L 7 AS 10/08 B ER

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 58 AS 1671/07 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 10/08 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 19. Dezember 2007 wird zurückgewiesen.

II. Die Antragsgegnerin trägt die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist der Anspruch des Antragstellers auf einen Zuschuss gemäß § 22 Abs. 7 SGB II im Streit.

Der 1989 geborene Antragsteller besucht eine Abend-Realschule und bezieht Leistungen des Amtes für Ausbildungsförderung der Stadt F. Gemäß Bescheid vom 28. September 2007 erhält er einen Zuschuss von 348,- Euro (Bl. 211 der Verwaltungsakte). Er wohnt bei seiner Mutter, welche ihrerseits im Bezug von Arbeitslosengeld II steht. Die Grundmiete (kalt) für diese 3-Zimmer-Wohnung beläuft sich auf 329,45 Euro zuzüglich tatsächlicher Betriebsnebenkosten von 130,- Euro und tatsächlichen Heizkosten von 110,- Euro monatlich. Die Antragsgegnerin berücksichtigt insoweit Kosten der Unterkunft in Höhe von insgesamt 569,45 Euro und bewilligt für die Mutter hiervon 278,44 Euro. Angerechnet würden insoweit in den Miet- bzw. Heizungskosten enthaltene Haushaltsenergieanteile in Höhe von 3,86 Euro. Die verbleibende - geringe - Differenz zur halben Gesamtmiete ist aus der Akte nicht nachvollziehbar.

Der Antragsteller beantragte am 24. September 2007 bei der Antragsgegnerin die Gewährung eines Zuschusses zu den ungedeckten angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung gemäß § 22 Abs. 7 SGB II. Der Antrag wurde von der Antragsgegnerin mit Bescheid vom 16. Oktober 2007 abgelehnt und der Widerspruch des Antragstellers vom 29. Oktober 2007 mit Bescheid vom 19. November 2007 zurückgewiesen. Der auf den Antragsteller entfallende Mietanteil betrage unter Abzug des im BAföG bereits enthaltenen Mietanteils in Höhe von 52,- Euro, des Kindergeldes in Höhe von 154, Euro und des analogen Abzuges einer Warmwasserpauschale (1,4 % der maßgeblichen Regelleistung) insgesamt 75,87 Euro. Nach den Richtlinien der kommunalen Träger, den sogenannten Frankfurter Richtlinien (FRL) sei es Schülern und Studierenden grundsätzlich zuzumuten, durch gelegentliche Nebentätigkeiten einen Verdienst zu erzielen, der ausreiche, die ungedeckten Unterkunfts- und Heizkosten abzudecken. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gehe vom Regelfall eines "jungen belastbaren Menschen ohne einengende persönliche Verpflichtungen" ebenso wie der Gesetzgeber aus, wie sich aus der Regierungsbegründung des § 22 Abs. 7 SGB II ergebe. Im Sinne des § 22 Abs. 7 SGB II anspruchsberechtigten Schülern und Studenten sei es daher zuzumuten, zumindest eine steuerfreie geringfügige Beschäftigung aufzunehmen, um die ungedeckten angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung zu bestreiten. Schüler und Studenten könnten ein Erwerbseinkommen, im Falle des Antragstellers in Höhe von 271,- Euro, erzielen, ohne dass sich dies auf den BAföG-Anspruch auswirke. Erziele der Schüler oder Studierende kein Erwerbseinkommen, sei fiktiv der passende Tabellenbetrag entsprechend um die Freibeträge zu bereinigen auf die ungedeckten Unterkunftskostenanteile anzurechnen. Im Falle des Antragstellers betrage das fiktiv unter Abzug der Freibetragsregelung anzurechnende Einkommen monatlich 186,80 Euro. Bei einem ungedeckten Unterkunftsbedarf in Höhe von 75,87 Euro und dem fiktiv anzurechnenden Einkommen in Höhe von 136,80 Euro errechne sich daher kein Zuschuss zu den ungedeckten Unterkunftskosten.

Der Antragsteller hat daraufhin am 28. November 2007 beim Sozialgericht Frankfurt am Main (SG) Klage erhoben und zugleich die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes beantragt. Nach dem Auszug der Schwester sei ein Teil der Unterkunftskosten ungedeckt. Er habe keinen Job zusätzlich zur Schule, obwohl er schon lange danach suche.

Mit Beschluss vom 19. Dezember 2007 gab das SG dem Eilantrag statt und verpflichtete die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zur Gewährung eines Zuschusses gemäß § 22 Abs. 7 SGB II in Höhe von monatlich 284,73 Euro ab Antragstellung bis zum Ablauf des Monats Januar 2008. Der Antragsteller erhalte Leistungen gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 2 BAföG und die ungedeckten Unterkunftskosten beliefen sich bei der aus 2 Personen bestehenden Bedarfsgemeinschaft auf die Hälfte der Gesamtkosten für Unterkunft und Heizung, mithin 284,73 Euro. Eine Anrechnung des Kindergeldes erfolge nicht. Insoweit stützte sich das SG in vollem Umfang auf die Auffassung des Hessischen Landessozialgerichts im Beschluss vom 2. August 2007 (L 7 AS 215/07 ER). Die Berechnungsmethode eines nach den Maßstäben des SGB II bereinigten Gesamteinkommens würde BAfög-Empfänger, welche mit Hilfebedürftigen in Bedarfsgemeinschaft lebten, gegenüber den übrigen BAföG-Empfängern ohne erkennbaren sachlichen Grund benachteiligen. Denn auf der Grundlage des zum 1. April 2001 geänderten § 21 BAföG werde Kindergeld im Unterschied zur Regelung des § 11 Abs. 1 Satz 3 SGB II bei der Berechnung der Ausbildungsförderung nicht als Einkommen angerechnet. Der Gesetzgeber habe demnach für BAföG-Empfänger einen um das Kindergeld erhöhten Bedarf zur Bestreitung des Lebensunterhalts einschließlich der für die Ausbildung erforderlichen Kosten angenommen (vgl. § 1 BAföG). Auch werde Kindergeld für die Kinder des Hilfebedürftigen, die nicht zur Bedarfsgemeinschaft gehörten, unter bestimmten Voraussetzungen nicht als Einkommen berücksichtigt (soweit es nachweislich an das nicht im Haushalt des Hilfebedürftigen lebende volljährige Kind weitergeleitet werde, vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 8 Alg II-V in der ab 1. Oktober 2005 geltenden Fassung). Zwar lasse sich den Gesetzesmaterialien entnehmen, dass der Gesetzgeber den Zuschuss nach § 22 Abs. 7 SGB II davon habe abhängig machen wollen, dass dem Auszubildenden selbst überhaupt Kosten für Unterkunft und Heizung entstünden und dass diese nach Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen ungedeckt seien; daraus folge aber nicht, dass der Gesetzgeber von einer Anrechnung von Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften des SGB II ausgegangen sei. Im Übrigen war das SG der Auffassung, dass abweichend von der von der Antragsgegnerin im Widerspruchsbescheid vertretenen Auffassung die ungedeckten Unterkunftskosten auch nicht durch einen in der BAföG-Leistung bereits enthaltenen Mietanteil von 52,- Euro zu verringern seien, weil die Leistung, welche der Antragsteller erhalte, 1.048,- Euro betrage. Das entspreche § 12 Abs. 1 Nr. 2 BAföG dem Bedarf eines Schülers einer Abend-Realschule, der noch bei seinen Eltern wohne. Der in § 12 Abs. 3 BAföG genannte Betrag von 52,- Euro sei, wie der Zusammenhang von § 12 Abs. 3 und Abs. 2 zeige, allein als Anteil des Bedarfs solcher Auszubildender anzusehen, welche nicht bei ihren Eltern wohnten und denen deshalb vom Gesetz ein höherer Bedarf zuerkannt werde. Ein solcher höherer Bedarf – einschließlich eines entsprechenden Anteils am Unterkunftsbedarf – sei dem Antragsteller jedoch nicht zugebilligt worden, weil er noch bei seiner Mutter wohne. Auch eine Warmwasserpauschale in Höhe von 1,4 % der maßgeblichen Regelleistung sei von den ungedeckten Unterkunftskosten nicht in Abzug zu bringen. Dies ergebe sich bereits daraus, dass der Antragsteller als BAföG-Bezieher gerade keine Regelleistung nach § 20 SGB II erhalte, so dass sich insoweit die Frage einer doppelten Bedarfsdeckung nicht stelle, welche allein es rechtfertigen könnte, eine Warmwasserpauschale in Abzug zu bringen. Bei der BAföG-Leistung handele es sich um eine Unterstützung eigener Art, die mit der Regelleistung nach dem SGB II nicht vergleichbar sei. Deshalb könne auch nicht unterstellt werden, dass in der BAföG-Leistung ein Bedarf für Warmwasserbereitung mitveranschlagt sei. Nach allem könne der Antragsteller deshalb den vollen Betrag an ungedeckten Unterkunftskosten von monatlich 284,73 Euro beanspruchen. Es sei auch eine Notlage gegeben, da nicht ersichtlich sei, aus welchen Mitteln der Antragsteller die ungedeckten Unterkunftskosten bestreiten könne. Auf den Beschluss im Einzelnen wird Bezug genommen. Die Zustellung erfolgte am 20. Dezember 2007. Die Antragsgegnerin hat am 10. Januar 2008 Beschwerde eingelegt, welcher das SG nicht abgeholfen hat (Verfügung vom 11. Januar 2008).

Die Antragsgegnerin trägt vor, das SG sei bei der Bemessung der Leistungen von unzutreffenden Tatsachen ausgegangen. Nach § 11 Abs. 1 BAföG werde Ausbildungsförderung für den Lebensunterhalt und die Ausbildung geleistet (Bedarf). Unter Bedarf verstehe das BAföG die Geldsumme, welche Auszubildende typischerweise für ihren Lebensunterhalt (Ernährung, Unterkunft, Bekleidung) und ihre Ausbildung (Fahrtkosten zur Ausbildungsstätte, Lehrbücher, Arbeitskleidung) benötigten. Als monatlicher Betrag seien im BAföG Pauschalbeträge vorgesehen, deren Höhe von der Ausbildungsstätte und der Unterbringung des Auszubildenden abhängig seien. Dabei werden für die BAföG-Berechnung und -Bewilligung nicht bei den Auszubildenden tatsächlich und individuell anfallenden Kosten ermittelt, sondern messe sich der monatliche Bedarf nach Pauschalbeträgen, welche in § 12 und § 13 BAföG festgesetzt seien. Im Falle des Antragstellers bestimme sich die BAföG-Leistung nach § 12 Abs. 1 Ziff. 2 BAföG und betrage monatlich 348,- Euro. Dieser Betrag setze sich aus dem Grund- und dem Wohnbedarf zusammen. So beinhalte der den Beschwerdegegner mit Bescheid vom 28. September 2007 bewilligte Betrag von 348,- Euro einen Grundbetrag von 296,- Euro sowie einen Unterkunftsbedarf in Höhe von 52,- Euro. Dies ergebe sich aus dem Rückschluss aus § 12 Abs. 3 BAföG, demzufolge sich der Bedarf nach Abs. 2 um monatlich 64,- Euro erhöhe, soweit Mietkosten für Unterkunft und Nebenkosten nachweislich einen Betrag von 52,- Euro überstiegen. Kindergeld bleibe dabei bei der Gewährung von Ausbildungsförderung zwar anrechnungsfrei, es sei bei der Ermittlung eines Anspruchs nach § 22 Abs. 7 SGB II jedoch beim Antragsteller als Einkommen gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 SGB II anzurechnen, da die Antragsgegnerin davon ausgehe, dass das Kindergeld von der auch im Leistungsbezug nach dem SGB II stehenden Mutter an den Beschwerdegegner weitergeleitet werde. Vom Kopfteil des Beschwerdegegners an den Kosten der Unterkunft in Höhe von 284,73 Euro sei deshalb der Haushaltsenergieanteil von 3,86 Euro, der BAföG-Unterkunftsanteil von 52,- Euro sowie das Kindergeld in Höhe von 154,- Euro abzuziehen, woraus ein ungedeckter Unterkunftskosten-Betrag nach Abzug von Einkommen in Höhe von 74,87 Euro verbliebe. Grundsätzlich sei es dem Antragsgeller jedoch zumutbar, durch einen Nebenverdienst den ungedeckten Unterkunftsbedarf zu finanzieren. Der Beschwerdegegner könne ein monatliches Bruttoeinkommen in Höhe von 271,- Euro erzielen, ohne dass es sich auf den BAföG-Anspruch auswirke, so dass unter Abzug seines fiktiven Einkommens kein Leistungsanspruch nach § 22 Abs. 7 SGB II verbleibe. Die Auffassung des SG im angefochtenen Beschluss führe zu einer Doppelleistung für ein und denselben Zweck aus öffentlichen Kassen und zu einer nicht gerechtfertigten Besserstellung gegenüber "echten" Alg-II-Empfängern. Die Antragsgegnerin werde über die Kosten der Unterkunft unverhältnismäßig zur Finanzierung einer Ausbildung herangezogen.

Die Antragsgegnerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 19. Dezember 2007 aufzuheben und den Eilantrag des Antragstellers zurückzuweisen.

Der Antragsteller hat sich nicht weiter geäußert.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakte der Antragsgegnerin verwiesen, der Gegenstand der Entscheidungsfindung durch den Senat war.

II.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

Nach § 86 b Abs. 2 S. 2 SGG kann das Gericht einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit, das heißt die Notwendigkeit der vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund), sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 S. 3 SGG i.V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung (ZPO). Die zu treffende Eilentscheidung kann, wie das Bundesverfassungsgericht betont hat, sowohl auf eine Abwägung der Folgen je nach Ausgang des Verfahrens als auch alternativ auf eine Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gestützt werden. Im Vordergrund steht für den Senat dabei die Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache, ergänzt um das Merkmal des Anordnungsgrundes, um unterschiedliche Entscheidungen im Eil- und Hauptsacheverfahren zu vermeiden. Droht einem Beteiligten eine nicht wieder gut zu machende Grundrechtsbeeinträchtigung, wie dies im Streit um laufende Leistungen der Grundsicherung für Arbeitslose regelmäßig der Fall ist, da der existenzminimale Lebensbedarf für die kaum je absehbare Dauer des Hauptsacheverfahrens bei ablehnender Entscheidung nicht gedeckt ist, dann ist das Gericht verpflichtet, die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern im Rahmen des im einstweiligen Rechtsschutzverfahren Möglichen abschließend zu prüfen (BVerfG Beschluss vom 12. Mai 2005, 1 BvR 569/05 – info also 2005, 166).

Der Anordnungsanspruch ergibt sich aus § 22 Abs. 7 SGB II. Danach erhalten Auszubildende, die Leistungen (u.a.) nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) beziehen und deren Bedarf sich - unter anderem - nach § 12 Abs. 1 Nr. 2 BAföG bemisst, "abweichend von § 7 Abs. 5 SGB II" einen Zuschuss zu ihren ungedeckten angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung (§ 22 Abs. 1 Satz 1). Diese Voraussetzungen sind zugunsten des Antragstellers, der Leistungen gemäß § 12 Abs. 1 Ziffer 2 BAföG bezieht und dessen Mutter seitens der Antragsgegnerin nur die auf sie entfallenden Kosten der gemeinsamen Unterkunft gemäß SGB II erhält, unstreitig erfüllt, denn die Kosten seines Wohnanteils sind nicht gedeckt. Ungedeckt ist dabei der von der Antragsgegnerin selbst bezifferte und vom SG im angefochtenen Beschluss genannte Betrag in Höhe von 284,73 EUR. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin sind hierauf weder das Kindergeld, noch fiktive Erwerbseinnahmen oder ein im BAföG nach Ansicht der Antragsgegnerin enthaltener Unterkunftsanteil anzurechnen; auch der Warmwasseranteil ist nicht abzuziehen.

Soweit die Antragsgegnerin einen im Bafög-Förderbetrag nach ihrer Auffassung enthaltenen "Bafög-Unterkunftsanteil" zur Anrechnung bringt und dies aus § 12 Abs. 3 BAföG folgert, ist hierfür eine gesetzliche Grundlage nicht ersichtlich und setzt sich die Beschwerde nicht mit dem angefochtenen Beschluss auseinander. Zu Recht hat das SG nämlich insoweit darauf abgestellt, dass § 12 Abs. 1 Nr. 2 BAföG im Kontext des § 12 Abs. 3 und § 12 Abs. 2 BAföG zu sehen und der Betrag von 52,- Euro deshalb allein als Anteil des Bedarfs solcher Auszubildender anzusehen ist, die nicht bei ihren Eltern wohnen und denen deshalb vom Gesetz ein höherer Bedarf zuerkannt wird. § 12 Abs. 2 BAföG bemisst im Falle des Besuchs einer Abend-Realschule, wie vorliegend gegeben, den Förderbetrag bei auswärtiger Unterbringung statt mit 348,- EUR mit 417,- EUR und Abs. 3 bestimmt dazu eine Erhöhung um bis zu 64,- EUR, soweit Mietkosten für Unterkunft und Nebenkosten nachweislich einen Betrag von 52,- EUR übersteigen. Damit steht fest, dass der Unterkunftsanteil in Höhe von 52,- EUR aber allein in den Fällen des § 12 Abs. 2 BAföG in der BAföG-Förderung enthalten ist.

Auch soweit die Antragsgegnerin unter Berufung auf eine – allerdings nicht näher bezeichnete – "Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts" sowie den Willen des Gesetzgebers dem Antragssteller eine Erwerbsobliegenheit und insoweit fiktive Erwerbseinnahmen zurechnet, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Eine gesetzliche Grundlage für diese Annahme ist nicht zu erkennen. Im Gegenteil hat der Gesetzgeber in der Begründung zu § 22 Abs. 7 SGB II ausreichend deutlich darauf hingewiesen, dass die Verweisung auf Zuverdienst nur für die besonderen Härtefälle einer Darlehensgewährung möglich sei, wie sie die frühere Rechtslage bereits enthalten habe (BT-Drucks. 16/1410, S. 24 Nr. 21 Buchst. d). Von der Härtefallregelung des § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II weicht § 22 Abs. 7 SGB II aber ausdrücklich ab.

Hinsichtlich der Berücksichtigung des Kindergeldes schließlich hat das SG unter vollinhaltlicher Bezugnahme auf den Beschluss des Hessischen Landessozialgerichts vom 2. August 2007 (L 9 AS 215/07 ER) zu Recht darauf hingewiesen, dass die Berechnungsmethode der Antragsgegnerin die BAföG-Empfänger, welche mit Hilfebedürftigen gemäß dem SGB II in Bedarfsgemeinschaft lebten, gegenüber den übrigen BAföG-Empfängern ohne erkennbaren sachlichen Grund benachteiligen würde, was in Widerspruch zur Normengeschichte des § 21 BAföG stehe. Tatsächlich erfolgte mit dem Gesetz zur Reform und Verbesserung der Ausbildungsförderung – Ausbildungsförderungsreformgesetz (AföRG) vom 19. März 2001 eine umfassende Änderung des BAföG, wobei eine generelle Nichtanrechnung des Kindergeldes beim Einkommen der Eltern an der Spitze stand. Die Novelle bezweckte eine "massive Anhebung der Bedarfssätze", um eine "deutliche Ausweitung des Kreises der Förderberechtigten" zu erzielen, wozu insbesondere die Nichtanrechnung des Kindergeldes führen sollte (vgl. BT-Drucks. 14/4731, S. 1, 2 und 21; vgl. auch Bundesministerium für Gesundheit und soziale Sicherung, Übersicht über das Sozialrecht, Ausgabe 2005, Seite 768). Diese BAföG-Reform ist im Übrigen auch im Zusammenhang mit dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 10. November 1998 (2 BvR 1057/91) und dem Zweiten Gesetz zur Familienförderung vom 16. August 2001 zu sehen, mit welchem die steuerlich für jedes Kind zu berücksichtigenden Freibeträge um einen "Freibetrag für Betreuung und Erziehung oder Ausbildung" zu erweitern waren und von 3.024,- DM auf 5.808,- Euro angehoben wurden. Die zuvor gewährten Ausbildungsfreibeträge nach § 33 a Abs. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) sind darin aufgegangen und letztmals für 2001 zur Anwendung gelangt. Das Bundesverfassungsgericht hat dazu ausgeführt, dass in den bisherigen Freibeträgen ebenso wie den Regelsätzen der Sozialhilfe der besondere kulturelle Bildungsbedarf Heranwachsender nicht ausreichend berücksichtigt werde. Es wäre deshalb mit dem Gedanken des chancengleichen Zugangs zur Bildung, welcher der Ausbildungsförderung generell zugrunde liegt, nach Auffassung des Senats tatsächlich unvereinbar, würde man Kinder, die mit Eltern im Alg-II-Bezug zusammen wohnen, durch die Anrechnung von Kindergeld auf ihre BAföG-Ansprüche schlechter stellen, als andere BAfög-Empfänger. Hierfür spricht auch der Vergleich der BAföG-Förderung mit dem Regelsatz gemäß § 20 Abs. 2 SGB II in Höhe von derzeit 347,- EUR, welchen der Antragsteller ohne seine geförderte Ausbildung beanspruchen könnte. Mit der Regelleistung gemäß § 12 Abs. 1 Ziff. 2 BAföG in Höhe von 348,- Euro wäre er damit einem Leistungsempfänger gemäß SGB II mit einer Differenz von lediglich 1 Euro bei dem Bedarf ohne Kosten der Unterkunft gleichgestellt, obwohl gemäß § 1 BAföG zu seinem Bedarf die für die Ausbildung erforderlichen Mittel zusätzlich zu berücksichtigen sind. Gerade unter Berücksichtigung des gesetzgeberischen Ziels, den Empfängern des Zuschusses gemäß § 22 Abs. 7 SGB II "eine vergleichbar unbelastete Fortführung der Ausbildung" zu ermöglichen, "wie bei Kindern, die den Wohnkostenanteil selbst tragen können" (BT-Drucks. 16/1410, S. 21), verbietet sich nach Ansicht des Senats deshalb die Anrechnung des Kindergelds. Die entgegenstehende Auffassung des LSG-Baden-Württemberg im Beschluss vom 21. Februar 2008 (L 7 AS 403/08 ER – B) überzeugt den Senat schon wegen ihres immanenten Widerspruchs nicht: Wenn das LSG Baden-Württemberg nämlich einerseits darauf hinweist, dass eines der Ziele des Ausbildungsförderungsreformgesetzes eine deutliche Ausweitung der Förderungsberechtigten nach dem BAföG durch die Neuregelung der Einkommensfreibeträge und die Nichtanrechnung des Kindergeldes gewesen ist, es andererseits aber das Kindergeld auf die ungedeckten Kosten der Unterkunft anrechnet, dann konterkariert das LSG Baden-Württemberg damit im Ergebnis jedenfalls den ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers. Dieser wollte es durch die Nichtanrechenbarkeit gemäß der Novellierung des § 21 BAföG nämlich ausdrücklich auch vermeiden, dass durch künftige Anhebungen beim Kindergeld eine Verringerung der BAföG-Förderung eintritt. Da das Kindergeld in Fällen fehlender Einkommenssteuerpflicht, wie dies beim Bezug von Alg II oder BAföG regelmäßig gegeben ist, gemäß § 31 Satz 2 EStG vollständig als Förderung wirkt und eben kein Steuerfreibetragssurrogat ist, hat der Gesetzgeber deshalb nach Auffassung des erkennenden Senats im Gegensatz zu jener des LSG Baden-Württemberg tatsächlich auch auf der Bedarfs- und nicht der Einkommensseite angesetzt, welche für das Kindergeld als Freibetragssurrogat relevant wäre. Der erkennende Senat hält auch den weiteren Schluss des LSG Baden-Württemberg nicht für zwingend, wenn dieses auf die gesetzliche Klarstellung des § 19 Satz 2 SGB II hinweist, dass der Zuschuss gemäß § 22 Abs. 7 SGB II kein Alg II darstellt, und dazu ausführt, dies wäre nicht nötig gewesen, wenn der Zuschuss gesetzlich keine den Lebensunterhalt sichernden Leistungen darstellen sollte. Dem hält der erkennende Senat entgegen, dass aus dieser Klarstellung vielmehr umgekehrt erst recht zu ersehen ist, dass die speziell für BAföG-Empfänger geschaffene Zuschussregelung von den Alg-II-Regelungen im Einzelnen ausgenommen bleiben sollte. Die Nichtanrechnung des Kindergeldes auf Ansprüche nach dem BAföG gemäß § 21 Abs. 3 BAföG beinhaltet zudem nicht nur die Anerkennung eines zusätzlichen, spezifisch durch die Bildungserfordernisse gegebenen Bedarfs, sondern unterstreicht auch das Bemühen um prinzipielle Chancengleichheit in der Bildung zwischen Kindern unterschiedlicher Schichten (hierzu vgl. zuletzt Lenze, Anne, die Verfassungsmäßigkeit eines einheitlichen und der Besteuerung unterworfenen Kindergeldes, Hans Böckler-Stiftung, Arbeitspapier 151, Düsseldorf 2008, Seite 54 ff.).

Der Senat folgt dem angefochtenen Beschluss des SG auch insoweit, als er den Abzug einer Warmwasserpauschale bei summarischer Betrachtung ebenfalls für rechtswidrig hält.

Nach allem erweist sich der angefochtene Beschluss als zutreffend und überzeugend, weshalb der erkennende Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf diesen ergänzend Bezug nimmt (vgl. § 153 Abs. 2 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Diese Entscheidung ist endgültig (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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