L 9 AS 91/08 B ER

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
9
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 29 AS 33/08 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 9 AS 91/08 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gießen vom 26. Februar 2008 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Gründe:

I.

Die hilfebedürftige Antragstellerin begehrt die Übernahme der tatsächlichen Kosten der Unterkunft, die ihr aus einer gemeinschaftlich mit der ebenfalls hilfebedürftigen Antragstellerin des Verfahrens L 9 AS 90/08 B ER angemieteten 84 qm großen Wohnung entstehen. Die tatsächlichen monatlichen Mietkosten der streitbefangenen Wohnung betragen 447,38 EUR (kalt und ohne Nebenkosten); die Nebenkosten einschließlich Heizung betrugen 107 EUR und wurden ausweislich der Angaben der Antragstellerin im Weiterbewilligungsantrag (März 2008) um 8 EUR monatlich erhöht. Das Warmwasser wird durch einen Boiler erzeugt. Nachdem die Antragsgegnerin im Jahr 2006 die vorher in vollem Umfang übernommenen Unterkunftskosten nur noch teilweise übernommen hatte (nach Aufforderung vom 21. Oktober 2005, die Miete auf 325 EUR zu senken), beantragten die Antragstellerin und ihre Mitbewohnerin am 27. August 2007 gemeinsam die vollständige Übernahme der Unterkunftskosten in Höhe von 554,38 EUR monatlich für ihre 2-Personen-Wohngemeinschaft. Mit Bescheid vom 31. August 2007 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag ab. Den hiergegen eingelegten Widerspruch vom 15. September 2007 wies die Antragsgegnerin mit Widerspruchsbescheid vom 10. April 2008 zurück unter Hinweis auf den zwischenzeitlich ergangenen Änderungsbescheid vom 19. November 2007 (232,10 EUR für Unterkunft und Heizung). Ferner legte die Antragstellerin Widerspruch gegen den folgenden Bewilligungsbescheid vom 31. August 2007 hinsichtlich der Höhe der Unterkunftskosten ein.

Mit Bescheiden vom 4. April 2008 hat die Antragsgegnerin 238,50 EUR monatlich für Unterkunft und Heizung bewilligt, und zwar einerseits für die Zeit vom 1. November 2007 bis zum 30. April 2008 und andererseits für die Zeit vom 1. Mai 2008 bis zum 31. Oktober 2008. Ferner wurde der Regelsatz in Höhe von 347 EUR monatlich bewilligt. Damit wurde die bisherige Bewilligung der Kosten der Unterkunft und Heizung um 6,40 EUR monatlich erhöht und damit der bisherige Abzug für Warmwasser aufgegeben. Mit Bescheid vom 23. April 2008 hat die Antragsgegnerin die Bewilligung für Unterkunft und Heizung um 4 EUR auf 242,50 EUR erhöht (entsprechend der Hälfte der Nebenkostenerhöhung). Der Antragstellerin verbleibt somit eine Unterdeckung bei den Unterkunftskosten in Höhe von 38,69 EUR monatlich, deren vorläufige Deckung sie im vorliegenden Verfahren begehrt. Die Heizkosten und sonstigen Nebenkosten werden damit in vollem Umfang übernommen.

Am 9. Januar 2008 hat die Antragstellerin bei dem Sozialgericht Gießen den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel der vollständigen Übernahme der Unterkunftskosten beantragt, da sie über keine Barmittel mehr verfüge und ihr Konto im Soll stehe. Nach den Richtlinien der Antragsgegnerin würden für eine alleinstehende Person eine Nettomiete von 245 EUR, Betriebskosten von 40 EUR und Heizkosten von 67,50 EUR als angemessen erachtet, so dass ihre eigenen Mietkosten angemessen seien. Es liege auch weder eine Bedarfsgemeinschaft noch eine Haushaltsgemeinschaft, sondern lediglich eine Wohngemeinschaft vor. Die Antragsgegnerin habe auch wohlweislich nicht darauf verwiesen, dass eine kostengünstigere Unterkunft bezogen werden könne. Denn bei Auszug aus der Wohngemeinschaft und Gründung eines Ein-Personen-Haushaltes entstehe ein zu bezahlender höherer Unterkunftsbedarf. Die Antragsgegnerin hat im Wesentlichen vorgetragen, dass nach den nunmehr geänderten Dienstanweisungen sich die Mietobergrenzen zwar grundsätzlich nach der Personenzahl der Wohn- bzw. Haushaltsgemeinschaft orientiere, dass in besonderen Fällen jedoch der Richtwert der nächsten Stufe für eine zusätzliche Person zu berücksichtigen sei. Diese Ausnahmeregelung sei zugunsten der Antragstellerin angewandt worden, da es sich um eine Wohngemeinschaft handele. Mit Beschluss vom 26. Februar 2008 hat das Sozialgericht Gießen den Antrag abgelehnt und u. a. ausgeführt, die Angemessenheit der Netto-Mietaufwendungen für den Ort XY. sei in den Richtlinien des Wetteraukreises mit 245 EUR für einen Alleinstehenden, mit 325 EUR für zwei Personen und mit 370 EUR für drei Personen auf nicht zu beanstandender Datenbasis zutreffend festgelegt worden. Eine Wohngemeinschaft sei wie eine Bedarfsgemeinschaft zu behandeln, weshalb sich bei zwei Personen ein Anspruch jeder Person auf 167,50 EUR ergebe. Die im Einzelnen aufgeführte hierzu ergangene Rechtsprechung überzeuge nicht, soweit sie zu abweichenden Ergebnissen gelange. Denn die Wohngemeinschaft sei bezüglich der Kosten der Unterkunft wie eine Bedarfsgemeinschaft zu behandeln. Auch bei der Bedarfsgemeinschaft finde eine Einsparung durch gemeinsames Wohnen statt. Eine fiktive Berücksichtigung als Einzelhaushalt für jedes Mitglied der Wohngemeinschaft führe zu einer Überversorgung in Höhe des durch das gemeinsame Wohnen eingesparten Anteils. Aus den Verwaltungsvorschriften ergebe sich kein weitergehender Anspruch der Antragstellerin (wird näher ausgeführt). Die Höhe der Nebenkosten sei nicht umstritten, da die Antragsgegnerin die tatsächlichen Kosten in voller Höhe übernehme. Ein tatsächlicher oder pauschalierter Abzug für Warmwasserkosten dürfe nicht vorgenommen werden, da diese über die Stromrechnung aus der Regelleistung bestritten würden. Da der gewährte Zuschuss höher sei als die angemessene Nettomiete zuzüglich der tatsächlichen Nebenkosten bestehe kein Anspruch auf eine darüber hinausgehende Leistung.

Gegen den am 29. Februar 2008 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 28. März 2008 Beschwerde eingelegt. Zur Begründung hat sie ihre bisherigen Ausführungen wiederholt und vertieft.

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Gießen vom 26. Februar 2008 aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, ab Januar 2008 vorläufig weitere Unterkunftskosten in Höhe von 38,69 EUR monatlich zu gewähren.

Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin trägt vor, sie habe bereits zugunsten der Antragstellerin die Mietobergrenzen für einen Haushalt für drei Personen bei der Berechnung zugrunde gelegt und damit berücksichtigt, dass bei einer Wohngemeinschaft, aufgrund der nicht so engen Bindung, wie sie bei einer Bedarfsgemeinschaft oder bei einer Haushaltsgemeinschaft mit familiärem Hintergrund bestehe, ein gewisser höherer Raumbedarf bestehen könne. Darüber hinaus liege eine unangemessene Überversorgung vor. Sie werte seit März 2006 die Wohnungsanzeigen der örtlichen Presse im Kreisgebiet aus. In den verschiedenen Kategorien seien 1.930 Wohnungen angeboten worden (Stand 9. Mai 2008), die alle im Bereich der angemessenen Mieten gelegen hätten. Dies zeige, dass es Wohnungsangebote in ihrem Zuständigkeitsgebiet zu den als angemessen erachteten Mietpreisen gebe.

Die Antragsgegnerin hat die genannten Wohnungsangebote in Listenform, sowie die Tabellen der Mietobergrenzen des Wetteraukreises vom 1. Januar 2005 und vom 1. Oktober 2007 vorgelegt.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten Bezug genommen.

Der Berichterstatter hat am 15. Mai 2008 einen Erörterungstermin durchgeführt. Auf das Protokoll wird insoweit Bezug genommen.

II.

Die gemäß § 172 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte sowie gemäß § 173 SGG form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig, jedoch unbegründet.

Das Sozialgericht hat den zulässigen Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht in vollem Umfang abgelehnt.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG – kann eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis getroffen werden, wenn dies zur Abwehr wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dies setzt voraus, dass das Bestehen eines zu sichernden Rechts (Anordnungsanspruch) und die besondere Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) glaubhaft gemacht werden (§ 86b Abs. 2 Satz 3 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).

Die Antragstellerin hat hinsichtlich der begehrten Übernahme der vollständigen Unterkunftskosten (streitig ist nur die Nettomiete hinsichtlich eines Spitzbetrages von 38,69 EUR) einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht.

Laufende Leistungen für die Unterkunft werden nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB 2) in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht. Übersteigen die Aufwendungen für die Unterkunft den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang, sind sie als Bedarf der Bedarfsgemeinschaft solange zu berücksichtigen als es diesen Personen nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate (§ 22 Abs. 1 Satz 3 SGB 2). Bei der Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für eine Unterkunft (§ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB 2) ist – im Hinblick auf die Aufgabe der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes, nur den notwendigen Bedarf sicherzustellen – nicht auf den jeweiligen örtlichen Durchschnitt aller gezahlten Mietpreise, sondern auf die im unteren Bereich der für vergleichbare Wohnungen am Wohnort des Leistungsempfängers marktüblichen Wohnungsmieten abzustellen und auf dieser tatsächlichen Grundlage eine Mietpreisspanne zu ermitteln. Die angemessene Höhe der Unterkunftskosten ist als Produkt aus der für den Leistungsempfänger abstrakt angemessenen Wohnungsgröße und dem nach den örtlichen Verhältnissen angemessenen Mietzins pro qm zu ermitteln ("Produkttheorie"). Dabei muss gewährleistet sein, dass nach der Struktur des örtlichen Wohnungsbestandes die Hilfeempfänger tatsächlich die Möglichkeit haben, mit den als angemessen bestimmten Beträgen eine bedarfsgerechte und menschenwürdige Unterkunft anmieten zu können. Ist bzw. war dem Leistungsempfänger im Bedarfszeitraum eine andere bedarfsgerechte und kostengünstigere Wohnung konkret nicht verfügbar und zugänglich, sind die Unterkunftskosten in tatsächlicher Höhe zu übernehmen (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. Beschlüsse vom 13. Dezember 2005 – L 9 AS 48/05 ER –, vom 8. März 2006 – L 9 AS 59/05 ER –, vom 21. März 2006 – L 9 AS 124/05 ER – vom 5. Dezember 2006 – L 9 AS 123/06 ER –, vom 2. Januar 2007 – L 9 AS 247/06 ER –, vom 9. Juli 2007 – L 9 AS 166/07 ER und vom 4. Dezember 2007 – L 9 AS 114/07 ER jeweils m.w.N.). Der Senat befindet sich insoweit in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 27. November 1986 – 5 C 2/85 – BVerwGE 75, 166; Urteil vom 7. Mai 1987 – 5 C 36/85BVerwGE 77, 232; Urteil vom 31. August 2004 – 5 C 8/04NJW 2005, 310; Urteil vom 28. April 2005 – 5 C 15/04 –), der sich auch das Bundessozialgericht angeschlossen hat (Urteil vom 7. November 2006 – B 7b AS 18/06 R –).

Die absoluten Aufwendungen für die Unterkunft werden wesentlich durch die Wohnfläche der Unterkunft geprägt. Dabei kann die berücksichtigungsfähige Wohnfläche anhand der Kriterien der Förderungswürdigkeit im sozialen Wohnungsbau nach den hierfür geltenden Vorschriften (§ 5 Wohnungsbindungsgesetz i.V.m. § 27 Abs. 1 bis 5 Wohnraumförderungsgesetz entsprechend) beantwortet werden. Nach Nr. 4.2.1 der Richtlinien zur Sozialen Wohnraumförderung vom 20. Februar 2003 (StAnz. S. 1346), geändert durch die Richtlinien vom 19. Januar 2004 (StAnz. S. 628), ist eine Wohnungsgröße für eine Person bis 45 qm, für zwei Personen bis 60 qm und für jede weitere Person 12 qm angemessen (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. Beschlüsse vom 13. Dezember 2005, vom 8. März 2006, vom 21. März 2006, vom 5. Dezember 2006 und vom 2. Januar 2007 s.o., jeweils m.w.N.). Dass die Richtlinien des sozialen Wohnungsbaus zur Bemessung der angemessenen Größe einer Wohnung herangezogen werden dürfen, hat das Bundessozialgericht bestätigt (Urteil vom 7. November 2006 – B 7b AS 18/06 R –).

Es ist dabei zunächst Sache des Leistungsträgers, die Angemessenheit von Mietaufwendungen für eine Unterkunft unter Berücksichtigung des vorhandenen Wohnraums im unteren Bereich zu ermitteln. Dabei kann sich der Leistungsträger auf örtliche Mietspiegel stützen oder andere Erkenntnisquellen verwenden, z.B. Mietpreisübersichten des Verbandes Deutscher Makler oder anderer privater Organisationen, Auswertungen der Wohnungsangebote in den lokalen Zeitungen, Erkenntnisse des Wohnungsamtes oder andere nachvollziehbar dokumentierte Erfahrungswerte (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 14. September 2001 – 12 A 4923/99FEVS 53, 563; Gerenkamp in: Mergler/Zink, SGB II, Stand: Oktober 2004, § 22 Rdnr. 10). Ergibt sich danach, dass die Unterkunftskosten des Hilfeempfängers als angemessen einzustufen sind, sind diese in tatsächlicher Höhe zu übernehmen. Überschreiten die Aufwendungen für die Unterkunft den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang, ist es Sache des Hilfeempfängers, im Einzelnen darzulegen und glaubhaft zu machen, dass er sich ernsthaft und intensiv um eine andere bedarfsgerechte und kostengünstigere Wohnung bemüht hat und es ihm trotz seiner Bemühungen nicht möglich gewesen ist, eine solche Wohnung zu finden. Hat der Hilfeempfänger ausreichende erfolglose Bemühungen dargelegt und glaubhaft gemacht, sind die Unterkunftskosten in tatsächlicher Höhe zu übernehmen. Gleiches gilt, wenn der Leistungsträger zur Angemessenheit von Mietaufwendungen für eine Unterkunft keine Ermittlungen anstellt oder die Ermittlungen des Leistungsträgers die Beurteilung der Angemessenheit der Unterkunftskosten nicht zulassen. Denn die Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts ist Aufgabe des Leistungsträgers (§ 20 SGB 10). Die Anwendung der Wohngeldtabelle nach § 8 Wohngeldgesetz zur Bestimmung der Angemessenheit der Mietaufwendungen kommt erst dann in Betracht, wenn alle anderen Erkenntnismöglichkeiten ausgeschöpft sind (BSG, Urteil vom 7. November 2006 – B 7b AS 18/06 R –). Soweit die Antragsgegnerin der Antragstellerin und ihrer Mitbewohnerin – ausgehend von der Angemessenheit einer 72 qm großen Wohnung – nach ihrer vorgelegten Tabelle der Mietobergrenzen im Wetteraukreis vom 1. Oktober 2007 monatlich 370 EUR bzw. für AB. 430 EUR zubilligt, hätten diese dafür im streitbefangenen Zeitraum eine bedarfsgerechte und menschenwürdige Unterkunft anmieten können. Die von der Antragsgegnerin vorgelegten Auswertungen der örtlichen Zeitungsinserate für Mietwohnungen seit März 2006 bis einschließlich 9. Mai 2008 zeigen, dass Wohnungen am derzeitigen Wohnort der Antragstellerin und Umgebung zu dem von der Antragsgegnerin für angemessen erachteten Netto-Mietpreis (kalt) für eine bis 72 qm große Wohnung bis 370 EUR bzw. in AB. bis 430 EUR in nennenswerter Anzahl auf dem Wohnungsmarkt vorhanden sind. Dabei hat der erkennende Senat eine für die Suche angemessenen Wohnraums zumutbare Entfernung vom bisherigen Wohnort bis zu 15 km bereits in seinen Beschlüssen vom 23. Juli 2007 (L 9 AS 91/06 ER) und vom 4. Dezember 2007 (s. o.) festgestellt. Ferner hat der erkennende Senat bereits entschieden (Urteil vom 12. März 2007 – L 9 AS 260/06), dass bei der Prüfung der Verfügbarkeit von angemessenem Wohnraum nicht nur Wohnungen mit exakt der angemessenen Größe (hier nach der Verwaltungspraxis der Antragsgegnerin 72 qm) in Betracht kommen, sondern auch bis zu 10 qm kleinere Wohnungen zumutbar sind (im dortigen Fall einer Alleinstehenden 35 qm statt 45 qm), für die Antragstellerin und ihre Mitbewohnerin also Wohnungen zwischen 62 und 72 qm bis zu 15 km Entfernung. Soweit in der Auflistung der Antragsgegnerin Wohnungen mit 73 qm enthalten sind, dürfen auch diese als nur geringfügig größer in die zumutbaren Wohnungen einbezogen werden, soweit sie im Rahmen der von der Antragsgegnerin zugestandenen Gesamtmietkosten bleiben. Damit kämen in Frage in A-Stadt selbst die Wohnungen mit den Nrn. 485, 520, 557, 670, 675, 735, 800, 922, 978, 982, 1247, in O.-Stadt die Wohnungen mit den Nrn. 160, 225, 257, 355, 401, in R-Stadt die Wohnungen mit den Nrn. 931, 989, 1415, in W-Stadt die Wohnungen mit den Nrn. 421, 488, 544, 1269, 1502, 1557, 1777, 1795, und in AB. die Wohnungen mit den Nrn. 90, 235, 280, 573, 587, 798, 806, 918, 1050, 1186, 1216, 1251, 1254, 1307, 1308, 1333, 1413, 1429, 1697. Die tatsächlichen Unterkunftskosten sind auch nicht für einen vorübergehenden Zeitraum in voller Höhe zu übernehmen. Nach § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB 2 sind, soweit die Aufwendungen für die Unterkunft den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sie als Bedarf der Personen einer Bedarfsgemeinschaft anzuerkennen, solange es diesen Personen nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Die Antragstellerin bewohnt mit ihrer Mitbewohnerin die unangemessen teure Wohnung bereits seit längerem und erhält seit 2006 keine Leistungen in Höhe der tatsächlichen Kosten. Für die Einräumung einer Übergangsfrist (im streitbefangenen Zeitraum) besteht daher im vorliegenden Fall keine Grundlage. Die Antragstellerin hat sich auch nicht darauf berufen bzw. glaubhaft gemacht, dass sie nicht in der Lage gewesen sei, eine angemessene Wohnung zu den von der Antragsgegnerin zugrunde gelegten Beträgen anzumieten. Soweit die Antragstellerin die Auffassung vertritt, dass ihr für die Netto-Kaltmiete ein Anspruch auf einen höheren Betrag zustehe – ausgehend von den angemessenen Mietkosten eines Ein-Personen-Haushaltes – für A-Stadt in Höhe von 245 EUR - kann sich der Senat dem nicht anschließen. Der erkennende Senat ist in seinem Beschluss vom 14. Februar 2007 (L 9 AS 29/07 ER) in einem obiter dictum ("zur Glaubhaftmachung des Anspruchs auf Bewilligung weiterer Unterkunftskosten weist der Senat auf folgende Gesichtspunkte hin") von einer Gleichbehandlung der Bedarfs-, Haushalts- und Wohngemeinschaft hinsichtlich der angemessenen Wohnungsgröße ausgegangen und hat bei zwei Personen eine Wohnungsgröße von 60 qm als angemessen erachtet, allerdings ohne im dort zu entscheidenden Fall eine Klärung darüber herbeigeführt zu haben, ob zwischen dem Antragsteller und seiner Mitbewohnerin eine Bedarfs- oder eine Haushalts- oder eine Wohngemeinschaft bestanden hat. Im Beschluss vom 27. Dezember 2005 (L 9 AS 89/05 ER) ist der Senat bei einer Bedarfsgemeinschaft aus Mutter und minderjährigem Kind, die mit der (querschnittsgelähmten) Schwester der Mutter in einer häuslichen Gemeinschaft lebten (88 qm), von einem angemessenen Unterkunftsbedarf für drei Personen von 72 qm ausgegangen und hat der zweiköpfigen Bedarfsgemeinschaft zwei Drittel der hierauf entfallenden Kosten zugesprochen. Dabei wurde die im vorliegenden Fall oben angesprochene Frage allerdings nicht problematisiert. Soweit das Sozialgericht auf das Urteil des erkennenden Senates vom 12. März 2007 (L 9 AS 108/05) hinweist, ist dort das Bestehen einer eheähnlichen Gemeinschaft verneint, jedoch das Bestehen einer zweiköpfigen Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft in einer 3-Zimmer-Wohnung (in S-Stadt ohne Angabe der Wohnfläche) festgestellt und der Klägerin u. a. die Hälfte der Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 260 EUR zugesprochen worden.

Das Urteil des LSG Schleswig-Holstein vom 14. September 2006 (L 6 AS 6/06, Revision anhängig unter B 14/11b AS 61/06 R) geht zwar folgerichtig von der Produkttheorie aus (s. o.), zieht jedoch keine Konsequenzen aus der abweichend gewählten Wohnform einer Wohngemeinschaft. So kann schon bei Betrachtung des angemessenen Mietzinses nicht von dem für einen Alleinstehenden zugrunde zu legenden Durchschnittsmietzins (des unteren Drittels) der teureren kleinen Wohnungen ausgegangen werden, da die tatsächlichen Kosten einer unter mehreren Alleinstehenden aufgeteilten großen Wohnung (gemessen am Mietzins pro qm) geringer sind. Anderenfalls würde dies dazu führen, dass mehrere Hilfebezieher, die sich in einer Wohngemeinschaft organisieren, pro Person in Hessen nicht nur 45 qm Wohnraum anmieten könnten, sondern sogar noch 10 bis 20 % mehr (also 50 bis 55 qm) entsprechend dem Verhältnis des angemessenen Durchschnittsquadratmeterpreises von kleinen Wohnungen zu großen Wohnungen. Das würde in seiner Konsequenz bedeuten, dass etwa vier alleinstehende Hilfebezieher mit öffentlichen Mitteln in einer Wohngemeinschaft eine Wohnung oder ein Haus von 200 bis 225 qm finanzieren könnten, während einer vergleichbaren Familie lediglich 84 qm Wohnraum zugestanden würden. Aber auch eine Vergleichsberechnung mit entsprechender Verringerung der angemessenen Kosten pro qm (auf den angemessenen qm-Preis der angemessenen großen Gemeinschaftswohnung) würde nur dazu führen, dass in Hessen vier hilfebedürftige Alleinstehende eine Wohnung oder ein Haus mit 180 qm (4 x 45 qm) aus öffentlichen Mitteln bewohnen könnten und eine vierköpfige Familie mit 84 qm noch nicht einmal die Hälfte davon. Es liegt also auf der Hand, dass der Ansatz der angemessenen Wohnungsgröße für Alleinstehende von 45 qm in einer Wohngemeinschaft nicht dem hilferechtlichen Wohnbedarf entsprechen kann. Das Sozialgericht Lüneburg hat in seinem Beschluss vom 4. Juni 2007 (S 30 AS 618/07 ER) beim Vorliegen einer Wohngemeinschaft von zwei Personen – ausgehend von der in Niedersachsen für eine Person geltenden Höchstwohnfläche von 50 qm – einen Abzug von 10 qm pro Person für angemessen gehalten, um so die Vorteile einer Wohngemeinschaft (gemeinschaftlich genutzte Räume) auszugleichen. Ausgangspunkt dieser Überlegung sind die Richtlinien über die soziale Wohnraumförderung in Niedersachsen (Runderlass vom 27. Juni 2003, Ndsmbl. 2003, S. 580, 582). Auch wenn in Hessen keine entsprechende Regelung in den Richtlinien zur sozialen Wohnraumförderung vom 20. Februar 2003 (StAnz. S. 1346) in der Fassung vom 19. Januar 2004 (StAnz. S. 628) existiert, könnte der Rechtsgedanke eines entsprechenden Abzuges von der angemessenen Wohnfläche angewandt werden. Dies würde bei Übertragung auf Hessen im vorliegenden Fall zu einer für die Antragstellerin und ihre Mitbewohnerin angemessenen Wohnfläche von 70 qm führen (Höchstwohnfläche für einen Alleinstehenden 45 qm abzüglich 10 qm x 2 Personen) und läge damit noch knapp unterhalb dessen, was die Antragsgegnerin zugestanden hat. Würde allerdings berücksichtigt, dass ein Abzug von 10 qm bei 50 qm einem Anteil von 20 % entspricht, würde bei 45 qm und einem Abzug von 20 % der Wohnfläche (= 9 qm) eine Wohnfläche von 36 qm pro Person verbleiben, entsprechend der der Antragstellerin und ihrer Mitbewohnerin von der Antragsgegnerin zugestandenen Wohnfläche von 72 qm. Dieser Lösungsvorschlag würde für die Antragstellerin jedenfalls zu keinem höheren Anspruch auf Unterkunftskosten führen. Es braucht jedoch die Frage, ob zwei in einer Wohngemeinschaft lebenden Einzelpersonen ebenso wie eine zweiköpfige Bedarfsgemeinschaft Anspruch auf Unterkunftskosten auf der Basis von 60 qm oder bis zu 72 qm haben, letztendlich im vorliegenden Verfahren nicht entschieden zu werden, da die Antragsgegnerin bereits Leistungen für 72 qm gewährt. Einen darüber hinausgehenden Anspruch vermag der erkennende Senat nicht zu sehen, da durch den Zuschlag von 12 qm für zwei Personen dem unterschiedlichen Wohnbedarf von zwei Einzelpersonen in einer Wohngemeinschaft, wenn ein solcher anerkannt würde, gegenüber dem Wohnbedarf einer wesentlich enger zusammen gehörigen Bedarfsgemeinschaft ausreichend Rechnung getragen wird.

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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