L 1 KR 163/04

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Wiesbaden (HES)
Aktenzeichen
S 12 KR 1342/01
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 KR 163/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 3 KR 23/05 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 19. Mai 2004 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger dem Grunde nach zur Künstlersozialabgabe verpflichtet ist.

Der Kläger betreibt seit dem 1. Juli 1994 als Einzelunternehmer unter dem Namen "l. F. R. A." ein Gewerbe, das mit "Beratung in Sachen: Internationale Industrie und Künstler-l." angemeldet ist. Nach seinen eigenen Angaben vermittelt er Künstler in der klassischen Musiksparte gegen Provision an Konzertveranstalter und unterzeichnet gegebenenfalls in Vertretung des abwesenden Künstlers den Konzertvertrag zwischen Veranstalter und Künstler. In den Geldverkehr zwischen Konzertveranstalter und Künstler ist er dabei nicht eingeschaltet.

Mit Bescheid vom 16. März 2001 stellte die Beklagte die Abgabepflicht nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) fest, da der Kläger ein Unternehmen betreibe, dessen wesentlicher Zweck darauf gerichtet sei, für die Aufführung oder Darbietung künstlerischer oder publizistischer Werke oder Leistungen zu sorgen. Die Entscheidung über die grundsätzliche Abgabepflicht sage noch nichts darüber aus, ob auch eine Künstlersozialabgabe zu zahlen sei. Die Feststellung der Abgabepflicht verpflichte den Kläger allerdings zur Abgabe der jährlichen Entgeltmeldungen. Nach Zugang des Meldebogens von der Beklagten wandte sich der Kläger mit Schreiben vom 17. Mai 2001, bei der Beklagten eingegangen am 21. Mai 2001, gegen eine Meldepflicht und wies darauf hin, dass er ausschließlich eine vermittelnde Tätigkeit ausübe. Die Beklagte sah darin einen Antrag auf Überprüfung des Bescheides vom 16. März 2001 gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) und wies diesen mit Bescheid vom 14. Juni 2001 ab, da eine Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 16. März 2001 nicht erkennbar sei. Der hiergegen von dem Kläger erhobene Widerspruch wurde von der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 21. September 2001 zurückgewiesen.

Der Kläger hat am 19. Oktober 2001 Klage zum Sozialgericht Wiesbaden erhoben und weiterhin die Auffassung vertreten, dass er als reiner Vermittler von Künstlern an Konzertveranstalter nicht der Künstlersozialabgabepflicht und damit einer Meldepflicht unterliege. Es sei mit Artikel 2 und Artikel 20 Grundgesetz (GG) nicht vereinbar, dass er als Gewerbetreibender durch eine "abstrakte Abgabepflicht" der Aufsicht bzw. Kontrolle der Beklagten präventiv unterstehe, da bei ihm keine konkrete Abgabepflicht entstehen könne. Auf einen entsprechenden richterlichen Hinweis hat er einen Konzertvertrag vom 16. September 2003 vorgelegt. Die Beklagte ist demgegenüber bei ihrer Rechtsauffassung zur grundsätzlichen Abgabepflicht auch einer rein vermittelnd tätig werdenden Künstleragentur geblieben und hat zur Bestätigung ihres Vorbringens das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 20. April 1994 - 3/12 RK 31/92 - vorgelegt. Mit Urteil vom 19. Mai 2004 hat das Sozialgericht Wiesbaden die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, dass nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, der sich das Hessische Landessozialgericht angeschlossen habe, eine weite Auslegung des Begriffes der Konzertdirektion im Rahmen des § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KSVG erfolge. Der Kläger habe weder dargelegt noch nachgewiesen, dass seine Tätigkeit als Künstlervermittler nicht darauf gerichtet sei, durch Künstlervermarktung inklusive Künstlervertretung bei Vertragsabschluss mit Veranstaltern für die Aufführung von Konzerten zu sorgen. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) sehe zudem die Eingrenzung des Kreises der Beitragspflichtigen als "professionelle Kunstvermarkter" als sachgerecht an.

Gegen dieses, den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 14. Juni 2004 zugestellte Urteil, hat der Kläger am 14. Juli 2004 bei dem Hessischen Landessozialgericht Berufung eingelegt. Zur Begründung nimmt er Bezug auf seinen Vortrag im erstinstanzlichen Verfahren. Ergänzend weist er darauf hin, dass weitere verfassungsrechtliche Bedenken gegen seine Meldepflicht bestünden. In der Bundesrepublik Deutschland existierten eine Fülle von Konzertagenturen und Künstleragenturen, die auch abgabepflichtig, aber der Künstlersozialkasse nicht bekannt seien. Ähnlich wie im Bereich der Zinsbesteuerung liege insoweit nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ein verfassungswidriger Zustand vor, da der Staat nicht in der Lage sei, die Durchsetzung der Abgabepflicht zu gewährleisten.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 19. Mai 2004 sowie die Bescheide der Beklagten vom 16. März 2001 und 14. Juni 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. September 2001 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist nicht begründet.

Die angegriffenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.

Nach § 44 Abs. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig ereist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind.

Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben.

Die Beklagte hat zutreffend die Künstlersozialabgabepflicht des Klägers festgestellt.

Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KSVG 1989 ist ein Unternehmer zur Künstlersozialabgabe verpflichtet, der eine Theater-, Konzert- oder Gastspieldirektion oder ein sonstiges Unternehmen betreibt, dessen Zweck darauf gerichtet ist, künstlerische Werke aufzuführen oder künstlerische Leistungen darzubieten. Gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KSVG in der Fassung des Gesetzes vom 25. September 1996 (BGBI. 1 5. 1491) sind ab dem 1. Januar 1997 Theater-, Konzert- und Gastspieldirektionen sowie sonstige Unternehmen, deren wesentlicher Zweck darauf gerichtet ist, für die Aufführung oder Darbietung künstlerischer oder publizistischer Werke oder Leistungen zu sorgen, abgabepflichtig. Als abgabepflichtig ist dabei auch ein Unternehmen anzusehen, das in Vertretung eines Künstlers beim Vertragsabschluss mit einem Veranstalter zumindest mittelbar dafür sorgt, dass Konzerte veranstaltet werden (BSG, Urteil vom 20. April 1994 - 3/12 RK 31/92 -‚ SozR 3-5425 § 24 Nr. 4; Urteil vom 17. April 1996 - 3 RK 18/95 -‚ SozR 3-5425 § 24 Nr. 14; Urteil vom 16. September 1999 - B 3 KR 7/98 R -‚ 5Gb 1999, 699; Landessozialgericht Bremen, Urteil vom 22. März 1995 - L 1 KR 1/94 -). Dies ist vorliegend, wie das Sozialgericht Wiesbaden in seinen Entscheidungsgründen bereits zutreffend dargestellt hat, der Fall. Der Kläger vermittelt nach seinen eigenen Angaben Künstler gegen Provision an Konzertveranstalter und unterzeichnet dabei gegebenenfalls in Vertretung des abwesenden Künstlers den Konzertvertrag zwischen Veranstalter und Künstler, der mit seinem Logo versehen ist.

Das Betreiben einer unter § 24 KSVG fallenden Unternehmensart löst die Abgabepflicht auch dann aus, wenn die gewählte Betriebsweise keine nach § 25 KSVG abgabepflichtigen Geschäfte umfasst. Insoweit ist streng zwischen grundsätzlicher Abgabepflicht und dem tatsächlichen Entstehen der Abgabeschuld zu trennen. Dies wird aus § 25 Abs. 3 KSVG deutlich. Danach ist Entgelt im Sinne des Absatzes 1 des § 25 KSVG auch der Preis, der dem Künstler oder Publizisten aus der Veräußerung seines Werkes im Wege eines Kommissionsgeschäfts für seine eigene Leistung zusteht. Satz 1 des § 25 Abs. 3 KSVG gilt dabei entsprechend, wenn ein nach § 24 Abs. 1 KSVG zur Abgabe Verpflichteter den Vertrag im Namen des Künstlers oder Publizisten mit einem Dritten oder im Namen eines Dritten mit dem Künstler oder Publizisten abgeschlossen hat oder den Künstler oder Publizisten an einen Dritten vermittelt und für diesen dabei Leistungen erbringt, die über einen Gelegenheitsnachweis hinausgehen, es sei denn, der Dritte ist selbst zur Abgabe verpflichtet. Zwar regelt § 25 Abs. 3 KSVG nicht wie § 24 KSVG die Abgabepflicht dem Grunde nach, sondern die Bemessungsgrundlage für die Abgabe. Sofern zur Bemessungsgrundlage auch die Entgelte aus bestimmten Vertretungsgeschäften mit künstlerischen und publizistischen Werken zählen, muss derjenige, der solche Geschäfte regelmäßig abschließt, auch abgabepflichtiger Unternehmer im Sinne des § 24 KSVG sein (BSG, Urteil vom 20. April 1994, a.a.Q.).

Die Bestimmungen der § 24, 25, 27 KSVG sind auch verfassungsgemäß.

Das durch Artikel 2 Abs. 1 GG geschützte Recht des Klägers auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit wird nicht verletzt. Das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit ist nur in den Schranken des Artikel 2 Abs. 1 2. Halbsatz GG gewährleistet. Es ist nicht verletzt, wenn die Eingriffsnormen formell und materiell verfassungsgemäß sind, insbesondere dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und den rechtsstaatlichen Anforderungen des Vertrauensschutzes entsprechen (BVerfG, Beschluss vom 14. Oktober 1970 — 1 BvR 307/68 -‚ SozR Nr. 7 zu Art. 2 GG, m.w.N.). Das Bundesverfassungsgericht hat dies im Blick auf die wirtschaftliche Handlungsfreiheit der professionellen Vermarkter von Kunst und Publizistik, die durch ihre Professionalität als Vermarkter sachgerecht als abgabepflichtiger Personenkreis abgegrenzt sind, ausdrücklich bejaht (BVerfG, Beschluss vom 8. April 1987 - 2 BvR 909/82 u.a. -‚ SozR 5425 § 1 Nr. 1). Auch bezüglich der Meldepflicht des Klägers gemäß § 27 KSVG kann insoweit nichts anderes gelten. Falls keine Entgelte im Sinne des § 25 KSVG angefallen sind, hat der Kläger eine so genannte 0-Meldung zu erstatten. Diese Belastung des Klägers ist verhältnismäßig. Der Zweck der den Vermarktern auferlegten Künstlersozialabgabe besteht gemäß § 10 KSVG darin, zusammen mit dem Zuschuss des Bundes (34 KSVG) eine Hälfte der für die Versicherung der selbständigen Künstler und Publizisten benötigten Mittel aufzubringen, während die Versicherten selbst durch ihre Beiträge die andere Hälfte dieser Mittel bestreiten müssen. Die Belastung der in § 24 KSVG genannten Vermarkter mit der Künstlersozialabgabe und damit im Vorfeld mit einer Meldepflicht, um diese realisieren zu können, ist geeignet und auch erforderlich, um diesen Zweck zu erreichen. Der Feststellung der Künstlersozialabgabepflicht des Klägers steht auch nicht entgegen, dass von der Beklagten möglicherweise nicht alle Künstleragenturen erfasst und zur Abgabepflicht herangezogen werden. Es gibt vorliegend keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte, sofern sie von den tatsächlichen Umständen Kenntnis erlangt, die Künstlersozialabgabepflicht nach § 24 KSVG nicht durchsetzt oder gar durch Rechtsvorschriften an der Durchsetzung des Rechts gehindert wird. Insoweit liegt in Bezug auf die von dem Kläger vorgebrachten Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts im Steuerrecht ein anderer Sachverhalt vor (vgl. BVerfG, Urteil vom 27. Juni 1991-2 BvR 1493/89-, NJW1991, 2129-2133; BSG, Beschluss vom 24. Februar 2005- B 12 KR 15/04 B ).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 4 SGG i.d.F. des 6. SGG-Änderungsgesetzes vom 17. August 2001 (in Kraft ab 2. Januar 2002), da die Berufung nach Inkrafttreten des 6. SGG-Änderungsgesetzes eingelegt worden ist (vgl. dazu BSG, Urteil vom 8. Juli 2002 - B 3 P 3/02 R -‚ SozR 3-1500 § 164 Nr. 13). Gebühren nach § 197 a SGG waren vorliegend nicht zu erheben. An Stelle von § 197 a SGG gilt § 183 SGG in der bisherigen Fassung, wenn das von § 197 a SGG erfasste Verfahren, wie hier, vor dem 2. Januar 2002 rechtshängig geworden ist. Das Verfahren ist dann in allen Rechtsmittelzügen kostenfrei (vgl. Übergangsregelung nach Art. 17 des 6. SGG-Änderungsgesetzes vom 17. August 2001; Meyer-Ladewig, SGG, 7. Auflage, § 197 a Rdnr. 1).

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen von § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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