L 6 J 138/74

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 J 138/74
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 22. Januar 1974 insoweit aufgehoben, als die Beklagte über die Gewährung von Versichertenrente wegen Berufsunfähigkeit hinaus verurteilt worden ist.

II. Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen und die Klage abgewiesen.

III. Die Beklagte hat dem Kläger die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen Aufwendungen des gesamten Verfahrens zur Hälfte zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit über den 30. Juni 1972 hinaus.

Der 1926 geborene Kläger war von 1953 bis zum 1. Mai 1960 als Bergmann und Bauhilfsarbeiter versicherungspflichtig beschäftigt.

Am 31. Mai 1960 hat der Kläger die Gewährung von Versichertenrente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit unter Vorlage eines ärztlichen Befundberichts des praktischen Arztes Dr. H. vom 4. Mai 1960 bei der Beklagten beantragt. In dem Befundbericht heißt es u.a., daß der Kläger an einer Leberzirrhose leide.

Mit Bescheid vom 30. März 1961 gewährte die Beklagte dem Kläger Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit mit Wirkung ab 1. Mai 1960.

Nach Ablauf von 4 Jahren holte die Beklagte bei dem Facharzt für innere Medizin, Privatdozent Dr. W., Chefarzt der Medizinischen Klinik I am Stadtkrankenhaus K., ein innerfachärztliches Gutachten ein. In diesem am 8. Juli 1965 erstatteten Gutachten heißt es, die während der stationären Beobachtung des Klägers erhobenen Laboratoriumsbefunde zeigten weiterhin pathologisch veränderte Leberfunktionsproben. Die histologische Untersuchung des durch Punktion gewonnenen Leberzylinders zeige weiterhin eine Progredienz der Lebererkrankung des Klägers. Um eine günstige Beeinflussung der Lebererkrankung zu bewirken, solle sich der Kläger streng an die ärztlichen Therapievorschläge halten, weiterhin strenge Diät einhalten unter absoluter Alkoholabstinenz und solle ferner auch tagsüber vornehmlich im Bett liegen. Aufgrund der Erkrankung des Klägers erachtete Dr. W. ihm weiterhin für erwerbsunfähig.

Nach Ablauf von weiteren 5 Jahren holte die Beklagte in der Medizinischen Klinik Haus H. ein weiteres Gutachten über den Kläger ein. Nach stationärer Untersuchung in der Zeit vom 5. bis 12. August 1970 diagnostizierten die Fachärzte für innere Krankheiten Dres. N. und S. bei dem Kläger wiederum Leberzirrhose. Als ohne wesentlichen Einfluß auf seine Leistungsfähigkeit diagnostizierten sie ein lückenhaftes Gebiß sowie Verschleißerscheinungen der Wirbelsäule. Eine anschließende Beurteilung vermochten die Ärzte nicht abzugeben, sondern empfahlen die Durchführung einer Leberblindpunktion, ggf. auch einer Laparoskopie.

Im März 1972 veranlasste schließlich die Beklagte wiederum eine Nachuntersuchung des Klägers. In seinem am 18. März 1972 erstatteten Gutachten stellte Professor Dr. W. eine Besserung im Befinden des Klägers gegenüber der Begutachtung im Jahre 1965 fest. Aufgrund dieser Besserung erachteten Professor Dr. W. und Dr. K., der das Gutachten mit unterzeichnet hat, den Kläger für wieder in der Lage, mittelschwere Arbeiten unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig im Stehen, Gehen und Sitzen, im Freien in geschlossenen Räumen mit den üblichen Pausen zu verrichten. Schwere körperliche Arbeiten hielten sie dem Kläger jedoch für nicht mehr zumutbar. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, daß der Kläger die Möglichkeit haben sollte, regelmäßig Mahlzeiten einzunehmen.

Gestützt auf dieses Gutachten entzog die Beklagte durch Bescheid vom 12. Mai 1972 die dem Kläger zuerkannte Rente mit Ablauf des Monats Juni 1972. In diesem Bescheid heißt es u.a.:

"Nach dem von der Medizinischen Klinik des Stadtkrankenhauses in K. festgestellten und in dem Gutachten vom 18. März 1972 niedergelegten objektiven Befund ist in den für die Festsetzung der Rente maßgebend gewesenen Verhältnissen insofern eine Änderung eingetreten, als alle Laboruntersuchungen, insbesondere die Leberfunktionsproben normale Werte ergaben haben. Hiernach hat sich Ihr Leberleiden weitgehend gebessert, auch Ihr Allgemeinzustand ist als normal anzusehen.

Sie sind somit wieder in der Lage, bis mittelschwere Arbeiten im Stehen, Gehen und Sitzen, im Freien und in geschlossenen Räumen, vollschichtig zu verrichten, wobei die Möglichkeit gegeben sein sollte, die Mahlzeiten regelmäßig einzunehmen.”

Mit seiner Klage wandte sich der Kläger gegen diesen Bescheid und trug vor, im Stadtkrankenhaus K. habe eine gründliche Untersuchung nicht stattgefunden, so daß die Vertrauensbasis zu den Ärzten zerstört sei. Außerdem habe er keineswegs den Eindruck, daß sich sein Leberleiden gebessert habe, zumal auch noch eine chronische Gastritis sowie Zwölffingerdarmgeschwüre und Kreislaufstörungen seine Erwerbsfähigkeit beeinträchtigten. Er sehe sich daher nicht in der Lage, einer regelmäßigen Erwerbstätigkeit nachzugehen, zumal auch sein Gedächtnis und seine Konzentrationsfähigkeit erheblich nachgelassen hätten.

Demgegenüber beharrte die Beklagte auf ihrem Standpunkt, den sie aufgrund des während des Klageverfahrens eingeholten Gutachtens bestätigt sah.

Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines fachinternistischen Gutachtens von Amts wegen im Kreis- und Stadtkrankenhaus W ... In dem nach stationärer Untersuchung des Klägers von dem Facharzt für innere Krankheiten Obermedizinalrat Dr. D., Chefarzt der Inneren Abteilung des Kreis- und Stadtkrankenhauses W., und Oberarzt Dr. W., Facharzt für innere Krankheiten, am 3. September 1973 erstatteten Gutachten ist folgende Diagnose enthalten:

1) "Makroskopisch und labortechnisch weitgehend inaktive Leberzirrhose mit nur laparoskopisch nachweisbarer portaler Hypertension ohne Aszites und ohne Oesophagusvarizen mit leichter Polyglobulie und Gesamteiweißvermehrung,
2) erhebliche Spondylosis deformans der Brustwirbelsäule und Lendenwirbelsäure mit Osteochondrose der oberen Lendenwirbelsäule und entsprechenden Beschwerden.
3) Reizmagen.”

Aufgrund dieser Leiden erachteten die Sachverständigen den Kläger für in der Lage, seit dem 1. Juli 1972 ohne Unterbrechung und Schaden für die Restgesundheit leichte Arbeiten im Sitzen, im Stehen, in geschlossenen Räumen bei gutem Wetter auch im Freien wieder zu verrichten und zwar bis zu 6 Stunden Arbeit täglich, wobei Pausen zur Einnahme einer Leberschonkost vorhanden sein müssen. Die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel bezeichneten die Sachverständigen dem Kläger für zumutbar, desgleichen eine Wohnsitzverlegung, soweit dadurch keine Ernährung in Gasthäusern oder Werkskantinen, die keine Diät herstellen, bedingt ist. Abschließend sahen die Sachverständigen eine deutliche Besserung im Gesundheitszustand des Klägers im Vergleich zu demjenigen der letzten Jahre gegeben.

Durch Urteil vom 22. Januar 1974 hob das Sozialgericht den angefochtenen Bescheid auf und verurteilte die Beklagte, dem Kläger Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit über den 30. Juni 1972 hinaus zu zahlen. Zur Begründung heißt es u.a., das Auffinden eines geeigneten Arbeitsplatzes sei für den Kläger deshalb sehr erschwert, weil es in der Regel keine Kantinen gäbe, die Leberschonkost verabreichten. Außerdem stelle es eine weitere Einschränkung der Erwerbsfähigkeit des Klägers dar, daß er jahrelang aus dem Arbeitsprozeß ausgegliedert gewesen sei. Nach alledem sei er trotz des zum Stillstand gekommenen Leberleidens weiterhin nicht in der Lage, mehr als nur geringfügige Einkünfte durch Erwerbstätigkeit zu erzielen. Eine Änderung in den Verhältnissen gegenüber März 1961 sei bei der Betrachtung der gesundheitlichen Situation des Klägers insgesamt und deren Auswirkung auf seine Erwerbsfähigkeit daher nicht gegeben.

Gegen dieses der Beklagten gegen Empfangsbekenntnis am 6. Februar 1974 ausgestellte Urteil richtet sich ihre durch Schriftsatz vom 14. Februar 1974 – eingegangen beim Hessischen Landessozialgericht am 20. Februar 1974 – eingelegte Berufung.

Zur Begründung trägt die Beklagte vor, ihr Bescheid vom 12. Mai 1972 sei zu Recht ergangen, da die Voraussetzungen zum Entzug der Rente gem. § 1286 RVO erfüllt waren. Die weiterhin bei dem Kläger bestehenden und durch die Gutachten festgestellten gesundheitlichen Störungen schränkten zwar seine Erwerbsfähigkeit ein, erlaubten aber dennoch die Verrichtung leichter Arbeiten im Sitzen und im Stehen, in geschlossenen Räumen sowie bei günstiger Witterung auch im Freien bis zu 6 Stunden Arbeit täglich. Bei diesem Leistungsvermögen sei dem Kläger, der auf das allgemeine Arbeitsfeld zu verweisen sei, der Arbeitsmarkt nicht verschlossen, da über die rein zeitliche Einschränkung seiner Einsatzfähigkeit hinaus keine weiteren, erheblichen gesundheitlichen Einschränkungen vorlägen. Die Bedenken des Sozialgerichts, dem Kläger werde das Auffinden eines geeigneten Arbeitsplatzes wegen der Einhaltung einer Diätkost erschwert, könnten nicht geteilt werden. Wenn der Kläger diese Diätkost nicht in einer Kantine einnehmen könne, so sei es ihm ohne weiteres zuzumuten, die für ihn verträgliche Kost von zu Hause mitzubringen. Im übrigen sollte es dem erst 47-jährigen Kläger ohne weiteres möglich sein, sich wieder in einen Arbeitsprozeß einzugliedern.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 22. Januar 1974 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung beruft er sich im wesentlichen auf die nach seiner Auffassung zutreffenden Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils. Ergänzend trägt er vor, histologisch habe bei ihm kein Lebergewebe entnommen werden können.

Die Entnahme einer weiteren Probe im Rahmen der Biopsie sei Obermedizinalrat Dr. D. zu riskant gewesen.

Gegenüber diesem Vorbringen des Klägers trägt die Beklagte vor, alle Laboruntersuchungen sprächen für die Inaktivität des Leberleidens. Im übrigen beständen nach der letzten Untersuchung in W. auch keine Funktionseinschränkungen am Stütz- und Bewegungsapparat. Auffällig seien die von den Sachverständigen beschriebenen verschwielten Hände des Klägers, die eindeutig für eine anhaltende und mehr als leichte Arbeitsbelastung sprächen. Nach allen medizinischen Feststellungen sei der Kläger ohne Gefahr für seine Gesundheit wieder fähig, halb- bis untervollschichtig Arbeiten zu verrichten.

Der Aufforderung des Senats, die genauen Anschriften seiner behandelnden Ärzte mitzuteilen, ist der Kläger nicht nachgekommen. Ein ihm übersandtes Formular betreffend die Entbindung der Ärzte von ihrer Schweigepflicht hat er nicht zurückgesandt. Er begründete dies in der mündlichen Verhandlung vom 17. Oktober 1974 damit, die bisher eingeholten Gutachten reichten zur Beurteilung seines Gesundheitszustandes aus.

Eine bei der Betriebskrankenkasse der Firma W. & Co. eingeholte Auskunft ergab, daß der Kläger derzeit in keiner ärztlichen Behandlung steht.

Eine bei dem Arbeitsamt K. von Amts wegen eingeholte Auskunft ergab, daß ein offener Arbeitsmarkt im Sinne des Beschlusses des Großen Senats des BSG vom 11. Dezember 1969 für den Kläger im Bezirk K. nicht vorhanden ist.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den übrigen Akteninhalt, insbesondere auf den der beigezogenen Rentenakten und den der Akten des Versorgungsamts, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, denn sie ist form- und fristgerecht eingelegt und auch statthaft (vgl. §§ 143, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz –SGG–).

Sachlich ist die Berufung jedoch nur teilweise begründet.

Dem Kläger steht eine Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit über den 30. Juni 1972 hinaus nicht mehr zu. Nach § 1286 Abs. 1 Satz 3 Reichsversicherungsordnung (RVO) ist die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit in eine Rente wegen Berufsunfähigkeit nach § 1253 Abs. 1 umzuwandeln, wenn der Berechtigte infolge einer Änderung in seinen Verhältnissen nicht mehr erwerbsunfähig, aber noch berufsunfähig ist. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.

Seit spätestens Juni 1972 ist der Kläger wieder in der Lage, ohne Schaden für seine Restgesundheit bis zu 6 Stunden täglich leichte Arbeiten im Sitzen, im Stehen, in geschlossenen Räumen, bei gutem Wetter auch im Freien zu verrichten, wobei allerdings Pausen zur Einnahme einer Leberschonkost vorhanden sein müssen.

Dies bedeutet eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen des Klägers im Vergleich zu denjenigen, die in dem zur Rentengewährung führenden Gutachten festgestellt worden sind.

Der Senat folgt bei seiner Beurteilung dem im Klageverfahren vom Amts wegen eingeholten Gutachten der Fachärzte für innere Krankheiten Dres. D. und W ... In diesem ausführlich begründeten Gutachten unterstreichen die Sachverständigen, daß eine deutliche Besserung, im Gesundheitszustand des Klägers im Vergleich zu demjenigen der letzten Jahre festzustellen ist. Diese Beurteilung der Sachverständigen Dres. D. und W. steht auch in Einklang mit dem von der Beklagten bei Professor Dr. W. eingeholten Gutachten vom 18. März 1972. Auch der Kläger selbst stellt diese medizinischen Feststellungen nicht in Frage, was daran deutlich wird, daß er die ihn behandelnden Ärzte im Rahmen des anhängigen Rechtsstreits nicht von ihrer Schweigepflicht entbunden hat und er diese Haltung damit begründet, die bisher eingeholten Gutachten reichten zur Beurteilung seines Gesundheitszustandes aus.

Es ist mithin davon auszugehen, daß der Kläger über den 30. Juni 1972 hinaus keinen Anspruch auf Gewährung von Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit mehr hat, denn er ist wieder in der Lage, in gewisser Regelmäßigkeit einer Erwerbstätigkeit nachzugehen (§ 1247 Abs. 2 RVO). Selbst wenn dem Kläger der Arbeitsmarkt für eine Teilzeitbeschäftigung im Bereich seines Wohnortes praktisch verschlossen ist, so steht aber nicht zur Überzeugung des Senats fest, daß es in Kassel und näherer Umgebung keine Beschäftigungsmöglichkeiten gibt, bei denen der Kläger in gewisser Regelmäßigkeit mehr als geringfügige Einkünfte erzielen könnte. Die hier in Betracht kommenden Beschäftigungen können Aushilfs- oder Saisonarbeiten sein, ebenso Gelegenheitsarbeiten. Zwar werden derartige Arbeitsplätze kaum von Arbeitsämtern vermittelt, so daß die Einholung einer Auskunft bei der Arbeitsverwaltung insoweit keine zuverlässigen Ergebnisse erbringen könnte. Solche Beschäftigungsmöglichkeiten finden sich aber beispielsweise durch Vermittlung von Bekannten oder Aufgabe von Inseraten in örtlichen Zeitungen. Solange nicht feststeht, daß der Kläger auch bei Ausschöpfung der genannten Möglichkeiten keinen Erfolg bei seinen Bemühungen um einen solchen Arbeitsplatz haben konnte, ist nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast nicht erwiesen, daß er erwerbsunfähig im Sinne des § 1247 Abs. 2 RVO ist (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 23. März 1972, Az.: L-6/J-253/70). Dies gilt jedenfalls für Arbeitsplätze, die eine geregelte Halbtagsbeschäftigung im Sinne des § 1246 RVO nicht umfassen.

Der Kläger ist jedoch über den 30. Juni 1972 hinaus noch berufsunfähig.

Berufsunfähig ist ein Versicherter, dessen Erwerbsfähigkeit infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwächen seiner körperlichen oder geistigen Kräfte auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich und geistig gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken ist (§ 1246 Abs. 2 Satz 1 RVO). Diese Voraussetzungen sind bei dem nach seinem Berufsleben auf das allgemeine Arbeitsfeld zu verweisenden Kläger noch immer gegeben.

Zumindest im Bereich des Arbeitsamts K. sind keine dem Leistungsvermögen des Klägers entsprechenden Arbeitsplätze in ausreichender Anzahl vorhanden. Dies ergibt sich insbesondere aus der von dem Senat eingeholten Auskunft des Arbeitsamts K. vom 8. Juli 1974, wonach es Arbeitsplätze mit Teilzeitarbeiten für männliche Arbeitnehmer im dortigen Bereich nicht in nennenswertem Umfang gibt. Im übrigen ist die Situation des Arbeitsmarkts im Raum K. dem Senat aus einer Vielzahl gleichgelagerter Verfahren sowie aus der Kenntnis seiner ehrenamtlichen Richter hinreichend bekannt, so daß es insofern keiner weiteren Ermittlungen bedurfte. Der örtliche Arbeitsmarkt ist somit für den Kläger praktisch verschlossen.

Zu einem anderen Ergebnis führt auch nicht, daß nach den Beschlüssen des Großen Senats des Bundessozialgerichts vom 11. Dezember 1969 ein Versicherter, der noch mehr als halbschichtig tätig sein kann, sich grundsätzlich auf das Arbeitsfeld des gesamten Bundesgebietes verweisen lassen muß. In vorliegendem Fall ist nämlich zu berücksichtigen, daß der Kläger seit 1960, also seit mehr als 10 Jahren, nicht mehr im Arbeitsleben gestanden hat und außerdem für ihn nur ein solcher Arbeitsplatz in Betracht kommt, bei dem er die Möglichkeit zu Pausen für die Einnahme seiner Leberschonkost hat. Bei über die seitliche Einschränkung hinausgehenden weiteren Einschränkungen, was hier in besonderem Maße der Fall ist, kommt der Umzug an einen Ort, an dem der Arbeitsmarkt dem Kläger möglicherweise nicht verschlossen ist, nicht in Betracht. Auch tägliches oder Wochenendpendeln ist dem Kläger nicht zumutbar. In einem solchen Falle wäre nämlich die Einnahme der für ihn ärztlich vorgeschriebenen Diät entweder nicht möglich oder nur mit unverhältnismäßig hohen Kosten verbunden.

Dieser Auffassung des Senats steht nicht entgegen, daß der Kläger, wie bereits oben ausgeführt, nicht erwerbsunfähig ist. Die Arbeitsverwaltung ist allenfalls in der Lage, über das Vorhandensein von Halb- bis Untervollschichtarbeitsplätzen Auskunft zu geben. Mit dieser Auskunft kann indessen nur das Vorliegen von Berufsunfähigkeit beurteilt werden. Außerhalb dieses Rahmens verfügt die Arbeitsverwaltung nicht über den nötigen Informationsstand, um über das Vorhandensein von Arbeitsplätzen zuverlässige Auskünfte geben zu können, denn in aller Regel ist sie insoweit bei der Arbeitsvermittlung nicht eingeschaltet.

Nach alledem war das Urteil des Sozialgerichts Kassel insoweit aufzuheben, als die Beklagte über die Gewährung von Versichertenrente wegen Berufsunfähigkeit hinaus verurteilt worden ist. Im übrigen war die Berufung der Beklagten als unbegründet zurückzuweisen und die Klage abzuweisen soweit mit ihr Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit angestrebt worden ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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