Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
5
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 11/24 V 1857/93
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 5 V 147/99 ZVW
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 6. November 1995 wird zurückgewiesen.
II. Der Beklagte hat dem Kläger die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen sämtlicher Instanzen zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Rücknahme eines Bewilligungsbescheides.
Der 1926 geborene Kläger hatte vor seiner vorübergehenden Übersiedlung in die Bundesrepublik Deutschland seinen Wohnsitz in Sarajevo – Bosnien-Herzegowina. Mitte 1944 wurde er durch liegengebliebenes Kriegsmaterial verletzt. Auf seinen Antrag vom 17. März 1988, in dem er u.a. angab, als ziviles Kriegsopfer in seinem Heimatland eine Invalidenrente zu beziehen, erkannte der Beklagte mit Bescheid vom 31. Oktober 1991 den Verlust beider Arme in den Unterarmen, Narben am Brustkorb, am linken Unterarm sowie an beiden Ober- und Unterschenkeln als Schädigungsfolge an und gewährte dem Kläger als "Kannleistung” gemäß § 64 e Abs. 1 bzw. § 64 Abs. 2 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) eine Beschädigtenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 100 v.H. nebst Schwerbeschädigtenzulage der Stufe I und der Pflegezulage der Stufe III ab 1. März 1988. Mit Bescheid vom 7. Februar 1992 wurden Zinsen berechnet. Am 24. April 1992 begab sich der Kläger als Kriegsflüchtling in die Bundesrepublik Deutschland (M.).
Ohne vorherige Anhörung des Klägers nahm der Beklagte den Bewilligungsbescheid unter Hinweis auf § 7 Abs. 2 BVG mit Rücknahmebescheid vom 11. Januar 1993 mit Wirkung ab 1. Februar 1993 zurück. Dieser Bescheid wurde am 13. Januar 1993 abgesandt. Am 30. Januar 1993 ging der Widerspruch des Klägers ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 6. Juli 1993 zurückgewiesen wurde.
Auf die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgericht Frankfurt am Main die angefochtenen Bescheide mit Gerichtsbescheid vom 6. November 1995 aufgehoben. Die Berufung des Beklagten ist erfolglos geblieben (Urteil des Hessischen Landessozialgerichts – HLSG – vom 18.09.1997).
Mit der vom HLSG zugelassenen Revision hat der Beklagte eine Verletzung des § 45 Sozialgesetzbuch – Verwaltungsverfahren – (SGB X) gerügt. Mit Urteil vom 9. Dezember 1998 hat das Bundessozialgericht (BSG) das Urteil des HLSG vom 6. November 1995 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen mit der Maßgabe, zu prüfen, ob die Zwei-Jahresfrist des § 45 Abs. 3 Satz 1 SGB X versäumt sei. Ferner hat es für notwendig erachtet, im Einzelfall zu prüfen, ob der Begünstigte auf dem Bestand des Verwaltungsakts vertraut habe und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig sei. Insoweit sei zu ermitteln, ob und welche Vermögensdispositionen der Begünstigte getroffen habe, in welchen wirtschaftlichen Verhältnissen der Begünstigte nach der Rücknahme des Bewilligungsbescheides lebe und ob außenpolitische Belange der Bundesrepublik Deutschland berührt sein könnten. Ferner hat das BSG ausgeführt, dass zu prüfen sei, ob der Versorgungsanspruch gegen den ausländischen Versorgungsträger auch nach der Übersiedlung des Klägers nach Deutschland fortbestanden habe.
In dem zurückverwiesenen Verfahren hat der Senat daraufhin weitere Ermittlungen bei dem Kläger zur Frage der Bekanntgabe des Bewilligungs- und Rücknahmebescheides sowie hinsichtlich eventueller Vermögensdispositionen und zu seiner wirtschaftlichen Lage durchgeführt. Ferner hat der Senat festgestellt, dass der Kläger im September 1997 in seine Heimat (Sarajewo) zurückgekehrt ist.
Der Kläger trägt vor, dass er den Bewilligungsbescheid etwa Ende November 1991 und den Rücknahmebescheid zwischen dem 14. und 17. Januar 1993 erhalten habe. Die Frage nach besonderen Vermögensdispositionen hat er verneint. Aufgrund der Zerstörung seines Hauses infolge des Bürgerkrieges habe er dringende Anschaffungen wie Möbel und Hauseinrichtungen vornehmen müssen. Eine Hausrenovierung sei dringend erforderlich. Für größere Bankkredite sei keine Möglichkeit da gewesen. Aufgrund der Zurücknahme der Versorgungsrente aus Deutschland seien seine Lebensumstände "fast auf Null herabgesackt”. Er sei gezwungen, "schlechter als ärmlich zu leben”. Er erhalte Altersrente in Höhe von ca. 396,– DM.
Der Beklagte ist der Ansicht, dass ein Vertrauen des Klägers in die bislang zu Unrecht erbrachten Leistungen nicht zu erkennen sei. Insbesondere habe er keine Vermögensdispositionen getroffen, die nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig zu machen wären. Die allgemeine schlechte wirtschaftliche Situation könne nicht berücksichtigt werden.
Der Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 6. November 1995 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Der Senat hat hinsichtlich einer Betroffenheit der außerpolitischen Belange der Bundesrepublik Deutschland beim Auswärtigen Amt ermittelt. Mit Schreiben vom 8. Dezember 1998 (in einem vergleichbaren Verfahren L 5 V 1609/97 ZVW u.a.) hat das Auswärtige Amt mitgeteilt, dass aus außenpolitischer Sicht es gerechtfertigt erscheine, dem Vertrauen des Begünstigten in die Bindungswirkung einer nach mehrjährigem Verfahren zustande gekommenen Entscheidung der Versorgungsverwaltung größeren Wert beizumessen als dem Interesse der Versorgungsverwaltung an der Rechtmäßigkeit der Entscheidung. Eine Entziehung der nach langjährigen Verwaltungsverfahren bewilligten Versorgung wäre nicht nur für den Betroffenen unverständlich, sondern könne die Bundesrepublik Deutschland auch im Ausland der Kritik aussetzen, zivile Opfer des Zweiten Weltkrieges unangemessen zu behandeln. In der beigefügten Stellungnahme der Botschaft Zagreb vom 20. November 1998 hat diese u.a. ausgeführt, dass die Zahlung von Versorgungsleistungen in Kroatien nicht als Einmischung in die inneren Angelegenheiten empfunden werde und der Entzug von Rentenzahlungen im Jahr 1993 zu einer Eingabe des Verbandes zivilen Kriegsinvaliden Kroatien an den Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland geführt habe. In einer Mitteilung vom 14. Dezember 1998 hat die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Ljubljana (Slowenien) u.a. mitgeteilt, dass die Entziehung von Renten an zivile Kriegsopfer zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Ansehens der Bundesrepublik Deutschland in diesem Land geführt habe und weiterhin fuhren könne. Die Botschaft in Mazedonien (Skopje) hat über keine detaillierten Kenntnisse berichtet. Die Botschaft in Sarajevo (Bosnien-Herzegowina) hat u.a. ausgeführt, dass für den Fall, dass in einer größeren Anzahl von Fällen an zivile Kriegsopfer gezahlte Renten wieder entzogen werden würden, eine Belastung der Beziehungen zur Bundesrepublik Deutschland zu befürchten sei. Keine der Botschaften hat darüber berichtet, dass die Zahlung von Renten an zivile Kriegsopfer als eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten dieser Staaten empfunden werde.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die Akte des Bundessozialgerichts und die B-Akte des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung erweist sich auch nach erneuter Prüfung durch den Senat als sachlich unbegründet.
Streitgegenstand der vom Kläger erhobenen Anfechtungsklage ist die Rechtmäßigkeit der durch den Bescheid des Beklagten vom 11. Januar 1993 (in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Juli 1993) verfügten Rücknahme des Bewilligungsbescheides vom 31. Oktober 1991. Rechtsgrundlage für die gerichtliche Prüfung ist, wie das Bundessozialgericht (BSG) in ständiger Rechtsprechung in einer Vielzahl von vergleichbaren Fällen entschieden hat (Urteile vom 05.11.1997 – 9 RV 2/97, 9 RV 28/96 und 9 RV 20/96 – vgl. SozR 3-1300 § 45 Nr. 37), allein § 45 SGB X. Nach dieser Vorschrift darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt (begünstigender Verwaltungsakt – auch soweit es sich, wie vorliegend, um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung handelt), wenn er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 von § 45 SGB X ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit und nur bis zum Ablauf von 2 Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden (§ 45 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 SGB X).
Der Bewilligungsbescheid vom 30. Oktober 1991 ist wegen Verstoßes gegen § 7 Abs. 2 BVG rechtswidrig. Der Senat brauchte die ausländische Rechtslage nicht weiter zu prüfen, da der Kläger sich nur vorübergehend als Kriegsflüchtling in der Zeit von 1992 bis 1997 in der Bundesrepublik Deutschland aufhielt. Entscheidend ist, dass der Kläger grundsätzlich einen Versorgungsanspruch als ziviles Kriegsopfer gegenüber seinem Heimatstaat (Bosnien-Herzegowina) hatte, auch wenn es vorübergehend zu keiner Auszahlung einer Rente von seinem Heimatstaat kam. Er gehörte dennoch zum Versorgungssystem eines ausländischen Staates (vgl. Beschluss des BSG vom 09.01.1996 – 9 BH (V) 6/95).
Der Beklagte hat den Bewilligungsbescheid vom 31. Oktober 1991 auch unter Einhaltung der Zwei-Jahresfrist zurückgenommen, wie das BSG im vorliegenden Fall bereits entschieden hat. Dies ergibt sich daraus, dass der Bewilligungsbescheid vom 31. Oktober 1991 am 26. November 1991 abgesandt worden ist und der Kläger gegen den Rücknahmebescheid vom 11. Januar 1993 bereits am 30. Januar 1993 Widerspruch eingelegt hatte.
Der Beklagte durfte indes den Bewilligungsbescheid vom 31. Oktober 1991 nicht zurücknehmen, weil der Kläger auf den Bestand dieses Bescheides vertraut hat und weil die nach § 45 Abs. 2 SGB X vorzunehmende Abwägung zwischen dem Vertrauen des Klägers und dem Bestand des Bescheides sich als schutzwürdiger erweist als das öffentliche Interesse an der Rücknahme des Bescheides. Die hier erforderliche Abwägung kann vom Gericht in vollem Umfang überprüft werden (Steinwedel, in Kasseler Kommentar, Stand: Dezember 1998, § 45 SGB X Rdnr. 46).
Der Kläger hat nach den vom Senat getroffenen Feststellungen in den Bestand des Bewilligungsbescheides vertraut und hat die ihm gewährten Leistungen im guten Glauben auf die Rechtmäßigkeit des Bescheides unter anderem zum Bestreiten des laufenden Lebensunterhaltes verbraucht, aber keine derart weitreichenden Vermögensdispositionen getroffen, dass deren Rückgängig-Machen bereits alleine als unzumutbar anzusehen wäre. Die weiteren Ermittlungen des Senats haben keine Anhaltspunkte dafür erbracht, dass der Kläger deshalb kein Vertrauen in den Bestand des Bewilligungsbescheides gehabt hätte. Da es zu den Grundsätzen einer rechtsstaatlichen Verwaltung gehört, dass der Empfänger eines Bescheides auf die Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns vertrauen darf (BSG, Urt. vom 14.06.1994 –10 RKg 5/83 – in: SozR 2-1300 § 45 Nr. 9, S. 25 unten; Urt. vom 05.11.1997 – 9 RV 20/96 – in: SozR 3-1300 § 45 Nr. 37), spricht für das Vorliegen eines solchen Vertrauens beim Kläger eine – im Zweifel allerdings auch widerlegliche – Vermutung (BSG, Urt. vom 05.11.1997 a.a.O. unter Hinweis auf Kopp, Verwaltungsverfahrensgesetz – VwVfG – 6. Aufl. 1996, § 48 Rdnr. 55, 56 m.w.N.). Solche Zweifel hat jedoch die Behörde darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, wenn sie den Einwand erhebt, der Begünstigte habe auf den Bestand des Verwaltungsaktes tatsächlich nicht vertraut. Wenn – im Regelfall, wie auch hier im Fall des Klägers – alle Umstände dafür sprechen, dass der Begünstigte in den Bestand des Bescheides vertraut hat, obliegt es nicht ihm, das Bestehen seines Vertrauens selbst unter Beweis zu stellen (Pickel, SGB X, Loseblatt, Stand: Dezember 1998, § 45 Rdnr. 24; Klappstein, in: Knack, VwVfG, 4. Aufl. 1994; § 48 Rdnr. 5.8; Wiesner, in: Schroeder-Printzen, SGB X, 3. Aufl. 1996, § 45 SGB X Rdnr. 16; wohl auch Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 4. Aufl., 1994, § 48 Rdnr. 29; die abweichende Position bei Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, 3. Aufl. 1986, § 62 II 2. aa., ist vereinzelt geblieben und dürfte nach der nunmehr übereinstimmenden Rspr. des Bundesverwaltungsgerichts und des BSG überholt sein).
Schutzwürdig ist dieses Vertrauen des begünstigten Klägers gemäß § 45 Abs. 2 Satz 2 SGB X "in der Regel” (das heißt grundsätzlich immer – von ganz besonderen Ausnahmen abgesehen – aber nicht nur aus den nachfolgend genannten Gründen), soweit er als Leistungsempfänger die Leistungen verbraucht hat oder aber wenn er eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter Inkaufnahme von unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann (und soweit diese Vermögensdisposition nach Erhalt des Bewilligungsbescheides getroffen worden ist, vgl. Steinwedel, a.a.O., § 45 SGB X Rdnr. 48 unter Hinweis auf BSGE 59, 206 = BSG SozR 2-1300 § 45 Nr. 20).
Aus der Formulierung "in der Regel” wird aber nach einhelliger Meinung in der Literatur und der Rechtsprechung geschlossen, dass in diesen beiden Fällen (wobei der Fall des "Verbrauchs” nur – rückwärts gewandt – die Rücknahme eines bestandskräftigen Bescheides für die Vergangenheit betrifft, was vorliegend nicht geschehen ist, während der andere Fall – im Hinblick auf zukünftige Entwicklungen – für die Rücknahme eines begünstigenden Bescheides für die Zukunft und damit hier einschlägig ist) zwar nicht Immer und unter allen Umständen, aber doch in aller Regel ein schutzwürdiges Vertrauen anzuerkennen ist (BSG, Urteile vom 14.06.1984 – 10 RKg 5/83 – und vom 28.11.1985 – 11 b/7 RAr 128/84 – in: SozR 2-1300 § 45 Nrn. 9 u. 20). Dies bedeutet aber auch zugleich, dass damit nicht abschließend alle die Fälle bezeichnet werden, bei denen von einem schutz- und vorzugswürdigen Vertrauen des Begünstigten in den Bestand des Bescheides ausgegangen werden kann. Würde man nur in den Regelfällen des Abs. 2 Satz 2 von § 45 SGB X ein schutzwürdiges Vertrauen anerkennen, hätte dies zur Folge, dass diejenigen Leistungsempfänger, die mutiger und risikobereiter sind als andere, in einer gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßenden Weise zusätzlich begünstigt würden. Wenn sie etwa wegen des Kauf eines Hauses oder einer Wohnung eine schutzwürdige Vermögensdisposition getroffen haben, würde ihnen bei Weitergewährung der Versorgungsbezüge auch noch die Möglichkeit eingeräumt, die Schuldzinsen und Tilgungsleistungen zu zahlen, mit dem Ergebnis, dass sie durch (rechtswidrig bewilligte) Mittel aus dem Bundeshaushalt noch einen zusätzlichen Vermögensvorteil erwerben könnten, während andere, die etwa wegen der Schwere ihrer Schädigungsfolgen eine solche Vermögensdisposition nicht haben treffen können oder wollen, durch den Entzug der Versorgungsleistungen für die Zukunft zusätzlich benachteiligt würden.
Wie das BSG (unter Bezugnahme auf die Begründung des Gesetzesentwurfs, amtlich zu § 48 VwVfG, vgl. BT-Drucksache 8/2034, S. 34 und 7/910, S. 68 f.) weiter ausgeführt hat, muss zusätzlich – soweit nicht ohnedies einer der beiden Regeltatbestände erfüllt ist – geprüft werden, ob aus irgend einem anderen Grund ein schutzwürdiges Vertrauen entstanden ist, bei dem dann aber unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an der Rücknahme des Bescheides geprüft werden muss, ob es vorzugswürdig ist (BSG, Urt. vom 14.06.1984 – 10 RKg 5/83 –, vom 28.11.1985 – 11 b/7 Rar 128/84 – in: SozR 2 1300 § 45 Nr. 9 (S. 25) und Nr. 20 sowie Urt. vom 05.11.1997 – 9 RV 20/96 – in: SozR 3-1300 § 45 Nr. 37).
Dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme eines Bescheides für die Zukunft, wie im vorliegenden Fall, wird dabei ein erhebliches Gewicht beigemessen (vgl. BSG, Urt. vom 25.06.1986 – 9 a RVg 2/84 – in: SozR 2-1300 § 45 Nr. 24). Die nach § 45 SGB X zugelassene Durchbrechung der Bindungswirkung bestandskräftiger Verwaltungsakte (§ 77 Sozialgerichtsgesetz – SGG –) geht von dem Gedanken der Recht- und Gesetzmäßigkeit jeden Verwaltungshandelns aus, der es grundsätzlich verlangt, rechtswidrige Verwaltungsakte zu beseitigen (BSG, Urt. vom 14.11.1984 – 7 RAr 123/84 – in: SozR 2-1300 § 45 Nr. 9; Urt. vom 05.11.1997 a.a.O.). Der Fortbestand eines rechtswidrigen Bewilligungsbescheides hätte zur Folge, dass in der Zukunft aus dem Bundeshaushalt entgegen der Regelung in § 7 Abs. 2 BVG auf Dauer erhebliche Mittel gezahlt werden müssten, obwohl dies nach der seit 1992 bzw. 1993 gefestigten Rechtsprechung des BSG nicht zulässig ist. Dies widerspräche auch den allgemein anerkannten und verbindlich geregelten Grundsätzen einer sparsamen Haushaltsführung (vgl. hierzu z.B. Art. 109 ff. des Grundgesetzes – GG –, insbesondere Art. 109 Abs. 3, 110 und 114 GG sowie § 6 Haushaltsgrundsätzegesetz – HGrG – und §§ 7, 105 Abs. 1 Nr. 2 der Bundeshaushaltsordnung – BHO –). Bei einem Verwaltungsakt, mit welchem – wie hier – dem Begünstigten eine Dauerleistung bewilligt worden ist, die noch für eine erhebliche Zeitspanne weiterzugewähren sein würde, muss deshalb das öffentliche Interesse an der Beseitigung des rechtswidrigen Zustandes in der Regel höher eingeschätzt werden, als etwa bei der Gewährung einer einmaligen Leistung; dem öffentlichen Interesse an einer rechtmäßigen Mittelverwendung hat dann im allgemeinen der Vorrang zu gebühren (BSG, Urteil vom 25.06.1985, SozR 2-1300 § 45 Nr. 24; Urteil vom 05.11.1997, a.a.O., m.w.N. unter anderem mit Hinweis auf BSG SozR 2-1300 § 45 Nrn. 9, 19 und 24). Dem trägt auch die Vorschrift des § 48 Abs. 3 Satz 1 SGB X Rechnung, wonach, wenn ein in rechtswidriger Weise eine Leistung bewilligender Bescheid aus Rechtsgründen nicht mehr zurückgenommen werden kann, die Leistung jedenfalls nicht mehr an zukünftigen Anpassungen teilnimmt, sondern "eingefroren” wird.
Diese gewichtigen öffentlichen Interessen schließen es aber im Einzelfall nicht aus, den Vertrauensschutz des Begünstigten als bedeutsamer anzusehen. Vielmehr muss eine Abwägung zwischen einerseits all den Gesichtspunkten des jeweiligen Einzelfalles stattfinden, welche konkret geeignet sein können, das Vertrauen des Berechtigten in die Bestandskraft des Bescheides zu stärken, und dem dargelegten gewichtigen öffentlichen Interesse an der Rechtmäßigkeit und Sparsamkeit der Verwendung von Mitteln aus öffentlichen Haushalten (vgl. Steinwedel, a.a.O., § 45 SGB Rdnr. 48 f. unter Hinweis auf BSG SozR 2-1300 § 45 Nrn. 19, 20, 24 und 32; BSG, a.a.O. SozR 3-1300 § 45 Nr. 37). Dabei sind allerdings zugunsten des Leistungsempfängers nicht irgendwelche Gesichtspunkte zu berücksichtigen und in die Abwägung einzubeziehen, sondern nur solche, welche geeignet erscheinen können, das Interesse des Betroffenen an und sein Vertrauen in die Bestandskraft des Bescheides zu bestärken (Steinwedel, a.a.O.).
Die öffentlichen Belange sind dann immer als weniger gewichtig zu bewerten, als das Interesse des Berechtigten am Bestand des Bescheides, wenn der Fehler, der zum Erlass eines rechtswidrigen Bescheides geführt hat, ausschließlich von der Verwaltung zu vertreten ist (BSG SozR 2300 § 45 Nrn. 19, 20 und 24; BSG, Urteile vom 05.11.1997 – 9 RV 20/96 – und vom 07.07.1998 – B 5 RJ 58/97 R – vgl. SozR 3-1300 § 45 Nrn. 37 und 38). So liegen die Dinge im vorliegenden Fall: Der Kläger hat alle von ihm verlangten Informationen im einem mehrjährigen Verwaltungsverfahren beschafft und dem Beklagten übermittelt und dabei insbesondere auch von Anfang an ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er in seinem Heimatstaat als ziviles Kriegsopfer anerkannt worden war und deshalb von diesem eine – wenn auch vergleichsweise bescheidene Rente – erhält. Die Verwaltung des Beklagten hat in Kenntnis dieser Tatsachen und Umstände sowie der Rechtslage – wobei insbesondere die Anerkennung des Klägers als ziviles Kriegsopfer in seinem Heimatstaat eine wichtige Bedeutung für die Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen für eine Ermessensentscheidung nach § 8 BVG zugunsten des Klägers hatte – dem Kläger Kann-Versorgung gewährt, obwohl bereits nach einer früheren Entscheidung des BSG (Urt. vom 25.11.1976 – 9 RV 188/75 – in SozR 2-3100 § 7 Nr. 2) durchaus Zweifel an der Zulässigkeit dieser Praxis der Leistungsbewilligung an im Ausland lebende zivile Kriegsopfer angebracht waren. In keiner Weise hat der Kläger diese – durch Richtlinien des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung ("Richtlinien Ost”) ausdrücklich gebilligte – Praxis durch unzutreffende Angaben oder Auskünfte herbeigeführt oder sonst zu vertreten. In der Rechtsprechung des BSG und in der Kommentarliteratur wird allgemein anerkannt, dass ein solcher Umstand bei der Abwägung zugunsten des Leistungsempfängers zu berücksichtigen ist (BSG in: SozR 2-1300 § 45 Nrn. 19, 20 und 24; Urt. vom 05.11.1997 – 9 RV 20/96 – und vom 07.07.1998 – B 5 RJ 58/97 R – in: SozR 3-1300 Nrn. 37 und 38; Steinwedel, a.a.O. § 45 Rdnr. 47; Grüner/Dalichau, a.a.O., Anm. § 45 IV. 3.; Pickel, a.a.O., § 45 Rdnr. 25), wobei zunächst offen bleiben kann, ob man durch diesen Umstand eher das Vertrauen des Klägers in den Bestand des Bescheides gestärkt sehen will, oder aber eine Relativierung des öffentlichen Interesses an der Rücknahme des Bescheides für die Zukunft (insoweit, als das Offenlegen eines solchen Verwaltungsfehlers geeignet ist, das Ansehen der Versorgungsverwaltung und das Vertrauen in eine rechtsstaatlich einwandfreie Verwaltungstätigkeit zu beschädigen, was nicht im öffentlichen Interesse liegt).
Darüber hinaus erfährt das öffentliche Interesse an der Aufhebung des Bewilligungsbescheides aber auch noch unter einem weiteren Gesichtspunkt eine Abschwächung, weil vorliegend auch außenpolitische Belange der Bundesrepublik Deutschland zu berücksichtigen sind. Der Senat hat hierzu das Auswärtige Amt der Bundesrepublik Deutschland als besonders fachkundige Stelle für die Bewertung außenpolitischer Belange und – vermittelt über dieses – die Botschaften der Bundesrepublik Deutschland in allen früheren Teilstaaten der ehemaligen Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien (SFRJ) um eine Auskunft ersucht. In Kenntnis der Stellungnahmen der Botschaft in Zagreb (für die Republik Kroatien), demzufolge dort zwar nicht von erheblichen Unstimmigkeiten in diesem Land berichtet worden war, sowie einer ersten Stellungnahme der Botschaft in Skopje (frühere Sozialistische Republik Mazedonien) hat das Auswärtige Amt bereits die Bewertung abgegeben, dass durch die Entziehung von Versorgungsleistungen öffentliche Belange der Bundesrepublik Deutschland tangiert sein können. Eine Entziehung dieser Leistungen müsste nicht nur für die Betroffenen unverständlich sein, sondern könnte auch zur Folge haben, dass sich die Bundesrepublik im Ausland der Kritik ausgesetzt sehen müsste, zivile Opfer des zweiten Weltkrieges unangemessen zu behandeln. Aus außenpolitischer Sicht könnte es deshalb – so das Auswärtige Amt – gerechtfertigt erscheinen, dem Vertrauen der Betroffenen in den Bestand des nach einem langwierigen Verwaltungsverfahren zustande gekommenen Bewilligungsbescheides größeres Gewicht beizumessen, als dem öffentlichen Interesse an der Aufhebung des Bescheides – auch für die Zukunft.
Diese Bewertung wird durch die Äußerungen der Botschaften der Bundesrepublik Deutschland in Sarajevo (für Bosnien-Herzegowina) und insbesondere in Laibach/Ljubljana (für Slowenien) bestätigt. Nach diesen Auskünften können für die Berücksichtigung der Situation in diesen Ländern und den Umgang mit zivilen Opfern des zweiten Weltkrieges nicht ausschließlich fiskalische Interessen und Grundsätze des (bundesdeutschen) Haushaltsrechts im Vordergrund stehen. Es ist jedenfalls – so insbesondere die Stellungnahme aus Ljubljana – eine erhebliche Beschädigung des Ansehens der Bundesrepublik Deutschland in diesen Staaten zu besorgen. Der Senat hält die Bewertungen des Auswärtigen Amtes und der Botschaften zwar nicht allein für zwingend und ausschlaggebend. Sie machen aber zur Überzeugung des Senats jedenfalls deutlich, dass, über die bereits vorstehend erörterten Aspekte hinaus, ein öffentliches Interesse an der Rücknahme der Bescheide (und damit auch am rechtsstaatlichen Gesetzesvollzug und an der sparsamen Haushaltsführung) weiter relativiert werden muss, weil an einer Beschädigung des Ansehens der Versorgungsverwaltung der Bundesrepublik Deutschland ein öffentliches Interesse nicht erkennbar ist.
Weder in der Republik Bosnien-Herzegowina, wo der Kläger wohnt, noch in einem der anderen ehemaligen Teilstaaten der früheren SFRJ wird die Zahlung von Versorgungsleistungen an zivile Kriegsopfer als eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten dieser nunmehr souveränen Staaten angesehen. Insoweit hat sich die vom BSG geäußerte Besorgnis (Urteile vom 05.11.1997 – 9 RV 20/96 – u.a. sowie im vorliegenden Verfahren Urt. vom 11. März 1998) nicht bestätigt. Dies hat aber auch zur Folge, dass bei der Abwägung des öffentlichen Interesses an der Rücknahme des Bewilligungsbescheides mit den zugunsten des Klägers zu berücksichtigenden Vertrauensschutzgesichtspunkten dem öffentlichen Interesse nur eine erhebliche geringere Bedeutung zugesprochen werden kann.
Demgegenüber sprechen erhebliche und in der Rechtsprechung des BSG immer wieder anerkannte Gesichtspunkte für die Schutzwürdigkeit des Vertrauens des Klägers in den Bestand des Bewilligungsbescheides.
Der Kläger hat dargelegt, dass die Zuerkennung von Versorgungsleistungen für ihn eine einschneidende und dauernde Änderung der Lebensführung aufgrund der Begünstigung ("Vertrauensbetätigung”, vgl. Steinwedel, a.a.O. § 45 SGB X, Rdnr. 47) ermöglicht hat. Sein Vertrauen in den Bestand dieses Bewilligungsbescheides ist zunächst durch ein besonders langwieriges und aufwendiges Verwaltungsverfahren (Dauer: über 3 Jahre) und durch die besonders sorgfältige Durchführung dieses Verwaltungsverfahrens bestärkt worden (BSG, Urt. vom 05.11.1997 – a.a.O.), wobei der Kläger in erheblichem Umfang mitzuwirken hatte, indem umfassende Auskünfte zu erteilen und – beglaubigte – Urkunden vorzulegen waren. Der Kläger musste im Einzelnen den Hergang der Schädigung und die Anerkennung als ziviles Kriegsopfer in seinem Heimatland nachweisen, weshalb bei ihm der (seinerzeit nicht unbegründete) Eindruck entstanden sein musste, dass gerade die Anerkennung als ziviles Kriegsopfer durch seinem Heimatstaat der entscheidende Gesichtspunkt dafür sei, ihn (im Ermessenswege) in den Kreis der Leistungsberechtigten nach dem BVG einzubeziehen. Darüber hinaus wurde der Kläger aufgefordert, umfassend über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu berichten, was geeignet war, den Eindruck zu verstärken, dass die Kann-Leistung nach dem BVG auch nur solchen Personen zukommen sollte, die besonders bedürftig und deshalb oder aus anderen Gründen (wie die Schwere der Beschädigung) auf die Leistungen aus der Bundesrepublik Deutschland in besonders hohem Umfang angewiesen sind. Alle diese, den Ablauf und die Dauer des Verwaltungsverfahrens betreffenden Umstände, waren in hohem Maße geeignet, bei dem im Ausland lebenden, der deutschen Sprache nicht mächtigen und nicht rechtskundigen Kläger, den Eindruck zu erwecken, es werde ihm Gerechtigkeit in einem Verfahren zuteil, in dem alles "mit rechten Dingen” zuging.
Darüber hinaus hat der Beklagte auch nach Erlass des Bewilligungsbescheides dieses beim Kläger entstandene besondere Vertrauen noch dadurch verstärkt, dass er Folgebescheide erlassen hat (vgl. schon BSG, Urt. vom 14.06.1984 in SozR 2-1300 § 45 Nr. 9 sowie BSG, Urt. vom 05.11.1997, a.a.O. – weitergehend als noch bei SozR 2-1300 § 45 Nr. 24). Der Beklagte hat nämlich für den Zeitraum zwischen Antragstellung und Bewilligung die dem Kläger bewilligten Leistungen verzinst (Bescheid vom 7. Februar 1992). Auch hierin liegt ein Verwaltungshandeln, das geeignet war, das Vertrauen des Klägers in die Rechtmäßigkeit und die Bestandskraft des Bewilligungsbescheides weiter zu verstärken und zu vertiefen (Steinwedel, a.a.O., § 45 SGB X Rdnr. 47).
Der Kläger hat für den Senat glaubhaft und nachvollziehbar dargelegt, dass er auf die Versorgungsbezüge aus Deutschland dringend angewiesen ist und dass sich durch die Bewilligung von Versorgungsleistungen aus Deutschland seine Lebensumstände nachhaltig verbessert hatten. Während er zuvor mit eher bescheidenen Einkünften auszukommen gezwungen war und dabei die durch die schwerwiegenden Behinderungen erlittenen Nachteile nicht ausgleichen konnte, ist er durch die Bewilligung der Leistungen nach dem BVG in die Lage versetzt worden, in erheblich verbesserten Lebensumständen zu leben und sich die eine oder andere Vergünstigung, auf die er früher hatte verzichten müssen, leisten zu können. Der Kläger hat im Hinblick auf die Schwere seiner Schädigung, deren Folgen mit einer MdE von 100 v.H. nach dem BVG (nebst Schwerstbeschädigten- und Pflegezulage) zu bewerten sind, für den Senat auch einleuchtend und nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass ihn der Entzug der Leistungen in eine schwierige Lebenslage (zurück-)versetzt hat und weiter zurückversetzen wird. Denn infolge der Streichung der Versorgungsrente lebt er in schlechteren als ärmlichen Verhältnissen. Aufgrund der Zerstörung seines Hauses (Bürgerkrieg) war er überhaupt nicht in der Lage, Vermögensdispositionen wie Kredite zu tätigen. Vielmehr benötigte er die Rente alleine für lebensnotwendige Dinge. Insoweit stellt die Rücknahme der Versorgungsbezüge bewilligende Bescheide eine besondere Härte für den Kläger dar, was auch schon im Rahmen der Interessenabwägung zu seinen Gunsten berücksichtigt werden muss (Wiesner, in: Schroeder-Printzen, SGB X, 3. Aufl. 1996, § 45 Rdnr. 1, 20).
Schließlich muss auch die relative große Zeitspanne zwischen dem Erlass des Bewilligungs- und des Rücknahmebescheides zugunsten des Klägers Berücksichtigung finden: Je später die Rücknahme erfolgt, desto mehr hat sich der Vertrauensschutz "verdichtet” (BSG, Urteil vom 05.11.1997, a.a.O. und passim; Wiesner, a.a.O. Rdnr. 17; auch Grüner/Dalichau, a.a.O., Anm. IV. 3., wo zu Recht daraufhingewiesen wird, dass die Zwei-Jahres-Frist in Abs. 3 von § 45 SGB X zusammen mit den anderen dort genannten Fristen auch als Hinweis dafür gelesen werden kann, dass der Zeitablauf bei der Interessenabwägung Berücksichtigung finden muss).
Bei Abwägung aller dieser Umstände und Gesichtspunkte, die für ein schutzwürdiges Interesse des Klägers am Bestand des Bewilligungsbescheides sprechen, mit den Gesichtspunkten, die das öffentliche Interesse an der Rücknahme des Bescheides rechtfertigen können, kann zur Überzeugung des Senats – wie oben ausgeführt – nicht außer Acht gelassen werden, dass das öffentliche Interesse eine erhebliche Relativierung dadurch erfahren muss, dass der Fehler beim Zustandekommen des Bescheides ausschließlich in der Verantwortung der Versorgungsverwaltung gelegen hat, und dass bei der Rücknahme nunmehr auch in einem nicht zu vernachlässigenden Umfang außenpolitische Belange der Bundesrepublik Deutschland Berücksichtigung finden müssen. Dies muss im Ergebnis dazu fuhren, das uneingeschränkt schutzwürdige Vertrauen des Klägers – auch schon vor Ablauf der Zwei-Jahres-Frist des § 45 Abs. 3 Satz 1 SGB X – höher zu bewerten als das öffentliche Interesse an der Rücknahme. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die zukünftige Belastung des Bundeshaushaltes von Seiten des Beklagten durch den Erlass eines Bescheides gemäß § 48 Abs. 3 SGB X verringert werden kann.
Nach alledem steht zur Überzeugung des Senats als Ergebnis einer Abwägung sämtlicher zu berücksichtigender Umstände fest, dass dem Interesse des Klägers an der Aufrechterhaltung des Bewilligungsbescheides Vorzug gebührt, weshalb das Sozialgericht den Rücknahmebescheid des Beklagten vom 11.01.1993 zu Recht aufgehoben hat.
Im Hinblick darauf, dass der Senat bereits im Rahmen der Interessenabwägung zu dem Ergebnis gelangt ist, dass der Rücknahmebescheid rechtswidrig war und deshalb aufgehoben werden musste, bedurfte es keiner weiteren Erörterung der Frage mehr, inwieweit aus den genannten und evtl. weiteren Gesichtspunkten heraus, noch Raum für eine Ermessensentscheidung von Seiten des Beklagten verblieben ist (vom BSG in seinen Entscheidungen vom 5.11.1997 – 9 RV 20/96 u.a. sowie vom 11.03.1998 – B 9 V 28/97 R – mit der Formulierung offen gelassen, dass insoweit "Ausnahmen denkbar” seien).
Die Berufung des Beklagten musste nach alledem zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 und Abs. 2 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen. Die anlässlich der früheren Entscheidung des Senats noch offene Rechtsfrage, die eine Zulassung der Revision erforderlich gemacht hatte, ist zwischenzeitlich durch eine ständige Rechtsprechung des 9. Senats des BSG jedenfalls für Fallkonstellationen wie der vorliegenden geklärt, weshalb Zulassungsgründe gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
II. Der Beklagte hat dem Kläger die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen sämtlicher Instanzen zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Rücknahme eines Bewilligungsbescheides.
Der 1926 geborene Kläger hatte vor seiner vorübergehenden Übersiedlung in die Bundesrepublik Deutschland seinen Wohnsitz in Sarajevo – Bosnien-Herzegowina. Mitte 1944 wurde er durch liegengebliebenes Kriegsmaterial verletzt. Auf seinen Antrag vom 17. März 1988, in dem er u.a. angab, als ziviles Kriegsopfer in seinem Heimatland eine Invalidenrente zu beziehen, erkannte der Beklagte mit Bescheid vom 31. Oktober 1991 den Verlust beider Arme in den Unterarmen, Narben am Brustkorb, am linken Unterarm sowie an beiden Ober- und Unterschenkeln als Schädigungsfolge an und gewährte dem Kläger als "Kannleistung” gemäß § 64 e Abs. 1 bzw. § 64 Abs. 2 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) eine Beschädigtenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 100 v.H. nebst Schwerbeschädigtenzulage der Stufe I und der Pflegezulage der Stufe III ab 1. März 1988. Mit Bescheid vom 7. Februar 1992 wurden Zinsen berechnet. Am 24. April 1992 begab sich der Kläger als Kriegsflüchtling in die Bundesrepublik Deutschland (M.).
Ohne vorherige Anhörung des Klägers nahm der Beklagte den Bewilligungsbescheid unter Hinweis auf § 7 Abs. 2 BVG mit Rücknahmebescheid vom 11. Januar 1993 mit Wirkung ab 1. Februar 1993 zurück. Dieser Bescheid wurde am 13. Januar 1993 abgesandt. Am 30. Januar 1993 ging der Widerspruch des Klägers ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 6. Juli 1993 zurückgewiesen wurde.
Auf die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgericht Frankfurt am Main die angefochtenen Bescheide mit Gerichtsbescheid vom 6. November 1995 aufgehoben. Die Berufung des Beklagten ist erfolglos geblieben (Urteil des Hessischen Landessozialgerichts – HLSG – vom 18.09.1997).
Mit der vom HLSG zugelassenen Revision hat der Beklagte eine Verletzung des § 45 Sozialgesetzbuch – Verwaltungsverfahren – (SGB X) gerügt. Mit Urteil vom 9. Dezember 1998 hat das Bundessozialgericht (BSG) das Urteil des HLSG vom 6. November 1995 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen mit der Maßgabe, zu prüfen, ob die Zwei-Jahresfrist des § 45 Abs. 3 Satz 1 SGB X versäumt sei. Ferner hat es für notwendig erachtet, im Einzelfall zu prüfen, ob der Begünstigte auf dem Bestand des Verwaltungsakts vertraut habe und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig sei. Insoweit sei zu ermitteln, ob und welche Vermögensdispositionen der Begünstigte getroffen habe, in welchen wirtschaftlichen Verhältnissen der Begünstigte nach der Rücknahme des Bewilligungsbescheides lebe und ob außenpolitische Belange der Bundesrepublik Deutschland berührt sein könnten. Ferner hat das BSG ausgeführt, dass zu prüfen sei, ob der Versorgungsanspruch gegen den ausländischen Versorgungsträger auch nach der Übersiedlung des Klägers nach Deutschland fortbestanden habe.
In dem zurückverwiesenen Verfahren hat der Senat daraufhin weitere Ermittlungen bei dem Kläger zur Frage der Bekanntgabe des Bewilligungs- und Rücknahmebescheides sowie hinsichtlich eventueller Vermögensdispositionen und zu seiner wirtschaftlichen Lage durchgeführt. Ferner hat der Senat festgestellt, dass der Kläger im September 1997 in seine Heimat (Sarajewo) zurückgekehrt ist.
Der Kläger trägt vor, dass er den Bewilligungsbescheid etwa Ende November 1991 und den Rücknahmebescheid zwischen dem 14. und 17. Januar 1993 erhalten habe. Die Frage nach besonderen Vermögensdispositionen hat er verneint. Aufgrund der Zerstörung seines Hauses infolge des Bürgerkrieges habe er dringende Anschaffungen wie Möbel und Hauseinrichtungen vornehmen müssen. Eine Hausrenovierung sei dringend erforderlich. Für größere Bankkredite sei keine Möglichkeit da gewesen. Aufgrund der Zurücknahme der Versorgungsrente aus Deutschland seien seine Lebensumstände "fast auf Null herabgesackt”. Er sei gezwungen, "schlechter als ärmlich zu leben”. Er erhalte Altersrente in Höhe von ca. 396,– DM.
Der Beklagte ist der Ansicht, dass ein Vertrauen des Klägers in die bislang zu Unrecht erbrachten Leistungen nicht zu erkennen sei. Insbesondere habe er keine Vermögensdispositionen getroffen, die nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig zu machen wären. Die allgemeine schlechte wirtschaftliche Situation könne nicht berücksichtigt werden.
Der Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 6. November 1995 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Der Senat hat hinsichtlich einer Betroffenheit der außerpolitischen Belange der Bundesrepublik Deutschland beim Auswärtigen Amt ermittelt. Mit Schreiben vom 8. Dezember 1998 (in einem vergleichbaren Verfahren L 5 V 1609/97 ZVW u.a.) hat das Auswärtige Amt mitgeteilt, dass aus außenpolitischer Sicht es gerechtfertigt erscheine, dem Vertrauen des Begünstigten in die Bindungswirkung einer nach mehrjährigem Verfahren zustande gekommenen Entscheidung der Versorgungsverwaltung größeren Wert beizumessen als dem Interesse der Versorgungsverwaltung an der Rechtmäßigkeit der Entscheidung. Eine Entziehung der nach langjährigen Verwaltungsverfahren bewilligten Versorgung wäre nicht nur für den Betroffenen unverständlich, sondern könne die Bundesrepublik Deutschland auch im Ausland der Kritik aussetzen, zivile Opfer des Zweiten Weltkrieges unangemessen zu behandeln. In der beigefügten Stellungnahme der Botschaft Zagreb vom 20. November 1998 hat diese u.a. ausgeführt, dass die Zahlung von Versorgungsleistungen in Kroatien nicht als Einmischung in die inneren Angelegenheiten empfunden werde und der Entzug von Rentenzahlungen im Jahr 1993 zu einer Eingabe des Verbandes zivilen Kriegsinvaliden Kroatien an den Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland geführt habe. In einer Mitteilung vom 14. Dezember 1998 hat die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Ljubljana (Slowenien) u.a. mitgeteilt, dass die Entziehung von Renten an zivile Kriegsopfer zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Ansehens der Bundesrepublik Deutschland in diesem Land geführt habe und weiterhin fuhren könne. Die Botschaft in Mazedonien (Skopje) hat über keine detaillierten Kenntnisse berichtet. Die Botschaft in Sarajevo (Bosnien-Herzegowina) hat u.a. ausgeführt, dass für den Fall, dass in einer größeren Anzahl von Fällen an zivile Kriegsopfer gezahlte Renten wieder entzogen werden würden, eine Belastung der Beziehungen zur Bundesrepublik Deutschland zu befürchten sei. Keine der Botschaften hat darüber berichtet, dass die Zahlung von Renten an zivile Kriegsopfer als eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten dieser Staaten empfunden werde.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die Akte des Bundessozialgerichts und die B-Akte des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung erweist sich auch nach erneuter Prüfung durch den Senat als sachlich unbegründet.
Streitgegenstand der vom Kläger erhobenen Anfechtungsklage ist die Rechtmäßigkeit der durch den Bescheid des Beklagten vom 11. Januar 1993 (in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Juli 1993) verfügten Rücknahme des Bewilligungsbescheides vom 31. Oktober 1991. Rechtsgrundlage für die gerichtliche Prüfung ist, wie das Bundessozialgericht (BSG) in ständiger Rechtsprechung in einer Vielzahl von vergleichbaren Fällen entschieden hat (Urteile vom 05.11.1997 – 9 RV 2/97, 9 RV 28/96 und 9 RV 20/96 – vgl. SozR 3-1300 § 45 Nr. 37), allein § 45 SGB X. Nach dieser Vorschrift darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt (begünstigender Verwaltungsakt – auch soweit es sich, wie vorliegend, um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung handelt), wenn er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 von § 45 SGB X ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit und nur bis zum Ablauf von 2 Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden (§ 45 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 SGB X).
Der Bewilligungsbescheid vom 30. Oktober 1991 ist wegen Verstoßes gegen § 7 Abs. 2 BVG rechtswidrig. Der Senat brauchte die ausländische Rechtslage nicht weiter zu prüfen, da der Kläger sich nur vorübergehend als Kriegsflüchtling in der Zeit von 1992 bis 1997 in der Bundesrepublik Deutschland aufhielt. Entscheidend ist, dass der Kläger grundsätzlich einen Versorgungsanspruch als ziviles Kriegsopfer gegenüber seinem Heimatstaat (Bosnien-Herzegowina) hatte, auch wenn es vorübergehend zu keiner Auszahlung einer Rente von seinem Heimatstaat kam. Er gehörte dennoch zum Versorgungssystem eines ausländischen Staates (vgl. Beschluss des BSG vom 09.01.1996 – 9 BH (V) 6/95).
Der Beklagte hat den Bewilligungsbescheid vom 31. Oktober 1991 auch unter Einhaltung der Zwei-Jahresfrist zurückgenommen, wie das BSG im vorliegenden Fall bereits entschieden hat. Dies ergibt sich daraus, dass der Bewilligungsbescheid vom 31. Oktober 1991 am 26. November 1991 abgesandt worden ist und der Kläger gegen den Rücknahmebescheid vom 11. Januar 1993 bereits am 30. Januar 1993 Widerspruch eingelegt hatte.
Der Beklagte durfte indes den Bewilligungsbescheid vom 31. Oktober 1991 nicht zurücknehmen, weil der Kläger auf den Bestand dieses Bescheides vertraut hat und weil die nach § 45 Abs. 2 SGB X vorzunehmende Abwägung zwischen dem Vertrauen des Klägers und dem Bestand des Bescheides sich als schutzwürdiger erweist als das öffentliche Interesse an der Rücknahme des Bescheides. Die hier erforderliche Abwägung kann vom Gericht in vollem Umfang überprüft werden (Steinwedel, in Kasseler Kommentar, Stand: Dezember 1998, § 45 SGB X Rdnr. 46).
Der Kläger hat nach den vom Senat getroffenen Feststellungen in den Bestand des Bewilligungsbescheides vertraut und hat die ihm gewährten Leistungen im guten Glauben auf die Rechtmäßigkeit des Bescheides unter anderem zum Bestreiten des laufenden Lebensunterhaltes verbraucht, aber keine derart weitreichenden Vermögensdispositionen getroffen, dass deren Rückgängig-Machen bereits alleine als unzumutbar anzusehen wäre. Die weiteren Ermittlungen des Senats haben keine Anhaltspunkte dafür erbracht, dass der Kläger deshalb kein Vertrauen in den Bestand des Bewilligungsbescheides gehabt hätte. Da es zu den Grundsätzen einer rechtsstaatlichen Verwaltung gehört, dass der Empfänger eines Bescheides auf die Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns vertrauen darf (BSG, Urt. vom 14.06.1994 –10 RKg 5/83 – in: SozR 2-1300 § 45 Nr. 9, S. 25 unten; Urt. vom 05.11.1997 – 9 RV 20/96 – in: SozR 3-1300 § 45 Nr. 37), spricht für das Vorliegen eines solchen Vertrauens beim Kläger eine – im Zweifel allerdings auch widerlegliche – Vermutung (BSG, Urt. vom 05.11.1997 a.a.O. unter Hinweis auf Kopp, Verwaltungsverfahrensgesetz – VwVfG – 6. Aufl. 1996, § 48 Rdnr. 55, 56 m.w.N.). Solche Zweifel hat jedoch die Behörde darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, wenn sie den Einwand erhebt, der Begünstigte habe auf den Bestand des Verwaltungsaktes tatsächlich nicht vertraut. Wenn – im Regelfall, wie auch hier im Fall des Klägers – alle Umstände dafür sprechen, dass der Begünstigte in den Bestand des Bescheides vertraut hat, obliegt es nicht ihm, das Bestehen seines Vertrauens selbst unter Beweis zu stellen (Pickel, SGB X, Loseblatt, Stand: Dezember 1998, § 45 Rdnr. 24; Klappstein, in: Knack, VwVfG, 4. Aufl. 1994; § 48 Rdnr. 5.8; Wiesner, in: Schroeder-Printzen, SGB X, 3. Aufl. 1996, § 45 SGB X Rdnr. 16; wohl auch Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 4. Aufl., 1994, § 48 Rdnr. 29; die abweichende Position bei Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, 3. Aufl. 1986, § 62 II 2. aa., ist vereinzelt geblieben und dürfte nach der nunmehr übereinstimmenden Rspr. des Bundesverwaltungsgerichts und des BSG überholt sein).
Schutzwürdig ist dieses Vertrauen des begünstigten Klägers gemäß § 45 Abs. 2 Satz 2 SGB X "in der Regel” (das heißt grundsätzlich immer – von ganz besonderen Ausnahmen abgesehen – aber nicht nur aus den nachfolgend genannten Gründen), soweit er als Leistungsempfänger die Leistungen verbraucht hat oder aber wenn er eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter Inkaufnahme von unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann (und soweit diese Vermögensdisposition nach Erhalt des Bewilligungsbescheides getroffen worden ist, vgl. Steinwedel, a.a.O., § 45 SGB X Rdnr. 48 unter Hinweis auf BSGE 59, 206 = BSG SozR 2-1300 § 45 Nr. 20).
Aus der Formulierung "in der Regel” wird aber nach einhelliger Meinung in der Literatur und der Rechtsprechung geschlossen, dass in diesen beiden Fällen (wobei der Fall des "Verbrauchs” nur – rückwärts gewandt – die Rücknahme eines bestandskräftigen Bescheides für die Vergangenheit betrifft, was vorliegend nicht geschehen ist, während der andere Fall – im Hinblick auf zukünftige Entwicklungen – für die Rücknahme eines begünstigenden Bescheides für die Zukunft und damit hier einschlägig ist) zwar nicht Immer und unter allen Umständen, aber doch in aller Regel ein schutzwürdiges Vertrauen anzuerkennen ist (BSG, Urteile vom 14.06.1984 – 10 RKg 5/83 – und vom 28.11.1985 – 11 b/7 RAr 128/84 – in: SozR 2-1300 § 45 Nrn. 9 u. 20). Dies bedeutet aber auch zugleich, dass damit nicht abschließend alle die Fälle bezeichnet werden, bei denen von einem schutz- und vorzugswürdigen Vertrauen des Begünstigten in den Bestand des Bescheides ausgegangen werden kann. Würde man nur in den Regelfällen des Abs. 2 Satz 2 von § 45 SGB X ein schutzwürdiges Vertrauen anerkennen, hätte dies zur Folge, dass diejenigen Leistungsempfänger, die mutiger und risikobereiter sind als andere, in einer gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßenden Weise zusätzlich begünstigt würden. Wenn sie etwa wegen des Kauf eines Hauses oder einer Wohnung eine schutzwürdige Vermögensdisposition getroffen haben, würde ihnen bei Weitergewährung der Versorgungsbezüge auch noch die Möglichkeit eingeräumt, die Schuldzinsen und Tilgungsleistungen zu zahlen, mit dem Ergebnis, dass sie durch (rechtswidrig bewilligte) Mittel aus dem Bundeshaushalt noch einen zusätzlichen Vermögensvorteil erwerben könnten, während andere, die etwa wegen der Schwere ihrer Schädigungsfolgen eine solche Vermögensdisposition nicht haben treffen können oder wollen, durch den Entzug der Versorgungsleistungen für die Zukunft zusätzlich benachteiligt würden.
Wie das BSG (unter Bezugnahme auf die Begründung des Gesetzesentwurfs, amtlich zu § 48 VwVfG, vgl. BT-Drucksache 8/2034, S. 34 und 7/910, S. 68 f.) weiter ausgeführt hat, muss zusätzlich – soweit nicht ohnedies einer der beiden Regeltatbestände erfüllt ist – geprüft werden, ob aus irgend einem anderen Grund ein schutzwürdiges Vertrauen entstanden ist, bei dem dann aber unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an der Rücknahme des Bescheides geprüft werden muss, ob es vorzugswürdig ist (BSG, Urt. vom 14.06.1984 – 10 RKg 5/83 –, vom 28.11.1985 – 11 b/7 Rar 128/84 – in: SozR 2 1300 § 45 Nr. 9 (S. 25) und Nr. 20 sowie Urt. vom 05.11.1997 – 9 RV 20/96 – in: SozR 3-1300 § 45 Nr. 37).
Dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme eines Bescheides für die Zukunft, wie im vorliegenden Fall, wird dabei ein erhebliches Gewicht beigemessen (vgl. BSG, Urt. vom 25.06.1986 – 9 a RVg 2/84 – in: SozR 2-1300 § 45 Nr. 24). Die nach § 45 SGB X zugelassene Durchbrechung der Bindungswirkung bestandskräftiger Verwaltungsakte (§ 77 Sozialgerichtsgesetz – SGG –) geht von dem Gedanken der Recht- und Gesetzmäßigkeit jeden Verwaltungshandelns aus, der es grundsätzlich verlangt, rechtswidrige Verwaltungsakte zu beseitigen (BSG, Urt. vom 14.11.1984 – 7 RAr 123/84 – in: SozR 2-1300 § 45 Nr. 9; Urt. vom 05.11.1997 a.a.O.). Der Fortbestand eines rechtswidrigen Bewilligungsbescheides hätte zur Folge, dass in der Zukunft aus dem Bundeshaushalt entgegen der Regelung in § 7 Abs. 2 BVG auf Dauer erhebliche Mittel gezahlt werden müssten, obwohl dies nach der seit 1992 bzw. 1993 gefestigten Rechtsprechung des BSG nicht zulässig ist. Dies widerspräche auch den allgemein anerkannten und verbindlich geregelten Grundsätzen einer sparsamen Haushaltsführung (vgl. hierzu z.B. Art. 109 ff. des Grundgesetzes – GG –, insbesondere Art. 109 Abs. 3, 110 und 114 GG sowie § 6 Haushaltsgrundsätzegesetz – HGrG – und §§ 7, 105 Abs. 1 Nr. 2 der Bundeshaushaltsordnung – BHO –). Bei einem Verwaltungsakt, mit welchem – wie hier – dem Begünstigten eine Dauerleistung bewilligt worden ist, die noch für eine erhebliche Zeitspanne weiterzugewähren sein würde, muss deshalb das öffentliche Interesse an der Beseitigung des rechtswidrigen Zustandes in der Regel höher eingeschätzt werden, als etwa bei der Gewährung einer einmaligen Leistung; dem öffentlichen Interesse an einer rechtmäßigen Mittelverwendung hat dann im allgemeinen der Vorrang zu gebühren (BSG, Urteil vom 25.06.1985, SozR 2-1300 § 45 Nr. 24; Urteil vom 05.11.1997, a.a.O., m.w.N. unter anderem mit Hinweis auf BSG SozR 2-1300 § 45 Nrn. 9, 19 und 24). Dem trägt auch die Vorschrift des § 48 Abs. 3 Satz 1 SGB X Rechnung, wonach, wenn ein in rechtswidriger Weise eine Leistung bewilligender Bescheid aus Rechtsgründen nicht mehr zurückgenommen werden kann, die Leistung jedenfalls nicht mehr an zukünftigen Anpassungen teilnimmt, sondern "eingefroren” wird.
Diese gewichtigen öffentlichen Interessen schließen es aber im Einzelfall nicht aus, den Vertrauensschutz des Begünstigten als bedeutsamer anzusehen. Vielmehr muss eine Abwägung zwischen einerseits all den Gesichtspunkten des jeweiligen Einzelfalles stattfinden, welche konkret geeignet sein können, das Vertrauen des Berechtigten in die Bestandskraft des Bescheides zu stärken, und dem dargelegten gewichtigen öffentlichen Interesse an der Rechtmäßigkeit und Sparsamkeit der Verwendung von Mitteln aus öffentlichen Haushalten (vgl. Steinwedel, a.a.O., § 45 SGB Rdnr. 48 f. unter Hinweis auf BSG SozR 2-1300 § 45 Nrn. 19, 20, 24 und 32; BSG, a.a.O. SozR 3-1300 § 45 Nr. 37). Dabei sind allerdings zugunsten des Leistungsempfängers nicht irgendwelche Gesichtspunkte zu berücksichtigen und in die Abwägung einzubeziehen, sondern nur solche, welche geeignet erscheinen können, das Interesse des Betroffenen an und sein Vertrauen in die Bestandskraft des Bescheides zu bestärken (Steinwedel, a.a.O.).
Die öffentlichen Belange sind dann immer als weniger gewichtig zu bewerten, als das Interesse des Berechtigten am Bestand des Bescheides, wenn der Fehler, der zum Erlass eines rechtswidrigen Bescheides geführt hat, ausschließlich von der Verwaltung zu vertreten ist (BSG SozR 2300 § 45 Nrn. 19, 20 und 24; BSG, Urteile vom 05.11.1997 – 9 RV 20/96 – und vom 07.07.1998 – B 5 RJ 58/97 R – vgl. SozR 3-1300 § 45 Nrn. 37 und 38). So liegen die Dinge im vorliegenden Fall: Der Kläger hat alle von ihm verlangten Informationen im einem mehrjährigen Verwaltungsverfahren beschafft und dem Beklagten übermittelt und dabei insbesondere auch von Anfang an ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er in seinem Heimatstaat als ziviles Kriegsopfer anerkannt worden war und deshalb von diesem eine – wenn auch vergleichsweise bescheidene Rente – erhält. Die Verwaltung des Beklagten hat in Kenntnis dieser Tatsachen und Umstände sowie der Rechtslage – wobei insbesondere die Anerkennung des Klägers als ziviles Kriegsopfer in seinem Heimatstaat eine wichtige Bedeutung für die Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen für eine Ermessensentscheidung nach § 8 BVG zugunsten des Klägers hatte – dem Kläger Kann-Versorgung gewährt, obwohl bereits nach einer früheren Entscheidung des BSG (Urt. vom 25.11.1976 – 9 RV 188/75 – in SozR 2-3100 § 7 Nr. 2) durchaus Zweifel an der Zulässigkeit dieser Praxis der Leistungsbewilligung an im Ausland lebende zivile Kriegsopfer angebracht waren. In keiner Weise hat der Kläger diese – durch Richtlinien des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung ("Richtlinien Ost”) ausdrücklich gebilligte – Praxis durch unzutreffende Angaben oder Auskünfte herbeigeführt oder sonst zu vertreten. In der Rechtsprechung des BSG und in der Kommentarliteratur wird allgemein anerkannt, dass ein solcher Umstand bei der Abwägung zugunsten des Leistungsempfängers zu berücksichtigen ist (BSG in: SozR 2-1300 § 45 Nrn. 19, 20 und 24; Urt. vom 05.11.1997 – 9 RV 20/96 – und vom 07.07.1998 – B 5 RJ 58/97 R – in: SozR 3-1300 Nrn. 37 und 38; Steinwedel, a.a.O. § 45 Rdnr. 47; Grüner/Dalichau, a.a.O., Anm. § 45 IV. 3.; Pickel, a.a.O., § 45 Rdnr. 25), wobei zunächst offen bleiben kann, ob man durch diesen Umstand eher das Vertrauen des Klägers in den Bestand des Bescheides gestärkt sehen will, oder aber eine Relativierung des öffentlichen Interesses an der Rücknahme des Bescheides für die Zukunft (insoweit, als das Offenlegen eines solchen Verwaltungsfehlers geeignet ist, das Ansehen der Versorgungsverwaltung und das Vertrauen in eine rechtsstaatlich einwandfreie Verwaltungstätigkeit zu beschädigen, was nicht im öffentlichen Interesse liegt).
Darüber hinaus erfährt das öffentliche Interesse an der Aufhebung des Bewilligungsbescheides aber auch noch unter einem weiteren Gesichtspunkt eine Abschwächung, weil vorliegend auch außenpolitische Belange der Bundesrepublik Deutschland zu berücksichtigen sind. Der Senat hat hierzu das Auswärtige Amt der Bundesrepublik Deutschland als besonders fachkundige Stelle für die Bewertung außenpolitischer Belange und – vermittelt über dieses – die Botschaften der Bundesrepublik Deutschland in allen früheren Teilstaaten der ehemaligen Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien (SFRJ) um eine Auskunft ersucht. In Kenntnis der Stellungnahmen der Botschaft in Zagreb (für die Republik Kroatien), demzufolge dort zwar nicht von erheblichen Unstimmigkeiten in diesem Land berichtet worden war, sowie einer ersten Stellungnahme der Botschaft in Skopje (frühere Sozialistische Republik Mazedonien) hat das Auswärtige Amt bereits die Bewertung abgegeben, dass durch die Entziehung von Versorgungsleistungen öffentliche Belange der Bundesrepublik Deutschland tangiert sein können. Eine Entziehung dieser Leistungen müsste nicht nur für die Betroffenen unverständlich sein, sondern könnte auch zur Folge haben, dass sich die Bundesrepublik im Ausland der Kritik ausgesetzt sehen müsste, zivile Opfer des zweiten Weltkrieges unangemessen zu behandeln. Aus außenpolitischer Sicht könnte es deshalb – so das Auswärtige Amt – gerechtfertigt erscheinen, dem Vertrauen der Betroffenen in den Bestand des nach einem langwierigen Verwaltungsverfahren zustande gekommenen Bewilligungsbescheides größeres Gewicht beizumessen, als dem öffentlichen Interesse an der Aufhebung des Bescheides – auch für die Zukunft.
Diese Bewertung wird durch die Äußerungen der Botschaften der Bundesrepublik Deutschland in Sarajevo (für Bosnien-Herzegowina) und insbesondere in Laibach/Ljubljana (für Slowenien) bestätigt. Nach diesen Auskünften können für die Berücksichtigung der Situation in diesen Ländern und den Umgang mit zivilen Opfern des zweiten Weltkrieges nicht ausschließlich fiskalische Interessen und Grundsätze des (bundesdeutschen) Haushaltsrechts im Vordergrund stehen. Es ist jedenfalls – so insbesondere die Stellungnahme aus Ljubljana – eine erhebliche Beschädigung des Ansehens der Bundesrepublik Deutschland in diesen Staaten zu besorgen. Der Senat hält die Bewertungen des Auswärtigen Amtes und der Botschaften zwar nicht allein für zwingend und ausschlaggebend. Sie machen aber zur Überzeugung des Senats jedenfalls deutlich, dass, über die bereits vorstehend erörterten Aspekte hinaus, ein öffentliches Interesse an der Rücknahme der Bescheide (und damit auch am rechtsstaatlichen Gesetzesvollzug und an der sparsamen Haushaltsführung) weiter relativiert werden muss, weil an einer Beschädigung des Ansehens der Versorgungsverwaltung der Bundesrepublik Deutschland ein öffentliches Interesse nicht erkennbar ist.
Weder in der Republik Bosnien-Herzegowina, wo der Kläger wohnt, noch in einem der anderen ehemaligen Teilstaaten der früheren SFRJ wird die Zahlung von Versorgungsleistungen an zivile Kriegsopfer als eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten dieser nunmehr souveränen Staaten angesehen. Insoweit hat sich die vom BSG geäußerte Besorgnis (Urteile vom 05.11.1997 – 9 RV 20/96 – u.a. sowie im vorliegenden Verfahren Urt. vom 11. März 1998) nicht bestätigt. Dies hat aber auch zur Folge, dass bei der Abwägung des öffentlichen Interesses an der Rücknahme des Bewilligungsbescheides mit den zugunsten des Klägers zu berücksichtigenden Vertrauensschutzgesichtspunkten dem öffentlichen Interesse nur eine erhebliche geringere Bedeutung zugesprochen werden kann.
Demgegenüber sprechen erhebliche und in der Rechtsprechung des BSG immer wieder anerkannte Gesichtspunkte für die Schutzwürdigkeit des Vertrauens des Klägers in den Bestand des Bewilligungsbescheides.
Der Kläger hat dargelegt, dass die Zuerkennung von Versorgungsleistungen für ihn eine einschneidende und dauernde Änderung der Lebensführung aufgrund der Begünstigung ("Vertrauensbetätigung”, vgl. Steinwedel, a.a.O. § 45 SGB X, Rdnr. 47) ermöglicht hat. Sein Vertrauen in den Bestand dieses Bewilligungsbescheides ist zunächst durch ein besonders langwieriges und aufwendiges Verwaltungsverfahren (Dauer: über 3 Jahre) und durch die besonders sorgfältige Durchführung dieses Verwaltungsverfahrens bestärkt worden (BSG, Urt. vom 05.11.1997 – a.a.O.), wobei der Kläger in erheblichem Umfang mitzuwirken hatte, indem umfassende Auskünfte zu erteilen und – beglaubigte – Urkunden vorzulegen waren. Der Kläger musste im Einzelnen den Hergang der Schädigung und die Anerkennung als ziviles Kriegsopfer in seinem Heimatland nachweisen, weshalb bei ihm der (seinerzeit nicht unbegründete) Eindruck entstanden sein musste, dass gerade die Anerkennung als ziviles Kriegsopfer durch seinem Heimatstaat der entscheidende Gesichtspunkt dafür sei, ihn (im Ermessenswege) in den Kreis der Leistungsberechtigten nach dem BVG einzubeziehen. Darüber hinaus wurde der Kläger aufgefordert, umfassend über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu berichten, was geeignet war, den Eindruck zu verstärken, dass die Kann-Leistung nach dem BVG auch nur solchen Personen zukommen sollte, die besonders bedürftig und deshalb oder aus anderen Gründen (wie die Schwere der Beschädigung) auf die Leistungen aus der Bundesrepublik Deutschland in besonders hohem Umfang angewiesen sind. Alle diese, den Ablauf und die Dauer des Verwaltungsverfahrens betreffenden Umstände, waren in hohem Maße geeignet, bei dem im Ausland lebenden, der deutschen Sprache nicht mächtigen und nicht rechtskundigen Kläger, den Eindruck zu erwecken, es werde ihm Gerechtigkeit in einem Verfahren zuteil, in dem alles "mit rechten Dingen” zuging.
Darüber hinaus hat der Beklagte auch nach Erlass des Bewilligungsbescheides dieses beim Kläger entstandene besondere Vertrauen noch dadurch verstärkt, dass er Folgebescheide erlassen hat (vgl. schon BSG, Urt. vom 14.06.1984 in SozR 2-1300 § 45 Nr. 9 sowie BSG, Urt. vom 05.11.1997, a.a.O. – weitergehend als noch bei SozR 2-1300 § 45 Nr. 24). Der Beklagte hat nämlich für den Zeitraum zwischen Antragstellung und Bewilligung die dem Kläger bewilligten Leistungen verzinst (Bescheid vom 7. Februar 1992). Auch hierin liegt ein Verwaltungshandeln, das geeignet war, das Vertrauen des Klägers in die Rechtmäßigkeit und die Bestandskraft des Bewilligungsbescheides weiter zu verstärken und zu vertiefen (Steinwedel, a.a.O., § 45 SGB X Rdnr. 47).
Der Kläger hat für den Senat glaubhaft und nachvollziehbar dargelegt, dass er auf die Versorgungsbezüge aus Deutschland dringend angewiesen ist und dass sich durch die Bewilligung von Versorgungsleistungen aus Deutschland seine Lebensumstände nachhaltig verbessert hatten. Während er zuvor mit eher bescheidenen Einkünften auszukommen gezwungen war und dabei die durch die schwerwiegenden Behinderungen erlittenen Nachteile nicht ausgleichen konnte, ist er durch die Bewilligung der Leistungen nach dem BVG in die Lage versetzt worden, in erheblich verbesserten Lebensumständen zu leben und sich die eine oder andere Vergünstigung, auf die er früher hatte verzichten müssen, leisten zu können. Der Kläger hat im Hinblick auf die Schwere seiner Schädigung, deren Folgen mit einer MdE von 100 v.H. nach dem BVG (nebst Schwerstbeschädigten- und Pflegezulage) zu bewerten sind, für den Senat auch einleuchtend und nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass ihn der Entzug der Leistungen in eine schwierige Lebenslage (zurück-)versetzt hat und weiter zurückversetzen wird. Denn infolge der Streichung der Versorgungsrente lebt er in schlechteren als ärmlichen Verhältnissen. Aufgrund der Zerstörung seines Hauses (Bürgerkrieg) war er überhaupt nicht in der Lage, Vermögensdispositionen wie Kredite zu tätigen. Vielmehr benötigte er die Rente alleine für lebensnotwendige Dinge. Insoweit stellt die Rücknahme der Versorgungsbezüge bewilligende Bescheide eine besondere Härte für den Kläger dar, was auch schon im Rahmen der Interessenabwägung zu seinen Gunsten berücksichtigt werden muss (Wiesner, in: Schroeder-Printzen, SGB X, 3. Aufl. 1996, § 45 Rdnr. 1, 20).
Schließlich muss auch die relative große Zeitspanne zwischen dem Erlass des Bewilligungs- und des Rücknahmebescheides zugunsten des Klägers Berücksichtigung finden: Je später die Rücknahme erfolgt, desto mehr hat sich der Vertrauensschutz "verdichtet” (BSG, Urteil vom 05.11.1997, a.a.O. und passim; Wiesner, a.a.O. Rdnr. 17; auch Grüner/Dalichau, a.a.O., Anm. IV. 3., wo zu Recht daraufhingewiesen wird, dass die Zwei-Jahres-Frist in Abs. 3 von § 45 SGB X zusammen mit den anderen dort genannten Fristen auch als Hinweis dafür gelesen werden kann, dass der Zeitablauf bei der Interessenabwägung Berücksichtigung finden muss).
Bei Abwägung aller dieser Umstände und Gesichtspunkte, die für ein schutzwürdiges Interesse des Klägers am Bestand des Bewilligungsbescheides sprechen, mit den Gesichtspunkten, die das öffentliche Interesse an der Rücknahme des Bescheides rechtfertigen können, kann zur Überzeugung des Senats – wie oben ausgeführt – nicht außer Acht gelassen werden, dass das öffentliche Interesse eine erhebliche Relativierung dadurch erfahren muss, dass der Fehler beim Zustandekommen des Bescheides ausschließlich in der Verantwortung der Versorgungsverwaltung gelegen hat, und dass bei der Rücknahme nunmehr auch in einem nicht zu vernachlässigenden Umfang außenpolitische Belange der Bundesrepublik Deutschland Berücksichtigung finden müssen. Dies muss im Ergebnis dazu fuhren, das uneingeschränkt schutzwürdige Vertrauen des Klägers – auch schon vor Ablauf der Zwei-Jahres-Frist des § 45 Abs. 3 Satz 1 SGB X – höher zu bewerten als das öffentliche Interesse an der Rücknahme. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die zukünftige Belastung des Bundeshaushaltes von Seiten des Beklagten durch den Erlass eines Bescheides gemäß § 48 Abs. 3 SGB X verringert werden kann.
Nach alledem steht zur Überzeugung des Senats als Ergebnis einer Abwägung sämtlicher zu berücksichtigender Umstände fest, dass dem Interesse des Klägers an der Aufrechterhaltung des Bewilligungsbescheides Vorzug gebührt, weshalb das Sozialgericht den Rücknahmebescheid des Beklagten vom 11.01.1993 zu Recht aufgehoben hat.
Im Hinblick darauf, dass der Senat bereits im Rahmen der Interessenabwägung zu dem Ergebnis gelangt ist, dass der Rücknahmebescheid rechtswidrig war und deshalb aufgehoben werden musste, bedurfte es keiner weiteren Erörterung der Frage mehr, inwieweit aus den genannten und evtl. weiteren Gesichtspunkten heraus, noch Raum für eine Ermessensentscheidung von Seiten des Beklagten verblieben ist (vom BSG in seinen Entscheidungen vom 5.11.1997 – 9 RV 20/96 u.a. sowie vom 11.03.1998 – B 9 V 28/97 R – mit der Formulierung offen gelassen, dass insoweit "Ausnahmen denkbar” seien).
Die Berufung des Beklagten musste nach alledem zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 und Abs. 2 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen. Die anlässlich der früheren Entscheidung des Senats noch offene Rechtsfrage, die eine Zulassung der Revision erforderlich gemacht hatte, ist zwischenzeitlich durch eine ständige Rechtsprechung des 9. Senats des BSG jedenfalls für Fallkonstellationen wie der vorliegenden geklärt, weshalb Zulassungsgründe gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
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