Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
5
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 5 V 187/69
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Bei Prüfung der Frage, ob ein besonderes berufliches Betroffensein vorliegt, ist grundsätzlich von dem letzten vor der Schädigung ausgeübten Beruf auszugehen wobei geringfügige Unterbrechungen unschädlich sind.
2. Bei längerer Unterbrechung einer beruflichen Tätigkeit kommt diese für ein besonderes berufliches Betroffensein nicht mehr in Betracht.
3. Sind berufsfördernde Maßnahmen mit Erfolg durchgeführt worden, sucht sich der Beschädigte aber auf einem offenen Arbeitsfeld keine entsprechende Tätigkeit, kommt eine Höherbewertung der MdE nicht in Betracht.
2. Bei längerer Unterbrechung einer beruflichen Tätigkeit kommt diese für ein besonderes berufliches Betroffensein nicht mehr in Betracht.
3. Sind berufsfördernde Maßnahmen mit Erfolg durchgeführt worden, sucht sich der Beschädigte aber auf einem offenen Arbeitsfeld keine entsprechende Tätigkeit, kommt eine Höherbewertung der MdE nicht in Betracht.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/M. vom 9. Januar 1969 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Der 1906 geborene Kläger leistete vom 30. Juli 1942 bis 4. Mai 1944 Wehrdienst. Er wurde nach Fleckfiebererkrankung am 4. Mai 1944 aus dem Wehrdienst entlassen. Laut Erstanerkennungsbescheid vom 13. August 1954 bezieht er Versorgungsbezüge für "Deutliche vegetative Regulationsstörungen, muskuläre Herzschädigung und leichte Rippenfellschwarte links” ohne Berücksichtigung eines besonderen beruflichen Betroffenseins nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 40 v.H.
Im Jahre 1957 beantragte er Anerkennung eines besonderen beruflichen Betroffenseins im Wege eines Zugunstenbescheides, weil er seinen Beruf als Schweißer nicht mehr ausüben könne. Im Verlauf des Verwaltungsverfahrens trug er vor, daß er vor der Einberufung Bergmann gewesen sei. Diesen Beruf könne er infolge der Schädigungsfolgen nicht mehr ausüben und sei deshalb beruflich besonders betroffen. Die in den Jahren 1961/62 durchgeführten berufsfördernden Maßnahmen seien erfolglos geblieben.
Mit Bescheid vom 16. Oktober 1967 lehnte der Beklagte eine Erhöhung der Versorgungsbezüge wegen eines besonderen beruflichen Betroffenseins im Wege eines Zugunstenbescheides ab. Zur Begründung führte er aus, daß der Kläger den Bergmannsberuf sehr lange vor Eintritt der Schädigung, wie die Entschädigungsakten des Landgerichts Arnsberg auswiesen, aufgegeben habe. Demzufolge könne dieses angestrebte Berufsziel nicht berücksichtigt und es müsse an der Bindung des früheren Bescheides festgehalten werden. Im Widerspruchsverfahren wies der Kläger darauf hin, daß er den Bergmannsberuf nach dem Krieg allein wegen der Schädigungsfolgen nicht mehr habe aufnehmen können. Mit Bescheid vom 21. Februar 1968 wies der Beklagte aber auch den Widerspruch zurück und führte in der Begründung aus, daß der Kläger zwischenzeitlich mit Erfolg zum Kaufmann umgeschult worden sei. Damit habe er eine sozial gleichwertige Stellung erreicht, so daß ein besonderes Betroffensein nicht vorliege.
Gegen den am 5. März 1968 zur Zustellung gegebenen Bescheid hat der Kläger fristgerecht am 5. April 1968 Klage vor dem Sozialgericht in Frankfurt/M. erhoben. Er wiederholte sein Vorbringen im Widerspruchsverfahren und wies darauf hin, daß das Stadtgesundheitsamt Frankfurt/M. seine Erwerbsfähigkeit mit 50 v.H. eingeschätzt habe. Demzufolge beziehe er eine Entschädigungsrente auf Grund eines Urteils des Landgerichts Arnsberg vom 5. Mai 1960. Es müsse berücksichtigt werden, daß er schon wesentlich früher habe umgeschult werden müssen.
Mit Urteil vom 9. Januar 1969 wies das Sozialgericht die Klage ab. In den Entscheidungsgründen führte es aus, daß der Beklagte sein Ermessen nicht fehlerhaft ausgeübt habe. Es sei richtig, daß der Kläger schon lange vor dem Krieg aus schädigungsunabhängigen Gründen den Beruf eines Bergmannes aufgegeben habe. Im übrigen dürfe nicht übersehen werden, daß die Umschulung des Klägers zum Buchhalter erfolgreich gewesen sei. Damit habe er zwischenzeitlich einen sozial gleichwertigen Beruf erlangt.
Gegen das am 20. Januar 1969 zur Zustellung gegebene Urteil hat der Kläger am 20. Februar 1969 fristgerecht Berufung eingelegt mit dem Antrag,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/M. vom 9. Januar 1969 und den Bescheid des Beklagten vom 16. Oktober 1967 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Februar 1968 aufzuheben,
hilfsweise,
Zulassung der Revision gegen ein abweisendes Urteil.
Er trägt vor, daß er auch im Bergmannsberuf Aufstiegsmöglichkeiten gehabt habe. Wenn er nach dem Krieg nicht mehr in den Bergmannsberuf gekommen sei, so sei dies allein auf die Schädigungsfolgen zurückzuführen. Der von ihm zurzeit ausgeübte kaufmännische Beruf sei in keiner Weise sozial gleichwertig.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er ist der Auffassung daß ein Ermessenfehler nicht vorliege. Es sei unwahrscheinlich, daß der Kläger nach dem Krieg in den erlernten Bergmannsberuf zurückgekehrt wäre. Davon abgesehen habe er auch keine Nachteile erlitten, weil er einem Schwerbeschädigten gleichgestellt worden sei. Durch die erfolgreich abgeschlossene Umschulung habe er einen sozialgleichwertigen Beruf erlangt, so daß ein berufliches Betroffensein nicht angenommen werden könne.
Die Akten des Landgerichts Arnsberg betreffend das Entschädigungsverfahren des Klägers o. und die Akten des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen betreffend die Umschulung des Klägers waren beigezogen und sind auszugsweise Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Hierauf sowie auf das angefochtene Urteil und den Akteninhalt im übrigen wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die fristgerecht eingelegte Berufung ist trotz Gradstreitigkeit zulässig, weil die Schwerbeschädigteneigenschaft des Klägers infragesteht (§ 148 Ziff. 3 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG –). Sie konnte jedoch keinen Erfolg haben.
Mit Recht hat das Sozialgericht in dem angefochtenen Urteil festgestellt, daß dem Beklagten bei der Ablehnung des beantragten Zugunstenbescheides kein Ermessensfehler unterlaufen ist. Da der Beklagte gemäß § 40 Verfahrensgesetz (VfG KOV) nach seinem Ermessen handeln konnte, wäre dies nach § 54 Abs. 2 SGG nur der Fall, wenn die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden wäre. Im Hinblick auf diese Vorschrift hatte sich die sozialgerichtliche Überprüfung darauf zu beschränken, ob sich der Beklagte bei der Prüfung der Frage, ob ein besonderes berufliches Betroffensein in dem Beruf eines Bergmanns vorliegt, eines Ermessensfehlers schuldig gemacht hat. Das ist, nicht der Fall.
Die Minderung der Erwerbsfähigkeit ist nach § 30 Abs. 2 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) höher zu bewerten, wenn der Beschädigte durch die Art der Schädigungsfolgen in seinem vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf, in seinem nachweislich angestrebten oder in dem Beruf besonders betroffen ist, den er nach Eintritt der Schädigung ausgeübt hat oder noch ausübt.
Sind arbeits- und berufsfördernde Maßnahmen nach § 26 durchgeführt worden, ist die Höherbewertung nach § 30 Abs. 2 BVG nur dann vorzunehmen, wenn diese Maßnahmen aus vom Beschädigten nicht zu vertretenden Gründen erfolglos geblieben sind oder nicht zum Ausgleich des beruflichen Schadens geführt haben.
Bei der Anwendung des § 30 Abs. 2 BVG ist zunächst schon fraglich, ob hier von dem Beruf des Bergmanns überhaupt ausgegangen werden kann. Zwar hat der Kläger diesen Beruf bis 1931 ausgeübt. Unbestritten hat er ihn aber damals infolge der Massenarbeitslosigkeit aufgeben müssen und war anschließend selbständiger Unternehmer eines Heißmangelbetriebes. Diesen hat er allein durch Verfolgungsmaßnahmen des Nationalsozialismus ebenfalls aufgeben müssen. Weder die Aufgabe des Bergmannsberufs noch die der selbständigen Tätigkeit haben in Tatbeständen des BVG ihre Ursache, weil damals Schädigungsfolgen noch gar nicht eingetreten waren. In der Folgezeit war der Kläger bis zu seiner Einberufung am 30. Juli 1942 als Bauhilfsarbeiter, Schlosser, Schweißer, Elektriker und Monteur, wie sich aus seinem Lebenslauf in den Akten des Landeswohlfahrtsverbandes ergibt, tätig. Für ein besonderes berufliches Betroffensein ist grundsätzlich der letzte vor der Schädigung ausgeübte Beruf maßgebend (vgl. BSG v. 29.11.1962 – 9 RV 338/58 – KOV 1963, Rechtspr. Nr. 1438). Demzufolge müßte der von dem Beruf eines Monteurs ausgegangen werden. Wird der erlernte Beruf kurzfristig unterbrochen, so ist das zwar nicht schädlich (vgl. LSG Celle BVGl. 1957 S. 40). Hier war der erlernte Beruf bis zur Entlassung aus der Wehrmacht aber schon 13 Jahre unterbrochen oder sogar durch die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit bewußt aufgegeben worden. Hinzu kommt, daß der Kläger 1945/46 schon 40 Jahre alt war und deswegen allein schon aus Altersgründen eine Verwendung im Bergbau nur noch in beschränktem Umfange möglich gewesen wäre. Nach seiner Erklärung in der mündlichen Verhandlung hat er sich nach dem Kriege auch nicht mehr um eine Tätigkeit im Bergbau bemüht, sondern ist schon 1946 nach F. verzogen. Nach dem Attest des prakt. Arztes W. B. vom 21. März 1947 war er aber damals für leichte Arbeiten einsatzfähig und hätte bei den vielfachen Möglichkeiten des Bergbaues auch dort eine entsprechende Stelle finden können.
Zu beachten ist weiter, daß er einen Antrag auf Versorgung erst am 6. August 1951 gestellt hat, ohne hierbei auf ein besonderes berufliches Betroffensein im Beruf als Bergmann hinzuweisen. In dem Antrag hat er zwar den Bergmannsberuf als erlernten Beruf erwähnt, aber darauf hingewiesen, daß er nunmehr Schweißer sei, also einen Beruf ausübte, der dem des Bergmanns durchaus sozial gleichwertig sein kann. Dem begutachtenden Arzt gab er an, daß er nach der Entlassung aus der Wehrmacht als Elektriker gearbeitet habe und jetzt Schweißer sei. Der Bescheid vom 13. August 1954 hat ein besonderes berufliches Betroffensein ausdrücklich verneint, was der Kläger widerspruchslos hinnahm. Erst 1957 beantragt er die Berücksichtigung eines besonderen beruflichen Betroffenseins im Wege eines Zugunstenbescheides und bat, vom erlernten Beruf eines Schweißers auszugehen. In einem Fragebogen vom 2. Dezember 1957 erwähnte er den erlernten Beruf eines Bergmanns überhaupt nicht, sondern gab an, daß sein angestrebter Beruf Tiefbohrmeister gewesen sei, den er aber infolge von Verfolgungsmaßnahmen niemals habe ausüben können. Hieraus muß geschlossen werden, daß er 1957 sich im Beruf eines Bergmanns überhaupt nicht beruflich betroffen fühlte, jedenfalls konnte der Beklagte aufgrund der eigenen Angaben des Klägers zu keiner anderen Auffassung gelangen. Erst im Mai 1962 wurde durch eine Mitteilung des Landeswohlfahrtsverbandes dem Beklagten bekannt, daß der Kläger früher den Hauerschein erworben hatte. Zu diesem Zeitpunkt waren die Umschulungsmaßnahmen schon im Gange. Auch hieraus folgt, daß der Beklagte eine zweifelsfreie Unrichtigkeit des Bescheides vom 13. August 1954, die die Voraussetzung für ein Tätigkeitswerden nach § 40 VfG (KOV) bildet, vor 1962 überhaupt nicht erkennen bzw. in Erwägung ziehen konnte. Damals war der Kläger aber schon 56 Jahre alt und hatte die Tätigkeit im Bergbau über 30 Jahre nicht ausgeübt, so daß bei objektiver Würdigung aller Umstände schon aus diesem Grunde auf den Beruf eines Bergmanns nicht mehr abgestellt werden kann.
Selbst wenn man aber, was nach dem Dargelegten nicht möglich ist, auf den Beruf eines Bergmanns abstellen wollte, scheitert der Anspruch des Klägers auf Erteilung eines Zugunstenbescheides um deswillen, weil sich der Beklagte mit Recht darauf berufen kann, daß zwischenzeitlich mit Erfolg Umschulungsmaßnahmen durchgeführt worden sind. Aus den beigezogenen Akten des Landeswohlfahrtsverbandes ergibt sich, daß der Kläger die Umschulung mit bestem Erfolg abgeschlossen hat, da jeweils positive Zeugnisse über die einzelnen Maßnahmen erteilt worden sind. Daraus ist der Schluß gerechtfertigt, daß er einen sozial gleichwertigen Beruf erlangt hat. Infolgedessen greift nunmehr die Bestimmung des § 30 Abs. 6 BVG ein, wonach eine Höherbewertung der Minderung der Erwerbsfähigkeit nicht erfolgen darf, wenn die berufsfördernden Maßnahmen Erfolg hatten. Wenn der Kläger hiergegen einwendet, daß sein Verdienst hinter dem Durchschnittseinkommen eines Kaufmanns zurückbleibe, so kann er mit dieser Einlassung nicht gehört werden. Durch die erfolgreiche Umschulung kann der Kläger auf das weite kaufmännische Arbeitsfeld verwiesen werden. Er muß nicht in einem schlechtzahlenden kleinen Unternehmen verbleiben, sondern er konnte sich schon ab 1962 mit Hilfe des Arbeitsamtes aufgrund seiner erfolgreichen Umschulung einen entsprechenden Beruf in einem anderen Unternehmen suchen. Wenn er dies nicht getan hat, so ist er hierfür selbst verantwortlich und kann diesen Umstand billigerweise nicht dem Beklagten anlasten.
Es kommt noch hinzu, daß das Bundessozialgericht für die Annahme eines besonderen beruflichen Betroffenseins einen Einkommensverlust von mindestens 20 v.H., bezogen auf die Tätigkeit in dem ausgeübten Beruf, verlangt (Urt. des BSG v. 19.2.1969 Soz.Recht § 30 BVG Nr. 37).
Nach seiner eigenen Einlassung im Schriftsatz vom 4. April 1960 beträgt der Einkommensverlust bei einem Durchschnittseinkommen des Bergmanns von 913,– DM im Jahre 1966 120,– DM. Dieser Betrag erreicht bei weitem nicht die vom BVG aufgestellte Grenze, so daß sich aus diesem Grunde ein besonderes berufliches Betroffensein nicht anerkannt werden kann.
Bei dieser Sach- und Rechtslage hat das Sozialgericht zutreffend festgestellt, daß der Beklagte sein Ermessen nicht fehlerhaft ausgeübt hat. Zu einer anderen Auffassung käme man auch dann nicht, wenn man den Bescheid vom 16. Oktober 1967 als voll überprüfbaren Verwaltungsakt ansehen wollte. Denn auch in diesem Falle wäre aus den dargelegten Gründen ein besonderes berufliches Betroffensein nicht anzuerkennen. Demzufolge gab das angefochtene Urteil keinen Anlaß zur Beanstandung und die Berufung war mit der sich aus § 193 SGG ergebenden Kostenfolge als unbegründet zurückzuweisen.
Ein Anlaß, die Revision zuzulassen, bestand nicht, weil der Senat nicht über eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden hatte und auch nicht von einer höchstrichterlichen Entscheidung abgewichen ist.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Der 1906 geborene Kläger leistete vom 30. Juli 1942 bis 4. Mai 1944 Wehrdienst. Er wurde nach Fleckfiebererkrankung am 4. Mai 1944 aus dem Wehrdienst entlassen. Laut Erstanerkennungsbescheid vom 13. August 1954 bezieht er Versorgungsbezüge für "Deutliche vegetative Regulationsstörungen, muskuläre Herzschädigung und leichte Rippenfellschwarte links” ohne Berücksichtigung eines besonderen beruflichen Betroffenseins nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 40 v.H.
Im Jahre 1957 beantragte er Anerkennung eines besonderen beruflichen Betroffenseins im Wege eines Zugunstenbescheides, weil er seinen Beruf als Schweißer nicht mehr ausüben könne. Im Verlauf des Verwaltungsverfahrens trug er vor, daß er vor der Einberufung Bergmann gewesen sei. Diesen Beruf könne er infolge der Schädigungsfolgen nicht mehr ausüben und sei deshalb beruflich besonders betroffen. Die in den Jahren 1961/62 durchgeführten berufsfördernden Maßnahmen seien erfolglos geblieben.
Mit Bescheid vom 16. Oktober 1967 lehnte der Beklagte eine Erhöhung der Versorgungsbezüge wegen eines besonderen beruflichen Betroffenseins im Wege eines Zugunstenbescheides ab. Zur Begründung führte er aus, daß der Kläger den Bergmannsberuf sehr lange vor Eintritt der Schädigung, wie die Entschädigungsakten des Landgerichts Arnsberg auswiesen, aufgegeben habe. Demzufolge könne dieses angestrebte Berufsziel nicht berücksichtigt und es müsse an der Bindung des früheren Bescheides festgehalten werden. Im Widerspruchsverfahren wies der Kläger darauf hin, daß er den Bergmannsberuf nach dem Krieg allein wegen der Schädigungsfolgen nicht mehr habe aufnehmen können. Mit Bescheid vom 21. Februar 1968 wies der Beklagte aber auch den Widerspruch zurück und führte in der Begründung aus, daß der Kläger zwischenzeitlich mit Erfolg zum Kaufmann umgeschult worden sei. Damit habe er eine sozial gleichwertige Stellung erreicht, so daß ein besonderes Betroffensein nicht vorliege.
Gegen den am 5. März 1968 zur Zustellung gegebenen Bescheid hat der Kläger fristgerecht am 5. April 1968 Klage vor dem Sozialgericht in Frankfurt/M. erhoben. Er wiederholte sein Vorbringen im Widerspruchsverfahren und wies darauf hin, daß das Stadtgesundheitsamt Frankfurt/M. seine Erwerbsfähigkeit mit 50 v.H. eingeschätzt habe. Demzufolge beziehe er eine Entschädigungsrente auf Grund eines Urteils des Landgerichts Arnsberg vom 5. Mai 1960. Es müsse berücksichtigt werden, daß er schon wesentlich früher habe umgeschult werden müssen.
Mit Urteil vom 9. Januar 1969 wies das Sozialgericht die Klage ab. In den Entscheidungsgründen führte es aus, daß der Beklagte sein Ermessen nicht fehlerhaft ausgeübt habe. Es sei richtig, daß der Kläger schon lange vor dem Krieg aus schädigungsunabhängigen Gründen den Beruf eines Bergmannes aufgegeben habe. Im übrigen dürfe nicht übersehen werden, daß die Umschulung des Klägers zum Buchhalter erfolgreich gewesen sei. Damit habe er zwischenzeitlich einen sozial gleichwertigen Beruf erlangt.
Gegen das am 20. Januar 1969 zur Zustellung gegebene Urteil hat der Kläger am 20. Februar 1969 fristgerecht Berufung eingelegt mit dem Antrag,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/M. vom 9. Januar 1969 und den Bescheid des Beklagten vom 16. Oktober 1967 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Februar 1968 aufzuheben,
hilfsweise,
Zulassung der Revision gegen ein abweisendes Urteil.
Er trägt vor, daß er auch im Bergmannsberuf Aufstiegsmöglichkeiten gehabt habe. Wenn er nach dem Krieg nicht mehr in den Bergmannsberuf gekommen sei, so sei dies allein auf die Schädigungsfolgen zurückzuführen. Der von ihm zurzeit ausgeübte kaufmännische Beruf sei in keiner Weise sozial gleichwertig.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er ist der Auffassung daß ein Ermessenfehler nicht vorliege. Es sei unwahrscheinlich, daß der Kläger nach dem Krieg in den erlernten Bergmannsberuf zurückgekehrt wäre. Davon abgesehen habe er auch keine Nachteile erlitten, weil er einem Schwerbeschädigten gleichgestellt worden sei. Durch die erfolgreich abgeschlossene Umschulung habe er einen sozialgleichwertigen Beruf erlangt, so daß ein berufliches Betroffensein nicht angenommen werden könne.
Die Akten des Landgerichts Arnsberg betreffend das Entschädigungsverfahren des Klägers o. und die Akten des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen betreffend die Umschulung des Klägers waren beigezogen und sind auszugsweise Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Hierauf sowie auf das angefochtene Urteil und den Akteninhalt im übrigen wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die fristgerecht eingelegte Berufung ist trotz Gradstreitigkeit zulässig, weil die Schwerbeschädigteneigenschaft des Klägers infragesteht (§ 148 Ziff. 3 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG –). Sie konnte jedoch keinen Erfolg haben.
Mit Recht hat das Sozialgericht in dem angefochtenen Urteil festgestellt, daß dem Beklagten bei der Ablehnung des beantragten Zugunstenbescheides kein Ermessensfehler unterlaufen ist. Da der Beklagte gemäß § 40 Verfahrensgesetz (VfG KOV) nach seinem Ermessen handeln konnte, wäre dies nach § 54 Abs. 2 SGG nur der Fall, wenn die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden wäre. Im Hinblick auf diese Vorschrift hatte sich die sozialgerichtliche Überprüfung darauf zu beschränken, ob sich der Beklagte bei der Prüfung der Frage, ob ein besonderes berufliches Betroffensein in dem Beruf eines Bergmanns vorliegt, eines Ermessensfehlers schuldig gemacht hat. Das ist, nicht der Fall.
Die Minderung der Erwerbsfähigkeit ist nach § 30 Abs. 2 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) höher zu bewerten, wenn der Beschädigte durch die Art der Schädigungsfolgen in seinem vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf, in seinem nachweislich angestrebten oder in dem Beruf besonders betroffen ist, den er nach Eintritt der Schädigung ausgeübt hat oder noch ausübt.
Sind arbeits- und berufsfördernde Maßnahmen nach § 26 durchgeführt worden, ist die Höherbewertung nach § 30 Abs. 2 BVG nur dann vorzunehmen, wenn diese Maßnahmen aus vom Beschädigten nicht zu vertretenden Gründen erfolglos geblieben sind oder nicht zum Ausgleich des beruflichen Schadens geführt haben.
Bei der Anwendung des § 30 Abs. 2 BVG ist zunächst schon fraglich, ob hier von dem Beruf des Bergmanns überhaupt ausgegangen werden kann. Zwar hat der Kläger diesen Beruf bis 1931 ausgeübt. Unbestritten hat er ihn aber damals infolge der Massenarbeitslosigkeit aufgeben müssen und war anschließend selbständiger Unternehmer eines Heißmangelbetriebes. Diesen hat er allein durch Verfolgungsmaßnahmen des Nationalsozialismus ebenfalls aufgeben müssen. Weder die Aufgabe des Bergmannsberufs noch die der selbständigen Tätigkeit haben in Tatbeständen des BVG ihre Ursache, weil damals Schädigungsfolgen noch gar nicht eingetreten waren. In der Folgezeit war der Kläger bis zu seiner Einberufung am 30. Juli 1942 als Bauhilfsarbeiter, Schlosser, Schweißer, Elektriker und Monteur, wie sich aus seinem Lebenslauf in den Akten des Landeswohlfahrtsverbandes ergibt, tätig. Für ein besonderes berufliches Betroffensein ist grundsätzlich der letzte vor der Schädigung ausgeübte Beruf maßgebend (vgl. BSG v. 29.11.1962 – 9 RV 338/58 – KOV 1963, Rechtspr. Nr. 1438). Demzufolge müßte der von dem Beruf eines Monteurs ausgegangen werden. Wird der erlernte Beruf kurzfristig unterbrochen, so ist das zwar nicht schädlich (vgl. LSG Celle BVGl. 1957 S. 40). Hier war der erlernte Beruf bis zur Entlassung aus der Wehrmacht aber schon 13 Jahre unterbrochen oder sogar durch die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit bewußt aufgegeben worden. Hinzu kommt, daß der Kläger 1945/46 schon 40 Jahre alt war und deswegen allein schon aus Altersgründen eine Verwendung im Bergbau nur noch in beschränktem Umfange möglich gewesen wäre. Nach seiner Erklärung in der mündlichen Verhandlung hat er sich nach dem Kriege auch nicht mehr um eine Tätigkeit im Bergbau bemüht, sondern ist schon 1946 nach F. verzogen. Nach dem Attest des prakt. Arztes W. B. vom 21. März 1947 war er aber damals für leichte Arbeiten einsatzfähig und hätte bei den vielfachen Möglichkeiten des Bergbaues auch dort eine entsprechende Stelle finden können.
Zu beachten ist weiter, daß er einen Antrag auf Versorgung erst am 6. August 1951 gestellt hat, ohne hierbei auf ein besonderes berufliches Betroffensein im Beruf als Bergmann hinzuweisen. In dem Antrag hat er zwar den Bergmannsberuf als erlernten Beruf erwähnt, aber darauf hingewiesen, daß er nunmehr Schweißer sei, also einen Beruf ausübte, der dem des Bergmanns durchaus sozial gleichwertig sein kann. Dem begutachtenden Arzt gab er an, daß er nach der Entlassung aus der Wehrmacht als Elektriker gearbeitet habe und jetzt Schweißer sei. Der Bescheid vom 13. August 1954 hat ein besonderes berufliches Betroffensein ausdrücklich verneint, was der Kläger widerspruchslos hinnahm. Erst 1957 beantragt er die Berücksichtigung eines besonderen beruflichen Betroffenseins im Wege eines Zugunstenbescheides und bat, vom erlernten Beruf eines Schweißers auszugehen. In einem Fragebogen vom 2. Dezember 1957 erwähnte er den erlernten Beruf eines Bergmanns überhaupt nicht, sondern gab an, daß sein angestrebter Beruf Tiefbohrmeister gewesen sei, den er aber infolge von Verfolgungsmaßnahmen niemals habe ausüben können. Hieraus muß geschlossen werden, daß er 1957 sich im Beruf eines Bergmanns überhaupt nicht beruflich betroffen fühlte, jedenfalls konnte der Beklagte aufgrund der eigenen Angaben des Klägers zu keiner anderen Auffassung gelangen. Erst im Mai 1962 wurde durch eine Mitteilung des Landeswohlfahrtsverbandes dem Beklagten bekannt, daß der Kläger früher den Hauerschein erworben hatte. Zu diesem Zeitpunkt waren die Umschulungsmaßnahmen schon im Gange. Auch hieraus folgt, daß der Beklagte eine zweifelsfreie Unrichtigkeit des Bescheides vom 13. August 1954, die die Voraussetzung für ein Tätigkeitswerden nach § 40 VfG (KOV) bildet, vor 1962 überhaupt nicht erkennen bzw. in Erwägung ziehen konnte. Damals war der Kläger aber schon 56 Jahre alt und hatte die Tätigkeit im Bergbau über 30 Jahre nicht ausgeübt, so daß bei objektiver Würdigung aller Umstände schon aus diesem Grunde auf den Beruf eines Bergmanns nicht mehr abgestellt werden kann.
Selbst wenn man aber, was nach dem Dargelegten nicht möglich ist, auf den Beruf eines Bergmanns abstellen wollte, scheitert der Anspruch des Klägers auf Erteilung eines Zugunstenbescheides um deswillen, weil sich der Beklagte mit Recht darauf berufen kann, daß zwischenzeitlich mit Erfolg Umschulungsmaßnahmen durchgeführt worden sind. Aus den beigezogenen Akten des Landeswohlfahrtsverbandes ergibt sich, daß der Kläger die Umschulung mit bestem Erfolg abgeschlossen hat, da jeweils positive Zeugnisse über die einzelnen Maßnahmen erteilt worden sind. Daraus ist der Schluß gerechtfertigt, daß er einen sozial gleichwertigen Beruf erlangt hat. Infolgedessen greift nunmehr die Bestimmung des § 30 Abs. 6 BVG ein, wonach eine Höherbewertung der Minderung der Erwerbsfähigkeit nicht erfolgen darf, wenn die berufsfördernden Maßnahmen Erfolg hatten. Wenn der Kläger hiergegen einwendet, daß sein Verdienst hinter dem Durchschnittseinkommen eines Kaufmanns zurückbleibe, so kann er mit dieser Einlassung nicht gehört werden. Durch die erfolgreiche Umschulung kann der Kläger auf das weite kaufmännische Arbeitsfeld verwiesen werden. Er muß nicht in einem schlechtzahlenden kleinen Unternehmen verbleiben, sondern er konnte sich schon ab 1962 mit Hilfe des Arbeitsamtes aufgrund seiner erfolgreichen Umschulung einen entsprechenden Beruf in einem anderen Unternehmen suchen. Wenn er dies nicht getan hat, so ist er hierfür selbst verantwortlich und kann diesen Umstand billigerweise nicht dem Beklagten anlasten.
Es kommt noch hinzu, daß das Bundessozialgericht für die Annahme eines besonderen beruflichen Betroffenseins einen Einkommensverlust von mindestens 20 v.H., bezogen auf die Tätigkeit in dem ausgeübten Beruf, verlangt (Urt. des BSG v. 19.2.1969 Soz.Recht § 30 BVG Nr. 37).
Nach seiner eigenen Einlassung im Schriftsatz vom 4. April 1960 beträgt der Einkommensverlust bei einem Durchschnittseinkommen des Bergmanns von 913,– DM im Jahre 1966 120,– DM. Dieser Betrag erreicht bei weitem nicht die vom BVG aufgestellte Grenze, so daß sich aus diesem Grunde ein besonderes berufliches Betroffensein nicht anerkannt werden kann.
Bei dieser Sach- und Rechtslage hat das Sozialgericht zutreffend festgestellt, daß der Beklagte sein Ermessen nicht fehlerhaft ausgeübt hat. Zu einer anderen Auffassung käme man auch dann nicht, wenn man den Bescheid vom 16. Oktober 1967 als voll überprüfbaren Verwaltungsakt ansehen wollte. Denn auch in diesem Falle wäre aus den dargelegten Gründen ein besonderes berufliches Betroffensein nicht anzuerkennen. Demzufolge gab das angefochtene Urteil keinen Anlaß zur Beanstandung und die Berufung war mit der sich aus § 193 SGG ergebenden Kostenfolge als unbegründet zurückzuweisen.
Ein Anlaß, die Revision zuzulassen, bestand nicht, weil der Senat nicht über eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden hatte und auch nicht von einer höchstrichterlichen Entscheidung abgewichen ist.
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