser Betrag über dem 2 1/2 fachen Eckregelsatz für die Sozialhilfe (für 1976 286,– DM monatlich) liegt und damit in der dem Gesetzgeber zustehenden typisierenden Weise für den Regelfall davon ausgegangen worden kann, daß dieser Betrag auch nach Abzug von Steuern und ggf. Beiträgen zur Sozialversicherung eine weitgehende Eigenständigkeit ermöglichen kann, auch bei auswärtiger Unterbringung.
Schließlich kann auch eine steuerliche Benachteiligung des Klägers nicht zur Verfassungswidrigkeit der angewandten Vorschrift führen, da die Belastung des Klägers durch die in Ausbildung befindliche Tochter dadurch zumindest wesentlich gemindert wird, daß sie auf Grund ihres Einkommens in der Lage ist, ihren Unterhalt zum größten Teil selbst zu bestreiten. Daß Familien mit auszubildenden Kindern mit sehr erheblichen Familieneinkommen gleichfalls Kindergeld beziehen können, wenn nur die Unterhaltsleistungen im Rahmen des Ausbildungsvertrages niedrig genug sind, nimmt der Gesetzgeber bewußt in Kauf. Anderenfalls hätte er wieder an das Familieneinkommen als solches anknüpfen müssen, eine Zielsetzung, die bewußt vermieden werden sollte. Die Außerachtlassung des Familieneinkommens führt jedoch nicht, wie dargetan, zu sachwidrigen, die aus Art. 3 GG gebotenen Differenzierungsgrenze überschreitenden Tatbestandsmerkmalen für die Gewährung von Kindergeld nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 BKGG. Es besteht deshalb auch kein Anlaß zur Normenkontrolle nach Art. 100 Abs. 1 GG.
Die Anwendung der Bestimmung des § 2 Abs. 2 Nr. 1 BKGG ist verfassungsrechtlich vorliegend auch nicht zu beanstanden; nach dem von dem Kläger vorgelegten Sollnachweis der Besoldungskasse Hessen für die Tochter U. erhielt diese ab 1. Oktober 1976 Dienstbezüge in Höhe von 902,– DM, die damit den Betrag von 750,– DM – im übrigen nicht unerheblich – übersteigen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision hat der Senat zugelassen, weil er der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beigemessen hat (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG); die Anwendung der Bestimmung des § 2 Abs. 2 Nr. 1 BKGG unter Anwendung der Einschränkungen nach Abs. 2 S. 2 ist bisher höchstrichterlich noch nicht geklärt worden.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Rechtsmäßigkeit der Entziehung des Kindergeldes für die Tochter U. von Oktober 1976 an. Die 1958 geborene Tochter U. beendete in Juni 1976 die Schulausbildung (Abitur) und trat am 1. Oktober 1976, ohne bis dahin in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden zu haben, als Inspektor-Anwärterin in den Dienst des Landes Hessen ein. Der Hessische Kultusminister wies sie zur Ableistung des Vorbereitungsdienstes der Gesamthochschul-Bibliothek K. zu. Ausweislich des Sollnachweises der Besoldungskasse Hessen in Wiesbaden bezog sie Dienstbezüge in Höhe von 889,– DM zuzüglich 13,– DM vermögenswirksame Leistungen, somit 902,– DM monatlich. Kindergeld bezog der Kläger für U. bis September 1976.
Mit Bescheid vom 31. Januar 1977 entzog die Beklagte das Kindergeld – für das zweite Kind – in Höhe von monatlich 70,– DM mit Wirkung vom Oktober 1976 an. Zur Begründung führte sie an, das Kind U. könne nicht berücksichtigt werden, weil es die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 S. 2 und 3 Bundeskindergeldgesetz – BKGG – in der Fassung des Artikel 44 Haushaltsstrukturgesetz vom 18. Dezember 1975 nicht erfülle. Danach können ab Juli 1976 Kinder, die nach Vollendung des 18. Lebensjahres in Berufsausbildung stünden, bei der Kindergeldzahlung u.a. nicht mehr berücksichtigt werden, wenn ihnen aus dem Ausbildungsverhältnis Bruttobezüge in Höhe von wenigstens 750,– DM monatlich zustünden. Damit stehe dem Kläger ab Oktober 1976 Kindergeld nur noch in Höhe von 50,– DM monatlich für das Kind B. zu. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22. März 1977 zurück.
Gegen diesen dem Kläger am 30. März 1977 zugestellten Bescheid richtet sich seine mit Schriftsatz vom 24. April 1977, eingegangen beim Sozialgericht Darmstadt am 26. April 1977, erhobene Klage.
Er trug vor, es stehe mit dem Gleichheitsgrundsatz nicht in Einklang, wenn der Kindergeldanspruch allein an das Einkommen des Kindes anknüpfe, auch wenn das Familieneinkommen insgesamt nicht sehr hoch sei. Bleibe das Einkommen des Kindes unter 750 – DM, stehe ein im Übrigen sehr erhebliches Familieneinkommen der Gewährung von Kindergeld nicht entgegen. Nachteilig wirke sich auch aus, daß hinsichtlich der Möglichkeit der Einräumung eines steuerlichen Freibetrages für die Kosten einer auswärtigen Unterbringung des Kindes während der Berufsausbildung an die Gewährung von Kindergeld angeknüpft werde. Damit trete zu dem Nachteil der Versagung von Kindergeld ein steuerlicher Nachteil hinzu.
Das Sozialgericht Darmstadt wies die Klage mit Urteil vom 7. November 1978 ab. Zur Begründung führte es an, das Kindergeld sei in Höhe von 70,– DM mit Wirkung vom 1. Oktober 1976 zu Recht entzogen worden, da die Tochter des Klägers von diesem Zeitpunkt an Dienstbezüge in Höhe von 902,– DM erhalten habe. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese mit dem Haushaltsstrukturgesetz eingeführte Regelung bestünden nicht, insbesondere liege kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 des Grundgesetzes – GG –) vor. Der Gesetzgeber sei nicht gehindert, aus der Gruppe der über 18 Jahren alten Kinder, die sich in Berufsausbildung befänden, und für die an und für sich Kindergeld zu zahlen sei, diejenigen herauszunehmen, die während der Ausbildung über ein eigenes Einkommen von 750,– DM oder mehr monatlich verfügen könnten. Eine solche Differenzierung erfolge nicht ohne sachlich zutreffenden Grund, da die Belastung des Klägers durch die in Ausbildung befindliche Tochter dadurch gemindert werde, daß sie aufgrund ihres Einkommens in der Lage sei, ihren Unterhalt zum größten Teil selbst zu bestreiten. Aus diesem Grunde lasse auch der Hinweis auf eine evtl. steuerliche Benachteiligung die Entscheidung des Gesetzgebers nicht als unsozial erscheinen.
Gegen dieses an den Kläger durch Einschreiben am 18. November 1978 zur Post aufgelieferte Urteil richtet sich die mit Schriftsatz vom 3. November 1978, eingegangen beim Hessischen Landessozialgericht am 6. Dezember 1978, eingelegte Berufung.
Der Kläger ist der Auffassung, die Anknüpfung an das Einkommen des Kindes verstoße gegen den Gleichheitssatz und benachteilige insbesondere Familien, deren Familieneinkommen trotz des Einkommens des Kindes gering sei und bevorzuge Familien, deren Gesamteinkommen hoch sei, obgleich das Kind durch die Ausbildung ein Einkommen von weniger als 750,– DM erziele.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 7. November 1978
sowie den Bescheid der Beklagten vom 31. Januar 1977 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. März 1977 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm über den Monat September 1976 hinaus Kindergeld unter Berücksichtigung seiner Tochter U. zu gewähren,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, die hier anzuwendende gesetzliche Regelung verstoße nicht gegen den Gleichheitssatz des Grundgesetzes. Die mit dem Haushaltsstrukturgesetz vom 8. Dezember 1975 eingefügte Änderung beruhe auf der Erwägung, daß Kinder mit monatlichen Einkünften in dieser Höhe im allgemeinen ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten könnten.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf dem übrigen Akteninhalt, insbesondere auf den der Kindergeldakte, Kg-Nr. XXXXX Arbeitsamt D., der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, denn sie ist form- und fristgerecht eingelegt sowie an sich statthaft. Berufungsausschließungsgründe gemäß § 27 Abs. 2 Bundeskindergeldgesetz – BKGG – greifen nicht ein. Streitgegenstand ist der Anspruch des Klägers auf fortlaufende Gewährung von Kindergeld für den laufenden Zeitraum ab Oktober 1976, weil die Berufung nicht lediglich den Beginn des Anspruchs auf Kindergeld oder nur das Kindergeld für bereits abgelaufene Zeiträume betrifft.
Die Berufung des Klägers ist jedoch unbegründet.
Dem Kläger steht kein Kindergeld für die Tochter U. zu. Gemäß § 22 BKGG wird das Kindergeld von Amts wegen u.a. entzogen, wenn die Anspruchsvoraussetzungen nicht vorgelegen haben. Für die Zeit bis September 1976 stand dem Kläger für seine Tochter U. Kindergeld zu, weil sie sich in Schulausbildung befand bzw. ihre neue Ausbildungsstelle noch nicht angetreten hatte (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 BKGG). Hiernach werden Kinder, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, für die Kindergeldzahlung berücksichtigt, wenn sie sich in Berufsausbildung befinden. Anzuwenden ist die Bestimmung in der Fassung durch Art. 14 Nr. 1 des Haushaltsstrukturgesetzes vom 18. Dezember 1975 (BGBl. I S. 3091 mit Wirkung vom 1. Juli 1976), wonach in Fällen des Satzes 1 Nr. 1 Kinder, die sich in Berufsausbildung befinden, nicht berücksichtigt werden, wenn diesen aus dem Ausbildungsverhältnis Bruttobezüge in Höhe von wenigstens 750,– DM monatlich zustehen.
Gegen diese Bestimmungen, die die Beklagte auch auf den Kläger angewandt hat, bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken, insbesondere liegt kein Verstoß gegen die Art. 3, 6 und 20 Abs. 1 Grundgesetz – GG – vor. Ziel der Kindergeldregelung ist es, einen Familienlastenausgleich herbeizuführen (vgl. BVerfGE 23, 258 ff. zu § 34 Abs. 2 Kindergeldgesetz in der Fassung vom 23. Dezember 1955). Dabei wird dem Gesetzgeber zur Verwirklichung der Zielsetzung jedoch das Recht zur Differenzierung eingeräumt, wobei diese jedoch nicht sachwidrig sein darf. Insbesondere verstößt die Regelung auch nicht gegen Art. 6 Abs. 1 GG und das dahin enthaltene Gebot die Familie durch geeignete Maßnahmen zu fördern und damit zugleich auch die Tendenz zu stärken, den wirtschaftlichen Zusammenhalt der Familie zu unterstützen (vgl. BVerfGE 13, 331, 347; 28, 104, 113). Dem soll gerade die Regelung Rechnung tragen, daß das Kindergeld auch über das 18. Lebensjahr hinaus – nach oben regelmäßig begrenzt durch das 27. Lebensjahr – gewährt werden soll, wenn das Kind eine Berufsausbildung durchmacht und deshalb noch ganz oder sehr weitgehend seinen Lebensunterhalt aus dem Familieneinkommen beziehen muß. Der Staat kann jedoch nicht gehalten sein, jegliche die Familie betreffende Belastung auszugleichen und jeden Unterhaltspflichtigen finanziell zu entlasten (vgl. BVerfGE 23, 258, 264; 28, 104, 113 f.). Ein Verstoß gegen Verfassungsgrundsätze wäre zudem auch nur erkennbar, wenn die getroffene Regelung den Anforderungen sozialer Gerechtigkeit nicht entspräche, in dem der Kreis der Empfänger der Sozialleistung, hier des Kindesgeldes, sachwidrig abgegrenzt wäre oder daß bei einer Gesamtbetrachtung der soziale Schutz einer ins Gewicht fallenden Gruppe vernachlässigt würde; beides ist hier jedoch nicht der Fall. Die hier angegriffene Bestimmung des Kindergeldrechts soll die typisierbare Erfassung eines bestimmten Lebenssachverhaltes entsprechend den Grundsätzen der Massenverwaltung ermöglichen. Kinder, die nach Vollendung des 18. Lebensjahres in einem Ausbildungsverhältnis stehen und über nicht unerhebliche Bruttobezüge verfügen können, können sich damit wirtschaftlich soweit aus dem Familienverband herauslösen, daß für sie eine Sonderregelung für die weitere Gewährung des Kindergeldes an die Eltern nicht mehr angewandt werden soll. Insoweit konnte der Gesetzgeber auch berücksichtigen, daß Kinder über 18 Jahre, die in einem normalen Arbeitsverhältnis stehen und ihre Berufsausbildung bereits abgeschlossen haben, jedoch über ein niedrigeres Arbeitseinkommen verfügen, nicht wesentlich anders behandelt werden sollen als Kinder, die in der Berufsausbildung sich befinden und hier eine nicht urerhebliche Unterstützung durch die Ausbildungsstelle erfahren. Hierbei erscheint auch der Betrag von 750,– DM nicht willkürlich, wenn man sich verdeutlicht, daß dieser Betrag über dem 2 1/2 fachen Eckregelsatz für die Sozialhilfe (für 1976 286,– DM monatlich) liegt und damit in der dem Gesetzgeber zustehenden typisierenden Weise für den Regelfall davon ausgegangen worden kann, daß dieser Betrag auch nach Abzug von Steuern und ggf. Beiträgen zur Sozialversicherung eine weitgehende Eigenständigkeit ermöglichen kann, auch bei auswärtiger Unterbringung.
Schließlich kann auch eine steuerliche Benachteiligung des Klägers nicht zur Verfassungswidrigkeit der angewandten Vorschrift führen, da die Belastung des Klägers durch die in Ausbildung befindliche Tochter dadurch zumindest wesentlich gemindert wird, daß sie auf Grund ihres Einkommens in der Lage ist, ihren Unterhalt zum größten Teil selbst zu bestreiten. Daß Familien mit auszubildenden Kindern mit sehr erheblichen Familieneinkommen gleichfalls Kindergeld beziehen können, wenn nur die Unterhaltsleistungen im Rahmen des Ausbildungsvertrages niedrig genug sind, nimmt der Gesetzgeber bewußt in Kauf. Anderenfalls hätte er wieder an das Familieneinkommen als solches anknüpfen müssen, eine Zielsetzung, die bewußt vermieden werden sollte. Die Außerachtlassung des Familieneinkommens führt jedoch nicht, wie dargetan, zu sachwidrigen, die aus Art. 3 GG gebotenen Differenzierungsgrenze überschreitenden Tatbestandsmerkmalen für die Gewährung von Kindergeld nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 BKGG. Es besteht deshalb auch kein Anlaß zur Normenkontrolle nach Art. 100 Abs. 1 GG.
Die Anwendung der Bestimmung des § 2 Abs. 2 Nr. 1 BKGG ist verfassungsrechtlich vorliegend auch nicht zu beanstanden; nach dem von dem Kläger vorgelegten Sollnachweis der Besoldungskasse Hessen für die Tochter U. erhielt diese ab 1. Oktober 1976 Dienstbezüge in Höhe von 902,– DM, die damit den Betrag von 750,– DM – im übrigen nicht unerheblich – übersteigen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision hat der Senat zugelassen, weil er der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beigemessen hat (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG); die Anwendung der Bestimmung des § 2 Abs. 2 Nr. 1 BKGG unter Anwendung der Einschränkungen nach Abs. 2 S. 2 ist bisher höchstrichterlich noch nicht geklärt worden.
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