Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
3
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 Kg 223/59
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/M. vom 20. Oktober 1959 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander Kosten nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger war vor seiner Niederlassung als Rechtsanwalt Landgerichtsrat beim Landgericht B. und bezieht auf Grund des Gesetzes zu Artikel 131 GG Ruhegehalt durch den Senator des Inneren für B. Gemäss § 29 Kindergeldgesetz (KGG) in Verbindung mit § 754 RVO wurde er am 24. September 1956 mit Heberollenauszug zur Beitragszahlung zur Familienausgleichskasse für das Jahr 1955 und zur Vorschußleistung für das Jahr 1956 herangezogen.
Mit der hiergegen am 22. Oktober 1956 erhobenen Klage machte er geltend,
1) das Kindergeldgesetz sei verfassungswidrig,
2) eine Beitragsleistung entfalle, da er als ehemaliger Beamter nach § 3 (2) KGG niemals in den Genuss von Kindergeld von der Familienausgleichskasse gelangen werde. Es fehle daher die Gegenleistung für eine Beitragsleistung.
Nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen habe das zur Folge, dass auch keine Zahlungen an die Familienausgleichskasse zu leisten seien. Dieser Grundsatz der Gegenseitigkeit beherrsche das KGG, in dem eine enge Wechselbeziehung zwischen Leistung und Gegenleistung zum Ausdruck komme. Beispielsweise finde bei Bediensteten des Bundes, der Länder, der Gemeinden usw., die nach § 3 (2) KGG keinen Anspruch auf Kindergeld gegen die Beklagte hätten, nach § 10 (2) KGG eine Beitragsleistung durch ihre Arbeitgeber nicht statt. Wenn in § 11 (1) KGG auch die Selbständigen, die von der Beitragspflicht befreit seien, gesetzlich ausdrücklich aufgeführt seien, so sei dem entgegenzuhalten, dass es sich um Selbständige handele, die trotz Beitragsbefreiung leistungsberechtigt seien. Auch der Einwand, dass die Beiträge der nicht leistungsberechtigten Selbständigen zum kassenmässigen Ausgleich erforderlich seien, gehe fehl, da nach § 11 (1) Satz 1 des Gesetzes der Gesamtbedarf durch eine Umlage aufzubringen sei.
Die Beitragsbefreiung der nicht leistungsberechtigten Selbständigen ergebe sich jedoch eindeutig aus § 11 (3) KGG, wonach Selbständige, die mehreren Familienausgleichskassen angehörten, die Beiträge nur an die Kasse zu zahlen haben, die nach § 5 (1) KGG zur Zahlung des Kindergeldes an sie verpflichtet ist oder wäre, wenn die Selbständigen drei oder mehr Kinder hätten. Das bedeute, dass eine Beitragspflicht nur gegenüber einer leistungspflichtigen Familienausgleichskasse bestehe. Es wäre unsinnig anzunehmen, dass der Angehörige mehrerer Ausgleichskassen besser gestellt sein sollte als derjenige, der nur einer Ausgleichskasse angehört. Deshalb sei auch dieser beitragsfrei, wenn eine Leistungspflicht nicht besteht.
Schliesslich sei die Befreiung von der Leistungspflicht aus dem § 32 KGG zu entnehmen. Danach seien Leistungen Einrichtungen einer Wirtschafts- oder Berufsgruppe oder auf Grund sonstiger Regelungen, die dem Kindergeld entsprechen, anzuerkennen mit der Folge, dass nach Abs. 3 die Personen, die die Mittel für die anerkannten Leistungen aufbringen, von der Beitragspflicht befreit seien. Diese Regelung müsse erst recht hinsichtlich der in § 10 KGG durch Gesetz als vollwertig anerkannten Leistungen von Bund, Ländern, Gemeinden und anderen öffentlich rechtlichen Körperschaften gelten.
Im Laufe des Rechtsstreits hat die Beklagte dem Kläger den Heberollenauszug vom 25. Oktober 1957, in dem der Beitrag für 1956 und der Vorschuss für 1957, den Heberollenauszug vom 14. November 1958, in dem der Beitrag für 1957 und der Vorschuß für 1958 und den Auszug vom 19. August 1959, in dem der Beitrag für 1958 und der Vorschuß für 1959 festgesetzt werden, übersandt.
Das Sozialgericht Frankfurt/M. hat mit Urteil vom 28. Okt. 1959, welches dem Kläger am 16. November 1959 zugestellt worden ist, die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, dass die Verfassungsmässigkeit des Kindergeldgesetzes durch das Urteil des Bundessozialgerichts vom 20. Dezember 1957 (BSG Band 6 S. 213 ff.) nachgewiesen sei. In diesem Urteil sei auch ausgesprochen, dass die deutsche Sozialversicherung eine Versicherung eigener Art sei. Charakteristisch für die Sozialversicherung sei, dass die Beitragspflicht nicht nur den Berechtigten betreffe, sondern auch Personen, die niemals in den Genuss von Leistungen gelangen. Der Hinweis auf § 32 KGG gehe fehl, da es sich in vorliegendem Falle nicht um "besondere Einrichtungen” im Sinne dieser Vorschrift handele.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger am 14. Dezember 1959 mit der in erster Instanz vorgebrachten Begründung Berufung eingelegt. Er hat beantragt, die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung zu verurteilen, an ihn 170,– DM nebst 4 % Zinsen von 140,– DM vom 6. November 1957 bis 1. Oktober 1959 und von 170,– DM seit 1. Oktober 1959 zu zahlen, im Falle der Zurückverweisung der Berufung, die Revision zuzulassen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.
Auf das angefochtene Urteil, die Akten der Beklagten und die Schriftsätze der Beteiligten wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist nach § 143 SGG zulässig. Zwar ist dem Rechtsstreit ein Vorverfahren nicht vorausgegangen, welches nach § 29 KGG durch Bezugnahme auf die Vorschriften des 3. Buches der RVO und damit auf § 757 RVO erforderlich wäre. Da jedoch das Vorverfahren erst durch den nach Artikel 1 Nr. 7 KG-Änderungsgesetz abgeänderten § 28 (2) KGG mit Wirkung vom 1. Oktober 57 eingeführt und der angefochtene Bescheid bereits am 24. September 1956 erlassen worden ist, bedurfte es für eine Klageerhebung keines Vorverfahrens. Die Bescheide vom 25. Oktober 1957, 14. November 1958 und 19. August 1959 sind, da sie hinsichtlich der endgültigen Beitragsfestsetzung an die Stelle der voraufgegangenen getreten sind, die nur Vorschußzahlungen betrafen, nach § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden. Ein Vorverfahren ist nach herrschender Meinung bei diesen Bescheiden ebenfalls nicht erforderlich (so Brackmann I S. 242 r; Peters-Sautter-Wolff, Erl. 1 d zu § 96 SGG Seite II/24; Hofmann-Schrosster Anm. 2 zu § 96 SGG). Das trifft nach Ansicht des Senats auch für Verfahren zu, in denen der Erstbescheid, wie im vorliegenden Falle, einer Nachprüfung im Vorverfahren nicht bedurfte. Zwar findet neues Verfahrensrecht grundsätzlich auch in anhängigen Prozessen Anwendung, sofern die in Frage stehenden Prozesshandlungen nicht schon bei Inkrafttreten des neuen Rechts abgeschlossen vorliegen und es sich somit nur um die Beurteilung der Frage ihrer bereits früher eingetretenen Wirksamkeit handelt (BSG Band 1 S. 44, 46; Bd. 1 S. 78, 81). Auch ist für die Frage, nach welchem Recht das Vorliegen der Prozessvoraussetzungen, zu denen das Vorverfahren gehört, (BSG Band 4 S. 247; Band 3 S. 9), zu beurteilen ist, der Zeitpunkt der Urteilsverkündung massgebend (BSG Bd. 4 S. 248). Doch besteht nach Ansicht des Senats, wenn ein Vorverfahren für Zweitbescheide nach geltendem Recht nicht erforderlich ist, eine solche Verpflichtung besonders kann nicht, wenn sie im vorhergehenden Recht schon für Erstbescheide ausgeschlossen war.
Die Berufung ist jedoch unbegründet. An der Verfassungsmässigkeit des Kindergeldgesetzes bestehen, nachdem sie vom Bundessozialgericht im Urteil vom 20. Dezember 1957 (BSG Bd. 6 S. 213 ff) festgestellt und vom Bundesverfassungsgericht im Urteil vom 10. Mai 1960 (NJW 1960 S. 1099) bestätigt worden ist, keine Zweifel mehr. Es erübrigte sich daher auf diesen Einwand des Klägers einzugehen.
Aber auch die Ansicht des Klägers, dass die fehlende Gegenseitigkeit der Leistung von der Beitragspflicht entbinde, ist nicht begründet. Zu Unrecht geht der Kläger davon aus, dass in der Sozialversicherung das Versicherungsprinzip im Vordergrund stehe und nur den Leistungsberechtigten zu einer Beitragszahlung verpflichte. Wie das BSG (a.a.O.) ausgeführt hat, ist für die Sozialversicherung charakteristisch, dass die Beitragspflicht nicht nur den Berechtigten trifft, sondern dass in jeder Sozialversicherungssparte auch die Arbeitgeber gesetzlich verpflichtet sind, einen Teil der Beiträge zu tragen, ohne dass sie jemals in den Genuss der Leistungen einer dieser Sparte kommen können. Auch das Bundesverfassungsgericht (a.a.O. Ziff. 2. Abs. 4) äussert sich in diesem Sinne mit der Begründung, dass in der Sozialversicherung der Grundsatz des sozialen Ausgleichs, nicht der der Abgeltung eines individuellen Vorteils herrsche. Deshalb geht der Kläger von falschen Voraussetzungen aus, wenn er meint das Sozialversicherungsrecht entspreche hinsichtlich der Gegenseitigkeit der Leistungen dem Recht der privaten Versicherungen.
Seine Auffassung lässt sich aber auch aus den Vorschriften des Kindergeldgesetzes nicht herleiten. Der Kreis der Beitragspflichtigen ist in § 10 (1) KGG dargelegt. Dass der Kläger als selbständiger Rechtsanwalt diesem Personenkreis grundsätzlich angehört, unterliegt keinem Zweifel. Ausnahmen hiervon sind in § 10 (2) KGG aufgeführt. Auch § 11 (1) KGG befreit Selbständige mit niedrigem Einkommen von der Beitragszahlung. Diese Vorschriften lassen aber eindeutig erkennen, welche Körperschaften bzw. Personen dem Kreis der Beitragspflichtigen des § 10 (1) KGG nicht zuzurechnen sind. Dagegen befasst sich der vom Kläger angeführte § 11 (3) KGG nicht mit der Beitragsbefreiung sondern im Gegenteil mit der Beitragszahlung, indem er unter mehreren Familienausgleichskassen diejenige bestimmt, an welche Beiträge zu entrichten sind. Der Zweck der Vorschrift besteht nur darin, zu verhindern, dass ein Versicherter, obwohl er mehrere versicherungspflichtige Unternehmen besitzt, mehrfach Beiträge zu zahlen hat. Deshalb soll der Selbständige in diesem Falle nur an die Familienausgleichskasse zahlen, die nach § 5 (1) KGG zur Zahlung des Kindergeldes an ihn verpflichtet ist oder wäre, wenn er drei oder mehr Kinder hätte. Es ist allerdings fraglich, an welche Kasse zu zahlen ist, wenn diese Voraussetzungen nicht zutreffen. Wenn der Kläger aber hierin eine Befreiungsvorschrift erblickt, so geht er über Wortlaut und Zweck der Bestimmung hinaus. Die Frage, an welche Kasse zu zahlen wäre, wenn keine der mehreren Kassen zur Leistung verpflichtet wäre, ist zwar in Abs. 3 offen gelassen. Es wäre jedoch verfehlt, hieraus zu schließen, dass der Selbständige in diesem Falle überhaupt keine Beiträge zu entrichten hätte.
Auch § 32 KGG ist nicht geeignet, eine Beitragsbefreiung des Klägers zu rechtfertigen. Er betrifft Einrichtungen einer Wirtschaft- oder Berufsgruppe, die dem Ausgleich der Familienlast von Erwerbstätigen dienen und bestimmt, dass Personen, die die Mittel für die Leistungen derartiger Einrichtungen aufbringen, von der Beitragspflicht zur Familienausgleichskasse befreit sind. Wenn auch Leistungen auf Grund sonstiger Regelungen anerkannt werden, so handelt es sich hierbei lediglich um alle nicht von § 32 (1) erfassten betrieblichen und überbetrieblichen Regelungen (vgl. Lauterbach-Wickenhagen Anm. 9 zu § 32 KGG), nicht aber, wie der Kläger meint, um Bund, Länder, Gemeinden und sonstige Körperschaften des öffentlichen Rechts, da sie schon in § 10 (2) KGG namentlich aufgeführt und von der Beitragspflicht ausgenommen sind.
Da somit für den Kläger auch kein Beitragsbefreiungsgrund aus den Bestimmungen des Kindergeldgesetzes besteht, er vielmehr dem Kreis der Beitragspflichtigen nach § 10 (1) KGG angehört, hat er der Beklagten die geforderten Beiträge zu entrichten. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/M. war daher als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat, da über eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden war, nämlich über die Auslegung der §§ 11 (3) und 32 KGG, gegen dieses Urteil nach § 162 (1) Ziff. 1 SGG das Rechtsmittel der Revision zugelassen.
Die Beteiligten haben einander Kosten nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger war vor seiner Niederlassung als Rechtsanwalt Landgerichtsrat beim Landgericht B. und bezieht auf Grund des Gesetzes zu Artikel 131 GG Ruhegehalt durch den Senator des Inneren für B. Gemäss § 29 Kindergeldgesetz (KGG) in Verbindung mit § 754 RVO wurde er am 24. September 1956 mit Heberollenauszug zur Beitragszahlung zur Familienausgleichskasse für das Jahr 1955 und zur Vorschußleistung für das Jahr 1956 herangezogen.
Mit der hiergegen am 22. Oktober 1956 erhobenen Klage machte er geltend,
1) das Kindergeldgesetz sei verfassungswidrig,
2) eine Beitragsleistung entfalle, da er als ehemaliger Beamter nach § 3 (2) KGG niemals in den Genuss von Kindergeld von der Familienausgleichskasse gelangen werde. Es fehle daher die Gegenleistung für eine Beitragsleistung.
Nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen habe das zur Folge, dass auch keine Zahlungen an die Familienausgleichskasse zu leisten seien. Dieser Grundsatz der Gegenseitigkeit beherrsche das KGG, in dem eine enge Wechselbeziehung zwischen Leistung und Gegenleistung zum Ausdruck komme. Beispielsweise finde bei Bediensteten des Bundes, der Länder, der Gemeinden usw., die nach § 3 (2) KGG keinen Anspruch auf Kindergeld gegen die Beklagte hätten, nach § 10 (2) KGG eine Beitragsleistung durch ihre Arbeitgeber nicht statt. Wenn in § 11 (1) KGG auch die Selbständigen, die von der Beitragspflicht befreit seien, gesetzlich ausdrücklich aufgeführt seien, so sei dem entgegenzuhalten, dass es sich um Selbständige handele, die trotz Beitragsbefreiung leistungsberechtigt seien. Auch der Einwand, dass die Beiträge der nicht leistungsberechtigten Selbständigen zum kassenmässigen Ausgleich erforderlich seien, gehe fehl, da nach § 11 (1) Satz 1 des Gesetzes der Gesamtbedarf durch eine Umlage aufzubringen sei.
Die Beitragsbefreiung der nicht leistungsberechtigten Selbständigen ergebe sich jedoch eindeutig aus § 11 (3) KGG, wonach Selbständige, die mehreren Familienausgleichskassen angehörten, die Beiträge nur an die Kasse zu zahlen haben, die nach § 5 (1) KGG zur Zahlung des Kindergeldes an sie verpflichtet ist oder wäre, wenn die Selbständigen drei oder mehr Kinder hätten. Das bedeute, dass eine Beitragspflicht nur gegenüber einer leistungspflichtigen Familienausgleichskasse bestehe. Es wäre unsinnig anzunehmen, dass der Angehörige mehrerer Ausgleichskassen besser gestellt sein sollte als derjenige, der nur einer Ausgleichskasse angehört. Deshalb sei auch dieser beitragsfrei, wenn eine Leistungspflicht nicht besteht.
Schliesslich sei die Befreiung von der Leistungspflicht aus dem § 32 KGG zu entnehmen. Danach seien Leistungen Einrichtungen einer Wirtschafts- oder Berufsgruppe oder auf Grund sonstiger Regelungen, die dem Kindergeld entsprechen, anzuerkennen mit der Folge, dass nach Abs. 3 die Personen, die die Mittel für die anerkannten Leistungen aufbringen, von der Beitragspflicht befreit seien. Diese Regelung müsse erst recht hinsichtlich der in § 10 KGG durch Gesetz als vollwertig anerkannten Leistungen von Bund, Ländern, Gemeinden und anderen öffentlich rechtlichen Körperschaften gelten.
Im Laufe des Rechtsstreits hat die Beklagte dem Kläger den Heberollenauszug vom 25. Oktober 1957, in dem der Beitrag für 1956 und der Vorschuss für 1957, den Heberollenauszug vom 14. November 1958, in dem der Beitrag für 1957 und der Vorschuß für 1958 und den Auszug vom 19. August 1959, in dem der Beitrag für 1958 und der Vorschuß für 1959 festgesetzt werden, übersandt.
Das Sozialgericht Frankfurt/M. hat mit Urteil vom 28. Okt. 1959, welches dem Kläger am 16. November 1959 zugestellt worden ist, die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, dass die Verfassungsmässigkeit des Kindergeldgesetzes durch das Urteil des Bundessozialgerichts vom 20. Dezember 1957 (BSG Band 6 S. 213 ff.) nachgewiesen sei. In diesem Urteil sei auch ausgesprochen, dass die deutsche Sozialversicherung eine Versicherung eigener Art sei. Charakteristisch für die Sozialversicherung sei, dass die Beitragspflicht nicht nur den Berechtigten betreffe, sondern auch Personen, die niemals in den Genuss von Leistungen gelangen. Der Hinweis auf § 32 KGG gehe fehl, da es sich in vorliegendem Falle nicht um "besondere Einrichtungen” im Sinne dieser Vorschrift handele.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger am 14. Dezember 1959 mit der in erster Instanz vorgebrachten Begründung Berufung eingelegt. Er hat beantragt, die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung zu verurteilen, an ihn 170,– DM nebst 4 % Zinsen von 140,– DM vom 6. November 1957 bis 1. Oktober 1959 und von 170,– DM seit 1. Oktober 1959 zu zahlen, im Falle der Zurückverweisung der Berufung, die Revision zuzulassen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.
Auf das angefochtene Urteil, die Akten der Beklagten und die Schriftsätze der Beteiligten wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist nach § 143 SGG zulässig. Zwar ist dem Rechtsstreit ein Vorverfahren nicht vorausgegangen, welches nach § 29 KGG durch Bezugnahme auf die Vorschriften des 3. Buches der RVO und damit auf § 757 RVO erforderlich wäre. Da jedoch das Vorverfahren erst durch den nach Artikel 1 Nr. 7 KG-Änderungsgesetz abgeänderten § 28 (2) KGG mit Wirkung vom 1. Oktober 57 eingeführt und der angefochtene Bescheid bereits am 24. September 1956 erlassen worden ist, bedurfte es für eine Klageerhebung keines Vorverfahrens. Die Bescheide vom 25. Oktober 1957, 14. November 1958 und 19. August 1959 sind, da sie hinsichtlich der endgültigen Beitragsfestsetzung an die Stelle der voraufgegangenen getreten sind, die nur Vorschußzahlungen betrafen, nach § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden. Ein Vorverfahren ist nach herrschender Meinung bei diesen Bescheiden ebenfalls nicht erforderlich (so Brackmann I S. 242 r; Peters-Sautter-Wolff, Erl. 1 d zu § 96 SGG Seite II/24; Hofmann-Schrosster Anm. 2 zu § 96 SGG). Das trifft nach Ansicht des Senats auch für Verfahren zu, in denen der Erstbescheid, wie im vorliegenden Falle, einer Nachprüfung im Vorverfahren nicht bedurfte. Zwar findet neues Verfahrensrecht grundsätzlich auch in anhängigen Prozessen Anwendung, sofern die in Frage stehenden Prozesshandlungen nicht schon bei Inkrafttreten des neuen Rechts abgeschlossen vorliegen und es sich somit nur um die Beurteilung der Frage ihrer bereits früher eingetretenen Wirksamkeit handelt (BSG Band 1 S. 44, 46; Bd. 1 S. 78, 81). Auch ist für die Frage, nach welchem Recht das Vorliegen der Prozessvoraussetzungen, zu denen das Vorverfahren gehört, (BSG Band 4 S. 247; Band 3 S. 9), zu beurteilen ist, der Zeitpunkt der Urteilsverkündung massgebend (BSG Bd. 4 S. 248). Doch besteht nach Ansicht des Senats, wenn ein Vorverfahren für Zweitbescheide nach geltendem Recht nicht erforderlich ist, eine solche Verpflichtung besonders kann nicht, wenn sie im vorhergehenden Recht schon für Erstbescheide ausgeschlossen war.
Die Berufung ist jedoch unbegründet. An der Verfassungsmässigkeit des Kindergeldgesetzes bestehen, nachdem sie vom Bundessozialgericht im Urteil vom 20. Dezember 1957 (BSG Bd. 6 S. 213 ff) festgestellt und vom Bundesverfassungsgericht im Urteil vom 10. Mai 1960 (NJW 1960 S. 1099) bestätigt worden ist, keine Zweifel mehr. Es erübrigte sich daher auf diesen Einwand des Klägers einzugehen.
Aber auch die Ansicht des Klägers, dass die fehlende Gegenseitigkeit der Leistung von der Beitragspflicht entbinde, ist nicht begründet. Zu Unrecht geht der Kläger davon aus, dass in der Sozialversicherung das Versicherungsprinzip im Vordergrund stehe und nur den Leistungsberechtigten zu einer Beitragszahlung verpflichte. Wie das BSG (a.a.O.) ausgeführt hat, ist für die Sozialversicherung charakteristisch, dass die Beitragspflicht nicht nur den Berechtigten trifft, sondern dass in jeder Sozialversicherungssparte auch die Arbeitgeber gesetzlich verpflichtet sind, einen Teil der Beiträge zu tragen, ohne dass sie jemals in den Genuss der Leistungen einer dieser Sparte kommen können. Auch das Bundesverfassungsgericht (a.a.O. Ziff. 2. Abs. 4) äussert sich in diesem Sinne mit der Begründung, dass in der Sozialversicherung der Grundsatz des sozialen Ausgleichs, nicht der der Abgeltung eines individuellen Vorteils herrsche. Deshalb geht der Kläger von falschen Voraussetzungen aus, wenn er meint das Sozialversicherungsrecht entspreche hinsichtlich der Gegenseitigkeit der Leistungen dem Recht der privaten Versicherungen.
Seine Auffassung lässt sich aber auch aus den Vorschriften des Kindergeldgesetzes nicht herleiten. Der Kreis der Beitragspflichtigen ist in § 10 (1) KGG dargelegt. Dass der Kläger als selbständiger Rechtsanwalt diesem Personenkreis grundsätzlich angehört, unterliegt keinem Zweifel. Ausnahmen hiervon sind in § 10 (2) KGG aufgeführt. Auch § 11 (1) KGG befreit Selbständige mit niedrigem Einkommen von der Beitragszahlung. Diese Vorschriften lassen aber eindeutig erkennen, welche Körperschaften bzw. Personen dem Kreis der Beitragspflichtigen des § 10 (1) KGG nicht zuzurechnen sind. Dagegen befasst sich der vom Kläger angeführte § 11 (3) KGG nicht mit der Beitragsbefreiung sondern im Gegenteil mit der Beitragszahlung, indem er unter mehreren Familienausgleichskassen diejenige bestimmt, an welche Beiträge zu entrichten sind. Der Zweck der Vorschrift besteht nur darin, zu verhindern, dass ein Versicherter, obwohl er mehrere versicherungspflichtige Unternehmen besitzt, mehrfach Beiträge zu zahlen hat. Deshalb soll der Selbständige in diesem Falle nur an die Familienausgleichskasse zahlen, die nach § 5 (1) KGG zur Zahlung des Kindergeldes an ihn verpflichtet ist oder wäre, wenn er drei oder mehr Kinder hätte. Es ist allerdings fraglich, an welche Kasse zu zahlen ist, wenn diese Voraussetzungen nicht zutreffen. Wenn der Kläger aber hierin eine Befreiungsvorschrift erblickt, so geht er über Wortlaut und Zweck der Bestimmung hinaus. Die Frage, an welche Kasse zu zahlen wäre, wenn keine der mehreren Kassen zur Leistung verpflichtet wäre, ist zwar in Abs. 3 offen gelassen. Es wäre jedoch verfehlt, hieraus zu schließen, dass der Selbständige in diesem Falle überhaupt keine Beiträge zu entrichten hätte.
Auch § 32 KGG ist nicht geeignet, eine Beitragsbefreiung des Klägers zu rechtfertigen. Er betrifft Einrichtungen einer Wirtschaft- oder Berufsgruppe, die dem Ausgleich der Familienlast von Erwerbstätigen dienen und bestimmt, dass Personen, die die Mittel für die Leistungen derartiger Einrichtungen aufbringen, von der Beitragspflicht zur Familienausgleichskasse befreit sind. Wenn auch Leistungen auf Grund sonstiger Regelungen anerkannt werden, so handelt es sich hierbei lediglich um alle nicht von § 32 (1) erfassten betrieblichen und überbetrieblichen Regelungen (vgl. Lauterbach-Wickenhagen Anm. 9 zu § 32 KGG), nicht aber, wie der Kläger meint, um Bund, Länder, Gemeinden und sonstige Körperschaften des öffentlichen Rechts, da sie schon in § 10 (2) KGG namentlich aufgeführt und von der Beitragspflicht ausgenommen sind.
Da somit für den Kläger auch kein Beitragsbefreiungsgrund aus den Bestimmungen des Kindergeldgesetzes besteht, er vielmehr dem Kreis der Beitragspflichtigen nach § 10 (1) KGG angehört, hat er der Beklagten die geforderten Beiträge zu entrichten. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/M. war daher als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat, da über eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden war, nämlich über die Auslegung der §§ 11 (3) und 32 KGG, gegen dieses Urteil nach § 162 (1) Ziff. 1 SGG das Rechtsmittel der Revision zugelassen.
Rechtskraft
Aus
Login
HES
Saved