Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 3 U 1531/89
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 1064/93
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 28. September 1993 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Anerkennung und Entschädigung einer Berufskrankheit (BK).
Die 1928 geborene Klägerin war ab dem 1. Januar 1975 bei dem X-Kreis für Reinigungsarbeiten in tätig. Seit dem 7. Januar 1988 war sie dort arbeitsunfähig und erhält ab diesem Zeitpunkt von der LVA Hessen eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit.
Unter dem 7. März 1988 erstattete die AOK des – Kreises eine Anzeige bei dem Beklagten und teilte mit, bei der Klägerin bestehe eine Allergie gegen Formalin, P-Phenyldiamin sowie gegen Putzmittel und eine akute Laryngitis.
Die Klägerin gab unter dem 17. Mai 1988 gegenüber dem Beklagten an, 1986 seien erstmals rissige Hände sowie ein ständiges Brennen der Arme aufgetreten. Anfang 1987 habe sie unter geröteten Augen, trockener Nase und einem Brennen im Hals und den Atemwegen gelitten. Solche Beschwerden habe sie auch in der Zeit vom 22. September bis 24. Oktober 1987 gehabt sowie vom 17. November bis 12. Dezember 1987 und ab dem 7. Januar 1988. Während dieser Zeiten sei sie auch arbeitsunfähig gewesen.
Auf Veranlassung der Beklagten erstatteten der Hausarzt der Klägerin, Dr. Z. und der Hautarzt der Klägerin, Dr. J., eine ärztliche Anzeige über eine BK. Dr. Z. gab an, die Klägerin leide unter Luftnot, Erschöpfung, Heiserkeit sowie Hauterscheinungen an den Armen. Vermutlich bestehe eine obstruktive Atemwegserkrankung durch chemisch-irritative Stoffe als BK. Dr. J. teilte mit, die Klägerin leide unter einer chronischen Bronchitis, die auf die Einwirkung starker Putzmitteldämpfe zurückzuführen sei. Es bestehe eine Allergie gegen Formalin, P-Phenylendiamin und eine Allergie auf Hausstaub. Von der AOK des -Kreises zog der Beklagte ein Vorerkrankungsverzeichnis der Klägerin bei. Der übersandte ein hals-nasen-ohren-ärztliches Gutachten des Prof. Dr. B., Städtische Kliniken , vom 28. Juni 1988 und ein nervenärztliches Gutachten des Prof. Dr. H. und des Oberarztes Dr. H., Städtische Kliniken , vom 20. Juni 1988.
Prof. Dr. B. teilte über die Untersuchung der Klägerin mit, diese habe angegeben, seit Anfang Januar 1988 wegen der Einwirkung von Reinigungsmitteln in der Behandlung des HNO-Arztes Dr. C. gestanden zu haben. Es habe zeitweise Atemnot bestanden und eine Heiserkeit mit belegter Stimme. Bei der Untersuchung hätten sich an den Schleimhäuten des HNO-Gebietes keine nennenswerten Veränderungen gefunden. Röntgenologisch bestünden keine Hinweise auf eine entzündliche Beteiligung der Nebenhöhlen. Eine bleibende Schleimhautschädigung liege nicht vor.
Prof. Dr. H. und Dr. H. gelangten zu dem Ergebnis, es bestünden bei der Klägerin keine Anhaltspunkte für eine durch die verwendeten Reinigungsmittel bzw. Desinfektionsmittel verursachte chronische oder akute Schädigung des zentralen oder peripheren Nervensystems.
Die Klägerin überreichte ein im Auftrag der Gewerkschaft ÖTV erstelltes hautärztliches Gutachten des Prof. Dr. S. Hautklinik der -Universität , vom 7. April 1989 zu den Akten. Diesem Gutachten ist zu entnehmen, daß Prof. Dr. S. die in der -Schule beschäftigten Reinemachefrauen gutachtlich untersucht hatte. In diesem Gutachten werden die untersuchten Personen nicht namentlich benannt. Bei der Patientin "B” soll es sich um die Klägerin gehandelt haben. Über den bei dieser Patientin erhobenen Befund wird mitgeteilt, es hätten noch Reste eines kumulativtoxischen Kontaktekzems bestanden. Zusätzlich falle eine ausgeprägte Schleimhautbeteiligung auf, möglicherweise durch Inhalation von Berufsstoffen.
Des weiteren gelangte zu den Akten ein Schreiben der Arbeitsgemeinschaft Umweltkontrolle e.V. in vom 30. Oktober 1988 über eine Begutachtung von Putzmittelproben aus der -Schule, die im Auftrag der ÖTV-Kreisverwaltung Bad erfolgte. Über das Ergebnis der Untersuchung wird mitgeteilt, daß etliche Proben der Putzmittel Formaldehyd von 1,2 % bzw. 1,86 und 2,01 % enthielten. Eine Probe enthielt chlorierte Kohlenwasserstoffverbindungen.
Der Landesgewerbearzt veranlaßte eine hautärztliche Begutachtung der Klägerin durch die Dres. und , Y-Stadt. In dem Gutachten vom 24. Juli 1989 wird über den Untersuchungsbefund mitgeteilt, dermatologisch sei die Klägerin zum Untersuchungszeitpunkt weitgehend frei von schwerwiegenden ekzematösen Hautveränderungen gewesen. Im Bereich beider Unterarme hätten sich eher angedeutete, dezente, ekzematöse Hautveränderungen mit angedeuteten dyshidrosiform-rhagadiformen Komponenten, insbesondere in den Fingerarealen gefunden. Beide Ellenbögen seien leicht squamös verändert, ohne deutliche Rötung. Die Ellenbeugen und Kniekehlen seien frei von ekzematösen Hautveränderungen. Im Bereich beider Unterarme sei eine deutliche Xerosis festzustellen, mit einzelnen Excoreationen, die auf Juckreiz hinwiesen. An den Händen bestehe eine deutliche Hyperhidrosis mannum. Ekzematöse krankhafte Hautveränderungen seien nicht nachweisbar. Weiter wird mitgeteilt, die Allergietestung habe keinen Anhalt auf das Vorliegen einer spezifischen Sensibilisierung ergeben. Es bestehe eine verminderte Alkaliresistenz und Verdacht auf konstitutionelle fraglich-atopische Ekzemneigung. Ferner bestünden unspezifische, möglicherweise irritative Inhalationsbeschwerden mit fraglicher bronchialer Hyperreagibilität. Die Gutachter diagnostizierten ein subtoxisch-kumulatives Kontaktekzem unter dem Bild eines dyshidrosiform-rhagadiformen Handekzems beidseits. Die Dermatologen gelangten zu dem Ergebnis, mit Sicherheit könne eine allergische Kontaktdermatitis ausgeschlossen werden. Es bestehe jedoch ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den vorliegenden dyshidrosiform-rhagadiformen Ekzemerruptionen im Bereich beider Hände und der ausgeübten beruflichen Tätigkeit als Reinigungsfrau. Es handele sich hierbei um ein subtoxisch-kumulatives Kontaktekzem bei konstitutioneller atopischer Ekzemneigung, worauf der von der Klägerin geschilderte ekzematöse Befall der Ellenbeugen und insbesondere der Kniekehlen hinweise. Es handele sich nicht um eine wiederholt rückfällige Hauterkrankung. Jedoch sei das Vorliegen einer schweren Hauterkrankung zu bejahen. Dies sei durch den langen ununterbrochenen Krankheitsverlauf dokumentiert. Denn die Klägerin sei wegen einer Erkrankung im Bereich der Handinnenflächen und wegen der parallel verlaufenden Schleimhautbeschwerden vom 17. Januar 1988 bis Oktober 1988 ununterbrochen arbeitsunfähig gewesen. Die Hauterkrankung im Bereich der Hände objektiviere jedoch nicht die Aufgabe der beruflichen Tätigkeit. Insoweit sei zu bedenken, daß die erforderlichen Schutzmaßnahmen, insbesondere das Tragen von Gummi- oder sonstigen Schutzhandschuhen nicht erfolgt sei. Bei entsprechender Instruktion sei es für die Klägerin relativ einfach gewesen, mit entsprechenden Schutzhandschuhen den hautschädigenden Kontakt mit kumulativ-toxisch wirkenden Putz- und Reinigungsmitteln zu umgehen.
Die Klägerin erhob am 12. Dezember 1989 beim Sozialgericht Kassel (SG) Untätigkeitsklage.
Der Beklagte veranlaßte auf Anraten des Landesgewerbearztes eine weitere internistisch-allergologische Begutachtung durch Prof. Dr. S. Institut für Arbeits- und Sozialmedizinische Allergiediagnostik in Bad. Dieser gelangte in seinem Gutachten vom 9. Mai 1990 zu dem Ergebnis, daß keiner der infrage stehenden Arbeitsstoffe, auch unter unrealistisch hohen Emissionskonzentrationen bei Auslösung extrapulmonaler Begleiterscheinungen, eine bronchoobstruktionsauslösende Wirkung gehabt habe. Die von der Klägerin in diesem Zusammenhang angegebenen Atembeschwerden seien durch die subtile Lungenfunktionsmeßmethoden nicht objektivierbar und hätten somit kein objektives Korrelat. Ausweislich der in dem provokationsfreien Intervall durchgeführten großen Lungenfunktionsprüfung, einschließlich der Spiroergometrie sowie der Ermittlung der statischen und dynamischen Lungenfunktionsparameter, Blutgasbestimmungen und Kontrolle der relevanten Herz-Kreislauf-Parameter, könne die körperliche Leistungsfähigkeit der Klägerin als befriedigend eingestuft werden. Die Klägerin leide an einer altersinvolutiven funktionellen Dysphonie in Einheit mit einer Rhinitis sicca anterior. Die Verdachtsdiagnose einer berufsbedingten Erkrankung habe sich nicht bestätigt.
Durch Bescheid vom 23. Oktober 1990 teilte der Beklagte der Klägerin mit, ein Anspruch auf Entschädigungsleistungen bestehe nicht, weil eine Berufskrankheit weder nach den Nrn. 4301, 4302 oder 5101 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKVO) vorliege.
Mit Schriftsatz vom 1. November 1990 hat sich die Klägerin gegen diesen Bescheid gewandt, dessen Aufhebung sowie Entschädigungsleistungen wegen BK’en begehrt.
Das SG hat auf Antrag der Klägerin von Prof. Dr. S. und Prof. Dr. W., Leiter des Instituts und der Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin am Klinikum der -Universität Sachverständigengutachten eingeholt.
In seinem Gutachten vom 16. Dezember 1991 hat Prof. Dr. S. über den Untersuchungsbefund mitgeteilt, bei der Klägerin bestehe ein indifferenter bzw. leicht sepostatischer Hauttyp mit altersüblicher allgemeiner Austrocknung der Haut. An den Fingerrücken, den Handgelenken und Handrücken mit Betonung der rechten Hand bestünden in den Gelenksfalten flache, nicht nässende, nicht übermäßig entzündete Rhagaden neben flächenhafter Rötung und feiner lamellärer Hautabschuppung. Die Nägel seien altersentsprechend unauffällig. Zur Anamnese hat die Klägerin dem Sachverständigen mitgeteilt, Hautveränderungen seien erstmals 1985 aufgetreten mit Juckreiz, Brennen der Hände, Unterarme, des Gesichtsbereiches, auch mit Einrissen, d.h. Rhagaden der Haut, besonders in den Finger- und Handgelenksfalten sowie mit flächenhaften roten Flecken. Zusätzlich hätten Atemnot, Husten und Kopfschmerzen bestanden. Die Beschwerden seien zunächst abhängig vom Kontakt zu den in der Schule verwendeten Reinigungsmitteln aufgetreten. Wegen der ständigen Befundverschlechterung habe sie sich bei ihrem Haus- und Hautarzt vorgestellt. Nunmehr leide sie insbesondere an einer extremen Austrocknung der Haut, besonders der Hände, mit schmerzhaften Hauteinrissen an Händen und Unterarmen. Jegliche Haus- und Gartenarbeit sei nur mit Gummihandschuhen durchführbar. Trotz regelmäßig durchgeführter Hautpflege sei die Austrocknung der Haut nicht zu bessern. Prof. Dr. S. gelangte zu dem Ergebnis, bei der Klägerin handele es sich um ein chronisches, kumulativ-toxisches Kontaktekzem ohne Anhalt für eine spezifische Sensibilisierung bei verminderter Alkaliresistenz als Indiz für die noch bestehende Schädigung des Hautschutzfilmes. Aus der Anamnese, der körperlichen Untersuchung sowie Hauttestung sei eine schwere und wiederholt rückfällige Hauterkrankung abzuleiten. Auch sei die Klägerin 1987 sowie 1988 mehrmals arbeitsunfähig gewesen. Die Hautkrankheit infolge des chronischen, toxischen Kontaktekzems sei mit einer MdE von 20 v.H. zu bewerten.
Prof. Dr. W. hat in seiner Stellungnahme vom 1. Dezember 1992 ausgeführt, die hautärztlichen Gutachten stimmten in der Diagnose der Hautkrankheit und der Zusammenhangsfrage im wesentlichen überein. Aus arbeitsmedizinischer Sicht sei die Argumentation in dem Gutachten der Dres. A. und S. nicht nachvollziehbar. Aus arbeitsmedizinischer Erfahrung erfordere das Spektrum der Tätigkeiten im Reinigungsdienst ein nahezu ganztägiges Tragen von Gummihandschuhen. Bei einer Vorschädigung durch ein chronisches, kumulativ-toxisches Handekzem sei das Tragen entsprechender Handschuhe mit einem hohen Risiko der Verschlimmerung behaftet, und zwar durch die Entstehung eines feuchten Milieus durch ungenügende Schweißabgabe sowie der Möglichkeit der Entwicklung einer Allergie gegen Gummiinhaltstoffe. Aus arbeitsmedizinischer Sicht sei deshalb die Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit im Reinigungsdienst retrospektiv durchaus begründet gewesen. Hinsichtlich der in Frage stehenden BK’en nach Nr. 4301 und 4302 der Anlage 1 zur BKVO stimme er der Beurteilung des Prof. Dr. S. zu. Wegen Fehlens einer Obstruktion könnten die von der Klägerin genannten Beschwerden nicht den betreffenden BK’en zugeordnet werden.
Das SG hat durch Urteil vom 28. September 1993 den Beklagten in Änderung des angefochtenen Bescheides vom 23. Oktober 1990 verurteilt, der Klägerin wegen der Folgen einer BK nach Nr. 5102 der Anlage 1 zur BKVO Rente nach einer MdE von 20 v.H. ab Eintritt des Versicherungsfalles zu zahlen. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat das SG gestützt auf die Auffassung der Professoren S. und W. die Voraussetzungen einer BK nach Nr. 5101 der Anlage 1 zur BKVO bejaht. Das Begehren der Klägerin nach Anerkennung und Entschädigung einer BK nach Nr. 4301 bzw. 4302 der Anlage 1 zur BKVO hat das SG für nicht begründet erachtet und darauf verwiesen, daß nach Auffassung aller gehörten Gutachter bei der Klägerin keine obstruktive Atemwegserkrankung vorliege.
Der Beklagte hat gegen dieses ihm am 11. Oktober 1993 zugestellte Urteil mit Schriftsatz vom 28. Oktober 1993, eingegangen am 1. November 1993, beim Hessischen Landessozialgericht Berufung eingelegt und geltend gemacht, bei der Klägerin liege weder eine wiederholt rückfällige noch eine schwere Hauterkrankung vor. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für das Vorliegen einer BK seien somit nicht erfüllt. Der Beklagte verwies zur weiteren Begründung auf das Ergebnis von ihm weiter angestellter Ermittlungen und gutachtliche Stellungnahmen der Hautärztin Dr. B. vom 23. November 1993 und 13. November 1994.
Ermittlungen des TAD zufolge betrug die tägliche Arbeitszeit der Klägerin an Unterrichtstagen vier Stunden fünf Minuten. Zu den Unterrichtstagen gehörte auch jeder erste und dritte Samstag im Monat. Die Klägerin war zuständig für die Säuberung von Fachräumen, sie hatte die Papierkörbe dort zu leeren, die Räume und Verkehrsbereiche zu fegen, Tische, Stühle, Fensterbänke feucht abzuwischen und den Fußboden feucht zu reinigen. Seit 1984 wurde eine Feuchtraumreinigung des Fußbodens jeden zweiten Tag durchgeführt. Außerdem war es ihre Aufgabe, die in ihren Bereich gelegenen Toiletten- und Waschräume täglich feucht zu reinigen. Ein Drittel der Tätigkeit entfiel auf trockene Arbeiten und Zweidrittel auf feuchte Arbeiten. Dreimal im Jahr wurde an fünf, vier bzw. acht Tagen am Ende der jeweiligen Ferien ein sog. Grundputz durchgeführt. Dabei wurden insbesondere die Fußböden einer Grundreinigung unterzogen, um aufgebaute Wachs- und Schutzschichten zu entfernen. Für die Reinigungsarbeiten oberhalb des Fußbodens war ein Allzweckreiniger vorgesehen. Der Grundreiniger wurde dreimal jährlich verwand. Reinigungsmittel für die Fußbodenreinigung war das Mittel R 1000. Zur Reinigung der Wasch- und Toilettenräume waren sowohl Reinigungs- als Desinfektionsmittel vorgesehen. Erst ab 1988 wurde auf die desinfizierende Reinigung verzichtet. Bis zu diesem Zeitpunkt wurden die Reinigungsmittel vom Hausmeister zugeteilt. Dieser füllte die Mittel aus den Originalgebinden in unbeschriftete Flaschen ab. Nachdem Klagen wegen gesundheitlicher Beeinträchtigungen durch die Reinigungskräfte laut geworden waren, wurde deutlich, daß dieses Verfahren Verwechslung und Überdosierungen verursacht haben könnte. Aufgrund der in den Sicherheitsdatenblättern angegebenen Farben ist eine Verwechslung des formaldehydhaltigen Desinfektionsreinigers mit dem Fußbodenreinigungsmittel nicht auszuschließen, da beide eine gelbliche Farbe hatten.
Der Senat zog von den die Klägerin behandelnden Ärzten Befund- und Behandlungsberichte bei sowie die über die Klägerin vorliegenden Krankenunterlagen. Dr. J. hat die ihm vorliegenden Unterlagen in Fotokopie übersandt und unter dem 15. November 1995 mitgeteilt, in der Zeit vom 2. Dezember 1986 bis 24. März 1987 sei die Klägerin bei ihm wegen entzündeter Naevuszell naevus in Behandlung gewesen. In der Zeit vom 1. Oktober 1987 bis 18. Dezember 1987 habe er eine Allergiediagnostik bei der Klägerin durchgeführt. Eine Hauterkrankung sei in dieser Zeit weder von ihm diagnostiziert noch behandelt worden. Bis zu diesem Zeitpunkt seien ekzematöse Hautveränderungen nicht vorhanden gewesen. Am 10. Februar 1995 habe er bei der Klägerin ein numuläres Unterarmekzem diagnostiziert. Es habe sich um ein lamellös schuppendes schwachgerötetes Ekzem im Bereich der Unterarme gehandelt. Dieses sei mit einer Hydrokortison-Antifungolrezeptur behandelt worden. Unterlagen über festgestellte Arbeitsunfähigkeitszeiten lägen nicht vor, es sei deshalb davon auszugehen, daß keine Arbeitsunfähigkeit attestiert worden sei.
Dr. Z. übersandte zwei Band Krankenakten der Klägerin und teilte unter dem 2. Januar 1996 mit, am 9. Mai 1985 sei die Klägerin von ihm wegen einem mittelgradig juckenden Exanthem an beiden Händen und im Gesicht behandelt worden. An der Stirn und über beiden Wangen habe ein makulöses nicht schuppendes Exanthem und an der Hand ein makuluparpulöses Exanthem bestanden. Am 20. Februar 1986 habe er ein makulöses, leicht schuppendes Exanthem an beiden Kniekehlen und am 5. März 1986 ein allergisches Ödem der Unterlippe festgestellt. Am 12. Oktober 1989 habe ein makuluparbulöses Exanthem an beiden Unterschenkeln und an beiden Händen bestanden. Die Klägerin sei von ihm in der Zeit vom 9. Mai bis 11. Mai 1985 wegen der Hauterkrankung krankgeschrieben worden.
Nach Auffassung des Beklagten belegen die Ermittlungen während des Berufungsverfahrens, daß bei der Klägerin weder eine schwere noch eine wiederholt rückfällige Hauterkrankung vorgelegen habe. Es habe auch kein Zwang bestanden, die Tätigkeit wegen der Hauterkrankung aufzugeben, da durchaus geeignete Schutzhandschuhe hätten getragen werden können. Die Naßarbeiten seien höchstens drei Stunden pro Tag angefallen. Die Angaben der die Klägerin behandelnden Ärzte rechtfertigten auch nicht eine MdE in Höhe von 20 v.H. wegen eines Kontaktekzems.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 28. September 1993 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, die Einwirkung von Reinigungsmitteln hätten bei ihr zu allergischen Erkrankungen geführt. Sie macht geltend, sie sei nach wie vor nicht beschwerdefrei. Obwohl sie seit 1988 nicht mehr als Reinigungskraft tätig sei, tauchten immer wieder Hautveränderungen auf. Es seien stets dieselben Symptome. Sie leide dann unter Kopfschmerzen, verbunden mit hohem Blutdruck, Jucken am ganzen Körper. Es bildeten sich äußerlich sichtbare Hautveränderungen an den Beinen, vor allem an den Kniekehlen, ebenfalls im Bereich der Unterarme. Die Intensität dieser Beschwerden sei zwar wechselhaft, eine vollständige Abheilung finde jedoch nicht statt. An den empfindlichsten Stellen habe sich ein regelrechter Schorf gebildet. Eine ähnliche Entwicklung sei am Hals festzustellen. Weiterhin macht die Klägerin geltend, die Aussage von Dr. J., er habe sie in der Zeit vom 1. Oktober bis 18. Dezember 1987 nicht wegen einer Hauterkrankung behandelt, stehe offensichtlich im Widerspruch zu dem von ihm am 17. März 1988 erstellten Allergiepaß. Im November 1987 sei sie wegen einer Hauterkrankung von dem Hausarzt an Dr. J. überwiesen worden. Dabei seien allergische Reaktionen festgestellt worden. Dies ergebe sich auch zweifelsfrei aus dem Arztbericht des Dr. J. an Dr. Z. vom 25. November 1987. Richtig sei, daß Dr. J. keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ausgestellt habe.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im übrigen wird auf die Gerichtsakte, die zum Verfahren beigezogene Verwaltungsakte des Beklagten sowie auf die von Dr. Z. beigezogenen Krankenunterlagen der Klägerin, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Beklagten ist zulässig und begründet. Das erstinstanzliche Urteil des SG war nicht zu bestätigen, denn die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Anerkennung und Entschädigung einer Hauterkrankung als BK nach § 551 Abs. 1 Reichsversicherungsordnung (RVO).
BK’en sind nach § 551 Abs. 1 Satz 2 RVO die Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet. Die Bundesregierung wird ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Maße als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind. Nach der BKVO vom 20. Juni 1968 in der Fassung der Verordnung zur Änderung der BKVO vom 29. März 1988 (BGBl. I, S. 400) sowie vom 18. Dezember 1992 (BGBl. I, S. 2343) sind BK’en die in der Anlage 1 der Verordnung bezeichneten Krankheiten. Die Voraussetzungen einer BK sind erfüllt, wenn eine Krankheit in der BKVO als BK bezeichnet ist und durch eine versicherte Tätigkeit im Einzelfall verursacht oder wesentlich verschlimmert worden ist (BSGE 2, 178). Die Gefährdung durch die schädigenden Einwirkungen muß ursächlich auf die versicherte Tätigkeit zurückzuführen sein (haftungsbegründende Kausalität) und die Einwirkung muß die Krankheit verursacht haben (haftungsausfüllende Kausalität).
Ohne Zweifel steht fest, daß die Klägerin nicht an einer obstruktiven Atemwegserkrankung leidet, und zwar aufgrund der von Prof. Dr. S. durchgeführten Untersuchungen, deren Ergebnis von Prof. Dr. W. bestätigt wird. Demzufolge kann bei der Klägerin die Anerkennung und Entschädigung einer obstruktiven Atemwegserkrankung aus allergischer Ursache (BK-Nr. 4301) oder verursacht durch chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe (BK-Nr. 4302) nicht in Betracht kommen. Dies hat auch das SG festgestellt.
Bei der Klägerin liegen jedoch auch nicht die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen zur Anerkennung und Entschädigung einer BK nach Nr. 5101 der Anlage 1 zur BKVO vor. Bei dieser BK handelt es sich um eine schwere oder wiederholt rückfällige Hauterkrankung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen hat, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.
Unstreitig ist, daß die Klägerin bei Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit Expositionen von Reinigungsmitteln ausgesetzt war, die grundsätzlich geeignet sind, sowohl eine allergische als auch eine nicht allergische, d.h. toxische Hauterkrankung zu verursachen.
Mit Sicherheit ist auszuschließen, daß die Putzmitteldämpfe bei der Klägerin zu einer allergisch bedingten Hautschädigung geführt haben. Insoweit besteht zwischen den sowohl im Verwaltungsverfahren als auch im Gerichtsverfahren gehörten Sachverständigen Einigkeit. Sowohl die Hautärzte Dres. A. und S. als auch Prof. Dr. S. haben umfangreiche Allergietestungen bei der Klägerin durchgeführt. Dabei ergab sich kein Anhalt auf das Vorliegen einer spezifischen Sensibilisierung. Insbesondere konnte durch die von den Dres. A. und S. und Prof. Dr. S. durchgeführten Untersuchungen nicht nachgewiesen werden, daß bei der Klägerin eine Sensibilisierung gegenüber Formaldehyd, das in Desinfektionsmitteln vorhanden ist, vorliegt. Dieses Ergebnis wird auch bestätigt durch die von Prof. Dr. S. durchgeführten Untersuchungen. Auch dieser führte bei der Klägerin eine epikutane Testung durch, die Substanzen des sog. Desinfektions- und Konservierungsmittelblocks als auch des Parfümblockes enthielt. Die Haut der Klägerin blieb auch dabei ohne irgendwelche Reaktionen. Der Umstand, daß die Haut der Klägerin anläßlich der von Dr. J. im Januar 1987 durchgeführten Allergietestung eine positive Reaktion auf Formaldehyd zeigte, ist allein nicht geeignet, das Vorliegen einer allergischen Hauterkrankung zu belegen. Denn das Vorliegen einer manifesten Sensibilisierung gegenüber Formaldehyd hätte sich auch in den folgenden Testungen belegen lassen. Das Bestehen einer allergischen Hauterkrankung ist deshalb weder voll bewiesen noch wahrscheinlich. Das Bestehen einer derartigen Erkrankung ist sogar mit Sicherheit auszuschließen.
Ob die bei der Klägerin diagnostizierte Hauterkrankung auf den Kontakt mit hautreizenden, toxisch wirkenden Arbeitsmaterialien zurückzuführen ist, muß mit hinreichender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden. Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit ist gegeben, wenn nach der geltenden ärztlich-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen Zusammenhang spricht und ernsthafte Zweifel hinsichtlich einer anderen Verursachung ausscheiden.
Die von den Ärzten Dr. Z. und Dr. J. mitgeteilten Befunde sprechen nicht für, sondern gegen das Vorliegen einer beruflich verursachten oder mitverursachten Hauterkrankung. So wurde die Klägerin von ihrem Hausarzt Dr. Z. lediglich im Mai 1985 wegen eines juckenden Exanthems an beiden Händen behandelt. Gleichzeitig bestand jedoch auch ein makulöses Exanthem an der Stirn und über beiden Wangen. Im Februar 1986 stellte Dr. Z. lediglich ein leicht schuppendes Exanthem in beiden Kniekehlen fest. Dr. J. teilt mit, daß er bei der Klägerin während deren Berufstätigkeit keine Hauterkrankung diagnostiziert hat. Die Behandlung bei Dr. gegen Ende des Jahres 1987 erfolgte nicht – wie die Klägerin behauptet – wegen einer Hauterkrankung, sondern wegen der von ihr angegebenen Beschwerden im Bereich der Atmungsorgane. Das ergibt sich auch eindeutig aus dem Arztbrief des Dr. J. an Dr. Z. vom 25. November 1987. Diesem Schreiben ist zu entnehmen, daß Dr. Z. die Klägerin an Dr. J. wegen Beschwerden in Form einer Bronchitis und Empfindlichkeit der Schleimhäute überwiesen hat. Auch in den ärztlichen Unterlagen des Dr. Z. finden sich keine Hinweise darauf, daß die Klägerin von Dr. J. oder einem anderen Arzt wegen einer Hauterkrankung behandelt worden ist. Auch das Vorerkrankungsverzeichnis der Krankenkasse belegt, daß lediglich im Mai 1985 eine Hauterkrankung Ursache für Arbeitsunfähigkeitszeiten der Klägerin war. So ist in den Unterlagen der Krankenkasse unter dem 9. Mai 1985 eine "Kontaktdermatitis” als Ursache einer Arbeitsunfähigkeit registriert. Die ab 7. Januar 1988 bescheinigte Arbeitsunfähigkeit erfolgte aufgrund einer akuten Laryngitis.
Aufgrund dieser ärztlicherseits beschriebenen Untersuchungsbefunde ist das Bestehen eines kumulativ-toxischen Kontaktekzems an den Händen der Klägerin nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit belegt.
Die Klägerin leidet nachweislich auch unter ekzematösen Veränderungen im Bereich der Beine, insbesondere der Kniekehlen. Im Mai 1985 bestanden auch ekzematöse Veränderungen im Bereich der Stirn und Wangen. Diese Ekzemlokalisation kann nicht durch den Kontakt mit Reinigungs- und Desinfektionsmitteln verursacht worden sein. Frau Dr. B. weist in ihrer Stellungnahme vom 13. April 1994 darauf hin, daß ein kumulativ-toxisches Kontaktekzem nie zu Streuherden an sonstigen Körperpartien führt und nur durch direkten Kontakt mit dem Schadstoff entstehen kann. Wegen der bei der Klägerin bestehenden Ekzembildung an verschiedenen Körperstellen – insbesondere der Kniekehlen – sind auch die Dres. A. und S. zu der Schlußfolgerung gelangt, daß bei der Klägerin eine atopische Ekzemneigung besteht. Angesichts dieser bei der Klägerin bestehenden atopischen Ekzemneigung ist der ärztlicherseits einmalig während der beruflichen Tätigkeit der Klägerin erhobene Befund eines Handekzems – im Mai 1985 – nicht geeignet, das Vorliegen eines kumulativ-toxischen Kontaktekzems infolge von Reinigungs- und Desinfektionsmitteln mit der im Unfallversicherungsrecht erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit zu begründen.
Da folglich das Vorliegen einer beruflich bedingten Hauterkrankung nicht nachgewiesen ist, kann schon aufgrund des Fehlens dieser Voraussetzungen eine Hauterkrankung als BK bei der Klägerin nicht anerkannt werden. Deshalb war auf die Berufung des Beklagten das Urteil das Urteil des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG), die über die Nichtzulassung der Revision aus § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Anerkennung und Entschädigung einer Berufskrankheit (BK).
Die 1928 geborene Klägerin war ab dem 1. Januar 1975 bei dem X-Kreis für Reinigungsarbeiten in tätig. Seit dem 7. Januar 1988 war sie dort arbeitsunfähig und erhält ab diesem Zeitpunkt von der LVA Hessen eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit.
Unter dem 7. März 1988 erstattete die AOK des – Kreises eine Anzeige bei dem Beklagten und teilte mit, bei der Klägerin bestehe eine Allergie gegen Formalin, P-Phenyldiamin sowie gegen Putzmittel und eine akute Laryngitis.
Die Klägerin gab unter dem 17. Mai 1988 gegenüber dem Beklagten an, 1986 seien erstmals rissige Hände sowie ein ständiges Brennen der Arme aufgetreten. Anfang 1987 habe sie unter geröteten Augen, trockener Nase und einem Brennen im Hals und den Atemwegen gelitten. Solche Beschwerden habe sie auch in der Zeit vom 22. September bis 24. Oktober 1987 gehabt sowie vom 17. November bis 12. Dezember 1987 und ab dem 7. Januar 1988. Während dieser Zeiten sei sie auch arbeitsunfähig gewesen.
Auf Veranlassung der Beklagten erstatteten der Hausarzt der Klägerin, Dr. Z. und der Hautarzt der Klägerin, Dr. J., eine ärztliche Anzeige über eine BK. Dr. Z. gab an, die Klägerin leide unter Luftnot, Erschöpfung, Heiserkeit sowie Hauterscheinungen an den Armen. Vermutlich bestehe eine obstruktive Atemwegserkrankung durch chemisch-irritative Stoffe als BK. Dr. J. teilte mit, die Klägerin leide unter einer chronischen Bronchitis, die auf die Einwirkung starker Putzmitteldämpfe zurückzuführen sei. Es bestehe eine Allergie gegen Formalin, P-Phenylendiamin und eine Allergie auf Hausstaub. Von der AOK des -Kreises zog der Beklagte ein Vorerkrankungsverzeichnis der Klägerin bei. Der übersandte ein hals-nasen-ohren-ärztliches Gutachten des Prof. Dr. B., Städtische Kliniken , vom 28. Juni 1988 und ein nervenärztliches Gutachten des Prof. Dr. H. und des Oberarztes Dr. H., Städtische Kliniken , vom 20. Juni 1988.
Prof. Dr. B. teilte über die Untersuchung der Klägerin mit, diese habe angegeben, seit Anfang Januar 1988 wegen der Einwirkung von Reinigungsmitteln in der Behandlung des HNO-Arztes Dr. C. gestanden zu haben. Es habe zeitweise Atemnot bestanden und eine Heiserkeit mit belegter Stimme. Bei der Untersuchung hätten sich an den Schleimhäuten des HNO-Gebietes keine nennenswerten Veränderungen gefunden. Röntgenologisch bestünden keine Hinweise auf eine entzündliche Beteiligung der Nebenhöhlen. Eine bleibende Schleimhautschädigung liege nicht vor.
Prof. Dr. H. und Dr. H. gelangten zu dem Ergebnis, es bestünden bei der Klägerin keine Anhaltspunkte für eine durch die verwendeten Reinigungsmittel bzw. Desinfektionsmittel verursachte chronische oder akute Schädigung des zentralen oder peripheren Nervensystems.
Die Klägerin überreichte ein im Auftrag der Gewerkschaft ÖTV erstelltes hautärztliches Gutachten des Prof. Dr. S. Hautklinik der -Universität , vom 7. April 1989 zu den Akten. Diesem Gutachten ist zu entnehmen, daß Prof. Dr. S. die in der -Schule beschäftigten Reinemachefrauen gutachtlich untersucht hatte. In diesem Gutachten werden die untersuchten Personen nicht namentlich benannt. Bei der Patientin "B” soll es sich um die Klägerin gehandelt haben. Über den bei dieser Patientin erhobenen Befund wird mitgeteilt, es hätten noch Reste eines kumulativtoxischen Kontaktekzems bestanden. Zusätzlich falle eine ausgeprägte Schleimhautbeteiligung auf, möglicherweise durch Inhalation von Berufsstoffen.
Des weiteren gelangte zu den Akten ein Schreiben der Arbeitsgemeinschaft Umweltkontrolle e.V. in vom 30. Oktober 1988 über eine Begutachtung von Putzmittelproben aus der -Schule, die im Auftrag der ÖTV-Kreisverwaltung Bad erfolgte. Über das Ergebnis der Untersuchung wird mitgeteilt, daß etliche Proben der Putzmittel Formaldehyd von 1,2 % bzw. 1,86 und 2,01 % enthielten. Eine Probe enthielt chlorierte Kohlenwasserstoffverbindungen.
Der Landesgewerbearzt veranlaßte eine hautärztliche Begutachtung der Klägerin durch die Dres. und , Y-Stadt. In dem Gutachten vom 24. Juli 1989 wird über den Untersuchungsbefund mitgeteilt, dermatologisch sei die Klägerin zum Untersuchungszeitpunkt weitgehend frei von schwerwiegenden ekzematösen Hautveränderungen gewesen. Im Bereich beider Unterarme hätten sich eher angedeutete, dezente, ekzematöse Hautveränderungen mit angedeuteten dyshidrosiform-rhagadiformen Komponenten, insbesondere in den Fingerarealen gefunden. Beide Ellenbögen seien leicht squamös verändert, ohne deutliche Rötung. Die Ellenbeugen und Kniekehlen seien frei von ekzematösen Hautveränderungen. Im Bereich beider Unterarme sei eine deutliche Xerosis festzustellen, mit einzelnen Excoreationen, die auf Juckreiz hinwiesen. An den Händen bestehe eine deutliche Hyperhidrosis mannum. Ekzematöse krankhafte Hautveränderungen seien nicht nachweisbar. Weiter wird mitgeteilt, die Allergietestung habe keinen Anhalt auf das Vorliegen einer spezifischen Sensibilisierung ergeben. Es bestehe eine verminderte Alkaliresistenz und Verdacht auf konstitutionelle fraglich-atopische Ekzemneigung. Ferner bestünden unspezifische, möglicherweise irritative Inhalationsbeschwerden mit fraglicher bronchialer Hyperreagibilität. Die Gutachter diagnostizierten ein subtoxisch-kumulatives Kontaktekzem unter dem Bild eines dyshidrosiform-rhagadiformen Handekzems beidseits. Die Dermatologen gelangten zu dem Ergebnis, mit Sicherheit könne eine allergische Kontaktdermatitis ausgeschlossen werden. Es bestehe jedoch ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den vorliegenden dyshidrosiform-rhagadiformen Ekzemerruptionen im Bereich beider Hände und der ausgeübten beruflichen Tätigkeit als Reinigungsfrau. Es handele sich hierbei um ein subtoxisch-kumulatives Kontaktekzem bei konstitutioneller atopischer Ekzemneigung, worauf der von der Klägerin geschilderte ekzematöse Befall der Ellenbeugen und insbesondere der Kniekehlen hinweise. Es handele sich nicht um eine wiederholt rückfällige Hauterkrankung. Jedoch sei das Vorliegen einer schweren Hauterkrankung zu bejahen. Dies sei durch den langen ununterbrochenen Krankheitsverlauf dokumentiert. Denn die Klägerin sei wegen einer Erkrankung im Bereich der Handinnenflächen und wegen der parallel verlaufenden Schleimhautbeschwerden vom 17. Januar 1988 bis Oktober 1988 ununterbrochen arbeitsunfähig gewesen. Die Hauterkrankung im Bereich der Hände objektiviere jedoch nicht die Aufgabe der beruflichen Tätigkeit. Insoweit sei zu bedenken, daß die erforderlichen Schutzmaßnahmen, insbesondere das Tragen von Gummi- oder sonstigen Schutzhandschuhen nicht erfolgt sei. Bei entsprechender Instruktion sei es für die Klägerin relativ einfach gewesen, mit entsprechenden Schutzhandschuhen den hautschädigenden Kontakt mit kumulativ-toxisch wirkenden Putz- und Reinigungsmitteln zu umgehen.
Die Klägerin erhob am 12. Dezember 1989 beim Sozialgericht Kassel (SG) Untätigkeitsklage.
Der Beklagte veranlaßte auf Anraten des Landesgewerbearztes eine weitere internistisch-allergologische Begutachtung durch Prof. Dr. S. Institut für Arbeits- und Sozialmedizinische Allergiediagnostik in Bad. Dieser gelangte in seinem Gutachten vom 9. Mai 1990 zu dem Ergebnis, daß keiner der infrage stehenden Arbeitsstoffe, auch unter unrealistisch hohen Emissionskonzentrationen bei Auslösung extrapulmonaler Begleiterscheinungen, eine bronchoobstruktionsauslösende Wirkung gehabt habe. Die von der Klägerin in diesem Zusammenhang angegebenen Atembeschwerden seien durch die subtile Lungenfunktionsmeßmethoden nicht objektivierbar und hätten somit kein objektives Korrelat. Ausweislich der in dem provokationsfreien Intervall durchgeführten großen Lungenfunktionsprüfung, einschließlich der Spiroergometrie sowie der Ermittlung der statischen und dynamischen Lungenfunktionsparameter, Blutgasbestimmungen und Kontrolle der relevanten Herz-Kreislauf-Parameter, könne die körperliche Leistungsfähigkeit der Klägerin als befriedigend eingestuft werden. Die Klägerin leide an einer altersinvolutiven funktionellen Dysphonie in Einheit mit einer Rhinitis sicca anterior. Die Verdachtsdiagnose einer berufsbedingten Erkrankung habe sich nicht bestätigt.
Durch Bescheid vom 23. Oktober 1990 teilte der Beklagte der Klägerin mit, ein Anspruch auf Entschädigungsleistungen bestehe nicht, weil eine Berufskrankheit weder nach den Nrn. 4301, 4302 oder 5101 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKVO) vorliege.
Mit Schriftsatz vom 1. November 1990 hat sich die Klägerin gegen diesen Bescheid gewandt, dessen Aufhebung sowie Entschädigungsleistungen wegen BK’en begehrt.
Das SG hat auf Antrag der Klägerin von Prof. Dr. S. und Prof. Dr. W., Leiter des Instituts und der Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin am Klinikum der -Universität Sachverständigengutachten eingeholt.
In seinem Gutachten vom 16. Dezember 1991 hat Prof. Dr. S. über den Untersuchungsbefund mitgeteilt, bei der Klägerin bestehe ein indifferenter bzw. leicht sepostatischer Hauttyp mit altersüblicher allgemeiner Austrocknung der Haut. An den Fingerrücken, den Handgelenken und Handrücken mit Betonung der rechten Hand bestünden in den Gelenksfalten flache, nicht nässende, nicht übermäßig entzündete Rhagaden neben flächenhafter Rötung und feiner lamellärer Hautabschuppung. Die Nägel seien altersentsprechend unauffällig. Zur Anamnese hat die Klägerin dem Sachverständigen mitgeteilt, Hautveränderungen seien erstmals 1985 aufgetreten mit Juckreiz, Brennen der Hände, Unterarme, des Gesichtsbereiches, auch mit Einrissen, d.h. Rhagaden der Haut, besonders in den Finger- und Handgelenksfalten sowie mit flächenhaften roten Flecken. Zusätzlich hätten Atemnot, Husten und Kopfschmerzen bestanden. Die Beschwerden seien zunächst abhängig vom Kontakt zu den in der Schule verwendeten Reinigungsmitteln aufgetreten. Wegen der ständigen Befundverschlechterung habe sie sich bei ihrem Haus- und Hautarzt vorgestellt. Nunmehr leide sie insbesondere an einer extremen Austrocknung der Haut, besonders der Hände, mit schmerzhaften Hauteinrissen an Händen und Unterarmen. Jegliche Haus- und Gartenarbeit sei nur mit Gummihandschuhen durchführbar. Trotz regelmäßig durchgeführter Hautpflege sei die Austrocknung der Haut nicht zu bessern. Prof. Dr. S. gelangte zu dem Ergebnis, bei der Klägerin handele es sich um ein chronisches, kumulativ-toxisches Kontaktekzem ohne Anhalt für eine spezifische Sensibilisierung bei verminderter Alkaliresistenz als Indiz für die noch bestehende Schädigung des Hautschutzfilmes. Aus der Anamnese, der körperlichen Untersuchung sowie Hauttestung sei eine schwere und wiederholt rückfällige Hauterkrankung abzuleiten. Auch sei die Klägerin 1987 sowie 1988 mehrmals arbeitsunfähig gewesen. Die Hautkrankheit infolge des chronischen, toxischen Kontaktekzems sei mit einer MdE von 20 v.H. zu bewerten.
Prof. Dr. W. hat in seiner Stellungnahme vom 1. Dezember 1992 ausgeführt, die hautärztlichen Gutachten stimmten in der Diagnose der Hautkrankheit und der Zusammenhangsfrage im wesentlichen überein. Aus arbeitsmedizinischer Sicht sei die Argumentation in dem Gutachten der Dres. A. und S. nicht nachvollziehbar. Aus arbeitsmedizinischer Erfahrung erfordere das Spektrum der Tätigkeiten im Reinigungsdienst ein nahezu ganztägiges Tragen von Gummihandschuhen. Bei einer Vorschädigung durch ein chronisches, kumulativ-toxisches Handekzem sei das Tragen entsprechender Handschuhe mit einem hohen Risiko der Verschlimmerung behaftet, und zwar durch die Entstehung eines feuchten Milieus durch ungenügende Schweißabgabe sowie der Möglichkeit der Entwicklung einer Allergie gegen Gummiinhaltstoffe. Aus arbeitsmedizinischer Sicht sei deshalb die Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit im Reinigungsdienst retrospektiv durchaus begründet gewesen. Hinsichtlich der in Frage stehenden BK’en nach Nr. 4301 und 4302 der Anlage 1 zur BKVO stimme er der Beurteilung des Prof. Dr. S. zu. Wegen Fehlens einer Obstruktion könnten die von der Klägerin genannten Beschwerden nicht den betreffenden BK’en zugeordnet werden.
Das SG hat durch Urteil vom 28. September 1993 den Beklagten in Änderung des angefochtenen Bescheides vom 23. Oktober 1990 verurteilt, der Klägerin wegen der Folgen einer BK nach Nr. 5102 der Anlage 1 zur BKVO Rente nach einer MdE von 20 v.H. ab Eintritt des Versicherungsfalles zu zahlen. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat das SG gestützt auf die Auffassung der Professoren S. und W. die Voraussetzungen einer BK nach Nr. 5101 der Anlage 1 zur BKVO bejaht. Das Begehren der Klägerin nach Anerkennung und Entschädigung einer BK nach Nr. 4301 bzw. 4302 der Anlage 1 zur BKVO hat das SG für nicht begründet erachtet und darauf verwiesen, daß nach Auffassung aller gehörten Gutachter bei der Klägerin keine obstruktive Atemwegserkrankung vorliege.
Der Beklagte hat gegen dieses ihm am 11. Oktober 1993 zugestellte Urteil mit Schriftsatz vom 28. Oktober 1993, eingegangen am 1. November 1993, beim Hessischen Landessozialgericht Berufung eingelegt und geltend gemacht, bei der Klägerin liege weder eine wiederholt rückfällige noch eine schwere Hauterkrankung vor. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für das Vorliegen einer BK seien somit nicht erfüllt. Der Beklagte verwies zur weiteren Begründung auf das Ergebnis von ihm weiter angestellter Ermittlungen und gutachtliche Stellungnahmen der Hautärztin Dr. B. vom 23. November 1993 und 13. November 1994.
Ermittlungen des TAD zufolge betrug die tägliche Arbeitszeit der Klägerin an Unterrichtstagen vier Stunden fünf Minuten. Zu den Unterrichtstagen gehörte auch jeder erste und dritte Samstag im Monat. Die Klägerin war zuständig für die Säuberung von Fachräumen, sie hatte die Papierkörbe dort zu leeren, die Räume und Verkehrsbereiche zu fegen, Tische, Stühle, Fensterbänke feucht abzuwischen und den Fußboden feucht zu reinigen. Seit 1984 wurde eine Feuchtraumreinigung des Fußbodens jeden zweiten Tag durchgeführt. Außerdem war es ihre Aufgabe, die in ihren Bereich gelegenen Toiletten- und Waschräume täglich feucht zu reinigen. Ein Drittel der Tätigkeit entfiel auf trockene Arbeiten und Zweidrittel auf feuchte Arbeiten. Dreimal im Jahr wurde an fünf, vier bzw. acht Tagen am Ende der jeweiligen Ferien ein sog. Grundputz durchgeführt. Dabei wurden insbesondere die Fußböden einer Grundreinigung unterzogen, um aufgebaute Wachs- und Schutzschichten zu entfernen. Für die Reinigungsarbeiten oberhalb des Fußbodens war ein Allzweckreiniger vorgesehen. Der Grundreiniger wurde dreimal jährlich verwand. Reinigungsmittel für die Fußbodenreinigung war das Mittel R 1000. Zur Reinigung der Wasch- und Toilettenräume waren sowohl Reinigungs- als Desinfektionsmittel vorgesehen. Erst ab 1988 wurde auf die desinfizierende Reinigung verzichtet. Bis zu diesem Zeitpunkt wurden die Reinigungsmittel vom Hausmeister zugeteilt. Dieser füllte die Mittel aus den Originalgebinden in unbeschriftete Flaschen ab. Nachdem Klagen wegen gesundheitlicher Beeinträchtigungen durch die Reinigungskräfte laut geworden waren, wurde deutlich, daß dieses Verfahren Verwechslung und Überdosierungen verursacht haben könnte. Aufgrund der in den Sicherheitsdatenblättern angegebenen Farben ist eine Verwechslung des formaldehydhaltigen Desinfektionsreinigers mit dem Fußbodenreinigungsmittel nicht auszuschließen, da beide eine gelbliche Farbe hatten.
Der Senat zog von den die Klägerin behandelnden Ärzten Befund- und Behandlungsberichte bei sowie die über die Klägerin vorliegenden Krankenunterlagen. Dr. J. hat die ihm vorliegenden Unterlagen in Fotokopie übersandt und unter dem 15. November 1995 mitgeteilt, in der Zeit vom 2. Dezember 1986 bis 24. März 1987 sei die Klägerin bei ihm wegen entzündeter Naevuszell naevus in Behandlung gewesen. In der Zeit vom 1. Oktober 1987 bis 18. Dezember 1987 habe er eine Allergiediagnostik bei der Klägerin durchgeführt. Eine Hauterkrankung sei in dieser Zeit weder von ihm diagnostiziert noch behandelt worden. Bis zu diesem Zeitpunkt seien ekzematöse Hautveränderungen nicht vorhanden gewesen. Am 10. Februar 1995 habe er bei der Klägerin ein numuläres Unterarmekzem diagnostiziert. Es habe sich um ein lamellös schuppendes schwachgerötetes Ekzem im Bereich der Unterarme gehandelt. Dieses sei mit einer Hydrokortison-Antifungolrezeptur behandelt worden. Unterlagen über festgestellte Arbeitsunfähigkeitszeiten lägen nicht vor, es sei deshalb davon auszugehen, daß keine Arbeitsunfähigkeit attestiert worden sei.
Dr. Z. übersandte zwei Band Krankenakten der Klägerin und teilte unter dem 2. Januar 1996 mit, am 9. Mai 1985 sei die Klägerin von ihm wegen einem mittelgradig juckenden Exanthem an beiden Händen und im Gesicht behandelt worden. An der Stirn und über beiden Wangen habe ein makulöses nicht schuppendes Exanthem und an der Hand ein makuluparpulöses Exanthem bestanden. Am 20. Februar 1986 habe er ein makulöses, leicht schuppendes Exanthem an beiden Kniekehlen und am 5. März 1986 ein allergisches Ödem der Unterlippe festgestellt. Am 12. Oktober 1989 habe ein makuluparbulöses Exanthem an beiden Unterschenkeln und an beiden Händen bestanden. Die Klägerin sei von ihm in der Zeit vom 9. Mai bis 11. Mai 1985 wegen der Hauterkrankung krankgeschrieben worden.
Nach Auffassung des Beklagten belegen die Ermittlungen während des Berufungsverfahrens, daß bei der Klägerin weder eine schwere noch eine wiederholt rückfällige Hauterkrankung vorgelegen habe. Es habe auch kein Zwang bestanden, die Tätigkeit wegen der Hauterkrankung aufzugeben, da durchaus geeignete Schutzhandschuhe hätten getragen werden können. Die Naßarbeiten seien höchstens drei Stunden pro Tag angefallen. Die Angaben der die Klägerin behandelnden Ärzte rechtfertigten auch nicht eine MdE in Höhe von 20 v.H. wegen eines Kontaktekzems.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 28. September 1993 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, die Einwirkung von Reinigungsmitteln hätten bei ihr zu allergischen Erkrankungen geführt. Sie macht geltend, sie sei nach wie vor nicht beschwerdefrei. Obwohl sie seit 1988 nicht mehr als Reinigungskraft tätig sei, tauchten immer wieder Hautveränderungen auf. Es seien stets dieselben Symptome. Sie leide dann unter Kopfschmerzen, verbunden mit hohem Blutdruck, Jucken am ganzen Körper. Es bildeten sich äußerlich sichtbare Hautveränderungen an den Beinen, vor allem an den Kniekehlen, ebenfalls im Bereich der Unterarme. Die Intensität dieser Beschwerden sei zwar wechselhaft, eine vollständige Abheilung finde jedoch nicht statt. An den empfindlichsten Stellen habe sich ein regelrechter Schorf gebildet. Eine ähnliche Entwicklung sei am Hals festzustellen. Weiterhin macht die Klägerin geltend, die Aussage von Dr. J., er habe sie in der Zeit vom 1. Oktober bis 18. Dezember 1987 nicht wegen einer Hauterkrankung behandelt, stehe offensichtlich im Widerspruch zu dem von ihm am 17. März 1988 erstellten Allergiepaß. Im November 1987 sei sie wegen einer Hauterkrankung von dem Hausarzt an Dr. J. überwiesen worden. Dabei seien allergische Reaktionen festgestellt worden. Dies ergebe sich auch zweifelsfrei aus dem Arztbericht des Dr. J. an Dr. Z. vom 25. November 1987. Richtig sei, daß Dr. J. keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ausgestellt habe.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im übrigen wird auf die Gerichtsakte, die zum Verfahren beigezogene Verwaltungsakte des Beklagten sowie auf die von Dr. Z. beigezogenen Krankenunterlagen der Klägerin, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Beklagten ist zulässig und begründet. Das erstinstanzliche Urteil des SG war nicht zu bestätigen, denn die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Anerkennung und Entschädigung einer Hauterkrankung als BK nach § 551 Abs. 1 Reichsversicherungsordnung (RVO).
BK’en sind nach § 551 Abs. 1 Satz 2 RVO die Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet. Die Bundesregierung wird ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Maße als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind. Nach der BKVO vom 20. Juni 1968 in der Fassung der Verordnung zur Änderung der BKVO vom 29. März 1988 (BGBl. I, S. 400) sowie vom 18. Dezember 1992 (BGBl. I, S. 2343) sind BK’en die in der Anlage 1 der Verordnung bezeichneten Krankheiten. Die Voraussetzungen einer BK sind erfüllt, wenn eine Krankheit in der BKVO als BK bezeichnet ist und durch eine versicherte Tätigkeit im Einzelfall verursacht oder wesentlich verschlimmert worden ist (BSGE 2, 178). Die Gefährdung durch die schädigenden Einwirkungen muß ursächlich auf die versicherte Tätigkeit zurückzuführen sein (haftungsbegründende Kausalität) und die Einwirkung muß die Krankheit verursacht haben (haftungsausfüllende Kausalität).
Ohne Zweifel steht fest, daß die Klägerin nicht an einer obstruktiven Atemwegserkrankung leidet, und zwar aufgrund der von Prof. Dr. S. durchgeführten Untersuchungen, deren Ergebnis von Prof. Dr. W. bestätigt wird. Demzufolge kann bei der Klägerin die Anerkennung und Entschädigung einer obstruktiven Atemwegserkrankung aus allergischer Ursache (BK-Nr. 4301) oder verursacht durch chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe (BK-Nr. 4302) nicht in Betracht kommen. Dies hat auch das SG festgestellt.
Bei der Klägerin liegen jedoch auch nicht die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen zur Anerkennung und Entschädigung einer BK nach Nr. 5101 der Anlage 1 zur BKVO vor. Bei dieser BK handelt es sich um eine schwere oder wiederholt rückfällige Hauterkrankung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen hat, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.
Unstreitig ist, daß die Klägerin bei Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit Expositionen von Reinigungsmitteln ausgesetzt war, die grundsätzlich geeignet sind, sowohl eine allergische als auch eine nicht allergische, d.h. toxische Hauterkrankung zu verursachen.
Mit Sicherheit ist auszuschließen, daß die Putzmitteldämpfe bei der Klägerin zu einer allergisch bedingten Hautschädigung geführt haben. Insoweit besteht zwischen den sowohl im Verwaltungsverfahren als auch im Gerichtsverfahren gehörten Sachverständigen Einigkeit. Sowohl die Hautärzte Dres. A. und S. als auch Prof. Dr. S. haben umfangreiche Allergietestungen bei der Klägerin durchgeführt. Dabei ergab sich kein Anhalt auf das Vorliegen einer spezifischen Sensibilisierung. Insbesondere konnte durch die von den Dres. A. und S. und Prof. Dr. S. durchgeführten Untersuchungen nicht nachgewiesen werden, daß bei der Klägerin eine Sensibilisierung gegenüber Formaldehyd, das in Desinfektionsmitteln vorhanden ist, vorliegt. Dieses Ergebnis wird auch bestätigt durch die von Prof. Dr. S. durchgeführten Untersuchungen. Auch dieser führte bei der Klägerin eine epikutane Testung durch, die Substanzen des sog. Desinfektions- und Konservierungsmittelblocks als auch des Parfümblockes enthielt. Die Haut der Klägerin blieb auch dabei ohne irgendwelche Reaktionen. Der Umstand, daß die Haut der Klägerin anläßlich der von Dr. J. im Januar 1987 durchgeführten Allergietestung eine positive Reaktion auf Formaldehyd zeigte, ist allein nicht geeignet, das Vorliegen einer allergischen Hauterkrankung zu belegen. Denn das Vorliegen einer manifesten Sensibilisierung gegenüber Formaldehyd hätte sich auch in den folgenden Testungen belegen lassen. Das Bestehen einer allergischen Hauterkrankung ist deshalb weder voll bewiesen noch wahrscheinlich. Das Bestehen einer derartigen Erkrankung ist sogar mit Sicherheit auszuschließen.
Ob die bei der Klägerin diagnostizierte Hauterkrankung auf den Kontakt mit hautreizenden, toxisch wirkenden Arbeitsmaterialien zurückzuführen ist, muß mit hinreichender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden. Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit ist gegeben, wenn nach der geltenden ärztlich-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen Zusammenhang spricht und ernsthafte Zweifel hinsichtlich einer anderen Verursachung ausscheiden.
Die von den Ärzten Dr. Z. und Dr. J. mitgeteilten Befunde sprechen nicht für, sondern gegen das Vorliegen einer beruflich verursachten oder mitverursachten Hauterkrankung. So wurde die Klägerin von ihrem Hausarzt Dr. Z. lediglich im Mai 1985 wegen eines juckenden Exanthems an beiden Händen behandelt. Gleichzeitig bestand jedoch auch ein makulöses Exanthem an der Stirn und über beiden Wangen. Im Februar 1986 stellte Dr. Z. lediglich ein leicht schuppendes Exanthem in beiden Kniekehlen fest. Dr. J. teilt mit, daß er bei der Klägerin während deren Berufstätigkeit keine Hauterkrankung diagnostiziert hat. Die Behandlung bei Dr. gegen Ende des Jahres 1987 erfolgte nicht – wie die Klägerin behauptet – wegen einer Hauterkrankung, sondern wegen der von ihr angegebenen Beschwerden im Bereich der Atmungsorgane. Das ergibt sich auch eindeutig aus dem Arztbrief des Dr. J. an Dr. Z. vom 25. November 1987. Diesem Schreiben ist zu entnehmen, daß Dr. Z. die Klägerin an Dr. J. wegen Beschwerden in Form einer Bronchitis und Empfindlichkeit der Schleimhäute überwiesen hat. Auch in den ärztlichen Unterlagen des Dr. Z. finden sich keine Hinweise darauf, daß die Klägerin von Dr. J. oder einem anderen Arzt wegen einer Hauterkrankung behandelt worden ist. Auch das Vorerkrankungsverzeichnis der Krankenkasse belegt, daß lediglich im Mai 1985 eine Hauterkrankung Ursache für Arbeitsunfähigkeitszeiten der Klägerin war. So ist in den Unterlagen der Krankenkasse unter dem 9. Mai 1985 eine "Kontaktdermatitis” als Ursache einer Arbeitsunfähigkeit registriert. Die ab 7. Januar 1988 bescheinigte Arbeitsunfähigkeit erfolgte aufgrund einer akuten Laryngitis.
Aufgrund dieser ärztlicherseits beschriebenen Untersuchungsbefunde ist das Bestehen eines kumulativ-toxischen Kontaktekzems an den Händen der Klägerin nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit belegt.
Die Klägerin leidet nachweislich auch unter ekzematösen Veränderungen im Bereich der Beine, insbesondere der Kniekehlen. Im Mai 1985 bestanden auch ekzematöse Veränderungen im Bereich der Stirn und Wangen. Diese Ekzemlokalisation kann nicht durch den Kontakt mit Reinigungs- und Desinfektionsmitteln verursacht worden sein. Frau Dr. B. weist in ihrer Stellungnahme vom 13. April 1994 darauf hin, daß ein kumulativ-toxisches Kontaktekzem nie zu Streuherden an sonstigen Körperpartien führt und nur durch direkten Kontakt mit dem Schadstoff entstehen kann. Wegen der bei der Klägerin bestehenden Ekzembildung an verschiedenen Körperstellen – insbesondere der Kniekehlen – sind auch die Dres. A. und S. zu der Schlußfolgerung gelangt, daß bei der Klägerin eine atopische Ekzemneigung besteht. Angesichts dieser bei der Klägerin bestehenden atopischen Ekzemneigung ist der ärztlicherseits einmalig während der beruflichen Tätigkeit der Klägerin erhobene Befund eines Handekzems – im Mai 1985 – nicht geeignet, das Vorliegen eines kumulativ-toxischen Kontaktekzems infolge von Reinigungs- und Desinfektionsmitteln mit der im Unfallversicherungsrecht erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit zu begründen.
Da folglich das Vorliegen einer beruflich bedingten Hauterkrankung nicht nachgewiesen ist, kann schon aufgrund des Fehlens dieser Voraussetzungen eine Hauterkrankung als BK bei der Klägerin nicht anerkannt werden. Deshalb war auf die Berufung des Beklagten das Urteil das Urteil des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG), die über die Nichtzulassung der Revision aus § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG.
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