L 5 R 144/07

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 8 R 100/05
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 5 R 144/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. § 96a SGB VI ist, sofern er die Anrechnung von Erwerbsersatzeinkommen auf eine Rente wegen Erwerbsminderung normiert, nicht verfassungswidrig.

2.Die Zugrundelegung des Bemessungsentgelts nach § 96a Abs 3 Satz 3 SGB VI verstößt weder gegen Art. 14 GG noch Art 3 Abs 1 GG (Anschluss an BSG, Urteil vom 31. Januar 2008 - B 13 R 23/07 R).

3. Ein Gleichheitsverstoß ist auch nicht darin zu sehen, dass Arbeitnehmer ihr Nettoeinkommen durch Steuerabschreibungsmöglichkeiten mindern können, was dem Empfänger von Lohnersatzleistungen nicht möglich ist.
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Kassel vom 26. März 2007 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Aufhebung und Rückforderung von gewährter Berufsunfähigkeitrente wegen der Anrechnung eines Hinzuverdienstes des Klägers streitig.

Durch gerichtlichen Vergleich vom 17. Juni 2003 wurde ein Rechtsstreit zwischen den Beteiligten über die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente vor dem Hessischen Landessozialgericht (L 2 RJ 550/02) in der Gestalt beendet, dass sich die Beklagte bereit erklärte, dem Kläger ab 1. August 2003 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu gewähren. Durch Ausführungsbescheid vom 17. Juli 2003 bewilligte die Beklagte dem Kläger Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung ab dem 1. August 2003 in Höhe von monatlich 407,02 Euro ausgehend vom Vergleich vom 17. Juni 2003 vorbehaltlich einer Beschäftigungsaufgabe zum 31. Juli 2003. In der Anlage 19 zum Bescheid vom 17. Juli 2003 wurde auf die monatlichen Hinzuverdienstgrenzen hingewiesen sowie darauf, dass diese auch dann gelten würden, wenn an Stelle von Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen ein Anspruch auf bestimmte Sozialleistungen bestehe. Weiterhin wurde dort darauf hingewiesen, dass für die Höhe des anzurechnenden Hinzuverdienstes nicht die Sozialleistung selbst, sondern das dieser Leistung zugrunde liegende monatliche Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen maßgebend sei. Ferner wurde dort ausgeführt, das der Kläger gesetzlich verpflichtet sei, die Aufnahme oder Ausübung einer über diesen Rahmen hinausgehenden Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit bzw. den Bezug oder die Beantragung einer der genannten Sozialleistungen unverzüglich der Beklagten mitzuteilen. Durch Bescheid vom 31. Juli 2003 berechnete die Beklagte die Rente auf Grund des Hinzutritts einer weiteren Pflichtbeitragszeit neu. Ab dem 1. August 2003 wurden dem Kläger monatlich 411,48 Euro bewilligt, wobei erneut auf die bestehenden Hinzuverdienstgrenzen sowie die in kraft Gesetzes bestehende Mitteilungspflichten des Klägers hingewiesen wurden. Nachdem der Beklagten im Januar 2004 bekannt wurde, dass der Kläger seit dem 1. Juli 2003 Arbeitslosengeld bezog (Bewilligungsbescheid vom 11. Juli 2003 der Bundesagentur für Arbeit), stellte sie diesbezüglich weiter Ermittlungen an mit dem Ergebnis, dass dem Arbeitslosengeld ein wöchentliches Bemessungsentgelt in Höhe von 520,00 Euro zu Grunde gelegen hatte.

Mit Anhörungsschreiben vom 17. März 2004 hörte die Beklagte den Kläger zur beabsichtigten Aufhebung des Bescheides vom 17. Juli 2003 und 31. Juli 2003 für die Vergangenheit des Inhaltes an, dass das der Berechnung des Arbeitslosengeldes des Klägers zu Grunde liegende Arbeitsentgelt ab Rentenbeginn die zulässige Verdienstgrenze überschritten habe, weshalb ein Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nicht bestanden habe. Dadurch sei in der Zeit vom 1. August 2003 bis zum 29. Februar 2004 eine Überzahlung in Höhe von insgesamt 2.880,36 Euro entstanden, weshalb die Beklagte ab 1. März 2004 die Rentenzahlung eingestellt habe.

Durch Bescheid vom 14. April 2004 hob die Beklagte die Bescheide vom 17. Juli 2003 und vom 31. Juli 2003 wegen des Überschreitens der zulässigen Hinzuverdienstgrenze nach § 96 a SGB VI für die Zeit ab 1. August 2003 nach § 45 SGB X insoweit auf, als die Rente in voller Höhe ruhe. Des Weiteren wurde festgestellt, dass in der Zeit vom 1. August 2003 bis zum 29. Februar 2004 eine Überzahlung in Höhe von 2.880,36 Euro entstanden sei. Dieser Betrag sei nach § 50 SGB X zurückzuerstatten.

Seine Widersprüche vom 5. April 2004 sowie 29. April 2004 begründete der Kläger damit, dass sich aus dem Rentenbescheid vom 17. Juli 2003 eine Hinzuverdienstgrenze von mindestens 1.262,30 Euro ergebe, wobei es sich nach verständiger Würdigung nur um den Verdienst handeln könne, der tatsächlich auch erzielt werde. Da der Kläger tatsächlich nur 920,00 Euro im Monat erhalte, liege sein Verdienst eindeutig unter der Hinzuverdienstgrenze. Nachdem die Beklagte erneut über die Rechtslage des § 96 a SGB VI aufgeklärt hatte, wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 25. Januar 2005 den Widerspruch mit der wesentlichen Begründung zurück, dass bei der Bestimmung der Hinzuverdienstgrenze nach § 96 a Abs. 2 SGB VI dem anzurechnenden Arbeitsentgelt nach § 96 a Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 der Bezug der in § 18 a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB IV genannten Sozialleistungen gleichstehe, zu dem auch das Arbeitslosengeld gehöre. Als Hinzuverdienst sei das der Sozialleistung zugrundeliegende Arbeitsentgelt oder das Arbeitseinkommen zu berücksichtigen.

Die Klage vom 21. Februar 2005 hat das Sozialgericht Kassel durch Gerichtsbescheid vom 26. März 2007 mit der Begründung abgewiesen, dass § 96 a Abs. 3 Satz 3 SGB VI auf Grund seines klaren Wortlautes keine Auslegungsprobleme beinhalte und klar sei, das der Gesetzgeber mit dieser Vorschrift beabsichtigt habe, Versicherte, deren Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit wegen eines Hinzuverdienstes gekürzt wird, nicht besser gestellt würden, wenn an die Stelle des Arbeitsentgeltes eine kurzfristige Lohnersatzleistung trete. Gegen die Berechnung der Hinzuverdienstgrenzen habe das Gericht keine Bedenken, da der Kläger bereits im Bewilligungsbescheid vom 17. Juli 2003 auf die Rechtsfolgen bei Erzielung von Hinzuverdienst hingewiesen worden sei. Auch unter Berücksichtigung der Vertrauensgesichtspunkte des § 45 Abs. 2 SGB X lägen keine Gründe vor, warum die Beklagte nach § 45 Abs. 1 SGB X die Bewilligungsbescheide nicht entsprechend habe zurücknehmen können. Die Beklagte habe in ihrem Bescheid vom 14. April 2004 auch ausreichend deutlich gemacht, dass sie von dem ihr eingeräumten Ermessens Gebrauch gemacht habe und eine Abwägung zwischen den Interessen der Allgemeinheit und denen des Klägers vorgenommen habe.

Gegen den am 30. März 2007 bei dem Prozessbevollmächtigen des Klägers eingegangenen Gerichtsbescheid hat dieser durch seine Prozessbevollmächtigen Berufung beim Hessischen Landessozialgericht am 26. April 2007 eingelegt.

Der Kläger macht im Wesentlichen geltend, dass die Regelung, wonach für die Hinzuverdienstgrenze nicht die tatsächlich erhaltene Lohnersatzleistung, sondern das dieser zugrundeliegende Bemessungsentgelt maßgeblich sei, gegen Artikel 3 des Grundgesetze verstoße. Hierbei müsste bedacht werden, dass bei denjenigen, die über Einkommen verfügten, Steuerbefreiungstatbestände ermöglichten, das tatsächlich zufließende Einkommen zu reduzieren, was dem Empfänger einer Sozialleistung nicht möglich sei. Dem Arbeitnehmer sei grundsätzlich möglich, seine Steuerlast zu vermindern und zu einem besseren Nettoeinkommen zu gelangen, was bei einem Arbeitslosengeldempfänger nicht möglich sei. Dies habe auch das Bundessozialgericht in seinen letzten Entscheidungen nicht berücksichtigt.

Der Kläger beantragt (sinngemäß),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Kassel vom 26. März 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 14. April 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Januar 2005 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie sieht sich durch die erstinstanzliche Entscheidung des Sozialgerichts Kassel sowie die zwischenzeitliche ergangene Rechtsprechung des Bundessozialgerichts in ihrer Auffassung bestätigt.

Beide Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten auch im Vorbringen der Beteiligen wird auf die Gerichtsakte sowie auf die Verwaltungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, nachdem sich die Beteiligten mit dieser Vorgehensweise einverstanden erklärt haben (§ 153 Abs. 1 in Verbindung mit § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).

Die Berufung ist zulässig; sie ist form- und fristgerecht eingelegt sowie an sich statthaft (vgl. §§ 143, 151 SGG).

Die Berufung ist jedoch sachlich nicht begründet. Das angefochtene Urteil ist zu Recht ergangen. Der Bescheid der Beklagten vom 14. April 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Januar 2005 ist rechtmäßig.

Die Klage ist als Anfechtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 SGG statthaft und zulässig. Der Kläger wendet sich mit seinem Begehren (§ 123 SGG) gegen die teilweise Entziehung des bewilligten Rentenzahlbetrages.

Ermächtigungsgrundlage für die teilweise Aufhebung der Bescheide vom 17. Juli 2003 sowie 31. Juli 2003 ist § 45 Abs. 1 Sozialgesetzbuch – Zehntes Buch – (SGB X). Danach darf ein Verwaltungsakt, der einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig ist auch nachdem er unanfechtbar geworden ist nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

Die Bescheide vom 17. Juli 2003 sowie 31. Juli 2003 sind rechtswidrig gemäß § 96 a SGB VI.

Nach § 96 a Abs. 1 SGB VI in der hier ab 1. Januar 2002 maßgeblichen Fassung wird eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nur geleistet, wenn das für denselben Zeitraum erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen aus einer Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit die in Abs. 2 genannten, auf einen Monat bezogenen Beträge nicht übersteigt, wobei ein zweimaliges Überschreiten um jeweils einen Betrag bis zur Höhe der Hinzuverdienstgrenze nach Abs. 2 im Laufe eines Kalenderjahres außer Betracht bleibt. Die Höhe der Hinzuverdienstgrenze ist in Abs. 2 der Vorschrift geregelt. Nach Abs. 3 der Vorschrift stehen bei der Feststellung eines Hinzuverdienstes, der neben einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung erzielt wird, dem Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen gleich der Bezug u.a. der in § 18 a Abs. 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch – (SGB IV) genannten Sozialleistung. Als Erwerbsersatzeinkommen ist dort u.a. auch das Arbeitslosengeld aufgeführt. Nach § 96 a Abs. 3 Satz 3 SGB VI ist als Hinzuverdienst das der Sozialleistung zu Grunde liegende monatliche Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu berücksichtigen.

Vorliegend war die Rente des Klägers gemäß § 96 a Abs. 2 und 3 SGB VI wegen Zusammentreffens mit Hinzuverdienst nicht zu zahlen, weil die zulässige Hinzuverdienstgrenze überschritten worden ist. Diese betrug bei Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung für die Zeit ab 1. August 2003 in den alten Bundesländern maximal 1.789,74 Euro; diese hat der Kläger auf Grund Bezugs von Arbeitslosengeld in Höhe eines Bemessungsentgelts von 520,00 Euro - wöchentlich (entspricht 2.253,33 Euro/Monat) überschritten. Somit errechnete sich eine Überzahlung in Höhe von 2.880,36 Euro. Die Berechnung der Höhe der Überzahlung ist unter den Beteiligten nicht streitig

Im Gegensatz zur Rechtsmeinung des Klägers scheitert die Rückforderung nicht daran, dass die Neufeststellung der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung mit der Anrechnung des Hinzuverdienstes rechtswidrig wäre, weil die Anrechnung von Arbeitslosengeld nach § 96 a Abs. 3 Satz 1 SGB VI überhaupt bzw. hinsichtlich der Höhe auf der Grundlage nicht in dessen tatsächlicher Höhe auf der Grundlage des Bemessungsentgelts nach § 96 a Abs. 3 Satz 3 SGB VI gegen die Verfassung verstieße.

§ 96 a Abs. 3 SGB VI wurde durch Art. 1 Nr. 52 des Rentenreformgesetzes 1999 (RRG 1999) vom 16. Dezember 1997 (BGBl. I 2998) mit Wirkung ab 1. Januar 1999 eingeführt (Geltung auf das Jahr 2000 erweitert durch das Gesetz zu Korrekturen in der Sozialversicherung und zur Sicherung der Arbeitnehmerrechte vom 19. Dezember 1998, BGBl. I 3843; Geltung ab 2001 bestätigt durch das Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20. Dezember 2000, BGBl. I 1827). Satz 1 Nr. 4 der Vorschrift regelt, dass bei der Feststellung des Hinzuverdienstes, der neben einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung oder einer Rente für Bergleute erzielt wird, dem Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen u.a. gleichsteht der Bezug der weiteren in § 18 a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB IV genannten Sozialleistungen. Nach letzterer Vorschrift zählt hierzu das Arbeitslosengeld. Nach § 96 a Abs. 3 Satz 3 SGB VI ist als Hinzuverdienst das der Sozialleistung zu Grunde liegende monatliche Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu berücksichtigen.

Die Anrechnung des Erwerbsersatzeinkommens, hier von Arbeitslosengeld, ist als solche nicht verfassungswidrig. Der aus § 96 a SGB VI folgende "Übersicherungseinwand" verstößt weder gegen Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG noch gegen Art. 3 Abs. 1 GG (Bundesverfassungsgericht (BVerfG) Nichtannahmebeschluss vom 14. Juni 2007 - 1 BvR 154/05 -, NVwZ-RR 2007, 685; BSG vom 6. Februar 2007 - B 8 KN 3/06 R -, SozR 4-2600 § 96 a Nr. 9 m.w.N).

Ebenso wenig ist die Zugrundelegung des Bemessungsentgelts nach § 96 a Abs. 3 Satz 3 SGB VI verfassungswidrig. Der 4. Senat des BSG hat zwar offen gelassen, ob die Ausgestaltung der Anrechnung von Erwerbsersatzeinkommen im Einzelnen den Anforderungen der Verfassung entspreche (BSG SozR 3-2600 § 96 a Nr. 1 S. 11 f.). Der 13. Senat des BSG hat jedoch im Urteil vom 20. November 2003 (BSGE 91, 277 = SozR 4-2600 § 96 a Nr. 3) zu erkennen gegeben, dass er keine verfassungsrechtlichen Bedenken sieht, § 96 a Abs. 3 Satz 3 SGB VI anzuwenden (vgl. auch SG Speyer, Urteil vom 14. Januar 2004 - S 7 RJ 115/02 -, veröffentlicht bei Juris; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22. März 2002 - L 4 RA 3322/00 -, veröffentlicht bei Juris). Auch der 5. Senat hat gegen die Zugrundelegung der Bemessungsgrundlage keine grundsätzlichen Bedenken geäußert (BSG, Urteil vom 30. Januar 2002 - B 5 RJ 6/01 R -, veröffentlicht bei Juris). Auch lässt sich aus der Entscheidung des BSG vom 20. November 2003 (BSGE 91, 277 = SozR 4-2600 § 96 a Nr. 3) nichts anderes herleiten, weil hier die Frage, inwieweit bei einer Lohnersatzleistung berücksichtigt werden muss, dass beim Arbeitseinkommen ein zweimaliges Überschreiten der Hinzuverdienstgrenzen außer Acht zu lassen ist, nicht im Streit stand (BSG, Urteil vom 31. Januar 2008, B 13 R 23/07 R – veröffentlicht bei Juris).

Grundsätzlich jedoch ist die Anrechnung der Bemessungsgrundlage statt des Zahlbetrags der Sozialleistung mit dem Grundgesetz vereinbar.

Die Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit unterfällt dem Schutz des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG (vgl. BVerfGE 100, 1, 32 ff. = SozR 3-8570 § 10 Nr. 3). Die konkrete Reichweite dieses Schutzes, insbesondere wenn - wie hier - kein Totalentzug einer Rechtsposition vorliegt, sondern unter Beibehaltung des Rechts auf die Rente lediglich der monatliche Auszahlungsanspruch der Rente modifiziert bzw. auf Null gekürzt wird, ergibt sich aus den Grundsätzen, nach denen der Gesetzgeber Inhalt und Schranken des Eigentums nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG zu bestimmen hat. Das BVerfG nennt hier als Maßstab, dass die Regelung durch Gründe des öffentlichen Interesses unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt sein muss. Dies setzt voraus, dass der Eingriff einen legitimen Zweck verfolgt, das eingesetzte Mittel zur Zweckerreichung geeignet und erforderlich ist und schließlich die Regelung die Betroffenen nicht übermäßig belastet und deshalb für sie nicht unzumutbar ist (BVerfGE 75, 78, 97 f = SozR 2200 § 1246 Nr. 142 m.w.N.). Schrankenbestimmungen müssen also stets dem rechtsstaatlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen (Art. 20 Abs. 1 GG).

Das Gebot des Art. 3 Abs. 1 GG ist vor allem dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie eine gleiche oder ungleiche Behandlung rechtfertigen können (z.B.: BVerfGE 110, 94, 131 m.w.N.). Dem Gesetzgeber kommt eine weite Gestaltungsfreiheit zu. Insbesondere ist ihm gestattet, gerade für den Bereich der im Sozialrecht vorherrschenden Massenverwaltung pauschalierende und typisierende Regelungen zu normieren, selbst wenn dies im Einzelfall zu Härten führen sollte (BVerfGE 100, 59, 80 = SozR 3-8570 § 6 Nr. 3, stRspr.).

Mit der Regelung des Bemessungsentgelts hat der Gesetzgeber bei der Anrechnung von Lohnersatzleistungen auf die Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit einen legitimen Zweck verfolgt. Das gewählte Mittel war unter Beachtung des dem Gesetzgeber eingeräumten Gestaltungsspielraums auch geeignet und erforderlich. Die Änderung des § 96 a SGB VI beruht auf den Beschlüssen des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung (vgl. BT-Drucks. 13/8671, S. 25 f (Art. 1 Nr. 47 a)). Zur Begründung wurde ausgeführt: "Die Änderung stellt sicher, dass ein Versicherter, dessen Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit wegen eines Hinzuverdienstes gekürzt wird, nicht besser gestellt wird, wenn an die Stelle des Arbeitsentgeltes oder Arbeitseinkommens eine kurzfristige Lohnersatzleistung tritt" (vgl. BT-Drucks. a.a.O., S. 118 (zu Nr. 47 a)). Wie die Anrechnung von bestimmten Lohnersatzleistungen überhaupt dient das Abstellen auf das Bemessungsentgelt somit demselben Ziel, bei Hinzuverdienst die Renten wegen Berufsunfähigkeit bzw. wegen Erwerbsminderung derart abzusenken, dass beim Vergleich zum Einkommen vor Eintritt des Versicherungsfalls keine Überversorgung eintritt. Dies ist in erster Linie sozialpolitisch legitimiert (vgl. bereits BSG SozR 4-2600 § 313 Nr. 3) und liegt offenkundig im öffentlichen Interesse. Gemessen an der o.g. Zielsetzung hat der Gesetzgeber mit der Festlegung des Bemessungsentgelts keine übermäßig belastende und damit unverhältnismäßige Regelung getroffen. Denn die Anhebung des tatsächlichen Einkommens (Arbeitslosengeld) auf eine fiktive (höhere) Stufe des dem zu Grunde liegenden Einkommens korrespondiert mit der allgemeinen Absenkung, wenn statt des vorherigen Einkommens nunmehr Arbeitslosengeld bezogen wird. Damit wird verhindert, dass durch den gleichzeitigen Bezug von Arbeitsentgelt und einer als Ersatz für Arbeitsentgelt konzipierten Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit möglicherweise sogar ein höheres Einkommen erzielt wird als vor der Erwerbsminderung. Dies kann nicht als unverhältnismäßig angesehen werden (BVerfG vom 14. Juni 2007, NVwZ-RR 2007, 685). Die Einführung von Hinzuverdienstgrenzen für den Bezug von Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und damit gerade auch die Zugrundelegung von Bemessungsentgelten verfolgt in einer dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechenden Weise den legitimen Zweck, deren Lohnersatzfunktion zu stärken (vgl. BT-Drucks. 13/2590, S. 19). Die Zugrundelegung des Bemessungsentgelts führt nicht automatisch dazu, dass die Rentenzahlungen stets völlig eingestellt werden, sondern nur stufenweise abgesenkt werden. Auch der Vertrauensschutz ist nicht verletzt. Dem Versicherten wird der Versicherungsschutz nicht vollständig entzogen, sein Recht auf Rente bleibt unberührt.

Auch das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG ist nicht verletzt. Der Kläger wird nicht ungleich gegenüber denjenigen Versicherten behandelt, die neben der Rente wegen Erwerbsminderung noch Arbeitsentgelt beziehen. Die Zugrundelegung des Bemessungsentgelts geschieht - wie bereits erwähnt - gerade zu dem Zweck der Gleichbehandlung und soll eine Besserstellung des Klägers durch die Tatsache der Erwerbsminderung gegenüber einem Versicherten, der noch einer Erwerbstätigkeit nachgeht, vermeiden. Wäre nur die tatsächliche Lohnersatzleistung zu Grunde gelegt, würde der Kläger durch die Arbeitslosigkeit besser gestellt, und höhere Rentenleistungen beziehen, als wenn er noch erwerbstätig wäre. Der Bezug einer Rente wegen Erwerbsminderung würde in diesem Falle einen Anreiz bieten, eine neben der Rente ausgeübte Erwerbstätigkeit aufzugeben und in die Arbeitslosigkeit zu gehen (BSG, Urteil vom 31. Januar 2008, B 13 R 23/07 R – veröffentlicht bei Juris).

Nicht zu überzeugen vermag der Einwand des Klägers, dass eine Ungleichbehandlung darin zu sehen sei, dass ein Arbeitsnehmer sein Nettoeinkommen durch entsprechende Steuerabschreibungsmöglichkeiten günstig für ihn beeinflussen könne, was einem Empfänger von Lohnersatzleistungen nicht möglich sei. Hierbei handelt es sich um einen systemimmanenten Unterschied, dessen Ursache alleine im Steuerrecht zu suchen ist. Sofern ein Arbeitnehmer oder ein Selbstständiger in der Lage ist, die Höhe des Nettoeinkommens durch entsprechende Steuerabschreibungsmöglichkeiten zu beeinflussen, handelt es sich fast immer um abzugsfähige Werbekosten, die im unmittelbaren Zusammenhang mit der Erzielung des Einkommens stehen. Nicht zu beanstanden ist, dass der Gesetzgeber von dieser Möglichkeit im Falle des Lohnersatzeseinkommens nicht ausgegangen ist, weil dort entsprechende Abschreibemöglichkeiten nicht bestehen. Insoweit ist zu beachten, dass sich die Höhe des Hinzuverdienstes gemäß § 96 a SGB VI ebenfalls an der Höhe des Bruttoeinkommens orientiert nicht hingegen, wie der Kläger meint, an der Höhe des Nettoeinkommens.

Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist (vgl. § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X). Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Versicherte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann (vgl. § 45 Abs. 2 Satz 2 SGB X). Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit der Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 SGB X), auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X) oder er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X). Nur in den letztgenannten Fällen und bei Vorliegen von Wiederaufnahmegründen analog § 580 ZPO darf der Verwaltungsakt für die Vergangenheit zurückgenommen werden (§ 45 Abs. 4 Satz 1 SGB X).

Nach der Legaldefinition des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 2. Halbsatz SGB X ist grobe Fahrlässigkeit gegeben, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Dies ist dann der Fall, wenn er bereits einfache, ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellt und daher nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss (BSG, Urteil vom 8. Februar 2001, SozR 3-1300 § 45 SGB X Nr. 45 S. 152 ff.; BSGE 62, 32, 35; 42, 184, 187). Bei der Beurteilung der groben Fahrlässigkeit ist nicht von einem objektiven sondern von einem subjektiven Fahrlässigkeitsmaßstab auszugehen (BSG, Urteil vom 9. Februar 2006 – B 7a AL 58/05 R; vgl. auch BSG, Urteile vom 25. April 1990 – 7 RAr 20/89 und vom 24. April 1997 – 11 RAr 89/96). Das Maß der Fahrlässigkeit ist insbesondere nach der persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit, dem Einsichtsvermögen des Beteiligten gemäß dem subjektiven Fahrlässigkeitsbegriff, zu beurteilen (BSGE 35, 108, 112; 44, 264, 273).

Bezugspunkt für das grob fahrlässige Nichtwissen ist die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes und somit das Ergebnis der Tatsachenfeststellung und Rechtsanwendung durch die Behörde; dies folgt aus dem Wortlauf des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X. Hierfür ist jedoch Voraussetzung, dass sich die tatsächlichen oder rechtlichen Mängel aus dem Bewilligungsbescheid oder anderen Umständen ergeben und für das Einsichtsvermögen des Betroffenen ohne weiteres erkennbar sind (s. BSG, Urteil vom 8. Februar 2001, SozR 3-1300 § 45 Nr. 45 S. 153). So darf ein Antragsteller, der zutreffende Angaben gemacht hat, im Allgemeinen nicht zu Gunsten der Fachbehörde gehalten sein, Bewilligungsbescheide des näheren auf die Richtigkeit zu überprüfen, sondern darf davon ausgehen, dass eine Fachbehörde nach den für die Leistungen erheblichen Tatsachen fragt und seine wahrheitsgemäßen Angaben zutreffend umsetzt (BSG a.a.O. S. 154, vgl. auch BVerwGE 92, 81, 84). Zwar sind Sozialleistungsberechtigte grundsätzlich verpflichtet, Bewilligungsbescheide zu lesen und zur Kenntnis zu nehmen, weil ansonsten die Vorschriften über Inhalt, Form, Begründung und Bekanntgabe von Verwaltungsakten gemäß den §§ 31 ff. SGB X nicht verständlich wären (BSG a.a.O. S. 154). Auch entfällt die grobe Fahrlässigkeit nicht bereits dann, wenn die wesentliche Ursache der Unrichtigkeit des Verwaltungsakts bei der Behörde liegt (Steinwedel in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Stand 1. September 2006, § 45 SGB X Rdnr. 40). Einem Leistungsempfänger ist jedoch immer dann grobe Fahrlässigkeit im Rahmen des § 45 Abs. 2 Nr. 3 SGB X vorzuwerfen, wenn der Fehler ihm bei seinen subjektiven Erkenntnismöglichkeiten aus anderen Gründen geradezu in die Augen springt. Dazu muss er aufgrund einfachster und ganz nahe liegender Überlegungen die Rechtswidrigkeit hätte erkennen können (BSGE 62, 103, 107) oder das nicht beachtet haben, was im gegebenen Falle jedem hätte einleuchten müssen (BSG, Urteil vom 12. Februar 1980, SozR 4100 § 152 Nr. 10).

Ausgehend vom erlernten Beruf des Klägers als Elektriker und seines weiteren beruflichen Werdegangs als Selbstständiger im Montagebau, sowie als Hausmeister, Lüftungsbauer und schließlich als Bauhandwerker im Sanierungsbereich, der eine gewisse Wendigkeit und der Tatsache, dass jeweils in der Anlage 19 zum Bescheid vom 17. März 2003 bzw. zum Bescheid vom 31. Juli 2003 die Hinzuverdienstgrenzen mit Angabe des genauen Betrags wiedergegeben sind und dort ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass beim Bezug von Sozialleistungen das zugrundeliegende Bemessungsentgelt maßgeblich ist, musste der Kläger aufgrund einfachster Überlegungen bei Zugang der Bescheide erkennen, dass die Hinzuverdienstgrenze überschritten wurde und er die gezahlten Rentenleistungen deshalb nicht würde behalten dürfen.

Irgendwelche Ermessensfehler bei der Entscheidung der Beklagten waren nicht ersichtlich. Im Übrigen wird auf die Entscheidungsgründe des Sozialgerichts nach § 153 Abs. 2 SGG verwiesen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Saved