Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
2
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 2 So 1297/81
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Beschluss des Vorsitzenden der 16. Kammer des Sozialgerichts Frankfurt vom 27. August 1981 wird aufgehoben.
Gründe:
In dem beim Sozialgericht Berlin anhängigen Rechtsstreit (Az.: S-22/J-509/81) begehrt die Klägerin die Anerkennung weiterer Versicherungszeiten. Hierzu hat das Sozialgericht Berlin mit Beweisbeschluß vom 20. Juli 1981 die Vernehmung der Zeugen A. T. und M. T. beide wohnhaft in L., beschlossen und das Sozialgericht Frankfurt um die Vernehmung der Zeugen im Wege der Rechtshilfe ersucht. Es fügte dem Ersuchen neben einer Abschrift der von ihm formulierten sieben Beweisfragen zur Information eine Erklärung der Zeugin M. T. und die Angaben der Klägerin anläßlich eines stattgefundenen Erörterungstermins bei.
Mit Beschluss vom 27. August 1981 lehnte der Vorsitzende der 16. Kammer des Sozialgerichts Frankfurt die Durchführung des Rechtshilfeersuchens ab, da er nicht ausreichend über den Sachstand und die bisherigen Ermittlungen informiert und daher nicht in der Lage sei, eine sachgerechte Vernehmung der Zeugen durchzuführen. Außerdem verstoße das Rechtshilfeersuchen gegen § 375 der Zivilprozeßordnung (ZPO), da keine der Voraussetzungen des § 375 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 ZPO gegeben seien. Insbesondere könnten die Zeugen angesichts der guten Verkehrs-(Luft-)Verbindungen mit Berlin von dem Prozeßgericht selbst vernommen werden. Der Verstoß gegen den in § 375 ZPO zwingend festgelegten Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme stehe der Durchführung des Rechtshilfeersuchens entgegen. Im übrigen komme ein Zeugenbeweis zur Feststellung von Versicherungszeiten nicht in Betracht, soweit ein Verfahren zur Feststellung dieser Zeiten nach dem deutsch-polnischen Sozialversicherungsabkommen vom 9. Oktober 1975 stattfinde.
Gegen diesen am 23. September 1981 bei dem Sozialgericht Berlin eingegangenen Beschluss hat dieses am 14. Oktober 1981 Beschwerde eingelegt, der nicht abgeholfen wurde.
Die Aussagen der Zeugen würden zur weiteren Aufklärung benötigt. Die Gründe des angefochtenen Beschlusses, mit denen die Durchführung der Rechtshilfe abgelehnt wurde, seien nicht überzeugend. Das Sozialgericht Frankfurt sei lediglich um Vernehmung der Zeugen zu den mitgeteilten Beweisfragen ersucht worden. Das Ersuchen verstoße auch nicht gegen § 375 ZPO, zumal die Notwendigkeit einer Gegenüberstellung der Zeugen mit der Klägerin nicht ersichtlich sei.
Die Beschwerde – es handelt sich um eine Beschwerde und nicht um einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung (vgl. Kissel, Kommentar z. GVG, § 159 RN 1) – ist zulässig (§ 172 SGG, § 159 Abs. 1 Satz 1 GVG); sie ist auch begründet. Der angegriffene Beschluss ist aufzuheben, weil der Vorsitzende der 16. Kammer des Sozialgerichts Frankfurt nicht berechtigt war, des gestellte Rechtshilfeersuchen abzulehnen.
Nach § 5 Abs. 1 SGG leisten alle Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit anderen Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit Rechtshilfe. Das Ersuchen um Rechtshilfe ist an das Sozialgericht zu richten, in dessen Bezirk die Amtshandlung vorgenommen werden soll. Das Ersuchen ist durch den Vorsitzenden einer Kammer durchzuführen (§ 5 Abs. 2 SGG). Für die Durchführung der Rechtshilfe gelten die Vorschriften der §§ 158 bis 160, 164 bis 166 und 168 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) entsprechend (§ 5 Abs. 3 SGG).
Nach § 158 Abs. 2 GVG, der hier als Grundlage für die ergangene Entscheidung allein in Betracht kommt, darf das Ersuchen um – die grundsätzlich zu gewährende (§ 158 Abs. 1 GVG) – Rechtshilfe eines nicht im Rechtszuge vorgesetzten Gerichtes nur abgelehnt werden, wann die vorzunehmende Handlung nach dem Recht des ersuchten Gerichts verboten ist. Danach und in Übereinstimmung mit der überwiegend in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Auffassung kann ein Rechtshilfeersuchen nicht abgelehnt werden, wenn das ersuchte Gericht die vom dem ersuchenden Gericht begehrte Handlung in Anbetracht der Sachlage für nicht angemessen oder unzweckmäßig halt (vgl. Rosenberg/Schwab, Zivilprozeßrecht, 2. Aufl., S. 79; Baumbach/Lauterbach, a.a.O., § 158 GVG Anm. 2 B; Zöller, ZPO, 12. Aufl., § 158 GVG Anm. 2 aa; Peters/Sautter/Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit § 5 S. 39/2) Anm. zu § 158 GVG; Schneider, in Justizverwaltungsblatt ((JVBl) 1969, S. 241 ff. – jeweils m.w.N.). Insbesondere ist es nicht Aufgabe und Pflicht des ersuchten Gerichts, darüber zu wachen, ob das ersuchende Gericht in dem vorangegangenen Verfahrensabschnitt Verfahrensverstöße begangen hat oder möglicherweise durch die Anordnung der Beweiserhebung im Zuge der Rechtshilfe begeht (vgl. hierzu Zöller a.a.O., m.w.N.). Grundsätzlich hat das ersuchte Gericht daher dem Ersuchen zu entsprechen (OLG Koblenz in NJW 1975, 1036 m.w.N.) auch wenn es das Vorgehen des ersuchenden Gerichtes für nicht zweckmäßig hält, es sei denn, daß die mit dem Rechtshilfeersuchen begehrte Handlung selbst verboten ist. Letzteres ist nicht der Fall, denn das ergangene Ersuchen ist in keiner Hinsicht auf eine verbotene Handlung im Sinne des § 159 GVG gerichtet. Alle in dem angefochtenen Beschluss genannten Ablehnungsgründe betreffen nur Fragen der Zweckmäßigkeit und der Erforderlichkeit der angeordneten Beweiserhebung.
Wenn das ersuchte Gericht meint, es könne ohne die Kenntnis der Gerichts- und Beklagtenakten die Vernehmung der Zeugen nicht durchführen, so könnte dies allenfalls dann einen Ablehnungsgrund bedeuten, wenn ohne diese Aktenkenntnis eine Vernehmung zur Sache überhaupt nicht durchführbar wäre. Hiervon kann aber schon deshalb nicht ausgegangen werden, weil das ersuchende Gericht die zu stellenden Beweisfragen bereits formuliert und zusätzlich noch die ihm relevant erscheinenden Schriftstücke mit übersandt hat. Ob das ersuchte Gericht dadurch auch in die Lage versetzt wird, eine vollständige, erschöpfende oder zu früheren Ermittlungen evtl. widersprüchliche Vernehmung durchzuführen, ist eine Frage der Zweckmäßigkeit der Durchführung der Beweiserhebung. Es ist jedoch Sache des ersuchenden Gerichts, darüber zu entscheiden, inwieweit die Kenntnis des ersuchten Richters über den gesamten Sachstand für die Vernehmung erforderlich ist bzw. ob das Ergebnis der durchgeführten Beweiserhebung für eine Entscheidung in der Sache ausreicht. Soweit hierdurch möglicherweise Verfahrensfehler begründet werden, sind diese von dem Prozeßgericht zu beachten und ggf. von den Beteiligten im Streitverfahren oder in der Rechtsmittelinstanz zu rügen. Das ersuchte Gericht hat dagegen in jedem Fall die Vernehmung der Zeugen durchzuführen.
Die von dem ersuchten Gericht vorzunehmende Handlung ist auch nicht deshalb verboten, weil das ersuchende Gericht durch die nicht von ihm selbst vorgenommene Vernehmung der Zeugen möglicherweise gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweiserhebung verstößt und damit u.U. einen Verfahrensfehler begeht. Es ist zwar richtig, daß der Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweiserhebung keine Ermessensvorschrift und der Disposition des Gerichtes und der Parteien entzogen ist, doch wird hierdurch die vorzunehmende Handlung noch nicht zu einer verbotenen. Die Zeugenvernehmung selbst verstößt gegen kein Verbot, da gesetzliche Gründe, die einer Vernehmung der beiden Zeugen entgegenstehen könnten, nicht ersichtlich sind. Dies wäre allenfalls beispielsweise der Fall, wenn um die Vernehmung eines zeugen ersucht würde, der sich bereits auf ein gesetzliches Zeugnisverweigerungsrecht berufen hat oder bereits zu denselben Prägen vernommen worden ist. Ein Verbot zur Vernehmung der beiden Zeugen vor einem ersuchten Richter läßt sich auch nicht aus der Vorschrift des § 375 ZPO entnehmen. Auch wenn diese Bestimmung die Aufnahme des Zeugenbeweises vor dem Prozeßgericht oder einem ersuchten Gericht nicht mehr in das freie Ermessen des angegangenen Gerichtes stellt, so geht § 375 ZPO selbst davon aus, daß eine Durchbrechung des Grundsatzes der Unmittelbarkeit der Beweiserhebung unter bestimmten Voraussetzungen zulässig ist. Es kann hier dahingestellt bleiben, ob § 106 Abs. 3 Nr. 4 SGG – als einer Spezialvorschrift für das sozialgerichtliche Verfahren – demgegenüber die Vernehmung von Zeugen vor dem ersuchten Richter in weiterem Umfang für zulässig erklärt als die Zivilprozeßordnung, oder ob § 375 ZPO als Ausdruck eines in allen Verfahrensordnungen zu beachtenden prozeßrechtlichen Grundsatzes zu werten ist und damit auch gegenüber § 106 Abs. 3 Nr. 4 SGG Vorrang hat. Nach beiden Vorschriften ist es allein Sache des Prozeßgerichts zu prüfen, ob zur Wahrung des Grundsatzes der Unmittelbarkeit der Beweiserhebung die Vernehmung von Zeugen vor dem Prozeßgericht geboten ist oder ob die Vernehmung vor dem ersuchten Richter im Einzelfall ausreichend bzw. zweckmäßig ist. Während das Sozialgerichtsgesetz keine näheren Kriterien dazu angibt, wann die Vernehmung eines Zeugen vor dem ersuchten Richter zulässig ist, erlaubt § 375 ZPO dies nur in drei Fällen, von denen im vorliegenden Fall nur die dritte Alternative in Betracht kommt. Danach kann die Aufnahme des Zeugenbeweises einem anderen Gericht übertragen werden, wenn sich der Zeuge in so großer Entfernung von dem Prozeßgericht aufhält, daß seine Vernehmung vor diesem unzweckmäßig erscheint. Selbst wenn man davon ausgeht, daß auch § 106 Abs. 3 Nr. 4 SGG nur unter den Voraussetzungen des § 375 ZPO die Zeugenvernehmung vor dem ersuchten Richter gestattet, rechtfertigt dies noch nicht die Ablehnung des Ersuchens durch den Beschwerdegegner. Bei der Prüfung, ob ein Zeuge nach § 375 Abs. 1 Nr. 3 ZPO vor dem ersuchten Richter vernommen werden soll, handelt es sich um eine reine Zweckmäßigkeitsfrage, die im Ermessen des ersuchenden Gerichts steht (Schneider, JVBl 1969, 241, 244).
Die Frage, ob angesichts einer großen Entfernung des Zeugen von dem Prozeßgericht seine Vernehmung vor dem ersuchten Richter zweckmäßig erscheint, hat grundsätzlich das Prozeßgericht zu prüfen und zu entscheiden, da das ersuchende Gericht gerade nicht die Zweckmäßigkeit eines Rechtshilfeersuchens in Frage stellen darf. Auch hier gilt, daß das ersuchte Gericht das ersuchende Gericht nicht vor etwaigen Verfahrensfehlern zu bewahren, hat. Ob mit dem Ersuchen ein Verfahrensfehler begründet wird, weil möglicherweise gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit verstoßen wird, muß der Entscheidung des Prozeßgerichts und ggf., soweit seine Entscheidung auf diesem Verfahrensfehler beruht, der Entscheidung der Beteiligten überlassen bleiben, ob sie die Entscheidung aus diesem Grunde angreifen wollen. Der ersuchte Richter ist in diesem Zusammenhang nur ausführendes Organ des Prozeßgerichts, nicht aber eine Kontroll- oder Rechtsmittelinstanz.
Ob möglicherweise ein Ersuchen um Rechtshilfe dann abzulehnen ist, wenn das ersuchende Gericht offensichtlich mißbräuchlich von der Möglichkeit der Zeugenvernehmung vor dem ersuchten Richter Gebrauch macht, braucht hier nicht entschieden zu werden, da die Vernehmung der in Langen wohnenden Zeugen durch das Rechtshilfegericht in F. weder offensichtlich unzweckmäßig noch mißbräuchlich ist. Bei der Prüfung der Zweckmäßigkeit der Zeugenvernehmung vor dem ersuchten Richter können die Bedeutung des Prozesses, die Schwierigkeit der Beweisfragen, der Wert des persönlichen Eindruckes für die Beweiswürdigung der Zeugenaussage wie auch die durch eine Vernehmung der Zeugen vor dem Prozeßgericht entstehenden Kosten berücksichtigt werden (vgl. hierzu Baumbach/Lauterbach, a.a.O. § 375 ZPO Anm. 2). Abgesehen davon, daß bei einem Großteil der legitimen Zweckmäßigkeitserwägungen dem ersuchten Gericht in der Regel mangels ausreichender Aktenkenntnis die Möglichkeit fehlen wird, die Zweckmäßigkeit der Zeugenvernehmung im Wege der Rechtshilfe schlüssig zu beurteilen, erscheint es im vorliegenden Fall als durchaus im Bereich des eingeräumten Ermessens liegend, wenn das Sozialgericht Berlin den beiden in L. wohnenden Zeugen die Reise nach B. nicht zumuten wollte. Ob dies angesichts der Bedeutung der Sache oder der Aussage der Zeugen tatsächlich zweckmäßig ist, kann dahingestellt bleiben und ist hier nicht weiter zu erörtern, da – wie bereits erwähnt – ein Rechtshilfeersuchen ohnehin nicht wegen bloßer Zweckmäßigkeitserwägungen abgelehnt werden darf. Selbst wenn es im Einzelfall zweifelhaft sein sollte, wofür vorliegend aber kein Anhalt besteht, ob die Zeugenvernehmung vor dem ersuchten Richter wirklich zweckmäßig ist, hat das ersuchte Gericht dem Gesuch zu entsprechen (Schneider, a.a.O., S. 245 m.w. Rechtsprechungshinweisen).
Aus den gleichen Gründen kann die Ablehnung des Rechtshilfeersuchens auch nicht darauf gestützt werden, daß nach dem deutsch-polnischen Sozialversicherungsabkommen ein Verfahren zur Feststellung von Abkommenszeiten stattfinde. Selbst wenn dies im vorliegenden Fall zutreffen sollte, – was zu prüfen der Senat keinen Anlaß hat –, würde damit die beantragte Vernehmung der Zeugen nicht zu einer verbotenen Handlung. Die von dem Prozeßgericht angeordnete Beweiserhebung mag sich im Ergebnis als überflüssig und für die Entscheidung des Rechtsstreites irrelevant herausstellen, was jedoch wiederum von dem Prozeßgericht als dem Herrn des Verfahrens, nicht aber von dem ersuchten Richter zu prüfen ist, da es sich auch hierbei um reine Erwägungen über die Zweckmäßigkeit und Erforderlichkeit der Beweiserhebung handelt.
Da im übrigen in dem Beweisbeschluß des ersuchenden Gerichtes die Beweisfragen ausreichend formuliert und sonstige Gründe für eine Ablehnung des Ersuchens nicht zu erkennen sind, hat das ersuchte Gericht das Rechtshilfeersuchen zu erledigen. Auch wenn es dabei von der bereits angekündigten Möglichkeit Gebrauch machen will, das Ersuchen an das Amtsgericht Langen weiterzuleiten, entbindet diese Absicht das ersuchte Gericht nicht von seiner Verpflichtung zur Erledigung des Ersuchens (vgl. hierzu Bley, RVO-Gesamtkommentar, Sozialgerichtsgesetz, § 5 S. 38). Inwieweit in diesem Fall das Amtsgericht L. zur Erledigung des Ersuchens des Sozialgerichts Frankfurt verpflichtet ist, kann hier nicht entschieden werden und würde im Falle eines Streites hierüber auch in die Zuständigkeit des dem Amtsgericht L. übergeordneten Oberlandesgerichtes fallen (§ 159 Abs. 1 Satz 1 GVG).
Die Entscheidung ergeht kostenfrei (§ 183 SGG) und ist unanfechtbar (§ 177 SGG, § 159 Abs. 1 Satz 2 GVG).
Gründe:
In dem beim Sozialgericht Berlin anhängigen Rechtsstreit (Az.: S-22/J-509/81) begehrt die Klägerin die Anerkennung weiterer Versicherungszeiten. Hierzu hat das Sozialgericht Berlin mit Beweisbeschluß vom 20. Juli 1981 die Vernehmung der Zeugen A. T. und M. T. beide wohnhaft in L., beschlossen und das Sozialgericht Frankfurt um die Vernehmung der Zeugen im Wege der Rechtshilfe ersucht. Es fügte dem Ersuchen neben einer Abschrift der von ihm formulierten sieben Beweisfragen zur Information eine Erklärung der Zeugin M. T. und die Angaben der Klägerin anläßlich eines stattgefundenen Erörterungstermins bei.
Mit Beschluss vom 27. August 1981 lehnte der Vorsitzende der 16. Kammer des Sozialgerichts Frankfurt die Durchführung des Rechtshilfeersuchens ab, da er nicht ausreichend über den Sachstand und die bisherigen Ermittlungen informiert und daher nicht in der Lage sei, eine sachgerechte Vernehmung der Zeugen durchzuführen. Außerdem verstoße das Rechtshilfeersuchen gegen § 375 der Zivilprozeßordnung (ZPO), da keine der Voraussetzungen des § 375 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 ZPO gegeben seien. Insbesondere könnten die Zeugen angesichts der guten Verkehrs-(Luft-)Verbindungen mit Berlin von dem Prozeßgericht selbst vernommen werden. Der Verstoß gegen den in § 375 ZPO zwingend festgelegten Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme stehe der Durchführung des Rechtshilfeersuchens entgegen. Im übrigen komme ein Zeugenbeweis zur Feststellung von Versicherungszeiten nicht in Betracht, soweit ein Verfahren zur Feststellung dieser Zeiten nach dem deutsch-polnischen Sozialversicherungsabkommen vom 9. Oktober 1975 stattfinde.
Gegen diesen am 23. September 1981 bei dem Sozialgericht Berlin eingegangenen Beschluss hat dieses am 14. Oktober 1981 Beschwerde eingelegt, der nicht abgeholfen wurde.
Die Aussagen der Zeugen würden zur weiteren Aufklärung benötigt. Die Gründe des angefochtenen Beschlusses, mit denen die Durchführung der Rechtshilfe abgelehnt wurde, seien nicht überzeugend. Das Sozialgericht Frankfurt sei lediglich um Vernehmung der Zeugen zu den mitgeteilten Beweisfragen ersucht worden. Das Ersuchen verstoße auch nicht gegen § 375 ZPO, zumal die Notwendigkeit einer Gegenüberstellung der Zeugen mit der Klägerin nicht ersichtlich sei.
Die Beschwerde – es handelt sich um eine Beschwerde und nicht um einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung (vgl. Kissel, Kommentar z. GVG, § 159 RN 1) – ist zulässig (§ 172 SGG, § 159 Abs. 1 Satz 1 GVG); sie ist auch begründet. Der angegriffene Beschluss ist aufzuheben, weil der Vorsitzende der 16. Kammer des Sozialgerichts Frankfurt nicht berechtigt war, des gestellte Rechtshilfeersuchen abzulehnen.
Nach § 5 Abs. 1 SGG leisten alle Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit anderen Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit Rechtshilfe. Das Ersuchen um Rechtshilfe ist an das Sozialgericht zu richten, in dessen Bezirk die Amtshandlung vorgenommen werden soll. Das Ersuchen ist durch den Vorsitzenden einer Kammer durchzuführen (§ 5 Abs. 2 SGG). Für die Durchführung der Rechtshilfe gelten die Vorschriften der §§ 158 bis 160, 164 bis 166 und 168 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) entsprechend (§ 5 Abs. 3 SGG).
Nach § 158 Abs. 2 GVG, der hier als Grundlage für die ergangene Entscheidung allein in Betracht kommt, darf das Ersuchen um – die grundsätzlich zu gewährende (§ 158 Abs. 1 GVG) – Rechtshilfe eines nicht im Rechtszuge vorgesetzten Gerichtes nur abgelehnt werden, wann die vorzunehmende Handlung nach dem Recht des ersuchten Gerichts verboten ist. Danach und in Übereinstimmung mit der überwiegend in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Auffassung kann ein Rechtshilfeersuchen nicht abgelehnt werden, wenn das ersuchte Gericht die vom dem ersuchenden Gericht begehrte Handlung in Anbetracht der Sachlage für nicht angemessen oder unzweckmäßig halt (vgl. Rosenberg/Schwab, Zivilprozeßrecht, 2. Aufl., S. 79; Baumbach/Lauterbach, a.a.O., § 158 GVG Anm. 2 B; Zöller, ZPO, 12. Aufl., § 158 GVG Anm. 2 aa; Peters/Sautter/Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit § 5 S. 39/2) Anm. zu § 158 GVG; Schneider, in Justizverwaltungsblatt ((JVBl) 1969, S. 241 ff. – jeweils m.w.N.). Insbesondere ist es nicht Aufgabe und Pflicht des ersuchten Gerichts, darüber zu wachen, ob das ersuchende Gericht in dem vorangegangenen Verfahrensabschnitt Verfahrensverstöße begangen hat oder möglicherweise durch die Anordnung der Beweiserhebung im Zuge der Rechtshilfe begeht (vgl. hierzu Zöller a.a.O., m.w.N.). Grundsätzlich hat das ersuchte Gericht daher dem Ersuchen zu entsprechen (OLG Koblenz in NJW 1975, 1036 m.w.N.) auch wenn es das Vorgehen des ersuchenden Gerichtes für nicht zweckmäßig hält, es sei denn, daß die mit dem Rechtshilfeersuchen begehrte Handlung selbst verboten ist. Letzteres ist nicht der Fall, denn das ergangene Ersuchen ist in keiner Hinsicht auf eine verbotene Handlung im Sinne des § 159 GVG gerichtet. Alle in dem angefochtenen Beschluss genannten Ablehnungsgründe betreffen nur Fragen der Zweckmäßigkeit und der Erforderlichkeit der angeordneten Beweiserhebung.
Wenn das ersuchte Gericht meint, es könne ohne die Kenntnis der Gerichts- und Beklagtenakten die Vernehmung der Zeugen nicht durchführen, so könnte dies allenfalls dann einen Ablehnungsgrund bedeuten, wenn ohne diese Aktenkenntnis eine Vernehmung zur Sache überhaupt nicht durchführbar wäre. Hiervon kann aber schon deshalb nicht ausgegangen werden, weil das ersuchende Gericht die zu stellenden Beweisfragen bereits formuliert und zusätzlich noch die ihm relevant erscheinenden Schriftstücke mit übersandt hat. Ob das ersuchte Gericht dadurch auch in die Lage versetzt wird, eine vollständige, erschöpfende oder zu früheren Ermittlungen evtl. widersprüchliche Vernehmung durchzuführen, ist eine Frage der Zweckmäßigkeit der Durchführung der Beweiserhebung. Es ist jedoch Sache des ersuchenden Gerichts, darüber zu entscheiden, inwieweit die Kenntnis des ersuchten Richters über den gesamten Sachstand für die Vernehmung erforderlich ist bzw. ob das Ergebnis der durchgeführten Beweiserhebung für eine Entscheidung in der Sache ausreicht. Soweit hierdurch möglicherweise Verfahrensfehler begründet werden, sind diese von dem Prozeßgericht zu beachten und ggf. von den Beteiligten im Streitverfahren oder in der Rechtsmittelinstanz zu rügen. Das ersuchte Gericht hat dagegen in jedem Fall die Vernehmung der Zeugen durchzuführen.
Die von dem ersuchten Gericht vorzunehmende Handlung ist auch nicht deshalb verboten, weil das ersuchende Gericht durch die nicht von ihm selbst vorgenommene Vernehmung der Zeugen möglicherweise gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweiserhebung verstößt und damit u.U. einen Verfahrensfehler begeht. Es ist zwar richtig, daß der Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweiserhebung keine Ermessensvorschrift und der Disposition des Gerichtes und der Parteien entzogen ist, doch wird hierdurch die vorzunehmende Handlung noch nicht zu einer verbotenen. Die Zeugenvernehmung selbst verstößt gegen kein Verbot, da gesetzliche Gründe, die einer Vernehmung der beiden Zeugen entgegenstehen könnten, nicht ersichtlich sind. Dies wäre allenfalls beispielsweise der Fall, wenn um die Vernehmung eines zeugen ersucht würde, der sich bereits auf ein gesetzliches Zeugnisverweigerungsrecht berufen hat oder bereits zu denselben Prägen vernommen worden ist. Ein Verbot zur Vernehmung der beiden Zeugen vor einem ersuchten Richter läßt sich auch nicht aus der Vorschrift des § 375 ZPO entnehmen. Auch wenn diese Bestimmung die Aufnahme des Zeugenbeweises vor dem Prozeßgericht oder einem ersuchten Gericht nicht mehr in das freie Ermessen des angegangenen Gerichtes stellt, so geht § 375 ZPO selbst davon aus, daß eine Durchbrechung des Grundsatzes der Unmittelbarkeit der Beweiserhebung unter bestimmten Voraussetzungen zulässig ist. Es kann hier dahingestellt bleiben, ob § 106 Abs. 3 Nr. 4 SGG – als einer Spezialvorschrift für das sozialgerichtliche Verfahren – demgegenüber die Vernehmung von Zeugen vor dem ersuchten Richter in weiterem Umfang für zulässig erklärt als die Zivilprozeßordnung, oder ob § 375 ZPO als Ausdruck eines in allen Verfahrensordnungen zu beachtenden prozeßrechtlichen Grundsatzes zu werten ist und damit auch gegenüber § 106 Abs. 3 Nr. 4 SGG Vorrang hat. Nach beiden Vorschriften ist es allein Sache des Prozeßgerichts zu prüfen, ob zur Wahrung des Grundsatzes der Unmittelbarkeit der Beweiserhebung die Vernehmung von Zeugen vor dem Prozeßgericht geboten ist oder ob die Vernehmung vor dem ersuchten Richter im Einzelfall ausreichend bzw. zweckmäßig ist. Während das Sozialgerichtsgesetz keine näheren Kriterien dazu angibt, wann die Vernehmung eines Zeugen vor dem ersuchten Richter zulässig ist, erlaubt § 375 ZPO dies nur in drei Fällen, von denen im vorliegenden Fall nur die dritte Alternative in Betracht kommt. Danach kann die Aufnahme des Zeugenbeweises einem anderen Gericht übertragen werden, wenn sich der Zeuge in so großer Entfernung von dem Prozeßgericht aufhält, daß seine Vernehmung vor diesem unzweckmäßig erscheint. Selbst wenn man davon ausgeht, daß auch § 106 Abs. 3 Nr. 4 SGG nur unter den Voraussetzungen des § 375 ZPO die Zeugenvernehmung vor dem ersuchten Richter gestattet, rechtfertigt dies noch nicht die Ablehnung des Ersuchens durch den Beschwerdegegner. Bei der Prüfung, ob ein Zeuge nach § 375 Abs. 1 Nr. 3 ZPO vor dem ersuchten Richter vernommen werden soll, handelt es sich um eine reine Zweckmäßigkeitsfrage, die im Ermessen des ersuchenden Gerichts steht (Schneider, JVBl 1969, 241, 244).
Die Frage, ob angesichts einer großen Entfernung des Zeugen von dem Prozeßgericht seine Vernehmung vor dem ersuchten Richter zweckmäßig erscheint, hat grundsätzlich das Prozeßgericht zu prüfen und zu entscheiden, da das ersuchende Gericht gerade nicht die Zweckmäßigkeit eines Rechtshilfeersuchens in Frage stellen darf. Auch hier gilt, daß das ersuchte Gericht das ersuchende Gericht nicht vor etwaigen Verfahrensfehlern zu bewahren, hat. Ob mit dem Ersuchen ein Verfahrensfehler begründet wird, weil möglicherweise gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit verstoßen wird, muß der Entscheidung des Prozeßgerichts und ggf., soweit seine Entscheidung auf diesem Verfahrensfehler beruht, der Entscheidung der Beteiligten überlassen bleiben, ob sie die Entscheidung aus diesem Grunde angreifen wollen. Der ersuchte Richter ist in diesem Zusammenhang nur ausführendes Organ des Prozeßgerichts, nicht aber eine Kontroll- oder Rechtsmittelinstanz.
Ob möglicherweise ein Ersuchen um Rechtshilfe dann abzulehnen ist, wenn das ersuchende Gericht offensichtlich mißbräuchlich von der Möglichkeit der Zeugenvernehmung vor dem ersuchten Richter Gebrauch macht, braucht hier nicht entschieden zu werden, da die Vernehmung der in Langen wohnenden Zeugen durch das Rechtshilfegericht in F. weder offensichtlich unzweckmäßig noch mißbräuchlich ist. Bei der Prüfung der Zweckmäßigkeit der Zeugenvernehmung vor dem ersuchten Richter können die Bedeutung des Prozesses, die Schwierigkeit der Beweisfragen, der Wert des persönlichen Eindruckes für die Beweiswürdigung der Zeugenaussage wie auch die durch eine Vernehmung der Zeugen vor dem Prozeßgericht entstehenden Kosten berücksichtigt werden (vgl. hierzu Baumbach/Lauterbach, a.a.O. § 375 ZPO Anm. 2). Abgesehen davon, daß bei einem Großteil der legitimen Zweckmäßigkeitserwägungen dem ersuchten Gericht in der Regel mangels ausreichender Aktenkenntnis die Möglichkeit fehlen wird, die Zweckmäßigkeit der Zeugenvernehmung im Wege der Rechtshilfe schlüssig zu beurteilen, erscheint es im vorliegenden Fall als durchaus im Bereich des eingeräumten Ermessens liegend, wenn das Sozialgericht Berlin den beiden in L. wohnenden Zeugen die Reise nach B. nicht zumuten wollte. Ob dies angesichts der Bedeutung der Sache oder der Aussage der Zeugen tatsächlich zweckmäßig ist, kann dahingestellt bleiben und ist hier nicht weiter zu erörtern, da – wie bereits erwähnt – ein Rechtshilfeersuchen ohnehin nicht wegen bloßer Zweckmäßigkeitserwägungen abgelehnt werden darf. Selbst wenn es im Einzelfall zweifelhaft sein sollte, wofür vorliegend aber kein Anhalt besteht, ob die Zeugenvernehmung vor dem ersuchten Richter wirklich zweckmäßig ist, hat das ersuchte Gericht dem Gesuch zu entsprechen (Schneider, a.a.O., S. 245 m.w. Rechtsprechungshinweisen).
Aus den gleichen Gründen kann die Ablehnung des Rechtshilfeersuchens auch nicht darauf gestützt werden, daß nach dem deutsch-polnischen Sozialversicherungsabkommen ein Verfahren zur Feststellung von Abkommenszeiten stattfinde. Selbst wenn dies im vorliegenden Fall zutreffen sollte, – was zu prüfen der Senat keinen Anlaß hat –, würde damit die beantragte Vernehmung der Zeugen nicht zu einer verbotenen Handlung. Die von dem Prozeßgericht angeordnete Beweiserhebung mag sich im Ergebnis als überflüssig und für die Entscheidung des Rechtsstreites irrelevant herausstellen, was jedoch wiederum von dem Prozeßgericht als dem Herrn des Verfahrens, nicht aber von dem ersuchten Richter zu prüfen ist, da es sich auch hierbei um reine Erwägungen über die Zweckmäßigkeit und Erforderlichkeit der Beweiserhebung handelt.
Da im übrigen in dem Beweisbeschluß des ersuchenden Gerichtes die Beweisfragen ausreichend formuliert und sonstige Gründe für eine Ablehnung des Ersuchens nicht zu erkennen sind, hat das ersuchte Gericht das Rechtshilfeersuchen zu erledigen. Auch wenn es dabei von der bereits angekündigten Möglichkeit Gebrauch machen will, das Ersuchen an das Amtsgericht Langen weiterzuleiten, entbindet diese Absicht das ersuchte Gericht nicht von seiner Verpflichtung zur Erledigung des Ersuchens (vgl. hierzu Bley, RVO-Gesamtkommentar, Sozialgerichtsgesetz, § 5 S. 38). Inwieweit in diesem Fall das Amtsgericht L. zur Erledigung des Ersuchens des Sozialgerichts Frankfurt verpflichtet ist, kann hier nicht entschieden werden und würde im Falle eines Streites hierüber auch in die Zuständigkeit des dem Amtsgericht L. übergeordneten Oberlandesgerichtes fallen (§ 159 Abs. 1 Satz 1 GVG).
Die Entscheidung ergeht kostenfrei (§ 183 SGG) und ist unanfechtbar (§ 177 SGG, § 159 Abs. 1 Satz 2 GVG).
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