Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 5 Ar 1338/92
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 Ar 634/95
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ein Leistungsbezieher, der bei Antragstellung das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen nachweisen muß (z.B. Arbeitslosigkeit), wird bei späterer Aufhebung der Bewilligung (§ 45 SGB 10) dadurch prozessual begünstigt, daß nunmehr die Bundesanstalt für Arbeit den Nachweis erbringen muß, daß keine Arbeitslosigkeit vorgelegen hat.
Verschweigt der Antragsteller bei Antragstellung gegenüber dem Arbeitsamt mindestens grobfahrlässig eine Tätigkeit als freier Pharmareferent sowie eines selbständigen Gewerbes, handelt es sich um eine unzulässige Rechtsausübung, wenn er nach erfolgter Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld weder die erforderlichen Unterlagen vorlegt, noch seine Einwilligung zur Einholung einer Auskunft bei dem Finanzamt erteilt und dadurch die vollständige Aufklärung des Sachverhalts vereitelt.
Auch im Verfahren der Amtsermittlung führt dies im Rahmen der Beweiswürdigung zur Beweiserleichterung.
Verschweigt der Antragsteller bei Antragstellung gegenüber dem Arbeitsamt mindestens grobfahrlässig eine Tätigkeit als freier Pharmareferent sowie eines selbständigen Gewerbes, handelt es sich um eine unzulässige Rechtsausübung, wenn er nach erfolgter Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld weder die erforderlichen Unterlagen vorlegt, noch seine Einwilligung zur Einholung einer Auskunft bei dem Finanzamt erteilt und dadurch die vollständige Aufklärung des Sachverhalts vereitelt.
Auch im Verfahren der Amtsermittlung führt dies im Rahmen der Beweiswürdigung zur Beweiserleichterung.
I. Auf die Berufung der Beklagten werden das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 10. Mai 1995 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Es geht um die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 13.Februar 1989 bis 30. September 1989 und die Rückforderung eines Betrages in Höhe von DM 16.711,20.
Der Kläger ist 1948 geboren und war zuletzt vor dem streitbefangenen Zeitraum als Pharmareferent fest angestellt. Das letzte Bruttogehalt betrug DM 4.870,– zuzüglich DM 52,– vermögenswirksame Leistung.
Am 16. Dezember 1988 meldete sich der Kläger bei der Beklagten arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Das Antragsformular unterschrieb der Kläger am 18. Januar 1989. Die Fragen nach einer selbständigen Tätigkeit, Hilfe bei einem Familienangehörigen oder einer Nebenbeschäftigung waren vom Kläger verneint worden.
Mit Bescheid vom 28. Februar 1989 stellte die Beklagte das Bestehen einer Sperrzeit (6 Wochen) vom 1. Januar bis 11. Februar 1989 fest.
Mit Bescheid vom 14. März 1989 bewilligte die Beklagte Arbeitslosengeld ab 13. Februar 1989 für 312 Tage mit einem wöchentlichen Leistungssatz von DM 506,40 (Bemessungsentgelt DM 1140,–, Leistungsgruppe C, 1 Kind). Mit Bescheid vom 9. August 1989 wurde ein Betrag in Höhe von DM 43,50 wöchentlich abgezweigt für die Zeit ab 26. Juli 1989.
Mit Vertrag vom 1. Dezember 1988 verpflichtete sich der Kläger gegenüber der für die Zeit ab 1. Januar 1989 als freier Mitarbeiter (Pharmareferent) mit der Verpflichtung von durchschnittlich 150 Arztbesuchen monatlich (max. 10 am Tag), in Göttingen sowie in den Landkreisen Göttingen, Osterode und Northeim, durchzuführen. Pro Besuch war eine Vergütung von DM 30,– + Mehrwertsteuer, im Landkreis Northeim von DM 32,– + Mehrwertsteuer, vereinbart.
Im Januar 1989 nahm der Kläger an einer 10-tägigen Schulung teil (Ausfallhonorar DM 2.000,–). Für Februar berechnete der Kläger 87 Besuche á 30,– DM sowie 16 Besuche á 32,– DM und einen halben Tag Ausfallhonorar (28.02.89), im März 36 Besuche ä 30,– DM und 19 Besuche á 32,– DM, im April 65 Besuche á 30,– DM und 61 Besuche á 32,– DM, im Mai 96 Besuche á 30,– DM, im Juni 38 Besuche á 30,– DM und 33 Besuche á 32,– DM, sowie einen halben Tag Ausfallhonorar, im Juli nur 2 Tage Ausfallhonorar, im August 90 Besuche á 30,– DM, im September 30 Besuche á 30,– DM und 5 Besuche á 32,– DM, sowie einen halben Tag Ausfallhonorar.
Für die Zeit ab 1. Oktober 1989 meldete sich der Kläger in Arbeit ab.
Der Kläger übte zusätzlich ein selbständiges Gewerbe " ” aus, das nach Ermittlungen des Arbeitsamtes Kassel seit 1987 bei der Gemeinde angemeldet war; nach Angaben des Klägers datiert die Gewerbeanmeldung an einem anderen Ort bereits seit 1974.
Nach der Einnahme/Überschußrechnung aus der Tätigkeit als Pharmareferent und seines Gewerbes erzielte der Kläger lediglich im April 1989 einen Überschuß (DM 532,57), sonst zum Teil hohe Verluste.
Aus Bl. 2 des vom Kläger vorgelegten Teil-Einkommenssteuer-Bescheides 1989 (Identität nicht nachprüfbar) sind als Einkünfte Ehemann aus Gewerbebetrieb – 24.470,– DM sowie Einkünfte aus nicht selbständiger Arbeit (Ehemann) + DM 18.949,– festgestellt.
Ausweislich eines Aktenvermerkes des Arbeitsamtes Kassel vom 28. März 1990 war durch eine anonyme Anzeige vom 18. Juli 1989 der Hinweis auf ein selbständiges Gewerbe des Klägers erfolgt. Am 29. Dezember 1989 wurde der Kläger von zwei Beschäftigten des Arbeitsamtes Kassel in seiner Wohnung aufgesucht und zur Klärung des Sachverhaltes aufgefordert. Am 7. März 1990 erfolgte eine richterlich angeordnete Wohnungsdurchsuchung. Auf Anfrage teilte mit Schreiben vom 6. April 1990 und vom 7. September 1990 mit, daß der zeitliche Rahmen eines Besuches von der Anfahrtsdauer abhänge, die reine Zeit für ein Arztgespräch 5 Minuten selten übersteige. Die Besuchsberichte seien nach Abrechnung vernichtet worden. Das Vertragsverhältnis sei gelöst worden, da der Kläger den vorgesehenen Besuchsschnitt nicht erreicht habe.
Mit Bescheid vom 26. November 1990 hob die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit ab 13. Februar 1989 auf und forderte einen Betrag in Höhe von DM 16.711,20 zurück. In der Begründung hat die Beklagte ausgeführt, der Kläger habe aus einer kurzzeitigen Beschäftigung (wöchentlich weniger als 18 Stunden) Nebeneinkommen erzielt, das in voller Höhe anzurechnen sei.
Hiergegen richtet sich der Widerspruch vom 3. Januar 1991.
Mit Widerspruchsbescheid vom 2. November 1992 hat die Beklagte den Widerspruch zurückgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, der Kläger sei im streitbefangenen Zeitraum nicht arbeitslos gewesen, da er die Kurzzeitigkeitsgrenze von weniger als 18 Stunden wöchentlich überschritten habe. Die vom Kläger behauptete Zeit von 16 Stunden pro Woche reiche für die vom Kläger ausgeübten Tätigkeiten des Einkaufs und Verkaufs von Computern und Computerzubehör, Besuche der Arztpraxen, die hierfür erforderlichen Fahrten und die Bewirtung von Geschäftspartnern nicht aus. Es komme hinzu, daß der Kläger bezüglich des zeitlichen Umfangs seiner Tätigkeiten nie konkrete Angaben habe machen können oder wollen. Vertrauensschutz des Klägers nach § 45 SGB X liege nicht vor, da er weder die Gewerbe-Anmeldung noch seine Tätigkeit bei , angegeben habe. Aus den Beratungsvermerken ergebe sich lediglich ein Hinweis auf die evtl. Absicht, sich selbständig zu machen. Die Nichtbeachtung des Merkblattes für Arbeitslose gehe zu Lasten des Klägers. Der rechtswidrige Verwaltungsakt habe ausschließlich auf Angaben und unterlassenen Mitteilungen des Klägers beruht, so daß im Rahmen der Ermessensausübung der Verwaltungsakt ab Beginn zurückzunehmen sei.
Das gegen den Kläger wegen Verdacht des Betruges eröffnete Strafverfahren wurde vom Amtsgericht Kassel (Schöffengericht) mit Beschluss vom 4. November 1992 gem. § 153 Abs. 2 StPO eingestellt ( ).
Gegen den am 4. November 1992 abgesandten Widerspruchsbescheid der Beklagten hat der Kläger mit am 8. Dezember 1992 bei Gericht zugegangenem Schreiben vom 5. Dezember 1992 (Poststempel 6. Dezember 1992) Klage erhoben. Der Kläger hat im wesentlichen vorgetragen, daß er nachweislich innerhalb der Grenzen der Kurzzeitigkeit geblieben sei. Der Kläger hat hierzu eine Besuchsstatistik mit der Zahl der Besuche und der hierfür benötigten Stunden vorgelegt. (Auf Nachfrage im Erörterungstermin am 6. März 1996 hat der Kläger angegeben, daß er die zugrunde liegenden Unterlagen – Strichliste der Besuche und Aufzeichnung von Abfahrts- und Ankunftszeit – nicht mehr habe). Er hat vorgetragen, daß er seine Tätigkeit als Pharmareferent in der Regel vormittags ausgeübt habe. Die Arbeitszeiten seien unterschiedlich gewesen. Mittags sei er in der Regel wieder zu Hause gewesen. Die Post sei üblicherweise gegen 13.30 Uhr gekommen. Er habe jedenfalls täglich seine Post in Empfang genommen. Für den Monat April 1989 hat der Kläger anerkannt, DM 126,79 zu viel Arbeitslosengeld erhalten zu haben und hat insoweit seine Klage zurückgenommen.
Mit Urteil vom 10. Mai 1995 hat das Sozialgericht Kassel die angefochtenen Bescheide aufgehoben, soweit der Kläger die Klage nicht zurückgenommen hat. In der Begründung hat es ausgeführt, der Kläger sei in der streitbefangenen Zeit arbeitslos gewesen, da die selbständige Tätigkeit des Klägers kurzzeitig gewesen sei. Der Kläger habe pro Monat max. 126 Arztbesuche durchgeführt, entsprechend 30 Besuche pro Woche. Bei höchstens 10 Minuten pro Besuch (Angabe des Klägers) ergebe dies 5 Stunden, zuzüglich max. 3 Stunden tägliche Fahrtzeit bei 4 Arbeitstagen pro Woche, zusammen max. 17 Stunden pro Woche. Da Vor- und Nacharbeiten praktisch nicht angefallen seien und der Computerhandel einen unwesentlichen Umfang gehabt habe, könne nicht davon ausgegangen werden, daß der Kläger mindestens 18 Stunden wöchentlich tätig gewesen sei. Der Kläger sei verfügbar gewesen, da es sich um keine planvoll gestaltete Tätigkeit i.S. der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Verfügbarkeit von Studenten und Teilnehmern an beruflichen Bildungsmaßnahmen gehandelt habe. Der Kläger sei auch während der üblichen Zeit des Eingangs der Briefpost erreichbar gewesen, da er zu dieser Zeit in der Regel zu Hause gewesen sei (nach den glaubhaften Angaben des Klägers). Eine Anrechnung von Nebeneinkommen habe lediglich im April 1989 zu erfolgen, und zwar in der Höhe, in der der Kläger die Klage zurückgenommen habe.
Gegen das ihr am 22. Mai 1995 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 21. Juni 1995 Berufung eingelegt.
Die Beklagte trägt vor, der vom Sozialgericht zugrunde gelegte Zeitaufwand von max. 10 Minuten sei nicht realistisch. Es dürfe nicht auf die reine Gesprächszeit abgestellt werden. Zu berücksichtigen seien auch die Wartezeiten (durch die starke Inanspruchnahme des Arztes durch die Patienten) und die Fahrtzeiten in die Bereiche Göttingen, Osterode und Northeim. Ferner sei der Zeitaufwand für Vor- und Nacharbeit und der Computerhandel zu berücksichtigen. Ohne vorherige Terminsabsprache mit den Ärzten sei es immer wieder zu erfolglosen Besuchen gekommen; auch die hierfür aufgewandte Zeit sei zu berücksichtigen. Es entstehe der Eindruck, daß der Kläger versuche, durch mangelnde Mitwirkung die Aufklärung des Sachverhaltes zu erschweren. Es sei schwer vorstellbar, daß ein freiberuflich Tätiger keinerlei Unterlagen, wie z.B. Fahrtenbuch, Aufstellung der Kfz-Kosten, Terminkalender, Liste der besuchten Kunden u.s.w. geführt haben wolle. Auch die Weigerung des Klägers, seine Einwilligung zur Beiziehung der Steuerunterlagen bzw. zur Befragung des Finanzamtes zu erteilen, deute darauf hin, daß aus diesen Unterlagen Tatsachen hervorgingen, die im Gegensatz zu den bisherigen Einlassungen des Klägers stünden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 10. Mai 1995 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger trägt vor, er habe den Aussagen und Stellungnahmen aus der ersten Instanz nichts hinzuzufügen. Alle das Verfahren betreffenden Unterlagen hätten dem Arbeitsamt und dem Sozialgericht Kassel vorgelegen. Darüber hinausgehende Unterlagen seien nicht vorhanden. Er erteile keine Einwilligung zur Beiziehung der Steuerunterlagen bzw. zur Befragung des Finanzamtes, da seine Frau keine Einwilligung erteile und der streitbefangene Zeitraum nicht mit dem Jahreszeitraum der Steuerveranlagung übereinstimme. Die mit gerichtlichem Schreiben vom 8. August 1995 verlangten Unterlagen habe er nicht mehr bzw. hätten nie existiert, wie z.B. Fahrtenbuch, Aufstellung der Kfz-Kosten, Terminkalender, Liste der besuchten Ärzte in 1989, Abrechnung des geleasten Kfz nach Kilometern. Die Entfernungen zu den Besuchsorten hätten jeweils von Körle aus betragen:
Northeim = 85 km 44 Minuten 112 km/h Osterode = 108 km 70 Minuten 92 km/h Göttingen = 63 km 30 Minuten 117 km/h.
Das Arbeitsamt unterstelle, daß Wartezeiten bei den Ärzten aufgetreten seien und, ein Arztbesuch immer über 10 Minuten gedauert habe. Woher nehme das Arbeitsamt die Grundlage für diese Behauptung?
Der Berichterstatter hat den Kläger im Erörterungstermin am 6. März 1996 und der Senat im Termin am 16. Oktober 1996 eingehend befragt. Wegen des Ergebnisses der Befragung wird auf den Inhalt des Protokolls hingewiesen.
Der Senat hat eine Auskunft bei vom 20. März 1996 eingeholt und den Vertrag, sowie die Strafakte beigezogen.
Der erkennende Senat hat den Zeugen im Termin am 16. Oktober 1996 angehört. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des Protokolls Bezug genommen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Gerichtsakten ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt, § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Berufung ist auch zulässig. Die Berufung ist auch in vollem Umfang begründet.
Das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 10. Mai 1995 ist rechtsfehlerhaft und war deshalb aufzuheben. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 26. November 1990 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. November 1992 ist zu Recht ergangen.
Die Beklagte hat zutreffend die von Beginn an rechtswidrige Bewilligung von Arbeitslosengeld (Bescheid vom 14. März 1989) nach § 45 SGB X mit den angefochtenen Bescheiden mangels Vertrauensschutzes wieder aufgehoben und die zu Unrecht erbrachten Leistungen zurückgefordert, § 50 Abs. 1 SGB X.
Nach § 45 Abs. 1 SGB X darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht begründet hat, rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Abs. 2 bis 4 ganz, oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.
Abs. 2: Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit
1)
2) der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat,
Der Kläger hatte ab Beginn des Leistungszeitraumes (13. Februar 1989) keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld, da es bereits an dem Vorliegen von Arbeitslosigkeit fehlte, §§ 100 Abs. 1, 101 Abs. 1, 102 Arbeitsförderungsgesetz (AFG). Arbeitslosigkeit liegt dann nicht vor, wenn der Arbeitnehmer eine mehr als kurzzeitige Beschäftigung ausübt bzw. die Kurzzeitigkeitsgrenze als Selbständiger überschreitet. Nach § 102 Abs. 1 AFG ist kurzzeitig eine Beschäftigung, die auf weniger als 18 Stunden wöchentlich der Natur der Sache nach beschränkt zu sein pflegt oder im voraus durch einen Arbeitsvertrag beschränkt ist. Eine Beschäftigung ist entsprechend § 102 Abs. 2 Nr. 1 AFG (i.d.F. des Gesetzes zur Änderung des AFG vom 20. Dezember 1988 – BGBl. I 2343) nicht kurzzeitig, soweit die wöchentliche Arbeitszeit zusammen mit der für die Ausübung erforderlichen Vor- und Nacharbeit die Arbeitskraft des Beschäftigten in der Regel mindestens 18 Stunden wöchentlich in Anspruch nimmt. Der vom Kläger mit abgeschlossene Vertrag als freier Pharmareferent war weder vertraglich noch der Natur der Sache nach auf eine kurzzeitige Tätigkeit beschränkt. Zur Überzeugung des erkennenden Senats steht fest, daß der Kläger in der streitbefangenen Zeit auch tatsächlich mehr als kurzzeitig tätig war durch seine Tätigkeit als freier Pharmareferent und seiner selbständigen Tätigkeit im Rahmen seines Gewerbes " ”. Zwar reichen die vom Kläger gemachten Angaben sowie die vorhandenen Unterlagen nicht vollständig zum Nachweis aus, daß der Kläger tatsächlich wöchentlich mindestens 18 Stunden als Pharmareferent und Selbständiger gearbeitet hat, jedoch zieht der erkennende Senat die fehlenden Schlußfolgerungen im Rahmen der Beweiswürdigung aus dem Verhalten des Klägers und wertet dieses als Beweisvereitelung mit der Folge der Beweiserleichterung (nicht ganz korrekt als Umkehrung der Beweislast bezeichnet, vgl. Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, 53. Auflage, Anhang § 286, RdNr. 27, vgl. Urteil des BSG vom 29.4.1976 – 12/3 RK 66/75 = BSGE 41, S. 297, vom 17.12.1985 – 12 RK 30/83 = BSGE 59, S. 235 und vom 9.2.1993 – 12 RK 69/72). Der Senat ist zunächst von der eigenen Aufstellung des Klägers vom 5. Dezember 1992 (Bl. 5 ff. GA) ausgegangen, wonach der Kläger in der streitbefangenen Zeit maximal 17 Stunden pro Woche für die Arztbesuche aufgewendet hat. Die zugrundeliegenden Unterlagen, insbesondere die Aufzeichnungen über Abfahrtszeit und Rückkunft, hat der Kläger nicht vorgelegt und behauptet, diese nicht mehr zu besitzen. Diese Aufstellung widerspricht zunächst der vertraglichen Vereinbarung insoweit, als der Kläger an 10 Tagen jeweils mehr als 10 Besuche angibt. Laut Anlage zum Vertrag vom 1. Dezember 1988 waren maximal 10 Besuche pro Tag genehmigt und der Zeuge hat hierzu angegeben, daß zusätzliche Besuche an einem Tag nicht honoriert wurden. Es ist also davon auszugehen, daß der Kläger maximal 10 Besuche am Tag gemacht hat, um die entsprechenden Nachteile bei der Abrechnung (Nichthonorierung) zu vermeiden. Damit besteht die Möglichkeit, daß der Kläger an weiteren Tagen, die er nicht angegeben hat, Arztbesuche gemacht hat. Soweit der Kläger angegeben hat, er sei nur in äußersten Notfällen auch nach Osterode und Northeim gefahren und habe fast ausschließlich im Bereich Göttingen und Umkreis von 50 km gearbeitet, widersprechen dem die Abrechnungen, die in erheblichem Umfang auch die höherbewerteten Besuche im Landkreis Northeim enthielten. Die vom Gericht angestrebte weitere Ermittlung hinsichtlich der insgesamt vom Kläger beruflich in der streitbefangenen Zeit gefahrenen Kilometer hat der Kläger vereitelt. Zwar kann ihm nicht widerlegt werden, daß er keinerlei Aufzeichnungen insoweit mehr habe, aber die Befragung des Finanzamtes hätte er zulassen müssen, aus der sich hinsichtlich der Arbeitstage, der gefahrenen Kilometer und evtl. der längeren Abwesenheit von Zuhause zusätzliche Aufschlüsse hätten ergeben können. Es brauchte dabei nicht untersucht zu werden, ob die Weigerung hinsichtlich der Beiziehung der Steuerunterlagen berechtigt war, da die Weigerung des Klägers der Einholung von Auskünften zuzustimmen jedenfalls schon deshalb nicht berechtigt war und als Beweisvereitelung anzusehen ist, da der Kläger über keine entsprechenden Unterlagen mehr zu verfügen behauptet, die weitere Ermittlung sich aufdrängte, davon unmittelbar die Frage der Rechtswidrigkeit der Bewilligung von Arbeitslosengeld abhing und der Kläger sowohl die Tätigkeit als Pharmareferent als auch den Betrieb eines eigenen Gewerbes bei der Antragstellung auf Arbeitslosengeld wahrheitswidrig und mindestens grob fahrlässig verschwiegen und damit der Beklagten die Möglichkeit von aktuellen Überprüfungen vor der Leistunsbewilligung genommen hatte.
Es kommt hinzu, daß das Gericht dem Kläger nicht geglaubt hat, daß er in seinem Gewerbe " ” nur in unwesentlichem Umfang mitgewirkt habe und hauptsächlich seine Frau in diesem Bereich tätig geworden sei. Allein der Name des Gewerbes deutet darauf hin, daß eine Verbindung zum medizinischen Bereich bestehen sollte, in dem der Kläger langjährig tätig war. Dies wird auch bestätigt durch die Angaben des Klägers und seiner Ehefrau, daß es um die Entwicklung bzw. um den (geplanten) Vertrieb von "Arztprogrammen” gegangen sei. Die Ausbildung des Klägers in Rundfunk- und Fernsehtechnik und die von ihm angegebene kontinuierliche Weiterbildung im Bereich Datentechnik sprechen ebenso für ein stärkeres Engagement des Klägers wie die Tatsache, daß er bereits für Oktober 1989 zugegeben hat, Ärzte zu einer entsprechenden Fortbildungsveranstaltung eingeladen zu haben, was ohne vorhergehende Befassung mit diesem Bereich kaum möglich gewesen sein dürfte. Auch die sich aus der Einnahme/Überschuß-Rechnung ergebenden und steuerlich geltend gemacht Kosten (siehe Strafakten), wie z.B. die relativ hohen Telefonkosten (Februar 1989 = DM 339,42, März 1989 = DM 554,91, April 1989 = DM 465,28, Mai 1989 = DM 404,68, Juni 1989 = DM 382,57, Juli 1989 = DM 455,98, August 1989 = DM 407,15 und September 1989 = DM 426,04 – bei einem jährlichen Eigenanteil von lediglich DM 360,–) zeigen, daß im Bereich des selbständigen Gewerbes doch ein wesentlich größerer (auch zeitlicher) Aufwand betrieben wurde, als der Kläger und seine Ehefrau zugeben wollten. Soweit der Kläger angegeben hat, daß er im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Pharmareferent keine Telefonate zu führen gehabt hätte, würde dieser (auch, zeitliche) Aufwand zu Lasten seiner selbständigen Tätigkeit "Medizin-Elektronic” gehen. Die Ehefrau des Klägers sieht die hohen Telefonkosten im wesentlichen durch den Kläger verursacht. Nicht folgen konnte der Senat jedoch ihrer Erklärung, daß dies im größeren Umfang im Zusammenhang mit Bewerbungen um mögliche Beschäftigungen des Klägers gestanden habe, denn dies wären sicherlich keine absetzbaren Kosten des Gewerbes gewesen. Auch insoweit hätte es einer Nachfrage bei dem Finanzamt bedurft.
Nach der eigenen Aufstellung hat der Kläger in der 22. Woche 1989 29 Stunden für die Arztbesuche benötigt. Damit steht die fehlende Arbeitslosigkeit in dieser Woche außer Frage. Soweit lediglich eine Stunde wöchentlicher Arbeit des Klägers für das Gewerbe eingesetzt wird, würden nach der eigenen Aufstellung des Klägers vom 5. Dezember 1992 weitere 9 Wochen der streitbefangenen Zeit mit 18 Stunden aus der Kurzzeitigkeit herausfallen, da der Kläger selbst in diesen 9 Wochen seinen Aufwand für die Arztbesuche mit 17 Stunden angegeben hat. Bei einem wöchentlichen Aufwand von 2 Stunden für die wären bereits insgesamt 17 Wochen, bei 3 Stunden 24 Wochen (von insgesamt 29 Wochen sowie 4 Wochen ohne Arztbesuche im Juli 1989) betroffen.
Es fehlte für die streitbefangene Zeit auch an der Verfügbarkeit des Klägers. Nach § 103 Abs. 1 AFG steht der Arbeitsvermittlung zur Verfügung, wer
1) eine zumutbare, nach § 168 die Beitragspflicht begründende Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes ausüben kann und darf,
2) bereit ist, - jede zumutbare Beschäftigung anzunehmen, die er ausüben kann und darf, sowie
3) an zumutbaren Maßnahmen zur beruflichen Ausbildung, Fortbildung und Umschulung sowie zur beruflichen Rehabilitation teilzunehmen, sowie - das Arbeitsamt täglich aufsuchen kann und für das Arbeitsamt erreichbar ist.
Soweit der Kläger in der streitbefangenen Zeit an 79 Tagen Arztbesuche durchgeführt hat (eigene Aufstellung vom 5. Dezember 1992), sowie im Juli 1989 an 2 Tagen an einer Tagung in Heidelberg teilgenommen hat, war der Kläger an diesen Tagen nicht verfügbar, da er sich der Vermittlungstätigkeit des Arbeitsamtes nicht aktuell zur Verfügung gehalten hat und – bei der erforderlichen nachträglichen Betrachtung – gehindert war, ohne Verzug eine ihm zumutbare Ganztagstätigkeit aufzunehmen (vgl. Urteil des BSG vom 29.11.1989 – 7 RAr 8/89 = SozR 4100 § 103 Nr. 46). Dabei ist von den Angaben des Klägers sowie des Zeugen auszugehen, daß die Tätigkeit eines Pharmareferenten im wesentlichen vormittags ab 7.30 Uhr, gelegentlich auch früher, stattfindet. Durch die planmäßige Tätigkeit eines freiberuflichen Pharmareferenten war der Kläger gehindert, eine ihm zumutbare Ganztagstätigkeit auszuüben. Da das Arbeitslosengeld nachträglich gezahlt wird, liefe eine andere Betrachtungsweise darauf hinaus, daß dem Kläger Arbeitslosengeld gezahlt werden müßte, obwohl zu diesem Zeitpunkt bereits feststeht, daß der Kläger an den betreffenden Tagen mit Arztbesuchen tatsächlich nicht imstande war, daneben eine Beschäftigung auszuüben (vgl. Urteil des BSG vom 29.9.1987 – 7 RAr 15/86 = SozR 4100 § 103 Nr. 39). Dabei erstreckt sich die fehlende Verfügbarkeit aus diesem Grund nicht nur auf die Tage, an denen der Kläger beruflich unterwegs war, sondern auf den gesamten streitbefangenen Zeitraum. Bei unregelmäßigen beruflichen Einsätzen, bei denen nicht von vornherein die Tage feststehen, an denen gearbeitet wird, kann auch eine Vermittlungstätigkeit des Arbeitsamtes nicht auf bestimmte Tage gelegt werden (vgl. Urteil des BSG vom 3.3.1993 – 11 RAr 43/91 = SozR 3 4100 § 103 Nr. 9).
Der Kläger war außerdem zumindest an den Tagen, an denen er 8 Stunden oder mehr als Pharmareferent unterwegs war (das waren nach seinen eigenen Angaben vom 5.12.1992 insgesamt 18 Tage zuzüglich 2 Tage im Juli 1989 für eine Tagung in Heidelberg) nicht erreichbar. Nach § 1 der Aufenthalts-Anordnung vom 3.10.1979 muß das Arbeitsamt den Arbeitslosen während der üblichen Zeit des Eingangs der Briefpost unter seiner maßgeblichen Anschrift erreichen können. Dies bedeutet körperliche Anwesenheit zu der fraglichen Zeit. Späteres Leeren des Briefkastens oder Kenntnisnahme von der Post genügt nicht, auch wenn es noch am selben Tag geschieht. Dabei geht der erkennende Senat von den Angaben des Klägers am 10. Mai 1995 vor dem Sozialgericht aus, daß die Briefpost üblicherweise um 13.30 Uhr kam. Bei sinnvoller Besuchszeit der Ärzte am Vormittag ab 7.30 Uhr, oder manchmal auch früher (laut Zeuge und Angabe des Klägers) geht der Senat davon aus – auch unter Berücksichtigung der Fahrtzeiten –, daß die Abfahrt des Klägers nicht vor 6.00 Uhr erfolgt sein kann, so daß eine Rückkehr bei mindestens 8-stündiger Abwesenheit erst nach dem Eingang der Briefpost erfolgt ist (vgl. Urteil des BSG vom 9.9.1995 – 11 RAr 45/95). Bei einem Wechsel von Tagen mit Abwesenheit mit solchen der Anwesenheit, ohne daß vorausschauend bestimmte Tage der Abwesenheit für das Arbeitsamt bekannt waren, wurde das Vermittlungsgeschäft des Arbeitsamtes so erheblich beeinträchtigt, daß auch aus diesem Grund von durchgehend fehlender Verfügbarkeit des Klägers auszugehen ist (vgl. Urteil des 11. Senats des BSG vom 3.3.1993 s.o.). Dabei kommt erschwerend hinzu, daß die Angaben des Klägers mangels entsprechender Mitarbeit sich auch in diesem Bereich von Amts wegen nicht weiter überprüfen ließen, obwohl weiterer Aufklärungsbedarf bestanden hätte, z.B. über die tatsächlichen Abfahrtszeiten und Rückkehrzeiten mit der Folge, daß bei späterem Beginn und sich daraus ergebender späterer Rückkehr weitere Tage der Abwesenheit zum Zeitpunkt des üblichen Posteingangs festgestanden hätten. Auch insoweit sieht der erkennende Senat die Auswirkung der Beweisvereitelung durch den Kläger mit der Folge der Beweiserleichterung.
Soweit nach der Honorarabrechnung des Klägers im Juli 1989 keine Arztbesuche gemacht wurde, sondern lediglich 2 Tage Teilnahme an einer Tagung in Heidelberg anstanden, hatte der Kläger auch insoweit keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld, ohne daß es einer Nachforschung bedurfte, ob der Kläger evtl. in dieser Zeit in Urlaub war. Da der Kläger die Beschäftigungen der Beklagten nicht mitgeteilt hat, hätte es für eine leistungserhebliche Unterbrechung der Tätigkeiten mit der Folge eines neuen Anspruchs auf Arbeitslosengeld einer neuen Arbeitslosmeldung bei der Beklagten bedurft, § 100 Abs. 1 AFG (vgl. Urt. des BSG vom 14.12.1995 – 11 RAr 75/95 = NZS 1996, S. 346).
Der Kläger kann sich auch nicht auf Vertrauen berufen, da er mindestens grob fahrlässig keine Angaben über seinen Vertrag als freier Pharmareferent mit sowie das Betreiben seines Gewerbes " ” gemacht hat. Das in § 45 Abs. 1 SGB X vorgesehene Ermessen der Beklagten war unter Berücksichtigung der Bösgläubigkeit des Klägers auf Null rezduziert, so daß es einer Überprüfung der in den angefochtenen Bescheiden enthaltenen Ermessensgründen nicht bedurfte (vgl. Urteil des BSG vom 25.1.1994 – 4 RA 16/92).
Nach § 50 Abs. 1 SGB X sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit der bewilligende Verwaltungsakt aufgehoben worden ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision ist vom Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen worden, § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Es geht um die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 13.Februar 1989 bis 30. September 1989 und die Rückforderung eines Betrages in Höhe von DM 16.711,20.
Der Kläger ist 1948 geboren und war zuletzt vor dem streitbefangenen Zeitraum als Pharmareferent fest angestellt. Das letzte Bruttogehalt betrug DM 4.870,– zuzüglich DM 52,– vermögenswirksame Leistung.
Am 16. Dezember 1988 meldete sich der Kläger bei der Beklagten arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Das Antragsformular unterschrieb der Kläger am 18. Januar 1989. Die Fragen nach einer selbständigen Tätigkeit, Hilfe bei einem Familienangehörigen oder einer Nebenbeschäftigung waren vom Kläger verneint worden.
Mit Bescheid vom 28. Februar 1989 stellte die Beklagte das Bestehen einer Sperrzeit (6 Wochen) vom 1. Januar bis 11. Februar 1989 fest.
Mit Bescheid vom 14. März 1989 bewilligte die Beklagte Arbeitslosengeld ab 13. Februar 1989 für 312 Tage mit einem wöchentlichen Leistungssatz von DM 506,40 (Bemessungsentgelt DM 1140,–, Leistungsgruppe C, 1 Kind). Mit Bescheid vom 9. August 1989 wurde ein Betrag in Höhe von DM 43,50 wöchentlich abgezweigt für die Zeit ab 26. Juli 1989.
Mit Vertrag vom 1. Dezember 1988 verpflichtete sich der Kläger gegenüber der für die Zeit ab 1. Januar 1989 als freier Mitarbeiter (Pharmareferent) mit der Verpflichtung von durchschnittlich 150 Arztbesuchen monatlich (max. 10 am Tag), in Göttingen sowie in den Landkreisen Göttingen, Osterode und Northeim, durchzuführen. Pro Besuch war eine Vergütung von DM 30,– + Mehrwertsteuer, im Landkreis Northeim von DM 32,– + Mehrwertsteuer, vereinbart.
Im Januar 1989 nahm der Kläger an einer 10-tägigen Schulung teil (Ausfallhonorar DM 2.000,–). Für Februar berechnete der Kläger 87 Besuche á 30,– DM sowie 16 Besuche á 32,– DM und einen halben Tag Ausfallhonorar (28.02.89), im März 36 Besuche ä 30,– DM und 19 Besuche á 32,– DM, im April 65 Besuche á 30,– DM und 61 Besuche á 32,– DM, im Mai 96 Besuche á 30,– DM, im Juni 38 Besuche á 30,– DM und 33 Besuche á 32,– DM, sowie einen halben Tag Ausfallhonorar, im Juli nur 2 Tage Ausfallhonorar, im August 90 Besuche á 30,– DM, im September 30 Besuche á 30,– DM und 5 Besuche á 32,– DM, sowie einen halben Tag Ausfallhonorar.
Für die Zeit ab 1. Oktober 1989 meldete sich der Kläger in Arbeit ab.
Der Kläger übte zusätzlich ein selbständiges Gewerbe " ” aus, das nach Ermittlungen des Arbeitsamtes Kassel seit 1987 bei der Gemeinde angemeldet war; nach Angaben des Klägers datiert die Gewerbeanmeldung an einem anderen Ort bereits seit 1974.
Nach der Einnahme/Überschußrechnung aus der Tätigkeit als Pharmareferent und seines Gewerbes erzielte der Kläger lediglich im April 1989 einen Überschuß (DM 532,57), sonst zum Teil hohe Verluste.
Aus Bl. 2 des vom Kläger vorgelegten Teil-Einkommenssteuer-Bescheides 1989 (Identität nicht nachprüfbar) sind als Einkünfte Ehemann aus Gewerbebetrieb – 24.470,– DM sowie Einkünfte aus nicht selbständiger Arbeit (Ehemann) + DM 18.949,– festgestellt.
Ausweislich eines Aktenvermerkes des Arbeitsamtes Kassel vom 28. März 1990 war durch eine anonyme Anzeige vom 18. Juli 1989 der Hinweis auf ein selbständiges Gewerbe des Klägers erfolgt. Am 29. Dezember 1989 wurde der Kläger von zwei Beschäftigten des Arbeitsamtes Kassel in seiner Wohnung aufgesucht und zur Klärung des Sachverhaltes aufgefordert. Am 7. März 1990 erfolgte eine richterlich angeordnete Wohnungsdurchsuchung. Auf Anfrage teilte mit Schreiben vom 6. April 1990 und vom 7. September 1990 mit, daß der zeitliche Rahmen eines Besuches von der Anfahrtsdauer abhänge, die reine Zeit für ein Arztgespräch 5 Minuten selten übersteige. Die Besuchsberichte seien nach Abrechnung vernichtet worden. Das Vertragsverhältnis sei gelöst worden, da der Kläger den vorgesehenen Besuchsschnitt nicht erreicht habe.
Mit Bescheid vom 26. November 1990 hob die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit ab 13. Februar 1989 auf und forderte einen Betrag in Höhe von DM 16.711,20 zurück. In der Begründung hat die Beklagte ausgeführt, der Kläger habe aus einer kurzzeitigen Beschäftigung (wöchentlich weniger als 18 Stunden) Nebeneinkommen erzielt, das in voller Höhe anzurechnen sei.
Hiergegen richtet sich der Widerspruch vom 3. Januar 1991.
Mit Widerspruchsbescheid vom 2. November 1992 hat die Beklagte den Widerspruch zurückgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, der Kläger sei im streitbefangenen Zeitraum nicht arbeitslos gewesen, da er die Kurzzeitigkeitsgrenze von weniger als 18 Stunden wöchentlich überschritten habe. Die vom Kläger behauptete Zeit von 16 Stunden pro Woche reiche für die vom Kläger ausgeübten Tätigkeiten des Einkaufs und Verkaufs von Computern und Computerzubehör, Besuche der Arztpraxen, die hierfür erforderlichen Fahrten und die Bewirtung von Geschäftspartnern nicht aus. Es komme hinzu, daß der Kläger bezüglich des zeitlichen Umfangs seiner Tätigkeiten nie konkrete Angaben habe machen können oder wollen. Vertrauensschutz des Klägers nach § 45 SGB X liege nicht vor, da er weder die Gewerbe-Anmeldung noch seine Tätigkeit bei , angegeben habe. Aus den Beratungsvermerken ergebe sich lediglich ein Hinweis auf die evtl. Absicht, sich selbständig zu machen. Die Nichtbeachtung des Merkblattes für Arbeitslose gehe zu Lasten des Klägers. Der rechtswidrige Verwaltungsakt habe ausschließlich auf Angaben und unterlassenen Mitteilungen des Klägers beruht, so daß im Rahmen der Ermessensausübung der Verwaltungsakt ab Beginn zurückzunehmen sei.
Das gegen den Kläger wegen Verdacht des Betruges eröffnete Strafverfahren wurde vom Amtsgericht Kassel (Schöffengericht) mit Beschluss vom 4. November 1992 gem. § 153 Abs. 2 StPO eingestellt ( ).
Gegen den am 4. November 1992 abgesandten Widerspruchsbescheid der Beklagten hat der Kläger mit am 8. Dezember 1992 bei Gericht zugegangenem Schreiben vom 5. Dezember 1992 (Poststempel 6. Dezember 1992) Klage erhoben. Der Kläger hat im wesentlichen vorgetragen, daß er nachweislich innerhalb der Grenzen der Kurzzeitigkeit geblieben sei. Der Kläger hat hierzu eine Besuchsstatistik mit der Zahl der Besuche und der hierfür benötigten Stunden vorgelegt. (Auf Nachfrage im Erörterungstermin am 6. März 1996 hat der Kläger angegeben, daß er die zugrunde liegenden Unterlagen – Strichliste der Besuche und Aufzeichnung von Abfahrts- und Ankunftszeit – nicht mehr habe). Er hat vorgetragen, daß er seine Tätigkeit als Pharmareferent in der Regel vormittags ausgeübt habe. Die Arbeitszeiten seien unterschiedlich gewesen. Mittags sei er in der Regel wieder zu Hause gewesen. Die Post sei üblicherweise gegen 13.30 Uhr gekommen. Er habe jedenfalls täglich seine Post in Empfang genommen. Für den Monat April 1989 hat der Kläger anerkannt, DM 126,79 zu viel Arbeitslosengeld erhalten zu haben und hat insoweit seine Klage zurückgenommen.
Mit Urteil vom 10. Mai 1995 hat das Sozialgericht Kassel die angefochtenen Bescheide aufgehoben, soweit der Kläger die Klage nicht zurückgenommen hat. In der Begründung hat es ausgeführt, der Kläger sei in der streitbefangenen Zeit arbeitslos gewesen, da die selbständige Tätigkeit des Klägers kurzzeitig gewesen sei. Der Kläger habe pro Monat max. 126 Arztbesuche durchgeführt, entsprechend 30 Besuche pro Woche. Bei höchstens 10 Minuten pro Besuch (Angabe des Klägers) ergebe dies 5 Stunden, zuzüglich max. 3 Stunden tägliche Fahrtzeit bei 4 Arbeitstagen pro Woche, zusammen max. 17 Stunden pro Woche. Da Vor- und Nacharbeiten praktisch nicht angefallen seien und der Computerhandel einen unwesentlichen Umfang gehabt habe, könne nicht davon ausgegangen werden, daß der Kläger mindestens 18 Stunden wöchentlich tätig gewesen sei. Der Kläger sei verfügbar gewesen, da es sich um keine planvoll gestaltete Tätigkeit i.S. der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Verfügbarkeit von Studenten und Teilnehmern an beruflichen Bildungsmaßnahmen gehandelt habe. Der Kläger sei auch während der üblichen Zeit des Eingangs der Briefpost erreichbar gewesen, da er zu dieser Zeit in der Regel zu Hause gewesen sei (nach den glaubhaften Angaben des Klägers). Eine Anrechnung von Nebeneinkommen habe lediglich im April 1989 zu erfolgen, und zwar in der Höhe, in der der Kläger die Klage zurückgenommen habe.
Gegen das ihr am 22. Mai 1995 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 21. Juni 1995 Berufung eingelegt.
Die Beklagte trägt vor, der vom Sozialgericht zugrunde gelegte Zeitaufwand von max. 10 Minuten sei nicht realistisch. Es dürfe nicht auf die reine Gesprächszeit abgestellt werden. Zu berücksichtigen seien auch die Wartezeiten (durch die starke Inanspruchnahme des Arztes durch die Patienten) und die Fahrtzeiten in die Bereiche Göttingen, Osterode und Northeim. Ferner sei der Zeitaufwand für Vor- und Nacharbeit und der Computerhandel zu berücksichtigen. Ohne vorherige Terminsabsprache mit den Ärzten sei es immer wieder zu erfolglosen Besuchen gekommen; auch die hierfür aufgewandte Zeit sei zu berücksichtigen. Es entstehe der Eindruck, daß der Kläger versuche, durch mangelnde Mitwirkung die Aufklärung des Sachverhaltes zu erschweren. Es sei schwer vorstellbar, daß ein freiberuflich Tätiger keinerlei Unterlagen, wie z.B. Fahrtenbuch, Aufstellung der Kfz-Kosten, Terminkalender, Liste der besuchten Kunden u.s.w. geführt haben wolle. Auch die Weigerung des Klägers, seine Einwilligung zur Beiziehung der Steuerunterlagen bzw. zur Befragung des Finanzamtes zu erteilen, deute darauf hin, daß aus diesen Unterlagen Tatsachen hervorgingen, die im Gegensatz zu den bisherigen Einlassungen des Klägers stünden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 10. Mai 1995 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger trägt vor, er habe den Aussagen und Stellungnahmen aus der ersten Instanz nichts hinzuzufügen. Alle das Verfahren betreffenden Unterlagen hätten dem Arbeitsamt und dem Sozialgericht Kassel vorgelegen. Darüber hinausgehende Unterlagen seien nicht vorhanden. Er erteile keine Einwilligung zur Beiziehung der Steuerunterlagen bzw. zur Befragung des Finanzamtes, da seine Frau keine Einwilligung erteile und der streitbefangene Zeitraum nicht mit dem Jahreszeitraum der Steuerveranlagung übereinstimme. Die mit gerichtlichem Schreiben vom 8. August 1995 verlangten Unterlagen habe er nicht mehr bzw. hätten nie existiert, wie z.B. Fahrtenbuch, Aufstellung der Kfz-Kosten, Terminkalender, Liste der besuchten Ärzte in 1989, Abrechnung des geleasten Kfz nach Kilometern. Die Entfernungen zu den Besuchsorten hätten jeweils von Körle aus betragen:
Northeim = 85 km 44 Minuten 112 km/h Osterode = 108 km 70 Minuten 92 km/h Göttingen = 63 km 30 Minuten 117 km/h.
Das Arbeitsamt unterstelle, daß Wartezeiten bei den Ärzten aufgetreten seien und, ein Arztbesuch immer über 10 Minuten gedauert habe. Woher nehme das Arbeitsamt die Grundlage für diese Behauptung?
Der Berichterstatter hat den Kläger im Erörterungstermin am 6. März 1996 und der Senat im Termin am 16. Oktober 1996 eingehend befragt. Wegen des Ergebnisses der Befragung wird auf den Inhalt des Protokolls hingewiesen.
Der Senat hat eine Auskunft bei vom 20. März 1996 eingeholt und den Vertrag, sowie die Strafakte beigezogen.
Der erkennende Senat hat den Zeugen im Termin am 16. Oktober 1996 angehört. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des Protokolls Bezug genommen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Gerichtsakten ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt, § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Berufung ist auch zulässig. Die Berufung ist auch in vollem Umfang begründet.
Das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 10. Mai 1995 ist rechtsfehlerhaft und war deshalb aufzuheben. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 26. November 1990 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. November 1992 ist zu Recht ergangen.
Die Beklagte hat zutreffend die von Beginn an rechtswidrige Bewilligung von Arbeitslosengeld (Bescheid vom 14. März 1989) nach § 45 SGB X mit den angefochtenen Bescheiden mangels Vertrauensschutzes wieder aufgehoben und die zu Unrecht erbrachten Leistungen zurückgefordert, § 50 Abs. 1 SGB X.
Nach § 45 Abs. 1 SGB X darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht begründet hat, rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Abs. 2 bis 4 ganz, oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.
Abs. 2: Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit
1)
2) der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat,
Der Kläger hatte ab Beginn des Leistungszeitraumes (13. Februar 1989) keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld, da es bereits an dem Vorliegen von Arbeitslosigkeit fehlte, §§ 100 Abs. 1, 101 Abs. 1, 102 Arbeitsförderungsgesetz (AFG). Arbeitslosigkeit liegt dann nicht vor, wenn der Arbeitnehmer eine mehr als kurzzeitige Beschäftigung ausübt bzw. die Kurzzeitigkeitsgrenze als Selbständiger überschreitet. Nach § 102 Abs. 1 AFG ist kurzzeitig eine Beschäftigung, die auf weniger als 18 Stunden wöchentlich der Natur der Sache nach beschränkt zu sein pflegt oder im voraus durch einen Arbeitsvertrag beschränkt ist. Eine Beschäftigung ist entsprechend § 102 Abs. 2 Nr. 1 AFG (i.d.F. des Gesetzes zur Änderung des AFG vom 20. Dezember 1988 – BGBl. I 2343) nicht kurzzeitig, soweit die wöchentliche Arbeitszeit zusammen mit der für die Ausübung erforderlichen Vor- und Nacharbeit die Arbeitskraft des Beschäftigten in der Regel mindestens 18 Stunden wöchentlich in Anspruch nimmt. Der vom Kläger mit abgeschlossene Vertrag als freier Pharmareferent war weder vertraglich noch der Natur der Sache nach auf eine kurzzeitige Tätigkeit beschränkt. Zur Überzeugung des erkennenden Senats steht fest, daß der Kläger in der streitbefangenen Zeit auch tatsächlich mehr als kurzzeitig tätig war durch seine Tätigkeit als freier Pharmareferent und seiner selbständigen Tätigkeit im Rahmen seines Gewerbes " ”. Zwar reichen die vom Kläger gemachten Angaben sowie die vorhandenen Unterlagen nicht vollständig zum Nachweis aus, daß der Kläger tatsächlich wöchentlich mindestens 18 Stunden als Pharmareferent und Selbständiger gearbeitet hat, jedoch zieht der erkennende Senat die fehlenden Schlußfolgerungen im Rahmen der Beweiswürdigung aus dem Verhalten des Klägers und wertet dieses als Beweisvereitelung mit der Folge der Beweiserleichterung (nicht ganz korrekt als Umkehrung der Beweislast bezeichnet, vgl. Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, 53. Auflage, Anhang § 286, RdNr. 27, vgl. Urteil des BSG vom 29.4.1976 – 12/3 RK 66/75 = BSGE 41, S. 297, vom 17.12.1985 – 12 RK 30/83 = BSGE 59, S. 235 und vom 9.2.1993 – 12 RK 69/72). Der Senat ist zunächst von der eigenen Aufstellung des Klägers vom 5. Dezember 1992 (Bl. 5 ff. GA) ausgegangen, wonach der Kläger in der streitbefangenen Zeit maximal 17 Stunden pro Woche für die Arztbesuche aufgewendet hat. Die zugrundeliegenden Unterlagen, insbesondere die Aufzeichnungen über Abfahrtszeit und Rückkunft, hat der Kläger nicht vorgelegt und behauptet, diese nicht mehr zu besitzen. Diese Aufstellung widerspricht zunächst der vertraglichen Vereinbarung insoweit, als der Kläger an 10 Tagen jeweils mehr als 10 Besuche angibt. Laut Anlage zum Vertrag vom 1. Dezember 1988 waren maximal 10 Besuche pro Tag genehmigt und der Zeuge hat hierzu angegeben, daß zusätzliche Besuche an einem Tag nicht honoriert wurden. Es ist also davon auszugehen, daß der Kläger maximal 10 Besuche am Tag gemacht hat, um die entsprechenden Nachteile bei der Abrechnung (Nichthonorierung) zu vermeiden. Damit besteht die Möglichkeit, daß der Kläger an weiteren Tagen, die er nicht angegeben hat, Arztbesuche gemacht hat. Soweit der Kläger angegeben hat, er sei nur in äußersten Notfällen auch nach Osterode und Northeim gefahren und habe fast ausschließlich im Bereich Göttingen und Umkreis von 50 km gearbeitet, widersprechen dem die Abrechnungen, die in erheblichem Umfang auch die höherbewerteten Besuche im Landkreis Northeim enthielten. Die vom Gericht angestrebte weitere Ermittlung hinsichtlich der insgesamt vom Kläger beruflich in der streitbefangenen Zeit gefahrenen Kilometer hat der Kläger vereitelt. Zwar kann ihm nicht widerlegt werden, daß er keinerlei Aufzeichnungen insoweit mehr habe, aber die Befragung des Finanzamtes hätte er zulassen müssen, aus der sich hinsichtlich der Arbeitstage, der gefahrenen Kilometer und evtl. der längeren Abwesenheit von Zuhause zusätzliche Aufschlüsse hätten ergeben können. Es brauchte dabei nicht untersucht zu werden, ob die Weigerung hinsichtlich der Beiziehung der Steuerunterlagen berechtigt war, da die Weigerung des Klägers der Einholung von Auskünften zuzustimmen jedenfalls schon deshalb nicht berechtigt war und als Beweisvereitelung anzusehen ist, da der Kläger über keine entsprechenden Unterlagen mehr zu verfügen behauptet, die weitere Ermittlung sich aufdrängte, davon unmittelbar die Frage der Rechtswidrigkeit der Bewilligung von Arbeitslosengeld abhing und der Kläger sowohl die Tätigkeit als Pharmareferent als auch den Betrieb eines eigenen Gewerbes bei der Antragstellung auf Arbeitslosengeld wahrheitswidrig und mindestens grob fahrlässig verschwiegen und damit der Beklagten die Möglichkeit von aktuellen Überprüfungen vor der Leistunsbewilligung genommen hatte.
Es kommt hinzu, daß das Gericht dem Kläger nicht geglaubt hat, daß er in seinem Gewerbe " ” nur in unwesentlichem Umfang mitgewirkt habe und hauptsächlich seine Frau in diesem Bereich tätig geworden sei. Allein der Name des Gewerbes deutet darauf hin, daß eine Verbindung zum medizinischen Bereich bestehen sollte, in dem der Kläger langjährig tätig war. Dies wird auch bestätigt durch die Angaben des Klägers und seiner Ehefrau, daß es um die Entwicklung bzw. um den (geplanten) Vertrieb von "Arztprogrammen” gegangen sei. Die Ausbildung des Klägers in Rundfunk- und Fernsehtechnik und die von ihm angegebene kontinuierliche Weiterbildung im Bereich Datentechnik sprechen ebenso für ein stärkeres Engagement des Klägers wie die Tatsache, daß er bereits für Oktober 1989 zugegeben hat, Ärzte zu einer entsprechenden Fortbildungsveranstaltung eingeladen zu haben, was ohne vorhergehende Befassung mit diesem Bereich kaum möglich gewesen sein dürfte. Auch die sich aus der Einnahme/Überschuß-Rechnung ergebenden und steuerlich geltend gemacht Kosten (siehe Strafakten), wie z.B. die relativ hohen Telefonkosten (Februar 1989 = DM 339,42, März 1989 = DM 554,91, April 1989 = DM 465,28, Mai 1989 = DM 404,68, Juni 1989 = DM 382,57, Juli 1989 = DM 455,98, August 1989 = DM 407,15 und September 1989 = DM 426,04 – bei einem jährlichen Eigenanteil von lediglich DM 360,–) zeigen, daß im Bereich des selbständigen Gewerbes doch ein wesentlich größerer (auch zeitlicher) Aufwand betrieben wurde, als der Kläger und seine Ehefrau zugeben wollten. Soweit der Kläger angegeben hat, daß er im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Pharmareferent keine Telefonate zu führen gehabt hätte, würde dieser (auch, zeitliche) Aufwand zu Lasten seiner selbständigen Tätigkeit "Medizin-Elektronic” gehen. Die Ehefrau des Klägers sieht die hohen Telefonkosten im wesentlichen durch den Kläger verursacht. Nicht folgen konnte der Senat jedoch ihrer Erklärung, daß dies im größeren Umfang im Zusammenhang mit Bewerbungen um mögliche Beschäftigungen des Klägers gestanden habe, denn dies wären sicherlich keine absetzbaren Kosten des Gewerbes gewesen. Auch insoweit hätte es einer Nachfrage bei dem Finanzamt bedurft.
Nach der eigenen Aufstellung hat der Kläger in der 22. Woche 1989 29 Stunden für die Arztbesuche benötigt. Damit steht die fehlende Arbeitslosigkeit in dieser Woche außer Frage. Soweit lediglich eine Stunde wöchentlicher Arbeit des Klägers für das Gewerbe eingesetzt wird, würden nach der eigenen Aufstellung des Klägers vom 5. Dezember 1992 weitere 9 Wochen der streitbefangenen Zeit mit 18 Stunden aus der Kurzzeitigkeit herausfallen, da der Kläger selbst in diesen 9 Wochen seinen Aufwand für die Arztbesuche mit 17 Stunden angegeben hat. Bei einem wöchentlichen Aufwand von 2 Stunden für die wären bereits insgesamt 17 Wochen, bei 3 Stunden 24 Wochen (von insgesamt 29 Wochen sowie 4 Wochen ohne Arztbesuche im Juli 1989) betroffen.
Es fehlte für die streitbefangene Zeit auch an der Verfügbarkeit des Klägers. Nach § 103 Abs. 1 AFG steht der Arbeitsvermittlung zur Verfügung, wer
1) eine zumutbare, nach § 168 die Beitragspflicht begründende Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes ausüben kann und darf,
2) bereit ist, - jede zumutbare Beschäftigung anzunehmen, die er ausüben kann und darf, sowie
3) an zumutbaren Maßnahmen zur beruflichen Ausbildung, Fortbildung und Umschulung sowie zur beruflichen Rehabilitation teilzunehmen, sowie - das Arbeitsamt täglich aufsuchen kann und für das Arbeitsamt erreichbar ist.
Soweit der Kläger in der streitbefangenen Zeit an 79 Tagen Arztbesuche durchgeführt hat (eigene Aufstellung vom 5. Dezember 1992), sowie im Juli 1989 an 2 Tagen an einer Tagung in Heidelberg teilgenommen hat, war der Kläger an diesen Tagen nicht verfügbar, da er sich der Vermittlungstätigkeit des Arbeitsamtes nicht aktuell zur Verfügung gehalten hat und – bei der erforderlichen nachträglichen Betrachtung – gehindert war, ohne Verzug eine ihm zumutbare Ganztagstätigkeit aufzunehmen (vgl. Urteil des BSG vom 29.11.1989 – 7 RAr 8/89 = SozR 4100 § 103 Nr. 46). Dabei ist von den Angaben des Klägers sowie des Zeugen auszugehen, daß die Tätigkeit eines Pharmareferenten im wesentlichen vormittags ab 7.30 Uhr, gelegentlich auch früher, stattfindet. Durch die planmäßige Tätigkeit eines freiberuflichen Pharmareferenten war der Kläger gehindert, eine ihm zumutbare Ganztagstätigkeit auszuüben. Da das Arbeitslosengeld nachträglich gezahlt wird, liefe eine andere Betrachtungsweise darauf hinaus, daß dem Kläger Arbeitslosengeld gezahlt werden müßte, obwohl zu diesem Zeitpunkt bereits feststeht, daß der Kläger an den betreffenden Tagen mit Arztbesuchen tatsächlich nicht imstande war, daneben eine Beschäftigung auszuüben (vgl. Urteil des BSG vom 29.9.1987 – 7 RAr 15/86 = SozR 4100 § 103 Nr. 39). Dabei erstreckt sich die fehlende Verfügbarkeit aus diesem Grund nicht nur auf die Tage, an denen der Kläger beruflich unterwegs war, sondern auf den gesamten streitbefangenen Zeitraum. Bei unregelmäßigen beruflichen Einsätzen, bei denen nicht von vornherein die Tage feststehen, an denen gearbeitet wird, kann auch eine Vermittlungstätigkeit des Arbeitsamtes nicht auf bestimmte Tage gelegt werden (vgl. Urteil des BSG vom 3.3.1993 – 11 RAr 43/91 = SozR 3 4100 § 103 Nr. 9).
Der Kläger war außerdem zumindest an den Tagen, an denen er 8 Stunden oder mehr als Pharmareferent unterwegs war (das waren nach seinen eigenen Angaben vom 5.12.1992 insgesamt 18 Tage zuzüglich 2 Tage im Juli 1989 für eine Tagung in Heidelberg) nicht erreichbar. Nach § 1 der Aufenthalts-Anordnung vom 3.10.1979 muß das Arbeitsamt den Arbeitslosen während der üblichen Zeit des Eingangs der Briefpost unter seiner maßgeblichen Anschrift erreichen können. Dies bedeutet körperliche Anwesenheit zu der fraglichen Zeit. Späteres Leeren des Briefkastens oder Kenntnisnahme von der Post genügt nicht, auch wenn es noch am selben Tag geschieht. Dabei geht der erkennende Senat von den Angaben des Klägers am 10. Mai 1995 vor dem Sozialgericht aus, daß die Briefpost üblicherweise um 13.30 Uhr kam. Bei sinnvoller Besuchszeit der Ärzte am Vormittag ab 7.30 Uhr, oder manchmal auch früher (laut Zeuge und Angabe des Klägers) geht der Senat davon aus – auch unter Berücksichtigung der Fahrtzeiten –, daß die Abfahrt des Klägers nicht vor 6.00 Uhr erfolgt sein kann, so daß eine Rückkehr bei mindestens 8-stündiger Abwesenheit erst nach dem Eingang der Briefpost erfolgt ist (vgl. Urteil des BSG vom 9.9.1995 – 11 RAr 45/95). Bei einem Wechsel von Tagen mit Abwesenheit mit solchen der Anwesenheit, ohne daß vorausschauend bestimmte Tage der Abwesenheit für das Arbeitsamt bekannt waren, wurde das Vermittlungsgeschäft des Arbeitsamtes so erheblich beeinträchtigt, daß auch aus diesem Grund von durchgehend fehlender Verfügbarkeit des Klägers auszugehen ist (vgl. Urteil des 11. Senats des BSG vom 3.3.1993 s.o.). Dabei kommt erschwerend hinzu, daß die Angaben des Klägers mangels entsprechender Mitarbeit sich auch in diesem Bereich von Amts wegen nicht weiter überprüfen ließen, obwohl weiterer Aufklärungsbedarf bestanden hätte, z.B. über die tatsächlichen Abfahrtszeiten und Rückkehrzeiten mit der Folge, daß bei späterem Beginn und sich daraus ergebender späterer Rückkehr weitere Tage der Abwesenheit zum Zeitpunkt des üblichen Posteingangs festgestanden hätten. Auch insoweit sieht der erkennende Senat die Auswirkung der Beweisvereitelung durch den Kläger mit der Folge der Beweiserleichterung.
Soweit nach der Honorarabrechnung des Klägers im Juli 1989 keine Arztbesuche gemacht wurde, sondern lediglich 2 Tage Teilnahme an einer Tagung in Heidelberg anstanden, hatte der Kläger auch insoweit keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld, ohne daß es einer Nachforschung bedurfte, ob der Kläger evtl. in dieser Zeit in Urlaub war. Da der Kläger die Beschäftigungen der Beklagten nicht mitgeteilt hat, hätte es für eine leistungserhebliche Unterbrechung der Tätigkeiten mit der Folge eines neuen Anspruchs auf Arbeitslosengeld einer neuen Arbeitslosmeldung bei der Beklagten bedurft, § 100 Abs. 1 AFG (vgl. Urt. des BSG vom 14.12.1995 – 11 RAr 75/95 = NZS 1996, S. 346).
Der Kläger kann sich auch nicht auf Vertrauen berufen, da er mindestens grob fahrlässig keine Angaben über seinen Vertrag als freier Pharmareferent mit sowie das Betreiben seines Gewerbes " ” gemacht hat. Das in § 45 Abs. 1 SGB X vorgesehene Ermessen der Beklagten war unter Berücksichtigung der Bösgläubigkeit des Klägers auf Null rezduziert, so daß es einer Überprüfung der in den angefochtenen Bescheiden enthaltenen Ermessensgründen nicht bedurfte (vgl. Urteil des BSG vom 25.1.1994 – 4 RA 16/92).
Nach § 50 Abs. 1 SGB X sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit der bewilligende Verwaltungsakt aufgehoben worden ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision ist vom Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen worden, § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.
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