Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
5
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 5 V 782/69
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Der Beruf eines Versuchsmechanikers ist dem eines Bauschreiners (Treppenbauer) gleichwertig, zumal wenn jener als Vorarbeiter eingesetzt ist.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/Main vom 10. Juni 1969 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Bei dem am 1914 geborenen Kläger ist durch Bescheid vom 28. August 1953 eine "Verkürzung des rechten Beines um 3 cm nach in guter Stellung fest verheiltem Unterschenkelschußbruch” als Schädigungsfolge nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) in nicht rentenberechtigendem Grade der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) anerkannt.
Sein Antrag auf Neufeststellung vom Januar 1961 wurde durch das Versorgungsamt F. mangels einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse in medizinischer Hinsicht mit Bescheid vom 10. August 1961 abgelehnt. Der diesen Bescheid bestätigende Widerspruchsbescheid vom 20. November 1961 verneinte zusätzlich das Vorliegen eines besonderen Betroffenseins im erlernten und ausgeübten Beruf als Schreiner.
Die Klage des Klägers wies das Sozialgericht Frankfurt/M. durch Urteil vom 15. Januar 1964 mit der Begründung ab, eine Erhöhung des Grades der MdE wegen besonderen Betroffenseins könne derzeitig deshalb nicht erfolgen, weil er seit dem 1. April 1963 im Zuge berufsfördernder Maßnahmen als Elektromechaniker umgeschult werde und der Erfolg der Umschulung abzuwarten bleibe. Das diese Entscheidung bestätigende Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 30. Juni 1965 wurde durch das Bundessozialgericht am 30. September 1966 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
In der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat vom 14. Juni 1967 erklärten die Beteiligten diesen Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt, nachdem der Beklagte sich bereiterklärt hatte, die MdE für die Zeit vom 1. Januar 1961 bis zum Beginn der Umschulung am 1. April 1963 wegen besonderen beruflichen Betroffenseins auf 30 v.H. zu erhöhen und nach Abschluß der berufsfördernden Maßnahmen insoweit in eine erneute Prüfung einzutreten.
Diese Prüfung ergab, daß der Kläger sich trotz guter Leistungen im Umschulungskursus aus subjektiven Gründen der vor der Industrie- und Handelskammer abzulegenden Abschlußprüfung zum Elektromechaniker nicht unterzogen und ab 1. Oktober 1965 bei der Firma H. in H. eine Tätigkeit als Versuchsmechaniker aufgenommen hatte, für die er laut Schreiben dieser Firma vom 9. Februar 1966 den gleichen Lohn wie ein Nichtbeschädigter von 4,26 DM pro Stunde bezog und für die er körperlich voll einsatzfähig war.
Hierauf lehnte das Versorgungsamt die Erhöhung des Grades der MdE auf 30 v.H. wegen besonderen beruflichen Betroffenseins ab 1. April 1963 durch Bescheid vom 20. Oktober 1967 ab. Das Widerspruchsverfahren blieb erfolglos. Mit Bescheid vom 26. Januar 1968 wurde der angefochtene Bescheid bestätigt, indes zusätzlich darauf hingewiesen wurde, der Kläger habe den Erfolg der Umschulungsmaßnahmen durch sein Verhalten vereitelt.
Im erneuten Klageverfahren vor dem Sozialgericht Frankfurt/M. hat der Kläger unter Überreichung je einer Bescheinigung des Holzbearbeitungswerkes K. O. vom 8. August 1968 und der Firma H. vom 6. August 1968 vorgetragen, er werde bei seiner jetzigen Arbeitgeberin als Handwerker beschäftigt, so daß es auf die mangelnde Prüfung nach Abschluß der Umschulung nicht ankomme. Dennoch sei er sozial nicht gleichwertig eingesetzt und verdiene mit derzeitig 4,92 DM pro Stunde auch weniger als in seinem früheren Beruf als Schreiner und Treppenbauer, in dem er einen Stundenlohn von mindestens 5,– DM erzielen könne, wie die Kreishandwerkerschaft G. am 25. Oktober 1968 schriftlich bestätigt habe. Hinzukomme, daß er bei seiner alten Firma F. eine Lebensstellung an seinem Wohnort gehabt habe, wohingegen er jetzt täglich 40 km mit der Bahn fahren müsse und dadurch zusätzliche Kosten von 53,– DM monatlich habe. Andererseits könne er in seiner jetzigen Tätigkeit, die wegen Hitzeeinwirkung überdies gesundheitlich nachteilig sei, keinen Mehrverdienst durch Überstunden erzielen. Auf Befragen des Sozialgerichts hat der Kläger angegeben, seit dem 1. Mai 1969 5,33 DM pro Stunde zu verdienen und Vorarbeiter zu sein. Davor habe er einen Stundenlohn von 5,02 DM erhalten.
Das Sozialgericht hat von der früheren Arbeitgeberin des Klägers, der Firma F. F. in G. und von der Kreishandwerkerschaft G. Auskünfte eingeholt. Der Inhaber der Firma F. hat am 9. November 1968 angegeben, 1966 seien an Zimmerer und Schreiner 4,11 und 4,33 DM 1967 4,33, 4,44, 4,48 DM und 1968 4,48 und 4,64 DM Stundenlohn gezahlt worden. Hinzukämen vermögenswirksame Leistungen von je 0,09 DM die Stunde und Zahlungen an die Zusatzversorgungskasse in Höhe von 11,3 % des Bruttolohnes. Die Kreishandwerkerschaft hat am 15. November 1968 mitgeteilt, der Tarifstundenlohn für Tischlergesellen betrage ab 1. November 1968 4,29 DM und für Treppenbauer ab 1. Mai 1968 4,43 DM. Als Effektivstundenlohn würden an Tischler seit ca. 1965 bis zu 5,20 DM, an Treppenbauer 5,20 DM und mehr gezahlt.
Mit Urteil vom 10. Juni 1969 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, der Kläger sei ab 1. April 1963 nicht besonders beruflich betroffen, da er einen sozial gleichwertigen Beruf erlangt habe und ein erheblicher Minderverdienst nicht vorliege. Bei seiner früheren Arbeitgeberin, bei der er nach seiner Einlassung ohne die Schädigungsfolgen weitergearbeitet hätte, würde er zunächst nur unerheblich mehr, später aber weniger verdient haben als in seiner jetzigen Tätigkeit. Die Leistungen an die Zusatzversorgungskasse dürften dabei nicht gewertet werden. Ob er, unterstellt, er hätte den Arbeitgeber gewechselt, tatsächlich den effektiven Höchstlohn erzielt haben würde, sei offen. Ungeachtet dessen sei auch insoweit kein erhebliches Mindereinkommen ersichtlich, wie der Vergleich des tatsächlichen Verdienstes mit diesen Effektivlöhnen ergebe. Die derzeitigen Arbeitsbedingungen rechtfertigten die Annahme eines besonderen beruflichen Betroffenseins ebenfalls nicht.
Gegen dieses Urteil, das dem Kläger am 24. Juni 1969 zugestellt worden ist, richtet sich seine am 23. Juli 1969 beim Hessischen Landessozialgericht eingegangene Berufung. Zur Begründung trägt er vor, die Effektivstundenlöhne für Schreiner seien seit 1965 um mehr als 15 % gestiegen, in der Elektrobranche dagegen nicht. Zusammen mit dem Fahrgeld habe er einen tatsächlichen Verlust von monatlich mindestens 83,– DM. Dieser wäre noch höher, wenn davon ausgegangen würde, daß er von der Firma F. weggegangen wäre und sich eine andere Stelle im Baugewerbe gesucht hätte, was ohne die Schädigungsfolgen tatsächlich geschehen wäre. Besonders betroffen im Beruf sei er auch deshalb, weil er ausweislich der Bescheinigung der Firma H. vom 18. Juli 1969 derzeitig unter aussergewöhnlich hohem Energieaufwand arbeiten müsse, der u.a. durch des Tragen eines Asbestanzuges wegen der Hitzeeinwirkung am Arbeitsplatz bedingt sei. Überdies habe er in Wahrheit in der ersten Zeit nur Hilfsarbeiten verrichtet.
In der öffentlichen Sitzung am 4. März 1970 hat der Beklagte das Vorliegen eines besonderen beruflichen Betroffenseins für die Zeit der Umschulung (1. April 1963 bis 30. September 1965) anerkannt. Der Kläger hat das Teilanerkenntnis angenommen.
Er beantragt nur noch,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/M. vom 10. Juni 1969 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 20. Oktober 1967 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Januar 1968 zu verurteilen, ihm unter Berücksichtigung seines besonderen beruflichen Betroffenseins ab 1. Oktober 1965 Rente nach einer MdE von 30 v.H. zu gewähren,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil mit Ausnahme der durch sein Teilanerkenntnis zum Ausdruck gekommenen Einschränkung für zutreffend.
Die Akten des Versorgungsamtes F. mit der Grundlisten-Nr. sowie die Akten des Sozialgerichts Frankfurt/M. (Az.: S-14/V-214/61) haben vorgelegen. Auf ihren Inhalt und den der Gerichtsakten beider Instanzen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, sie ist insbesondere frist- und formgerecht eingelegt worden (§§ 143, 148 Ziff. 3, 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG –). Sie ist jedoch nicht begründet.
Der Bescheid des Beklagten vom 20. Oktober 1967 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Januar 1968 ist in dem Umfang, in dem er nach Annahme des Teilanerkenntnisses bestehen geblieben ist, nicht rechtswidrig. Denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Erhöhung des Grades der MdE auf 30 v.H. wegen besonderen beruflichen Betroffenseins ab 1. Oktober 1965.
Rechtsgrundlage ist § 30 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 6 BVG in der Fassung des 2. und 3. Neuordnungsgesetzes (NOG). Hiernach ist die MdE höher zu bewerten, wenn der Beschädigte durch die Art der Schädigungsfolgen in seinem vor der Schädigung ausgeübten oder in dem Beruf besonders betroffen ist, den er nach Eintritt der Schädigung ausgeübt hat oder noch ausübt. Sind arbeits- und berufsfördernde Maßnahmen möglich und zumutbar, ist die Höherbewertung nach § 30 Abs. 2 nur dann zu gewähren, wenn diese Maßnahmen aus vom Beschädigten nicht zu vertretenden Gründen erfolglos geblieben sind oder nicht zum Ausgleich des beruflichen Schadens geführt haben.
Wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, kann ein Ausgleich durch Erhöhung der MdE nach erfolgter Umschulung nur dann gewährt werden, wenn er weder sozial noch wirtschaftlich gesehen zu einer Gleichstellung im Vergleich zu dem vor Einleitung der berufsfördernden Maßnahmen ausgeübten Beruf gekommen ist oder wenn der neue Beruf nur unter aussergewöhnlichen Energie- und Kräfteaufwand oder gar unter Gefährdung der Gesundheit ausgeübt werden kann. Keine dieser Voraussetzungen ist jedoch gegeben.
Schließlich war zu beachten, daß nach der Rechtsprechung das Bundessozialgerichts zur Frage des besonderen beruflichen Betroffenseins ein erheblicher schädigungsbedingter wirtschaftlicher Schaden vorliegen muß (vergl. z.B. BSGE 23, 188), der sich hier bei einem Vergleich dessen, was der Kläger ab Oktober 1965 bei der Firma H. verdient hat mit dem, was er fiktiv als Bauschreiner (Treppenbauer) verdient hätte, aber nicht errechnen läßt. Denn der Prozentsatz eines zu Gunsten des Klägers unterstellten Minderverdienstes würde nicht über den Rahmen dessen liegen, was von einem Beschädigten in Ansehung des § 30 Abs. 2 BVG in Kauf genommen werden muß. Auch schloß sich die Einkommensschere zumindest ab 1967 immer mehr mit der Folge, daß eine rechnerisch mögliche Differenz überhaupt nicht mehr bestanden hat. Die Ausgaben des Klägers für Fahrgeld können insoweit nicht gewertet werden. Hätte er tatsächlich eine Beschäftigung bei einer anderen auswärtigen Baufirma aufgenommen, um einen höheren Stundenlohn erzielen zu können, als bei der Firma F. dann wären ihm ebenfalls Fahrkosten entstanden. Wäre er jedoch bei dieser Firma geblieben, dann würde er dort bereits 1965/66 weniger verdient haben als bei der Firma H. Abgesehen von diesem tatsächlichen Rechenergebnis sind Ausgaben für Fahrgeld kein Betrag, der im Rahmen des § 30 Abs. 2 BVG berücksichtigt werden kann. Sie sind als variable und manipulierbare Werbungskosten kein fester Faktor. Bei der vergleichenden Prüfung, ob ein wesentlicher Einkommensverlust vorliegt oder nicht, ist deshalb nur von dem jeweiligen Bruttoeinkommen auszugehen.
Aus dem gleichen Grunde ist die Einlassung des Klägers, ihm entgehe in seiner neuen Tätigkeit ein Mehrverdienst durch Überstunden, rechtlich nicht von Bedeutung. Denn die Leistung von Mehrarbeit ist eine arbeitsvertragliche Pflicht, nicht aber ein entsprechendes Recht, das nach Bedarf und Wunsch in Anspruch genommen und ausgeweitet werden kann. Gedachte Möglichkeiten dieser Art mußten deshalb ausser Betrachtung bleiben, was auch für seine weitere Behauptung galt, sein Bruttoeinkommen bei der Firma F. sei wegen deren Leistungen an die Zusatzversorgungskasse effektiv höher gewesen. Denn von dieser Kasse standen ihm keine gegenwärtigen Ansprüche zu. Nur solche können bei der Bewertung eines Schadens (oder Einkommensverlustes) aber gewertet werden.
Daß der Kläger bei der Firma H. nur unter ganz aussergewöhnlichem Energie- und Kräfteaufwand arbeitet, war schließlich ebenfalls nicht anzunehmen. Anhaltspunkte dieser Art gehen aus der Bescheinigung vom 18. Juli 1969 nicht hervor. Wenn dort gesagt ist, er erledige alle ihm übertragenen Arbeiten mit äusserster Energie zur vollsten Zufriedenheit, dann ist das bei verständiger Würdigung als Hinweis auf seine Tüchtigkeit zu verstehen. Seine volle Einsatzfähigkeit aus arbeitsplatzmässiger Sicht hatte diese Firma in ihrer Auskunft vom 9. Februar 1966 bestätigt, die durch das Schreiben vom 18. Juli 1969 nicht eingeschränkt worden ist. Wenn auch davon auszugehen ist, daß er teilweise unter Hitzeeinwirkung arbeitet, so ist damit doch nichts in Bezug auf eine objektive Gesundheitsgefährdung gesagt, zumal er dann einen ausreichend schützenden Asbestanzug trägt. Inwieweit diese Arbeitsplatzbedingung sich auf die anerkannte Schädigungsfolge oder auf den Gesundheitszustand im allgemeinen auswirken soll, ist schon hiernach nicht ersichtlich, abgesehen davon, daß keine ärztliche Bestätigung vorliegt. Es kann sich in Wertung des Vorbringens des Klägers und der Bescheinigung seiner Arbeitgeberin vom 18. Juli 1969 mithin nur um geringfügige berufliche Nachteile handeln, die nach überzeugender Rechtsprechung des BSG (vergl. z.B. BSGE 21, 263) indessen kein besonderes berufliches Betroffensein nach sich ziehen.
Nach alledem war, wie geschehen, zu entscheiden.
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 193 SGG.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Bei dem am 1914 geborenen Kläger ist durch Bescheid vom 28. August 1953 eine "Verkürzung des rechten Beines um 3 cm nach in guter Stellung fest verheiltem Unterschenkelschußbruch” als Schädigungsfolge nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) in nicht rentenberechtigendem Grade der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) anerkannt.
Sein Antrag auf Neufeststellung vom Januar 1961 wurde durch das Versorgungsamt F. mangels einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse in medizinischer Hinsicht mit Bescheid vom 10. August 1961 abgelehnt. Der diesen Bescheid bestätigende Widerspruchsbescheid vom 20. November 1961 verneinte zusätzlich das Vorliegen eines besonderen Betroffenseins im erlernten und ausgeübten Beruf als Schreiner.
Die Klage des Klägers wies das Sozialgericht Frankfurt/M. durch Urteil vom 15. Januar 1964 mit der Begründung ab, eine Erhöhung des Grades der MdE wegen besonderen Betroffenseins könne derzeitig deshalb nicht erfolgen, weil er seit dem 1. April 1963 im Zuge berufsfördernder Maßnahmen als Elektromechaniker umgeschult werde und der Erfolg der Umschulung abzuwarten bleibe. Das diese Entscheidung bestätigende Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 30. Juni 1965 wurde durch das Bundessozialgericht am 30. September 1966 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
In der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat vom 14. Juni 1967 erklärten die Beteiligten diesen Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt, nachdem der Beklagte sich bereiterklärt hatte, die MdE für die Zeit vom 1. Januar 1961 bis zum Beginn der Umschulung am 1. April 1963 wegen besonderen beruflichen Betroffenseins auf 30 v.H. zu erhöhen und nach Abschluß der berufsfördernden Maßnahmen insoweit in eine erneute Prüfung einzutreten.
Diese Prüfung ergab, daß der Kläger sich trotz guter Leistungen im Umschulungskursus aus subjektiven Gründen der vor der Industrie- und Handelskammer abzulegenden Abschlußprüfung zum Elektromechaniker nicht unterzogen und ab 1. Oktober 1965 bei der Firma H. in H. eine Tätigkeit als Versuchsmechaniker aufgenommen hatte, für die er laut Schreiben dieser Firma vom 9. Februar 1966 den gleichen Lohn wie ein Nichtbeschädigter von 4,26 DM pro Stunde bezog und für die er körperlich voll einsatzfähig war.
Hierauf lehnte das Versorgungsamt die Erhöhung des Grades der MdE auf 30 v.H. wegen besonderen beruflichen Betroffenseins ab 1. April 1963 durch Bescheid vom 20. Oktober 1967 ab. Das Widerspruchsverfahren blieb erfolglos. Mit Bescheid vom 26. Januar 1968 wurde der angefochtene Bescheid bestätigt, indes zusätzlich darauf hingewiesen wurde, der Kläger habe den Erfolg der Umschulungsmaßnahmen durch sein Verhalten vereitelt.
Im erneuten Klageverfahren vor dem Sozialgericht Frankfurt/M. hat der Kläger unter Überreichung je einer Bescheinigung des Holzbearbeitungswerkes K. O. vom 8. August 1968 und der Firma H. vom 6. August 1968 vorgetragen, er werde bei seiner jetzigen Arbeitgeberin als Handwerker beschäftigt, so daß es auf die mangelnde Prüfung nach Abschluß der Umschulung nicht ankomme. Dennoch sei er sozial nicht gleichwertig eingesetzt und verdiene mit derzeitig 4,92 DM pro Stunde auch weniger als in seinem früheren Beruf als Schreiner und Treppenbauer, in dem er einen Stundenlohn von mindestens 5,– DM erzielen könne, wie die Kreishandwerkerschaft G. am 25. Oktober 1968 schriftlich bestätigt habe. Hinzukomme, daß er bei seiner alten Firma F. eine Lebensstellung an seinem Wohnort gehabt habe, wohingegen er jetzt täglich 40 km mit der Bahn fahren müsse und dadurch zusätzliche Kosten von 53,– DM monatlich habe. Andererseits könne er in seiner jetzigen Tätigkeit, die wegen Hitzeeinwirkung überdies gesundheitlich nachteilig sei, keinen Mehrverdienst durch Überstunden erzielen. Auf Befragen des Sozialgerichts hat der Kläger angegeben, seit dem 1. Mai 1969 5,33 DM pro Stunde zu verdienen und Vorarbeiter zu sein. Davor habe er einen Stundenlohn von 5,02 DM erhalten.
Das Sozialgericht hat von der früheren Arbeitgeberin des Klägers, der Firma F. F. in G. und von der Kreishandwerkerschaft G. Auskünfte eingeholt. Der Inhaber der Firma F. hat am 9. November 1968 angegeben, 1966 seien an Zimmerer und Schreiner 4,11 und 4,33 DM 1967 4,33, 4,44, 4,48 DM und 1968 4,48 und 4,64 DM Stundenlohn gezahlt worden. Hinzukämen vermögenswirksame Leistungen von je 0,09 DM die Stunde und Zahlungen an die Zusatzversorgungskasse in Höhe von 11,3 % des Bruttolohnes. Die Kreishandwerkerschaft hat am 15. November 1968 mitgeteilt, der Tarifstundenlohn für Tischlergesellen betrage ab 1. November 1968 4,29 DM und für Treppenbauer ab 1. Mai 1968 4,43 DM. Als Effektivstundenlohn würden an Tischler seit ca. 1965 bis zu 5,20 DM, an Treppenbauer 5,20 DM und mehr gezahlt.
Mit Urteil vom 10. Juni 1969 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, der Kläger sei ab 1. April 1963 nicht besonders beruflich betroffen, da er einen sozial gleichwertigen Beruf erlangt habe und ein erheblicher Minderverdienst nicht vorliege. Bei seiner früheren Arbeitgeberin, bei der er nach seiner Einlassung ohne die Schädigungsfolgen weitergearbeitet hätte, würde er zunächst nur unerheblich mehr, später aber weniger verdient haben als in seiner jetzigen Tätigkeit. Die Leistungen an die Zusatzversorgungskasse dürften dabei nicht gewertet werden. Ob er, unterstellt, er hätte den Arbeitgeber gewechselt, tatsächlich den effektiven Höchstlohn erzielt haben würde, sei offen. Ungeachtet dessen sei auch insoweit kein erhebliches Mindereinkommen ersichtlich, wie der Vergleich des tatsächlichen Verdienstes mit diesen Effektivlöhnen ergebe. Die derzeitigen Arbeitsbedingungen rechtfertigten die Annahme eines besonderen beruflichen Betroffenseins ebenfalls nicht.
Gegen dieses Urteil, das dem Kläger am 24. Juni 1969 zugestellt worden ist, richtet sich seine am 23. Juli 1969 beim Hessischen Landessozialgericht eingegangene Berufung. Zur Begründung trägt er vor, die Effektivstundenlöhne für Schreiner seien seit 1965 um mehr als 15 % gestiegen, in der Elektrobranche dagegen nicht. Zusammen mit dem Fahrgeld habe er einen tatsächlichen Verlust von monatlich mindestens 83,– DM. Dieser wäre noch höher, wenn davon ausgegangen würde, daß er von der Firma F. weggegangen wäre und sich eine andere Stelle im Baugewerbe gesucht hätte, was ohne die Schädigungsfolgen tatsächlich geschehen wäre. Besonders betroffen im Beruf sei er auch deshalb, weil er ausweislich der Bescheinigung der Firma H. vom 18. Juli 1969 derzeitig unter aussergewöhnlich hohem Energieaufwand arbeiten müsse, der u.a. durch des Tragen eines Asbestanzuges wegen der Hitzeeinwirkung am Arbeitsplatz bedingt sei. Überdies habe er in Wahrheit in der ersten Zeit nur Hilfsarbeiten verrichtet.
In der öffentlichen Sitzung am 4. März 1970 hat der Beklagte das Vorliegen eines besonderen beruflichen Betroffenseins für die Zeit der Umschulung (1. April 1963 bis 30. September 1965) anerkannt. Der Kläger hat das Teilanerkenntnis angenommen.
Er beantragt nur noch,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/M. vom 10. Juni 1969 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 20. Oktober 1967 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Januar 1968 zu verurteilen, ihm unter Berücksichtigung seines besonderen beruflichen Betroffenseins ab 1. Oktober 1965 Rente nach einer MdE von 30 v.H. zu gewähren,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil mit Ausnahme der durch sein Teilanerkenntnis zum Ausdruck gekommenen Einschränkung für zutreffend.
Die Akten des Versorgungsamtes F. mit der Grundlisten-Nr. sowie die Akten des Sozialgerichts Frankfurt/M. (Az.: S-14/V-214/61) haben vorgelegen. Auf ihren Inhalt und den der Gerichtsakten beider Instanzen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, sie ist insbesondere frist- und formgerecht eingelegt worden (§§ 143, 148 Ziff. 3, 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG –). Sie ist jedoch nicht begründet.
Der Bescheid des Beklagten vom 20. Oktober 1967 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Januar 1968 ist in dem Umfang, in dem er nach Annahme des Teilanerkenntnisses bestehen geblieben ist, nicht rechtswidrig. Denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Erhöhung des Grades der MdE auf 30 v.H. wegen besonderen beruflichen Betroffenseins ab 1. Oktober 1965.
Rechtsgrundlage ist § 30 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 6 BVG in der Fassung des 2. und 3. Neuordnungsgesetzes (NOG). Hiernach ist die MdE höher zu bewerten, wenn der Beschädigte durch die Art der Schädigungsfolgen in seinem vor der Schädigung ausgeübten oder in dem Beruf besonders betroffen ist, den er nach Eintritt der Schädigung ausgeübt hat oder noch ausübt. Sind arbeits- und berufsfördernde Maßnahmen möglich und zumutbar, ist die Höherbewertung nach § 30 Abs. 2 nur dann zu gewähren, wenn diese Maßnahmen aus vom Beschädigten nicht zu vertretenden Gründen erfolglos geblieben sind oder nicht zum Ausgleich des beruflichen Schadens geführt haben.
Wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, kann ein Ausgleich durch Erhöhung der MdE nach erfolgter Umschulung nur dann gewährt werden, wenn er weder sozial noch wirtschaftlich gesehen zu einer Gleichstellung im Vergleich zu dem vor Einleitung der berufsfördernden Maßnahmen ausgeübten Beruf gekommen ist oder wenn der neue Beruf nur unter aussergewöhnlichen Energie- und Kräfteaufwand oder gar unter Gefährdung der Gesundheit ausgeübt werden kann. Keine dieser Voraussetzungen ist jedoch gegeben.
Schließlich war zu beachten, daß nach der Rechtsprechung das Bundessozialgerichts zur Frage des besonderen beruflichen Betroffenseins ein erheblicher schädigungsbedingter wirtschaftlicher Schaden vorliegen muß (vergl. z.B. BSGE 23, 188), der sich hier bei einem Vergleich dessen, was der Kläger ab Oktober 1965 bei der Firma H. verdient hat mit dem, was er fiktiv als Bauschreiner (Treppenbauer) verdient hätte, aber nicht errechnen läßt. Denn der Prozentsatz eines zu Gunsten des Klägers unterstellten Minderverdienstes würde nicht über den Rahmen dessen liegen, was von einem Beschädigten in Ansehung des § 30 Abs. 2 BVG in Kauf genommen werden muß. Auch schloß sich die Einkommensschere zumindest ab 1967 immer mehr mit der Folge, daß eine rechnerisch mögliche Differenz überhaupt nicht mehr bestanden hat. Die Ausgaben des Klägers für Fahrgeld können insoweit nicht gewertet werden. Hätte er tatsächlich eine Beschäftigung bei einer anderen auswärtigen Baufirma aufgenommen, um einen höheren Stundenlohn erzielen zu können, als bei der Firma F. dann wären ihm ebenfalls Fahrkosten entstanden. Wäre er jedoch bei dieser Firma geblieben, dann würde er dort bereits 1965/66 weniger verdient haben als bei der Firma H. Abgesehen von diesem tatsächlichen Rechenergebnis sind Ausgaben für Fahrgeld kein Betrag, der im Rahmen des § 30 Abs. 2 BVG berücksichtigt werden kann. Sie sind als variable und manipulierbare Werbungskosten kein fester Faktor. Bei der vergleichenden Prüfung, ob ein wesentlicher Einkommensverlust vorliegt oder nicht, ist deshalb nur von dem jeweiligen Bruttoeinkommen auszugehen.
Aus dem gleichen Grunde ist die Einlassung des Klägers, ihm entgehe in seiner neuen Tätigkeit ein Mehrverdienst durch Überstunden, rechtlich nicht von Bedeutung. Denn die Leistung von Mehrarbeit ist eine arbeitsvertragliche Pflicht, nicht aber ein entsprechendes Recht, das nach Bedarf und Wunsch in Anspruch genommen und ausgeweitet werden kann. Gedachte Möglichkeiten dieser Art mußten deshalb ausser Betrachtung bleiben, was auch für seine weitere Behauptung galt, sein Bruttoeinkommen bei der Firma F. sei wegen deren Leistungen an die Zusatzversorgungskasse effektiv höher gewesen. Denn von dieser Kasse standen ihm keine gegenwärtigen Ansprüche zu. Nur solche können bei der Bewertung eines Schadens (oder Einkommensverlustes) aber gewertet werden.
Daß der Kläger bei der Firma H. nur unter ganz aussergewöhnlichem Energie- und Kräfteaufwand arbeitet, war schließlich ebenfalls nicht anzunehmen. Anhaltspunkte dieser Art gehen aus der Bescheinigung vom 18. Juli 1969 nicht hervor. Wenn dort gesagt ist, er erledige alle ihm übertragenen Arbeiten mit äusserster Energie zur vollsten Zufriedenheit, dann ist das bei verständiger Würdigung als Hinweis auf seine Tüchtigkeit zu verstehen. Seine volle Einsatzfähigkeit aus arbeitsplatzmässiger Sicht hatte diese Firma in ihrer Auskunft vom 9. Februar 1966 bestätigt, die durch das Schreiben vom 18. Juli 1969 nicht eingeschränkt worden ist. Wenn auch davon auszugehen ist, daß er teilweise unter Hitzeeinwirkung arbeitet, so ist damit doch nichts in Bezug auf eine objektive Gesundheitsgefährdung gesagt, zumal er dann einen ausreichend schützenden Asbestanzug trägt. Inwieweit diese Arbeitsplatzbedingung sich auf die anerkannte Schädigungsfolge oder auf den Gesundheitszustand im allgemeinen auswirken soll, ist schon hiernach nicht ersichtlich, abgesehen davon, daß keine ärztliche Bestätigung vorliegt. Es kann sich in Wertung des Vorbringens des Klägers und der Bescheinigung seiner Arbeitgeberin vom 18. Juli 1969 mithin nur um geringfügige berufliche Nachteile handeln, die nach überzeugender Rechtsprechung des BSG (vergl. z.B. BSGE 21, 263) indessen kein besonderes berufliches Betroffensein nach sich ziehen.
Nach alledem war, wie geschehen, zu entscheiden.
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 193 SGG.
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