Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 2 J 320/82
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 13/11 J 193/85
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Beruht die Arbeitsunfähigkeit bereits auf dem irreversiblen Verlust von Körperteilen (Verlust beiden Augen, Verlust des rechten Beines im Oberschenkel, Verlust des rechten Unterarms) kommt die Berücksichtigung einen Anschlußersatzzeit nach § 1251 Abs. 1 Nr. 1 RVO wegen „anschließender Krankheit” auch dann nicht in Betracht, wenn daneben noch eine behandlungsbedürftige Krankheit besteht.
2. Eine Anschlußersatzzeit wegen „anschließender Krankheit” nach § 1251 Abs. 1 Nr. 1 RVO liegt auch dann nicht vor, wenn der Versicherte endgültig aus dem Erwerbsleben ausgeschieden ist, unabhängig davon, ob dies auf Krankheit oder dem Verlust von Körperteilen beruht.
2. Eine Anschlußersatzzeit wegen „anschließender Krankheit” nach § 1251 Abs. 1 Nr. 1 RVO liegt auch dann nicht vor, wenn der Versicherte endgültig aus dem Erwerbsleben ausgeschieden ist, unabhängig davon, ob dies auf Krankheit oder dem Verlust von Körperteilen beruht.
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 30. Januar 1985 wind zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Es geht in dem Rechtsstreit um die Aberkennung einer Anschlußersatzzeit vom 26. März 1945 bis zum 31. Oktober 1955.
Der 1924 geborene und 1983 verstorbene G. F. erlitt am 2. Februar 1944 während seinen Zugehörigkeit zur Wehrmacht eine schwere Kriegsverletzung. Am 25. März 1945 wurde er aus der Wehrmacht entlassen. Die Kriegsverletzung wurde mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 100 % bewertet. Als Schädigungsfolgen waren im wesentlichen festgestellt worden: Verlust beider Augen, Verlust des rechten Beines im Oberschenkel, Verlust des rechten Unterarmes, Teilverlust des Ring- und Mittelfingers links, Bewegungseinschränkung sämtlichen Finger links, des Unterarmdrehgelenkes, des linken Kniegelenkes, Trommelfelldefekt beidseits, chronische Mittelohreiterung, Taubheit rechts und Schwerhörigkeit links, Kreislaufstörungen als Folgeerkrankung.
Der Versicherte beantragte am 14. November 1955 bei der Beklagten die Zahlung von Invalidenrente, die ihm mit Bescheid vom 6. April 1956 ab 1. November 1955 gewährt wurde. Als Versicherungsfall wurde das Jahr 1944 zugrunde gelegt. Zum 1. Januar 1957 wurde die Rente nach dem Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetz (ArVNG) umgestellt.
Der Versicherte entrichtete nach Vollendung des 55. Lebensjahres 12 Monatsbeiträge und beantragte mit Schreiben vom 29. März 1980 die Neuberechnung der Rente nach Art. 2 § 38 Abs. 2 Satz 2 ArVNG. Mit Bescheid vom 2. Juni 1981 wurde die Rente des Versicherten ab 1. April 1980 neu berechnet. Mit am 11. Juni 1981 bei der Beklagten zugegangenem Schreiben vom 9. Juni 1981 hat der Versicherte Widerspruch eingelegt und u.a. die Berücksichtigung der Zeit vom 26. März 1945 bis zum Rentenbeginn begehrt mit dem Hinweis, daß er noch bis Mai 1946 in stationärer Behandlung und anschließend noch öfter in ärztlicher Behandlung gewesen sei. Trotz seiner vielfachen Bemühungen beim Arbeitsamt habe er nicht in Arbeit vermittelt werden können und habe daher im November 1955 seinen Rentenantrag gestellt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 19. August 1982 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und begründete dies damit, daß die Zeit vom 26. März 1945 bis 31. Oktober 1955 nicht nach § 1251 Abs. 1 Nr. 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) als Ersatzzeit angerechnet werden könne, da der Versicherungsfall der Invalidität am 2. Februar 1944 eingetreten sei und sich bei rückschauend er Betrachtung ergebe, daß seit der Entlassung aus der Wehrmacht bis zum heutigen Tage durchgehend Erwerbsunfähigkeit vorliege. Der Widerspruchsbescheid wurde zwecks Zustellung am 23. August 1982 als Einschreiben zur Post gegeben.
Am 21. September 1982 hat der Versicherte hiergegen Klage erhoben und Bezug genommen auf die neuere Rechtsprechung des BSG (Urteile vom 11.09.1980 – 5 RJ 120/79 in SozR 2200 § 1251 RVO Nr. 80, vom 20.12.1979 – 4 RJ 50/78). Danach sei sein Anspruch auf Anrechnung der Anschlußersatzzeit gerechtfertigt. Er sei nach seiner Entlassung aus der Wehrmacht weiterhin noch jahrelang wegen seiner Augen und Ohren in ärztlicher Behandlung gewesen, bis er im Jahr 1955 schließlich seinen Rentenantrag gestellt habe.
Die Witwe des Versicherten setzte nach dessen Tod das Verfahren fort. Sie hat zur weiteren Begründung vorgetragen, bei Kriegsopfern handele es sich nicht um Gebrechen, sondern um Schädigungsfolgen nach § 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG). Der Gesetzgeber sei mit der Bestimmung des § 1251 RVO davon ausgegangen, daß der durch den Krieg entstandene Rechtstatbestand bis zum Beginn der Rente auszudehnen gewesen sei.
Die Beklagte hat vorgetragen, eine andere Entscheidung könne schon angesichts des BSG-Beschlusses vom 16.12.1981 (GS 3 und 4/78) nicht ergehen. Zwar handele es sich um eine Entscheidung zu § 1259 RVO, der aber auch für § 1251 bezüglich der Begriffe "Krankheit” und "Arbeitsunfähigkeit” Anwendung finde. Es sei nicht davon auszugehen, daß der Versicherte im hier interessierenden Zeitraum krank und infolge Krankheit arbeitsunfähig gewesen sei. Bei den Verwundungsfolgen habe es sich nicht um Krankheiten sondern um Gebrechen gehandelt.
Mit Urteil vom 30. Januar 1985 hat das Sozialgericht Darmstadt (S-2/J-320/82) die Klage abgewiesen und die Berufung im Tenor zugelassen. Zur Begründung führt das Gericht aus, die Folgen der Kriegsverletzung, insbesondere der Verlust der Gliedmaßen und Augen seien nicht als Krankheit i.S. der RVO anzusehen. Ein Ersatz der Körperfunktion sei auch nicht so weit wieder herstellbar gewesen, daß dadurch Erwerbsfähigkeit erzielbar gewesen sei. Es sei zwar dem Kläger zu zustimmen, daß mit den Entscheidungen des BSG vom 20.12.1979 (4 RJ 50/78) und vom 11.09.1980 (5 RJ 120/79) die bisherige Rechtsauffassung des BSG insoweit revidiert worden sei, als der Bezug der Invalidenrente allein nicht das Vorliegen von Ersatz- bzw. Ausfallzeit-Tatbeständen ausschließe. Jedoch habe jeweils ein Ersatzzeit- bzw. Ausfallzeittatbestand vorgelegen, wenn der Bezug der Invalidenrente weggedacht worden wäre. Im zu entscheidenden Falle habe der Versicherte gerade nicht die Voraussetzungen des Ersatzzeittatbestandes erfüllt, da er bei seiner Entlassung aus der Wehrmacht nicht als krank i.S. der Krankenversicherung anzusehen gewesen sei.
Hiergegen hat die Klägerin am 25. Februar 1985 Berufung eingelegt. Sie trägt von, das erstinstanzliche Gericht habe nur die für sie ungünstigen Entscheidungen des BSG herangezogen. Die für sie günstigen Entscheidungen, vor allem das BSG Urteil vom 20. Dezember 1979, sei nicht einmal erwähnt worden. Den Termin am 28. Mai 1986 könne ihr Prozeßbevollmächtigter aus Krankheitsgründen nicht wahrnehmen, da er wegen einer totalen Schilddrüsenoperation mit Verlust des rechten Stimmbandnervs nur sehr leise und heiser sprechen könne.
Die im Termin am 28. Mai 1986 nicht anwesende und nicht vertretene Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 30. Januar 1985 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 2. Juni 1981 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. August 1982 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, die Zeit vom 26. März 1945 bis zum 31. Oktober 1955 als Anschlußersatzzeit anzuerkennen und entsprechend eine Neuberechnung der Rente vorzunehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte bezieht sich auf die angefochtene Entscheidung.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Rentenakten der Beklagten sowie der Gerichtsakten ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung, § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG), ist zulässig, § 143 SGG. Zwar handelt es sich um eine Rente für abgelaufene Zeiträume, weshalb nach § 146 SGG die Berufung eigentlich unzulässig wäre, jedoch hat sie das Sozialgericht im Tenor des angefochtenen Urteils zugelassen, § 150 Nr. 1 SGG.
Der Senat konnte im Termin am 28. Mai 1986 auch in Abwesenheit der Klägerin und ihres Prozeßbevollmächtigten verhandeln und entscheiden, da der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin rechtzeitig und ordnungsgemäß vom Termin benachrichtigt und dabei darauf hingewiesen worden war, daß auch im Falle der Abwesenheit verhandelt und entschieden wenden könne. Eine Terminsverlegung kam auch nicht wegen der krankheitsbedingten Verhinderung des Prozeßbevollmächtigten der Klägerin in Betracht, da es insoweit bereits an einem Vertagungswunsch fehlt. Das Schreiben vom 26. Mai 1986 stellt eine Erklärung dar, weshalb der Termin nicht wahrgenommen werden könne, es ist jedoch nicht der Wunsch nach einem späteren Termin enthalten. Im übrigen geht der erkennende Senat auch davon aus, daß weder die Anwesenheit der Klägerin noch ihres Prozeßbevollmächtigten zur Entscheidungsfindung erforderlich war, da es im wesentlichen um die Klärung einer Rechtsfrage ging und die Beteiligten in beiden Instanzen erschöpfend vorgetragen haben.
Die Witwe des Versicherten konnte als dessen Sonderrechtsnachfolgerin auch den Rechtsstreit fortsetzen und Berufung einlegen, § 56 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch 1. Buch (SGB I).
Die Berufung ist jedoch unbegründet.
Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 30. Januar 1985 sowie der Bescheid der Beklagten vom 2. Juni 1981 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. August 1982 sind zu Recht ergangen und waren deshalb nicht abzuändern.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Anerkennung einer Anschlußersatzzeit vom 26. März 1945 bis zum 31. Oktober 1955 nach § 1251 Abs. 1 Nr. 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) und damit auch keinen Anspruch auf Neuberechnung der Rente.
Ersatzzeiten Bach § 1251 Abs. 1 Nr. 1 RVO sind Zeiten des militärischen und militärähnlichen Dienstes i.S. der §§ 2 und 3 des Bundesversorgungsgesetzes, der aufgrund gesetzlichen Dienst- oder Wehrpflicht oder während eines Krieges geleistet worden ist, sowie Zeiten des Deutschen Minenräumdienstes nach dem 8. Mai 1945, der Kriegsgefangenschaft oder eines anschließenden Krankheit oder unverschuldeten Arbeitslosigkeit.
Im vorliegenden Fall könnte es sich in der Zeit nach Entlassung des Versicherten aus der Wehrmacht bis zum Beginn der Invalidenrente (26. März 1945 bis 31. Oktober 1955) nur um Zeiten einer anschließenden Krankheit oder unverschuldeten Arbeitslosigkeit gehandelt haben. Dabei ist der Begriff der Krankheit dahin auszulegen, daß infolge der Krankheit auch Arbeitsunfähigkeit bestanden haben muß, und zwar i.S. des Krankenversicherungsrechts (so Urteil des BSG vom 14. Juli 1982 – 5a/5 RKn 34/78 i.V. Beschluss des Großen Senats des BSG vom 16. Dezember 1981 – GS3/78 und GS 4/78). Die vom Großen Senat des BSG zu § 1259 Abs. 1 Nr. 1 RVO entwickelten Grundsätze sind auch auf § 1251 Abs. 1 Nr. 1 RVO zu übertragen (Urteil des BSG vom 14. Juli 1982 s.o.). Dabei bedeutet dort Arbeitsunfähigkeit, daß der Versicherte seine zuletzt ausgeübte oder eine ähnliche Beschäftigung oder Tätigkeit infolge Krankheit nicht mehr fortsetzen kann. Der Versicherte war bei der Beklagten zwischen 1940 und 1942 als Zimmerer-Lehrling versichert. Unter Berücksichtigung der Schädigungsfolgen ist ohne weitere Prüfung offensichtlich, daß der Versicherte in der geltend gemachten Zeit weder als Zimmerer noch in einer ähnlichen Beschäftigung tätig werden konnte, also Arbeitsunfähigkeit vorlag. Die Arbeitsunfähigkeit beruhte jedoch in erster Linie nicht auf Krankheit – einem regelwidrigen Gesundheitszustand, der den Behandlung bedurfte –, sondern auf dem Fehlen von Körperteilen, wie dem Verlust beider Augen, dem Verlust des rechten Beines im Oberschenkel, dem Verlust des rechten Unterarmes usw ... Dabei ist unerheblich, daß daneben auch eine behandlungsbedürftige Krankheit bestanden haben kann, da die Arbeitsunfähigkeit sich bereits aus dem irreversiblen Verlust von Körperteilen ergab. Dem widerspricht auch nicht das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 19. März 1970 (L-16/Kr-4/69), wenn dort der prothetische Ersatz bislang fehlenden Körperfunktionen als Leistung der Krankenversicherung bei Krankheit angesehen wird. Die bei dem Versicherten mögliche Versorgung mit Körperersatzstücken konnte jedenfalls nicht so weit gehen, daß damit wieder Arbeitsfähigkeit i.S. der Krankenversicherung hergestellt werden konnte. Es war deshalb auch nicht der genaue Umfang der nach Angabe des Versicherten bis Mai 1946 durchgeführten stationären und anschließenden ambulanten Behandlung zu ermitteln.
Eine Anschlußersatzzeit wegen unverschuldeter Arbeitslosigkeit scheitert bereits daran, daß unten Berücksichtigung der fehlenden Körperteile eine Arbeitsfähigkeit auch auf dem allgemeinen Arbeitsfeld nicht mehr bestand. Es war deshalb auch nicht die Behauptung des Versicherten nachzuprüfen, daß er sich wiederholt bei dem Arbeitsamt gemeldet habe. Die Arbeitslosmeldung bei dem Arbeitsamt oder auch das intensive eigene Bemühen um einen Arbeitsplatz reicht für die Annahme von Arbeitslosigkeit nicht aus, wenn es bereits an der Arbeitsfähigkeit des Arbeitsuchenden mangelt.
Eine nach § 1251 Abs. 1 Nr. 1 RVO anrechnungsfähige Anschlußersatzzeit lag vom 26. März 1945 bis 31. Oktober 1955 aber auch aus einem weiteren Grund nicht vor. Der erkennende Senat ist der Auffassung, daß eine Anschlußersatzzeit der Krankheit auch dann nicht vorliegt, wenn der Versicherte endgültig aus dem Erwerbsleben ausgeschieden ist, unabhängig davon ob dies auf Krankheit oder dem Verlust von Körperteilen beruht. Insoweit ist eine Gleichbehandlung der Ausfallzeit des § 1259 Abs. 1 Nr. 1 RVO mit der Anschlußersatzzeit des § 1251 Abs. 1 Nr. 1 RVO geböten. Die vom erkennenden Senat für nichtig gehaltene Rechtsprechung hat die in § 1259 Abs. 1 Nr. 1 RVO gesetzlich normierte Voraussetzung der Unterbrechung der versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit dahingehend ausgelegt, daß zwar nicht erforderlich sei, daß die Ausfallzeit von versicherungspflichtigen Beschäftigungen oder Tätigkeiten umrahmt wende (Urteil des BSG vom 18. Januar 1962 – 1 RA 21/61 – in BSGE 16, 120), es müsse sich jedoch um eine Unterbrechung und nicht um eine Beendigung der versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit handeln (Urteil des BSG vom 5. Februar 1976 – 11 RA 70/75 – in BSGE 41, 168). Im vorliegenden Fall ist unter Berücksichtigung von Art, Umfang und Schwere der Schädigungsfolgen auch ohne zusätzliche Ermittlungen festzustellen, daß der Versicherte in der geltend gemachten Zeit endgültig aus dem Erwerbsleben ausgeschieden war, und zwar sowohl bei vorausschauender als auch bei rückschauender Betrachtung. Dem entspricht, daß die Beklagte zu Recht den Eintritt des Versicherungsfalles der Invalidität bereits im Jahre 1944 angenommen hat. Auch nach den durch das Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetz ab 1. Januar 1957 gesetzlich normierten Begriff der Erwerbsunfähigkeit war der Kläger endgültig aus dem Erwerbsleben ausgeschieden, da er auch durchgehend als erwerbsunfähig anzusehen war. Erwerbsunfähig ist nach § 1247 Abs. 2 Satz 1 RVO der Versicherte, der infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder von Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte auf nicht absehbare Zeit eine Erwerbstätigkeit in gewissen Regelmäßigkeit nicht mehr ausüben oder nicht mehr als nun geringfügige Einkünfte durch Erwerbstätigkeit erzielen kann.
Dabei wird für das endgültige Ausscheiden aus dem Erwerbsleben nicht vorausgesetzt, daß der Versicherte eine entsprechende Rente wegen Invalidität bzw. wegen Erwerbsunfähigkeit erhält. Der fortdauernde Bezug einer Rente wegen Invalidität ist allenfalls als zusätzliches Indiz für das endgültige Ausscheiden zu sehen (vgl. Urteil des BSG vom 5. Februar 1976 s.o.). Allerdings hindert der Bezug einen Invalidenrente bzw. Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nach der neueren Rechtsprechung des BSG die Anrechnung einen Ersatzzeit während der Rentenbezugszeiten dann jedenfalls sieht, wenn die Rechtliche Unmöglichkeit den Beitragsentrichtung auf den militärischen Dienst zurückzuführen ist (vgl. Urteile des BSG vom 20. Dezember 1979 – 4 RJ 50/78 und vom 11. September 1980 – 5 RJ 120/79). Voraussetzung ist allerdings, daß tatsächlich ein Ersatzzeittatbestand vorliegt, wenn der Rentenbezug hinweggedacht wind. So van etwa der Kläger aus dem vom BSG mit Urteil vom 20. Dezember 1979 (s.o.) entschiedenen Rechtsstreit während der Rentenbezugszeit wieder an der Front eingesetzt, geriet im Mai 1945 in russische Kriegsgefangenschaft und wurde dort im Mai 1948 entlassen. In dem anderen Rechtsstreit (Urteil vom 11. September 1980 s.o.) trat nach stationären Lazarettbehandlung und etwa zweijähriger anschließender Arbeitsunfähigkeit wegen Lungentuberkulose wieder Arbeitsfähigkeit ein, die in der Weise festgestellt wurde, daß der dortige Kläger nunmehr als arbeitslos bezeichnet wurde. In beiden Fällen handelte es sich nicht um ein endgültiges Ausscheiden des Versicherten aus dem Erwerbsleben.
Entgegen dem Vorbringen der Klägerin hat sich das erstinstanzliche Gericht durchaus mit den Urteilen des BSG vom 20. Dezember 1979 (s.o.) und vom 11. September 1980 (s.o.) auseinandergesetzt und ist zu dem richtigen Schluß gekommen, daß damit bei der hier zu bewertenden Fallgestaltung keine Erweiterung der Anrechnungsmöglichkeit einer Anschlußersatzzeit gegeben ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen, § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Es geht in dem Rechtsstreit um die Aberkennung einer Anschlußersatzzeit vom 26. März 1945 bis zum 31. Oktober 1955.
Der 1924 geborene und 1983 verstorbene G. F. erlitt am 2. Februar 1944 während seinen Zugehörigkeit zur Wehrmacht eine schwere Kriegsverletzung. Am 25. März 1945 wurde er aus der Wehrmacht entlassen. Die Kriegsverletzung wurde mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 100 % bewertet. Als Schädigungsfolgen waren im wesentlichen festgestellt worden: Verlust beider Augen, Verlust des rechten Beines im Oberschenkel, Verlust des rechten Unterarmes, Teilverlust des Ring- und Mittelfingers links, Bewegungseinschränkung sämtlichen Finger links, des Unterarmdrehgelenkes, des linken Kniegelenkes, Trommelfelldefekt beidseits, chronische Mittelohreiterung, Taubheit rechts und Schwerhörigkeit links, Kreislaufstörungen als Folgeerkrankung.
Der Versicherte beantragte am 14. November 1955 bei der Beklagten die Zahlung von Invalidenrente, die ihm mit Bescheid vom 6. April 1956 ab 1. November 1955 gewährt wurde. Als Versicherungsfall wurde das Jahr 1944 zugrunde gelegt. Zum 1. Januar 1957 wurde die Rente nach dem Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetz (ArVNG) umgestellt.
Der Versicherte entrichtete nach Vollendung des 55. Lebensjahres 12 Monatsbeiträge und beantragte mit Schreiben vom 29. März 1980 die Neuberechnung der Rente nach Art. 2 § 38 Abs. 2 Satz 2 ArVNG. Mit Bescheid vom 2. Juni 1981 wurde die Rente des Versicherten ab 1. April 1980 neu berechnet. Mit am 11. Juni 1981 bei der Beklagten zugegangenem Schreiben vom 9. Juni 1981 hat der Versicherte Widerspruch eingelegt und u.a. die Berücksichtigung der Zeit vom 26. März 1945 bis zum Rentenbeginn begehrt mit dem Hinweis, daß er noch bis Mai 1946 in stationärer Behandlung und anschließend noch öfter in ärztlicher Behandlung gewesen sei. Trotz seiner vielfachen Bemühungen beim Arbeitsamt habe er nicht in Arbeit vermittelt werden können und habe daher im November 1955 seinen Rentenantrag gestellt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 19. August 1982 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und begründete dies damit, daß die Zeit vom 26. März 1945 bis 31. Oktober 1955 nicht nach § 1251 Abs. 1 Nr. 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) als Ersatzzeit angerechnet werden könne, da der Versicherungsfall der Invalidität am 2. Februar 1944 eingetreten sei und sich bei rückschauend er Betrachtung ergebe, daß seit der Entlassung aus der Wehrmacht bis zum heutigen Tage durchgehend Erwerbsunfähigkeit vorliege. Der Widerspruchsbescheid wurde zwecks Zustellung am 23. August 1982 als Einschreiben zur Post gegeben.
Am 21. September 1982 hat der Versicherte hiergegen Klage erhoben und Bezug genommen auf die neuere Rechtsprechung des BSG (Urteile vom 11.09.1980 – 5 RJ 120/79 in SozR 2200 § 1251 RVO Nr. 80, vom 20.12.1979 – 4 RJ 50/78). Danach sei sein Anspruch auf Anrechnung der Anschlußersatzzeit gerechtfertigt. Er sei nach seiner Entlassung aus der Wehrmacht weiterhin noch jahrelang wegen seiner Augen und Ohren in ärztlicher Behandlung gewesen, bis er im Jahr 1955 schließlich seinen Rentenantrag gestellt habe.
Die Witwe des Versicherten setzte nach dessen Tod das Verfahren fort. Sie hat zur weiteren Begründung vorgetragen, bei Kriegsopfern handele es sich nicht um Gebrechen, sondern um Schädigungsfolgen nach § 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG). Der Gesetzgeber sei mit der Bestimmung des § 1251 RVO davon ausgegangen, daß der durch den Krieg entstandene Rechtstatbestand bis zum Beginn der Rente auszudehnen gewesen sei.
Die Beklagte hat vorgetragen, eine andere Entscheidung könne schon angesichts des BSG-Beschlusses vom 16.12.1981 (GS 3 und 4/78) nicht ergehen. Zwar handele es sich um eine Entscheidung zu § 1259 RVO, der aber auch für § 1251 bezüglich der Begriffe "Krankheit” und "Arbeitsunfähigkeit” Anwendung finde. Es sei nicht davon auszugehen, daß der Versicherte im hier interessierenden Zeitraum krank und infolge Krankheit arbeitsunfähig gewesen sei. Bei den Verwundungsfolgen habe es sich nicht um Krankheiten sondern um Gebrechen gehandelt.
Mit Urteil vom 30. Januar 1985 hat das Sozialgericht Darmstadt (S-2/J-320/82) die Klage abgewiesen und die Berufung im Tenor zugelassen. Zur Begründung führt das Gericht aus, die Folgen der Kriegsverletzung, insbesondere der Verlust der Gliedmaßen und Augen seien nicht als Krankheit i.S. der RVO anzusehen. Ein Ersatz der Körperfunktion sei auch nicht so weit wieder herstellbar gewesen, daß dadurch Erwerbsfähigkeit erzielbar gewesen sei. Es sei zwar dem Kläger zu zustimmen, daß mit den Entscheidungen des BSG vom 20.12.1979 (4 RJ 50/78) und vom 11.09.1980 (5 RJ 120/79) die bisherige Rechtsauffassung des BSG insoweit revidiert worden sei, als der Bezug der Invalidenrente allein nicht das Vorliegen von Ersatz- bzw. Ausfallzeit-Tatbeständen ausschließe. Jedoch habe jeweils ein Ersatzzeit- bzw. Ausfallzeittatbestand vorgelegen, wenn der Bezug der Invalidenrente weggedacht worden wäre. Im zu entscheidenden Falle habe der Versicherte gerade nicht die Voraussetzungen des Ersatzzeittatbestandes erfüllt, da er bei seiner Entlassung aus der Wehrmacht nicht als krank i.S. der Krankenversicherung anzusehen gewesen sei.
Hiergegen hat die Klägerin am 25. Februar 1985 Berufung eingelegt. Sie trägt von, das erstinstanzliche Gericht habe nur die für sie ungünstigen Entscheidungen des BSG herangezogen. Die für sie günstigen Entscheidungen, vor allem das BSG Urteil vom 20. Dezember 1979, sei nicht einmal erwähnt worden. Den Termin am 28. Mai 1986 könne ihr Prozeßbevollmächtigter aus Krankheitsgründen nicht wahrnehmen, da er wegen einer totalen Schilddrüsenoperation mit Verlust des rechten Stimmbandnervs nur sehr leise und heiser sprechen könne.
Die im Termin am 28. Mai 1986 nicht anwesende und nicht vertretene Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 30. Januar 1985 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 2. Juni 1981 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. August 1982 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, die Zeit vom 26. März 1945 bis zum 31. Oktober 1955 als Anschlußersatzzeit anzuerkennen und entsprechend eine Neuberechnung der Rente vorzunehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte bezieht sich auf die angefochtene Entscheidung.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Rentenakten der Beklagten sowie der Gerichtsakten ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung, § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG), ist zulässig, § 143 SGG. Zwar handelt es sich um eine Rente für abgelaufene Zeiträume, weshalb nach § 146 SGG die Berufung eigentlich unzulässig wäre, jedoch hat sie das Sozialgericht im Tenor des angefochtenen Urteils zugelassen, § 150 Nr. 1 SGG.
Der Senat konnte im Termin am 28. Mai 1986 auch in Abwesenheit der Klägerin und ihres Prozeßbevollmächtigten verhandeln und entscheiden, da der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin rechtzeitig und ordnungsgemäß vom Termin benachrichtigt und dabei darauf hingewiesen worden war, daß auch im Falle der Abwesenheit verhandelt und entschieden wenden könne. Eine Terminsverlegung kam auch nicht wegen der krankheitsbedingten Verhinderung des Prozeßbevollmächtigten der Klägerin in Betracht, da es insoweit bereits an einem Vertagungswunsch fehlt. Das Schreiben vom 26. Mai 1986 stellt eine Erklärung dar, weshalb der Termin nicht wahrgenommen werden könne, es ist jedoch nicht der Wunsch nach einem späteren Termin enthalten. Im übrigen geht der erkennende Senat auch davon aus, daß weder die Anwesenheit der Klägerin noch ihres Prozeßbevollmächtigten zur Entscheidungsfindung erforderlich war, da es im wesentlichen um die Klärung einer Rechtsfrage ging und die Beteiligten in beiden Instanzen erschöpfend vorgetragen haben.
Die Witwe des Versicherten konnte als dessen Sonderrechtsnachfolgerin auch den Rechtsstreit fortsetzen und Berufung einlegen, § 56 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch 1. Buch (SGB I).
Die Berufung ist jedoch unbegründet.
Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 30. Januar 1985 sowie der Bescheid der Beklagten vom 2. Juni 1981 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. August 1982 sind zu Recht ergangen und waren deshalb nicht abzuändern.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Anerkennung einer Anschlußersatzzeit vom 26. März 1945 bis zum 31. Oktober 1955 nach § 1251 Abs. 1 Nr. 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) und damit auch keinen Anspruch auf Neuberechnung der Rente.
Ersatzzeiten Bach § 1251 Abs. 1 Nr. 1 RVO sind Zeiten des militärischen und militärähnlichen Dienstes i.S. der §§ 2 und 3 des Bundesversorgungsgesetzes, der aufgrund gesetzlichen Dienst- oder Wehrpflicht oder während eines Krieges geleistet worden ist, sowie Zeiten des Deutschen Minenräumdienstes nach dem 8. Mai 1945, der Kriegsgefangenschaft oder eines anschließenden Krankheit oder unverschuldeten Arbeitslosigkeit.
Im vorliegenden Fall könnte es sich in der Zeit nach Entlassung des Versicherten aus der Wehrmacht bis zum Beginn der Invalidenrente (26. März 1945 bis 31. Oktober 1955) nur um Zeiten einer anschließenden Krankheit oder unverschuldeten Arbeitslosigkeit gehandelt haben. Dabei ist der Begriff der Krankheit dahin auszulegen, daß infolge der Krankheit auch Arbeitsunfähigkeit bestanden haben muß, und zwar i.S. des Krankenversicherungsrechts (so Urteil des BSG vom 14. Juli 1982 – 5a/5 RKn 34/78 i.V. Beschluss des Großen Senats des BSG vom 16. Dezember 1981 – GS3/78 und GS 4/78). Die vom Großen Senat des BSG zu § 1259 Abs. 1 Nr. 1 RVO entwickelten Grundsätze sind auch auf § 1251 Abs. 1 Nr. 1 RVO zu übertragen (Urteil des BSG vom 14. Juli 1982 s.o.). Dabei bedeutet dort Arbeitsunfähigkeit, daß der Versicherte seine zuletzt ausgeübte oder eine ähnliche Beschäftigung oder Tätigkeit infolge Krankheit nicht mehr fortsetzen kann. Der Versicherte war bei der Beklagten zwischen 1940 und 1942 als Zimmerer-Lehrling versichert. Unter Berücksichtigung der Schädigungsfolgen ist ohne weitere Prüfung offensichtlich, daß der Versicherte in der geltend gemachten Zeit weder als Zimmerer noch in einer ähnlichen Beschäftigung tätig werden konnte, also Arbeitsunfähigkeit vorlag. Die Arbeitsunfähigkeit beruhte jedoch in erster Linie nicht auf Krankheit – einem regelwidrigen Gesundheitszustand, der den Behandlung bedurfte –, sondern auf dem Fehlen von Körperteilen, wie dem Verlust beider Augen, dem Verlust des rechten Beines im Oberschenkel, dem Verlust des rechten Unterarmes usw ... Dabei ist unerheblich, daß daneben auch eine behandlungsbedürftige Krankheit bestanden haben kann, da die Arbeitsunfähigkeit sich bereits aus dem irreversiblen Verlust von Körperteilen ergab. Dem widerspricht auch nicht das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 19. März 1970 (L-16/Kr-4/69), wenn dort der prothetische Ersatz bislang fehlenden Körperfunktionen als Leistung der Krankenversicherung bei Krankheit angesehen wird. Die bei dem Versicherten mögliche Versorgung mit Körperersatzstücken konnte jedenfalls nicht so weit gehen, daß damit wieder Arbeitsfähigkeit i.S. der Krankenversicherung hergestellt werden konnte. Es war deshalb auch nicht der genaue Umfang der nach Angabe des Versicherten bis Mai 1946 durchgeführten stationären und anschließenden ambulanten Behandlung zu ermitteln.
Eine Anschlußersatzzeit wegen unverschuldeter Arbeitslosigkeit scheitert bereits daran, daß unten Berücksichtigung der fehlenden Körperteile eine Arbeitsfähigkeit auch auf dem allgemeinen Arbeitsfeld nicht mehr bestand. Es war deshalb auch nicht die Behauptung des Versicherten nachzuprüfen, daß er sich wiederholt bei dem Arbeitsamt gemeldet habe. Die Arbeitslosmeldung bei dem Arbeitsamt oder auch das intensive eigene Bemühen um einen Arbeitsplatz reicht für die Annahme von Arbeitslosigkeit nicht aus, wenn es bereits an der Arbeitsfähigkeit des Arbeitsuchenden mangelt.
Eine nach § 1251 Abs. 1 Nr. 1 RVO anrechnungsfähige Anschlußersatzzeit lag vom 26. März 1945 bis 31. Oktober 1955 aber auch aus einem weiteren Grund nicht vor. Der erkennende Senat ist der Auffassung, daß eine Anschlußersatzzeit der Krankheit auch dann nicht vorliegt, wenn der Versicherte endgültig aus dem Erwerbsleben ausgeschieden ist, unabhängig davon ob dies auf Krankheit oder dem Verlust von Körperteilen beruht. Insoweit ist eine Gleichbehandlung der Ausfallzeit des § 1259 Abs. 1 Nr. 1 RVO mit der Anschlußersatzzeit des § 1251 Abs. 1 Nr. 1 RVO geböten. Die vom erkennenden Senat für nichtig gehaltene Rechtsprechung hat die in § 1259 Abs. 1 Nr. 1 RVO gesetzlich normierte Voraussetzung der Unterbrechung der versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit dahingehend ausgelegt, daß zwar nicht erforderlich sei, daß die Ausfallzeit von versicherungspflichtigen Beschäftigungen oder Tätigkeiten umrahmt wende (Urteil des BSG vom 18. Januar 1962 – 1 RA 21/61 – in BSGE 16, 120), es müsse sich jedoch um eine Unterbrechung und nicht um eine Beendigung der versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit handeln (Urteil des BSG vom 5. Februar 1976 – 11 RA 70/75 – in BSGE 41, 168). Im vorliegenden Fall ist unter Berücksichtigung von Art, Umfang und Schwere der Schädigungsfolgen auch ohne zusätzliche Ermittlungen festzustellen, daß der Versicherte in der geltend gemachten Zeit endgültig aus dem Erwerbsleben ausgeschieden war, und zwar sowohl bei vorausschauender als auch bei rückschauender Betrachtung. Dem entspricht, daß die Beklagte zu Recht den Eintritt des Versicherungsfalles der Invalidität bereits im Jahre 1944 angenommen hat. Auch nach den durch das Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetz ab 1. Januar 1957 gesetzlich normierten Begriff der Erwerbsunfähigkeit war der Kläger endgültig aus dem Erwerbsleben ausgeschieden, da er auch durchgehend als erwerbsunfähig anzusehen war. Erwerbsunfähig ist nach § 1247 Abs. 2 Satz 1 RVO der Versicherte, der infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder von Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte auf nicht absehbare Zeit eine Erwerbstätigkeit in gewissen Regelmäßigkeit nicht mehr ausüben oder nicht mehr als nun geringfügige Einkünfte durch Erwerbstätigkeit erzielen kann.
Dabei wird für das endgültige Ausscheiden aus dem Erwerbsleben nicht vorausgesetzt, daß der Versicherte eine entsprechende Rente wegen Invalidität bzw. wegen Erwerbsunfähigkeit erhält. Der fortdauernde Bezug einer Rente wegen Invalidität ist allenfalls als zusätzliches Indiz für das endgültige Ausscheiden zu sehen (vgl. Urteil des BSG vom 5. Februar 1976 s.o.). Allerdings hindert der Bezug einen Invalidenrente bzw. Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nach der neueren Rechtsprechung des BSG die Anrechnung einen Ersatzzeit während der Rentenbezugszeiten dann jedenfalls sieht, wenn die Rechtliche Unmöglichkeit den Beitragsentrichtung auf den militärischen Dienst zurückzuführen ist (vgl. Urteile des BSG vom 20. Dezember 1979 – 4 RJ 50/78 und vom 11. September 1980 – 5 RJ 120/79). Voraussetzung ist allerdings, daß tatsächlich ein Ersatzzeittatbestand vorliegt, wenn der Rentenbezug hinweggedacht wind. So van etwa der Kläger aus dem vom BSG mit Urteil vom 20. Dezember 1979 (s.o.) entschiedenen Rechtsstreit während der Rentenbezugszeit wieder an der Front eingesetzt, geriet im Mai 1945 in russische Kriegsgefangenschaft und wurde dort im Mai 1948 entlassen. In dem anderen Rechtsstreit (Urteil vom 11. September 1980 s.o.) trat nach stationären Lazarettbehandlung und etwa zweijähriger anschließender Arbeitsunfähigkeit wegen Lungentuberkulose wieder Arbeitsfähigkeit ein, die in der Weise festgestellt wurde, daß der dortige Kläger nunmehr als arbeitslos bezeichnet wurde. In beiden Fällen handelte es sich nicht um ein endgültiges Ausscheiden des Versicherten aus dem Erwerbsleben.
Entgegen dem Vorbringen der Klägerin hat sich das erstinstanzliche Gericht durchaus mit den Urteilen des BSG vom 20. Dezember 1979 (s.o.) und vom 11. September 1980 (s.o.) auseinandergesetzt und ist zu dem richtigen Schluß gekommen, daß damit bei der hier zu bewertenden Fallgestaltung keine Erweiterung der Anrechnungsmöglichkeit einer Anschlußersatzzeit gegeben ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen, § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.
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