Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
5
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 5 V 442/69
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Ein Berufsunteroffizier ist hinsichtlich eines wahrscheinlichen beruflichen Werdeganges auf die Beamtenlaufbahn in allgemeinen zu verweisen.
2. Ein Aufstieg in eine höhere Laufbahngruppe setzt einen entsprechenden Ausbildungs- und Leistungswillen voraus, der mindestens durch einen entsprechenden Versuch unter Beweis gestellt sein muß.
3. Bestehen für eine Laufbahngruppe Altersgrenzen und scheitert hieran die Übernahme in die entsprechende Laufbahn, so ist hierfür allein die Altersgrenze und nicht die Schädigungsfolge die maßgebliche Ursache.
2. Ein Aufstieg in eine höhere Laufbahngruppe setzt einen entsprechenden Ausbildungs- und Leistungswillen voraus, der mindestens durch einen entsprechenden Versuch unter Beweis gestellt sein muß.
3. Bestehen für eine Laufbahngruppe Altersgrenzen und scheitert hieran die Übernahme in die entsprechende Laufbahn, so ist hierfür allein die Altersgrenze und nicht die Schädigungsfolge die maßgebliche Ursache.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/Main vom 2. April 1969 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Der 1913 geborene Kläger besuchte nach der Volksschule ab 1926 bis 1933 das Progymnasium in S. sowie das Gymnasium in D., wo er im März 1933 das Reifezeugnis erhielt. In diesem Jahr meldete er sich freiwillig zum Arbeitsdienst und trat am 1. April 1934 in die Reichswehr ein, in der er sich zu einer 12-jährigen Dienstzeit verpflichtete. Bei seinem Ausscheiden hatte er den Dienstrang eines Oberfeldwebels inne.
Der Kläger bewarb sich am 21. April 1946 um Aufnahme in den Volksschuldienst und nahm vom 7. März bis 4. April 1946 an einem Kursus für Schulhelfer teil. Da er vom 1. Juni 1933 bis 1. Februar 1934 der SA angehört hatte, ist er aufgrund der Verfügung des Regierungspräsidenten in Darmstadt vom 6. Juni 1946 aus dem Schuldienst entlassen worden. Am 19. April 1949 trat er dann als Justizangestellter beim Amtsgericht Hanau seinen Dienst an, wo er über den Justizassistentenanwärter seit 1. Mai 1955, Justizassistent seit 1. Juli 1956, Justizsekretär ab 1. September 1956, Justizobersekretär ab 1. September 1961 am 1. September 1966 zum Justizhauptsekretär aufstieg.
Der am 16. September 1947 erteilte Rentenänderungsbescheid über die Feststellung einer Rente nach dem Leistungsgesetz für Körperbeschädigte führte nach einer Untersuchung durch den Vertragsarzt Dr. W. als Leistungsgrad mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 80 v.H.
"1) Verlust des rechten Oberschenkels und Zustand nach Bruch des rechten Radiusköpfchens,
2) Nierenleiden, Ureterstein rechts,” auf, die der Umanerkennungsbescheid vom 27. Februar 1952 als Schädigungsfolgen übernahm. Nachdem die Untersuchung in der II. Medizinischen Universitätsklinik der Stadt F. am 28. Mai 1954 gezeigt hatte, daß das Nierenleiden nicht als Schädigungsfolge gemäß § 1 BVG anzusehen sei, erkannte der Bescheid vom 3. August 1954 lediglich als Schädigungsfolge:
"Verlust des rechten Oberschenkels im oberen Drittel und Bruch des rechten Radiusköpfchens nach Unfall” mit einer MdE um 80 v.H. an.
Der Kläger stellte am 23. Februar 1965 Antrag auf Gewährung von Berufsschadensausgleich, da er wegen der Schädigungsfolgen den angestrebten Beruf eines Volksschullehrers nicht habe erreichen können.
Der am 27. April 1967 erteilte Bescheid stellte dazu fest, ein besonderes berufliches Betroffensein gemäß § 30 Abs. 2 BVG könne nicht anerkannt werden, da der Kläger vor Eintritt der Schädigung eine Tätigkeit als Berufsunteroffizier ausgeübt habe, die derjenigen eines Beamten des mittleren Dienstes gleichzusetzen sei. Diesen Beruf übe er voll wettbewerbsfähig aus und habe die Stellung eines Justiz-Hauptsekretärs erreicht. Ein Einkommensverlust im Sinne des § 30 Abs. 3 und 4 BVG, welcher ursächlich auf die anerkannte Schädigungsfolge zurückzuführen sei, habe nicht festgestellt werden können.
Der Widerspruchsbescheid vom 3. August 1967 führte noch aus, die anerkannte Schädigungsfolge hätte die Ausübung der Tätigkeit als Schullehrer nicht in dem Maße beeinträchtigt, daß hieraus ein entschädigungspflichtiger Tatbestand im Rahmen des § 30 Abs. 2, 3 und 4 BVG hergeleitet werden könne. Die Genehmigung zur Beschäftigung im Schuldienst sei aus politischen Gründen nicht erteilt worden.
In dem Klageverfahren vor dem Sozialgericht Frankfurt/M., hat der Kläger vorgetragen, die Schädigungsfolgen hätten es allein verhindert, daß er nicht das angestrebte Berufsziel des Volksschullehrers erreicht habe. Er habe bei dem Schulbesuch im Jahre 1946 erkennen müssen, daß er auf die Dauer den psychischen und physischen Anstrengungen des Schullehrerberufs nicht gewachsen gewesen sei. Die Verfügung des Regierungspräsidenten vom 6. Juni 1946 habe lediglich eine Unterbrechung der schulischen Ausbildung bedingt, wobei es ihm nach der Erteilung des Bescheides vom 11. Juni 1947 freigestellt gewesen sei, die Tätigkeit im Schuldienst wieder aufzunehmen. Es sei seiner eigenen Initiative nach 1946 überlassen gewesen, in einen Beruf ein Unterkommen zu finden, was er am 19. April 1949 als Angestelltenhilfskraft beim Amtsgericht in Hanau wieder erreicht habe. Im Jahre 1953 sei er nach mehreren Bewerbungen als Beamtenanwärter für den mittleren Dienst zugelassen worden. Die Zeiten von 1945 bis 1953 hätten es ihm nicht möglich gemacht, durch Besuch von Verwaltungslehrgängen und der Absolvierung der Inspektorenprüfung in den gehobenen Dienst aufzurücken.
Demgegenüber hat der Beklagte geltend gemacht, der Kläger sei durch die Schädigungsfolge in einem Beruf, der überwiegend im Sitzen ausgeübt werde, nicht besonders betroffen. Die Oberschenkelamputation sei kein Hinderungsgrund gewesen, nach dem Krieg Lehrer zu werden. Es seien vielmehr familiäre und wirtschaftliche Gründe gewesen, die den Kläger daran gehindert hätten, nach Normalisierung der Verhältnisse eine ordnungsgemäße Lehrerausbildung nachzuholen. Außerdem hätte er als Verwaltungsbeamter durch Besuch von Verwaltungslehrgängen und Absolvierung der Inspektorenprüfung die Möglichkeit gehabt, in den gehobenen Dienst aufzusteigen.
Mit Urteil vom 2. April 1969 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, dem Kläger stehe kein Berufsschadensausgleich zu, da durch die Schädigungsfolgen kein Einkommensverlust bedingt werde.
Er sei nicht dadurch gehindert gewesen, ein höheres Einkommen als Beamter des gehobenen Dienstes zu erzielen. Dabei könne nicht entscheidend ins Gewicht fallen, daß der Kläger nachweislich den Beruf eines Volksschullehrers angestrebt habe. Es sei ihm vielmehr möglich und zumutbar gewesen, eine andere, sozial gleichwertige Stellung zu erlangen, noch dazu vor seiner ersten Übernahme in den Schuldienst sein Berufsziel und auch sein Berufsweg nicht so eindeutig auf den Lehrerberuf fixiert gewesen sei. Dabei sei auch zu berücksichtigen, daß die Ausbildung zum Volksschullehrer nur eine verhältnismäßig kurze Zeit gedauert habe, so daß es dem Kläger zuzumuten gewesen sei, sich einer anderen Berufstätigkeit – besonders der eines Beamten im gehobenen Dienst – zuzuwenden. Nach seiner Übernahme in das Beamtenverhältnis im Jahre 1955 hätte er auch die Möglichkeit gehabt, sich um eine Stelle im gehobenen Justizdienst zu bemühen. Daß das nicht geschehen sei, liege nicht erkennbar in den Schädigungsfolgen.
Gegen das dem Kläger am 9. April 1969 zugestellte Urteil ist die Berufung am 22. April 1969 beim Hessischen Landessozialgericht eingegangen, zu deren Begründung er vorträgt, die endgültige Anstellung im Schuldienst sei durch die Schwere der Schädigungsfolgen verhindert worden. In den Jahren 1946 und 47 habe der schlechte gesundheitliche Zustand zu einer stationären Behandlung im Kreiskrankenhaus S. Veranlassung gegeben. Die politische Belastung sei geringfügig gewesen und hätte nach Erteilung des Spruchkammerbescheides vom 11. Juni 1947 die Wiederaufnahme der schulischen Ausbildung möglich gemacht. Die weitere Entwicklung im Ersatzberuf im Justizdienst sei an der in der Ausbildungsordnung für Rechtspfleger festgelegten Altersgrenze gescheitert.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/M. vom 2. April 1969 und den Bescheid vom 27. April 1967 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. August 1967 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, Berufsschadensausgleich unter Zugrundelegung der Besoldungsgruppe A 11 BBesG ab 1. Januar 1965 zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und führt ergänzend aus, durch die Beinamputation sei kein Einkommensverlust verursacht worden. Trotz der Amputation sei er 1946 für tauglich erachtet worden, als Volksschullehrer tätig sein zu können. Die Entlassung aus dem Schuldienst habe vielmehr politische Gründe gehabt. Wenn der Kläger sich im Jahre 1947 nicht um Wiedereinstellung bemüht habe, so beruhe das möglicherweise aufgrund der familiären Verhältnisse. Hinzukomme weiterhin, daß er damals nicht außerhalb seines Wohnortes Z. beschäftigt sein wollte. Die Schuldiensttauglichkeit werde auch nicht von der stationären Behandlung vom 4. bis 19. März 1947 wegen eines Nierensteins berührt, da diese naturgemäß vorübergehender Art gewesen sei. Im übrigen habe der Kläger beim Amtsgericht Hanau eine Beschäftigung gefunden, in der er die Möglichkeit gehabt habe, die 2. Verwaltungsprüfung abzulegen.
Die Versorgungsakten mit der Grdl. Nr. , die Personalakte des Hessischen Kreisschulamtes O., die Akte des Regierungspräsidenten Darmstadt und die Personalakte, geführt vom Amtsgericht Hanau, haben vorgelegen. Auf ihren Inhalt und den der Gerichtsakte beider Rechtszüge, der auszugsweise vorgetragen worden ist, wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig; sie ist insbesondere frist- und formgerecht eingelegt worden (§§ 143, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG –). Sie ist jedoch unbegründet.
Der Bescheid vom 27. April 1967, der in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. August 1967 Gegenstand der Klage geworden ist (§ 95 SGG), ist zu Recht ergangen.
Zutreffend hat der Beklagte damit festgestellt, daß der Kläger keinen Anspruch auf Berufsschadensausgleich hat, den gemäß § 30 Abs. 3 BVG Schwerbeschädigte erhalten, deren Erwerbseinkommen durch die Schädigungsfolgen gemindert ist. Als Einkommensverlust ist dabei nach § 30 Abs. 4 BVG der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit zuzüglich der Ausgleichsrente und dem höheren Durchschnittseinkommen der Berufs- oder Wirtschaftsgruppe, der der Beschädigte ohne die Schädigung nach seinen Lebensverhältnissen, Kenntnissen und Fähigkeiten und dem bisher betätigten Arbeits- und Ausbildungswillen wahrscheinlich angehört hätte, anzusehen.
Der Senat ist mit dem Sozialgericht der Ansicht, daß diese Voraussetzungen deshalb nicht gegeben sind, weil der Kläger keinen Einkommensverlust infolge des "Verlustes des rechten Oberschenkels im oberen Drittel und Bruch des rechten Radiusköpfchens nach Unfall” hat, da er nämlich dadurch nicht daran gehindert war oder ist, als Beamter des gehobenen Dienstes tätig zu sein. Zu Recht ist dabei das Sozialgericht davon ausgegangen, daß nicht allein der angestrebte Beruf des Volksschullehrers zu berücksichtigen ist, sondern der Berufsweg als Beamter allgemein, wie er von dem Kläger durch die 12-jährige Dienstverpflichtung im Jahre 1934 als Berufssoldat vorgezeichnet worden war. An die Begründung dieses Dienstverhältnisses war nämlich die Erwartung geknüpft, später als Beamter übernommen zu werden. Diese Absicht hat der Kläger dann auch im Jahre 1946 mit der Bewerbung als Volksschullehrer verwirklichen wollen, wobei die anerkannten Schädigungsfolgen dafür keinen Hinderungsgrund dargestellt haben. Die Personalakten des Hessischen Kreisschulamtes O. enthalten in dieser Hinsicht keine Aussagen des Klägers, sondern die ärztlicherseits bestätigte Eignung als Volksschullehrer, mit deren Ausbildung er ab 7. März 1946 begonnen hatte. Wenn er dieses Ziel nicht verwirklicht hat, so waren es allein politische Gründe der damaligen Zeit, die im Juli 1946 zu seiner Entlassung geführt haben, wobei jedoch nach der Erteilung des Spruchkammerbescheides vom 11. Juni 1947 bereits eine Wiedereinstellung möglich gewesen wäre. Darum hat der Kläger sich jedoch nicht bemüht, sondern bis April 1949 versucht, einen Arbeitsplatz in der Industrie zu erhalten, wobei sein Bestreben allein darauf ausgerichtet war, aus familiären und wirtschaftlichen Gründen nicht außerhalb seines Wohnortes Z. beschäftigt zu werden. Das hat ihn möglicherweise auch davon abgehalten, die Ausbildung für den Schuldienst wieder aufzunehmen, die einen Besuch des Pädagogischen Instituts in J. erforderlich gemacht hätte. Wenn der Kläger darauf hinweist, daß eine Verschlimmerung der Schädigungsfolgen in den Jahren 1946/47 die Tätigkeit als Volksschullehrer zunichte gemacht hätte, so entspricht das nicht den Tatsachen. Das als Schädigungsfolge mit Bescheid vom 16. September 1947 bis September 1954 anerkannt gewesene Nierenleiden hat lediglich vom 4. März bis 19. März 1947 einen stationären Krankenhausaufenthalt bedingt und damit die Tauglichkeit, die objektiv für den Schuldienst gegeben war, für diese kurze Zeitspanne beeinträchtigt, die auch nicht durch den Verlust des rechten Oberschenkels aufgehoben war. Aus dem nach 1947 gezeigten Verhalten muß der Senat vielmehr schließen, daß der Kläger nicht mehr die Absicht hatte, die begonnene Ausbildung als Volksschullehrer fortzusetzen. Konkrete Anhaltspunkte dafür sind nämlich nicht ersichtlich, noch dazu auch nicht der Versuch einer Betätigung durch die Fortsetzung der Ausbildung gemacht worden ist. Das ist aber erforderlich, wenn sich ein Beschädigter mit Erfolg auf die Bestimmung des § 30 Abs. 3 und 4 BVG berufen will.
Die Schädigungsfolgen waren es auch nicht, die die Initiative der beruflichen Fortbildung im Justizdienst ab 1949 beeinflußt haben, in dem der Kläger als Rechtspfleger eine gleiche berufliche Stellung wie die eines Lehrers hätte erreichen können. Auch für diese Laufbahn sind keine konkreten Anhaltspunkte für einen Ausbildungs- und Aufstiegswillen erkennbar, das zumindest die Stationen der beruflichen Fortentwicklung ab 1949 vom Justizangestellten bis zum Justizhauptsekretär im Jahre 1966 nicht verdeutlichen. Die Personalakte macht das Vorhaben des beruflichen Aufstiegs ebenfalls nicht wahrscheinlich, die keine Unterlagen darüber enthält, daß der Kläger beabsichtigt, habe, in den gehobenen Dienst zu gelangen, der ihn erst nach 1955 durch die Laufbahnverordnungen verschlossen war. Als Beamter des mittleren Dienstes, der das 40. Lebensjahr noch nicht überschritten hatte, war es ihm nach bestandener Prüfung für den mittleren Justizdienst nach einer 4-jährigen Bewährung möglich, die Rechtspflegerprüfung abzulegen (so § 2 Abs. 2 Ausbildungsordnung für Rechtspfleger vom 23.12.1952; Ausbildungsordnung für die Rechtspfleger vom 26.2.1941, Deutsche Justiz S. 282; Verordnung über die Beamtenlaufbahn im Lande Hessen vom 23.3.1949 GVBl S. 33 ff.).
Soweit er für diese nicht eingeschlagene Laufbahn das Alter verantwortlich macht, bestätigt er im übrigen selbst, daß dieses neben den familiären und finanziellen Gründen die Ursache für den unterbliebenen weiteren Aufstieg gewesen ist und nicht die anerkannten Schädigungsfolgen, worauf der Beklagte zu Recht hingewiesen hat.
Damit kann nicht festgestellt werden, daß der Kläger durch die Schädigungsfolgen an einem beruflichen Aufstieg gehindert worden ist und dadurch einen Einkommensverlust erlitten hat.
Der Berufung war daher der Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Der 1913 geborene Kläger besuchte nach der Volksschule ab 1926 bis 1933 das Progymnasium in S. sowie das Gymnasium in D., wo er im März 1933 das Reifezeugnis erhielt. In diesem Jahr meldete er sich freiwillig zum Arbeitsdienst und trat am 1. April 1934 in die Reichswehr ein, in der er sich zu einer 12-jährigen Dienstzeit verpflichtete. Bei seinem Ausscheiden hatte er den Dienstrang eines Oberfeldwebels inne.
Der Kläger bewarb sich am 21. April 1946 um Aufnahme in den Volksschuldienst und nahm vom 7. März bis 4. April 1946 an einem Kursus für Schulhelfer teil. Da er vom 1. Juni 1933 bis 1. Februar 1934 der SA angehört hatte, ist er aufgrund der Verfügung des Regierungspräsidenten in Darmstadt vom 6. Juni 1946 aus dem Schuldienst entlassen worden. Am 19. April 1949 trat er dann als Justizangestellter beim Amtsgericht Hanau seinen Dienst an, wo er über den Justizassistentenanwärter seit 1. Mai 1955, Justizassistent seit 1. Juli 1956, Justizsekretär ab 1. September 1956, Justizobersekretär ab 1. September 1961 am 1. September 1966 zum Justizhauptsekretär aufstieg.
Der am 16. September 1947 erteilte Rentenänderungsbescheid über die Feststellung einer Rente nach dem Leistungsgesetz für Körperbeschädigte führte nach einer Untersuchung durch den Vertragsarzt Dr. W. als Leistungsgrad mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 80 v.H.
"1) Verlust des rechten Oberschenkels und Zustand nach Bruch des rechten Radiusköpfchens,
2) Nierenleiden, Ureterstein rechts,” auf, die der Umanerkennungsbescheid vom 27. Februar 1952 als Schädigungsfolgen übernahm. Nachdem die Untersuchung in der II. Medizinischen Universitätsklinik der Stadt F. am 28. Mai 1954 gezeigt hatte, daß das Nierenleiden nicht als Schädigungsfolge gemäß § 1 BVG anzusehen sei, erkannte der Bescheid vom 3. August 1954 lediglich als Schädigungsfolge:
"Verlust des rechten Oberschenkels im oberen Drittel und Bruch des rechten Radiusköpfchens nach Unfall” mit einer MdE um 80 v.H. an.
Der Kläger stellte am 23. Februar 1965 Antrag auf Gewährung von Berufsschadensausgleich, da er wegen der Schädigungsfolgen den angestrebten Beruf eines Volksschullehrers nicht habe erreichen können.
Der am 27. April 1967 erteilte Bescheid stellte dazu fest, ein besonderes berufliches Betroffensein gemäß § 30 Abs. 2 BVG könne nicht anerkannt werden, da der Kläger vor Eintritt der Schädigung eine Tätigkeit als Berufsunteroffizier ausgeübt habe, die derjenigen eines Beamten des mittleren Dienstes gleichzusetzen sei. Diesen Beruf übe er voll wettbewerbsfähig aus und habe die Stellung eines Justiz-Hauptsekretärs erreicht. Ein Einkommensverlust im Sinne des § 30 Abs. 3 und 4 BVG, welcher ursächlich auf die anerkannte Schädigungsfolge zurückzuführen sei, habe nicht festgestellt werden können.
Der Widerspruchsbescheid vom 3. August 1967 führte noch aus, die anerkannte Schädigungsfolge hätte die Ausübung der Tätigkeit als Schullehrer nicht in dem Maße beeinträchtigt, daß hieraus ein entschädigungspflichtiger Tatbestand im Rahmen des § 30 Abs. 2, 3 und 4 BVG hergeleitet werden könne. Die Genehmigung zur Beschäftigung im Schuldienst sei aus politischen Gründen nicht erteilt worden.
In dem Klageverfahren vor dem Sozialgericht Frankfurt/M., hat der Kläger vorgetragen, die Schädigungsfolgen hätten es allein verhindert, daß er nicht das angestrebte Berufsziel des Volksschullehrers erreicht habe. Er habe bei dem Schulbesuch im Jahre 1946 erkennen müssen, daß er auf die Dauer den psychischen und physischen Anstrengungen des Schullehrerberufs nicht gewachsen gewesen sei. Die Verfügung des Regierungspräsidenten vom 6. Juni 1946 habe lediglich eine Unterbrechung der schulischen Ausbildung bedingt, wobei es ihm nach der Erteilung des Bescheides vom 11. Juni 1947 freigestellt gewesen sei, die Tätigkeit im Schuldienst wieder aufzunehmen. Es sei seiner eigenen Initiative nach 1946 überlassen gewesen, in einen Beruf ein Unterkommen zu finden, was er am 19. April 1949 als Angestelltenhilfskraft beim Amtsgericht in Hanau wieder erreicht habe. Im Jahre 1953 sei er nach mehreren Bewerbungen als Beamtenanwärter für den mittleren Dienst zugelassen worden. Die Zeiten von 1945 bis 1953 hätten es ihm nicht möglich gemacht, durch Besuch von Verwaltungslehrgängen und der Absolvierung der Inspektorenprüfung in den gehobenen Dienst aufzurücken.
Demgegenüber hat der Beklagte geltend gemacht, der Kläger sei durch die Schädigungsfolge in einem Beruf, der überwiegend im Sitzen ausgeübt werde, nicht besonders betroffen. Die Oberschenkelamputation sei kein Hinderungsgrund gewesen, nach dem Krieg Lehrer zu werden. Es seien vielmehr familiäre und wirtschaftliche Gründe gewesen, die den Kläger daran gehindert hätten, nach Normalisierung der Verhältnisse eine ordnungsgemäße Lehrerausbildung nachzuholen. Außerdem hätte er als Verwaltungsbeamter durch Besuch von Verwaltungslehrgängen und Absolvierung der Inspektorenprüfung die Möglichkeit gehabt, in den gehobenen Dienst aufzusteigen.
Mit Urteil vom 2. April 1969 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, dem Kläger stehe kein Berufsschadensausgleich zu, da durch die Schädigungsfolgen kein Einkommensverlust bedingt werde.
Er sei nicht dadurch gehindert gewesen, ein höheres Einkommen als Beamter des gehobenen Dienstes zu erzielen. Dabei könne nicht entscheidend ins Gewicht fallen, daß der Kläger nachweislich den Beruf eines Volksschullehrers angestrebt habe. Es sei ihm vielmehr möglich und zumutbar gewesen, eine andere, sozial gleichwertige Stellung zu erlangen, noch dazu vor seiner ersten Übernahme in den Schuldienst sein Berufsziel und auch sein Berufsweg nicht so eindeutig auf den Lehrerberuf fixiert gewesen sei. Dabei sei auch zu berücksichtigen, daß die Ausbildung zum Volksschullehrer nur eine verhältnismäßig kurze Zeit gedauert habe, so daß es dem Kläger zuzumuten gewesen sei, sich einer anderen Berufstätigkeit – besonders der eines Beamten im gehobenen Dienst – zuzuwenden. Nach seiner Übernahme in das Beamtenverhältnis im Jahre 1955 hätte er auch die Möglichkeit gehabt, sich um eine Stelle im gehobenen Justizdienst zu bemühen. Daß das nicht geschehen sei, liege nicht erkennbar in den Schädigungsfolgen.
Gegen das dem Kläger am 9. April 1969 zugestellte Urteil ist die Berufung am 22. April 1969 beim Hessischen Landessozialgericht eingegangen, zu deren Begründung er vorträgt, die endgültige Anstellung im Schuldienst sei durch die Schwere der Schädigungsfolgen verhindert worden. In den Jahren 1946 und 47 habe der schlechte gesundheitliche Zustand zu einer stationären Behandlung im Kreiskrankenhaus S. Veranlassung gegeben. Die politische Belastung sei geringfügig gewesen und hätte nach Erteilung des Spruchkammerbescheides vom 11. Juni 1947 die Wiederaufnahme der schulischen Ausbildung möglich gemacht. Die weitere Entwicklung im Ersatzberuf im Justizdienst sei an der in der Ausbildungsordnung für Rechtspfleger festgelegten Altersgrenze gescheitert.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/M. vom 2. April 1969 und den Bescheid vom 27. April 1967 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. August 1967 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, Berufsschadensausgleich unter Zugrundelegung der Besoldungsgruppe A 11 BBesG ab 1. Januar 1965 zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und führt ergänzend aus, durch die Beinamputation sei kein Einkommensverlust verursacht worden. Trotz der Amputation sei er 1946 für tauglich erachtet worden, als Volksschullehrer tätig sein zu können. Die Entlassung aus dem Schuldienst habe vielmehr politische Gründe gehabt. Wenn der Kläger sich im Jahre 1947 nicht um Wiedereinstellung bemüht habe, so beruhe das möglicherweise aufgrund der familiären Verhältnisse. Hinzukomme weiterhin, daß er damals nicht außerhalb seines Wohnortes Z. beschäftigt sein wollte. Die Schuldiensttauglichkeit werde auch nicht von der stationären Behandlung vom 4. bis 19. März 1947 wegen eines Nierensteins berührt, da diese naturgemäß vorübergehender Art gewesen sei. Im übrigen habe der Kläger beim Amtsgericht Hanau eine Beschäftigung gefunden, in der er die Möglichkeit gehabt habe, die 2. Verwaltungsprüfung abzulegen.
Die Versorgungsakten mit der Grdl. Nr. , die Personalakte des Hessischen Kreisschulamtes O., die Akte des Regierungspräsidenten Darmstadt und die Personalakte, geführt vom Amtsgericht Hanau, haben vorgelegen. Auf ihren Inhalt und den der Gerichtsakte beider Rechtszüge, der auszugsweise vorgetragen worden ist, wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig; sie ist insbesondere frist- und formgerecht eingelegt worden (§§ 143, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG –). Sie ist jedoch unbegründet.
Der Bescheid vom 27. April 1967, der in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. August 1967 Gegenstand der Klage geworden ist (§ 95 SGG), ist zu Recht ergangen.
Zutreffend hat der Beklagte damit festgestellt, daß der Kläger keinen Anspruch auf Berufsschadensausgleich hat, den gemäß § 30 Abs. 3 BVG Schwerbeschädigte erhalten, deren Erwerbseinkommen durch die Schädigungsfolgen gemindert ist. Als Einkommensverlust ist dabei nach § 30 Abs. 4 BVG der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit zuzüglich der Ausgleichsrente und dem höheren Durchschnittseinkommen der Berufs- oder Wirtschaftsgruppe, der der Beschädigte ohne die Schädigung nach seinen Lebensverhältnissen, Kenntnissen und Fähigkeiten und dem bisher betätigten Arbeits- und Ausbildungswillen wahrscheinlich angehört hätte, anzusehen.
Der Senat ist mit dem Sozialgericht der Ansicht, daß diese Voraussetzungen deshalb nicht gegeben sind, weil der Kläger keinen Einkommensverlust infolge des "Verlustes des rechten Oberschenkels im oberen Drittel und Bruch des rechten Radiusköpfchens nach Unfall” hat, da er nämlich dadurch nicht daran gehindert war oder ist, als Beamter des gehobenen Dienstes tätig zu sein. Zu Recht ist dabei das Sozialgericht davon ausgegangen, daß nicht allein der angestrebte Beruf des Volksschullehrers zu berücksichtigen ist, sondern der Berufsweg als Beamter allgemein, wie er von dem Kläger durch die 12-jährige Dienstverpflichtung im Jahre 1934 als Berufssoldat vorgezeichnet worden war. An die Begründung dieses Dienstverhältnisses war nämlich die Erwartung geknüpft, später als Beamter übernommen zu werden. Diese Absicht hat der Kläger dann auch im Jahre 1946 mit der Bewerbung als Volksschullehrer verwirklichen wollen, wobei die anerkannten Schädigungsfolgen dafür keinen Hinderungsgrund dargestellt haben. Die Personalakten des Hessischen Kreisschulamtes O. enthalten in dieser Hinsicht keine Aussagen des Klägers, sondern die ärztlicherseits bestätigte Eignung als Volksschullehrer, mit deren Ausbildung er ab 7. März 1946 begonnen hatte. Wenn er dieses Ziel nicht verwirklicht hat, so waren es allein politische Gründe der damaligen Zeit, die im Juli 1946 zu seiner Entlassung geführt haben, wobei jedoch nach der Erteilung des Spruchkammerbescheides vom 11. Juni 1947 bereits eine Wiedereinstellung möglich gewesen wäre. Darum hat der Kläger sich jedoch nicht bemüht, sondern bis April 1949 versucht, einen Arbeitsplatz in der Industrie zu erhalten, wobei sein Bestreben allein darauf ausgerichtet war, aus familiären und wirtschaftlichen Gründen nicht außerhalb seines Wohnortes Z. beschäftigt zu werden. Das hat ihn möglicherweise auch davon abgehalten, die Ausbildung für den Schuldienst wieder aufzunehmen, die einen Besuch des Pädagogischen Instituts in J. erforderlich gemacht hätte. Wenn der Kläger darauf hinweist, daß eine Verschlimmerung der Schädigungsfolgen in den Jahren 1946/47 die Tätigkeit als Volksschullehrer zunichte gemacht hätte, so entspricht das nicht den Tatsachen. Das als Schädigungsfolge mit Bescheid vom 16. September 1947 bis September 1954 anerkannt gewesene Nierenleiden hat lediglich vom 4. März bis 19. März 1947 einen stationären Krankenhausaufenthalt bedingt und damit die Tauglichkeit, die objektiv für den Schuldienst gegeben war, für diese kurze Zeitspanne beeinträchtigt, die auch nicht durch den Verlust des rechten Oberschenkels aufgehoben war. Aus dem nach 1947 gezeigten Verhalten muß der Senat vielmehr schließen, daß der Kläger nicht mehr die Absicht hatte, die begonnene Ausbildung als Volksschullehrer fortzusetzen. Konkrete Anhaltspunkte dafür sind nämlich nicht ersichtlich, noch dazu auch nicht der Versuch einer Betätigung durch die Fortsetzung der Ausbildung gemacht worden ist. Das ist aber erforderlich, wenn sich ein Beschädigter mit Erfolg auf die Bestimmung des § 30 Abs. 3 und 4 BVG berufen will.
Die Schädigungsfolgen waren es auch nicht, die die Initiative der beruflichen Fortbildung im Justizdienst ab 1949 beeinflußt haben, in dem der Kläger als Rechtspfleger eine gleiche berufliche Stellung wie die eines Lehrers hätte erreichen können. Auch für diese Laufbahn sind keine konkreten Anhaltspunkte für einen Ausbildungs- und Aufstiegswillen erkennbar, das zumindest die Stationen der beruflichen Fortentwicklung ab 1949 vom Justizangestellten bis zum Justizhauptsekretär im Jahre 1966 nicht verdeutlichen. Die Personalakte macht das Vorhaben des beruflichen Aufstiegs ebenfalls nicht wahrscheinlich, die keine Unterlagen darüber enthält, daß der Kläger beabsichtigt, habe, in den gehobenen Dienst zu gelangen, der ihn erst nach 1955 durch die Laufbahnverordnungen verschlossen war. Als Beamter des mittleren Dienstes, der das 40. Lebensjahr noch nicht überschritten hatte, war es ihm nach bestandener Prüfung für den mittleren Justizdienst nach einer 4-jährigen Bewährung möglich, die Rechtspflegerprüfung abzulegen (so § 2 Abs. 2 Ausbildungsordnung für Rechtspfleger vom 23.12.1952; Ausbildungsordnung für die Rechtspfleger vom 26.2.1941, Deutsche Justiz S. 282; Verordnung über die Beamtenlaufbahn im Lande Hessen vom 23.3.1949 GVBl S. 33 ff.).
Soweit er für diese nicht eingeschlagene Laufbahn das Alter verantwortlich macht, bestätigt er im übrigen selbst, daß dieses neben den familiären und finanziellen Gründen die Ursache für den unterbliebenen weiteren Aufstieg gewesen ist und nicht die anerkannten Schädigungsfolgen, worauf der Beklagte zu Recht hingewiesen hat.
Damit kann nicht festgestellt werden, daß der Kläger durch die Schädigungsfolgen an einem beruflichen Aufstieg gehindert worden ist und dadurch einen Einkommensverlust erlitten hat.
Der Berufung war daher der Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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