Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
5
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 11 V 552/94
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 5 V 472/98 ZVW
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 13. Januar 1995 wird zurückgewiesen.
II. Der Beklagte hat dem Kläger dessen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten des gesamten Rechtsstreits zu erstatten. Im übrigen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Rücknahme eines Bescheides, mit welchem der Beklagte dem Kläger Versorgung bewilligt hatte.
Der 1935 geborene Kläger hat seinen Wohnsitz in der Republik Slowenien. Im Mai 1944 wurde er durch die Explosion einer Handgranate erheblich verletzt. Deshalb wurde er als ziviles Kriegsopfer in seinem Heimatstaat anerkannt. Auf seinen Antrag vom 4. Juli 1989 erkannte der Beklagte mit Bescheid vom 12. Juni 1991 als Schädigungsfolgen "Verlust des Sehvermögens beiderseits, Verlust der Endglieder der Finger III und IV und Narben an der linken Hand” als Schädigungsfolgen an und bewilligte dem Kläger als "Kannleistung” gemäß § 64 e Abs. 1 bzw. § 64 Abs. 2 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) Beschädigtenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 100 v.H., eine Schwerstbeschädigtenzulage (Stufe 1) und Pflegezulage nach Stufe III. Mit Bescheid vom 17. Juni 1992 wurden diese Leistungen gemäß dem 20. KOV Anpassungsgesetz i.V.m. § 48 des 10. Buches des Sozialgesetzbuches Verwaltungsverfahren – (SGB X) erhöht. In der Zeit davor und danach korrespondierte der Kläger mit der Versorgungsverwaltung in Fulda wegen des Zahlungsweges, der aufgrund des Zerfalls der früheren Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien (SFRJ) neu geregelt werden mußte.
Ohne vorherige Anhörung des Klägers nahm der Beklagte den Bewilligungsbescheid unter Hinweis auf § 7 Abs. 2 BVG mit Rücknahmebescheid vom 11. Januar 1993 mit Wirkung ab 1. Februar 1993 zurück. Dieser Bescheid wurde am 11. Januar 1993 abgesandt. Der Kläger erhob Widerspruch (Eingang 13. Februar 1993), der mit Widerspruchsbescheid vom 9. Juli 1993 zurückgewiesen wurde.
Auf die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgericht Frankfurt am Main die angefochtenen Bescheide mit Urteil vom 13. Januar 1995 aufgehoben. Die Berufung des Beklagten blieb erfolglos (Urteil des Hessischen Landessozialgerichts – HLSG – vom 12. Juni 1997).
Mit der vom HLSG zugelassenen Revision hat der Beklagte eine Verletzung des § 45 SGB X geltend gemacht. Mit Urteil vom 4. Februar 1998 hat das Bundessozialgericht (BSG) das Urteil des HLSG vom 12. Juni 1997 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen – u.a. mit der Maßgabe, zu prüfen, ob der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut habe und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig sei. Insoweit sei zu ermitteln, ob und welche Vermögensdispositionen der Begünstigte getroffen habe, in welchen wirtschaftlichen Verhältnissen er nach der Rücknahme lebe und ob außenpolitische Belange der Bundesrepublik Deutschland berührt sein könnten.
In dem zurückverwiesenen Verfahren hat der Senat daraufhin weitere Ermittlungen bei dem Kläger hinsichtlich evtl. Vermögensdispositionen und zu seiner wirtschaftlichen Lage durchgeführt. Der Kläger hat die Frage, ob er besondere Vermögensdispositionen getroffen habe, verneint. Nach seinen Angaben bezieht er monatlich eine Rente in Höhe von 64.560 SIT (slowenische Talar) sowie eine Invalidenrente in Höhe von 111.729 SIT. Er hat mitgeteilt, daß er mit Frau und zwei Kindern (ein Sohn im Studium, einer arbeitslos) in einem gemeinsamen Haushalt lebe und weiter ausgeführt, daß "die zur Verfügung stehende Geldsumme (gemeint ist hier die Rente aus der Bundesrepublik) die Lebensqualität” bedinge.
Der Beklagte ist der Ansicht, daß ein Vertrauen des Klägers in die Weitergewährung der bislang zu Unrecht erbrachten Leistungen nicht zu erkennen sei. Der Kläger habe keine Vermögensdispositionen getroffen und lebe weiterhin in wirtschaftlich geordneten Verhältnissen.
Der Beklagte beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 13. Januar 1995 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat durch Beschluss vom 12. Juni 1998 die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (BMA), zum Verfahren beigeladen.
Die Beigeladene hat sich zur Frage der Abwägung des schutzwürdigen Vertrauens des Klägers mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme des Bescheides einer Stellungnahme enthalten; außenpolitische Belange seien angesichts der geringen Zahl der Verfahren von slowenischen Staatsbürgern nicht berührt.
Der Senat hat hinsichtlich der außenpolitischen Belange der Bundesrepublik Deutschland beim Auswärtigen Amt ermittelt und die Antrage sowie die Auskünfte zum Gegenstand auch dieses Verfahrens gemacht. Mit Schreiben vom 8. Dezember 1998 hat das Auswärtige Amt mitgeteilt, von seiner Seite aus erscheine es aus außenpolitischer Sicht gerechtfertigt, dem Vertrauen eines Begünstigten in die Bindungswirkung einer nach mehrjährigem Verfahren zustande gekommenen Entscheidung der Versorgungsverwaltung größeren Wert beizumessen, als dem Interesse der Versorgungsverwaltung an der Rechtmäßigkeit der Entscheidung. Eine Entziehung der nach langjährigem Verwaltungsverfahren bewilligten Versorgung wäre nicht nur für den Betroffenen unverständlich, sondern könnte die Bundesrepublik Deutschland auch im Ausland der Kritik aussetzen, zivile Kriegsopfer des zweiten Weltkrieges unangemessen zu behandeln. In der Stellungnahme der Botschaft Zagreb vom 20. November 1998 hat diese u.a. ausgeführt, daß die Zahlung von Versorgungsleistungen nach Kroatien dort nicht als eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten empfunden werde und daß der Entzug von Rentenzahlungen im Jahre 1993 zu einer Eingabe des Verbandes der zivilen Kriegsinvaliden Kroatiens an den Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland geführt habe. In einer Mitteilung vom 14. Dezember 1998 hat die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Ljubljana/Laibach (Slowenien) u.a. mitgeteilt, daß die Entziehung von Renten an zivile Kriegsopfer zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Ansehens der Bundesrepublik Deutschland in diesem Land geführt habe und weiterhin führen könne. Weiter sind die Stellungnahmen der Botschaften in Sarajevo (Bosnien-Herzegowina), Skopje (ehemalige Sozialistische Republik Mazedonien) und Belgrad (Bundesrepublik Jugoslawien) vorgelegt worden. Die Botschaft in Belgrad hat empfohlen, evtl. schwerwiegende Folgen bei der Entziehung von Rentenzahlungen bei der Abwägung zwischen öffentlichem Interesse und schutzwürdigem Vertrauen zu berücksichtigen. Keine der Botschaften hat darüber berichtet, daß die Zahlung von Renten an zivile Kriegsopfer als eine Einmischung in die Inneren Angelegenheiten dieser Staaten empfunden werde.
Alle Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die Akte des Bundessozialgerichts sowie auf die Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen (B-Akten des Versorgungsamtes Fulda, Archiv-Nr.: ), die dem Senat vorgelegen haben und die Gegenstand der Beratungen des Senats am 29. Juli 1999 gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil alle Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG –).
Die zulässige Berufung erweist sich auch nach erneuter Prüfung durch den Senat als sachlich unbegründet.
Streitgegenstand der vom Kläger erhobenen Anfechtungsklage ist die Rechtmäßigkeit der durch den Bescheid des Beklagten vom 11. Januar 1993 (in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Juli 1993) verfügten Rücknahme des Bewilligungsbescheides vom 12. Juni 1991. Rechtsgrundlage für die gerichtliche Prüfung ist, wie das Bundessozialgericht (BSG) in ständiger Rechtsprechung in einer Vielzahl von vergleichbaren Fällen entschieden hat (Urteile vom 5. November 1997 – 9 RV 20/96 –, 9 RV 28/96 – und 9 RV 2/97 – vgl. SozR 3-1300 § 45 Nr. 37) allein § 45 SGB X. Nach dieser Vorschrift darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt – auch soweit es sich, wie vorliegend, um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung handelt), wenn er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 von § 45 SGB X ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit und nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden (§ 45 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 SGB X).
Der Beklagte hat den Bewilligungsbescheid vom 12. Juni 1991, der, wie das BSG entschieden hat, wegen Verstoßes gegen § 7 Abs. 2 BVG rechtswidrig war, unter Einhaltung dieser Zwei-Jahres-Frist zurückgenommen, wie das BSG im vorliegenden Fall bereits entschieden hat. Das ergibt sich bereits daraus, daß der Bewilligungsbescheid vom 12. Juni 1991 erst am 24. Juni 1991 abgesandt worden ist und der Kläger nach seinen Angaben den Rücknahmebescheid vom 11. Januar 1993 noch im Januar 1993 erhalten sowie in Kenntnis dieses Bescheides dagegen bereits mit Schreiben vom 8. Februar 1993 Widerspruch eingelegt hatte.
Der Beklagte durfte indes den Bewilligungsbescheid vom 12. Juni 1991 nicht zurücknehmen, weil der Kläger in den Bestand dieses Bescheides vertraut hat und weil bei der nach § 45 Abs. 2 SGB X vorzunehmenden Abwägung zwischen diesem Vertrauen des Klägers in den Bestand des Bescheides und dem öffentlichen Interesse, sich sein Vertrauen als schutzwürdiger erweist, als das öffentliche Interesse an der Rücknahme des Bescheides. Die hierbei erforderliche Abwägung kann vom Gericht in vollem Umfang überprüft werden (Steinwedel, in: Kasseler Kommentar, Loseblatt, Stand: Dezember 1998, § 45 SGB X, Rdnr. 46).
Der Kläger hat nach den vom Senat getroffenen Feststellungen in den Bestand des Bewilligungsbescheides vertraut und hat die ihm gewährten Leistungen im guten Glauben auf die Rechtmäßigkeit des Bescheides unter anderem zum Bestreiten des laufenden Lebensunterhaltes verbraucht; er hat aber keine solch weitreichenden Vermögensdispositionen getroffen, deren Rückgängig-Machen bereits als unzumutbar anzusehen wäre. Die weiteren Ermittlungen des Senats haben jedoch keine Anhaltspunkte dafür erbracht, daß der Kläger deshalb kein Vertrauen in den Bestand des Bewilligungsbescheides gehabt hätte. Da es zu den Grundsätzen einer rechtsstaatlichen Verwaltung gehört, daß der Empfänger eines Bescheides auf die Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns vertrauen darf (BSG, Urteil vom 14. Juni 1994 – 10 RKg 5/83 – in: SozR 2-1300 § 45 Nr. 9, S. 25 unten; Urteil vom 5. November 1997 – 9 RV 20/96 – in: SozR 3-1300 § 45 Nr. 37), spricht für das Vorliegen eines solchen Vertrauens beim Kläger eine – im Zweifel allerdings auch widerlegliche – Vermutung (BSG, Urteil vom 5. November 1997 a.a.O. unter Hinweis auf Kopp, Verwaltungsverfahrensgesetz VwVfG – 6. Aufl. 1996, § 48 Rdnrn. 55, 56 m.w.N.). Solche Zweifel hat jedoch die Behörde darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, wenn sie den Einwand erhebt, der Begünstigte habe auf den Bestand des Verwaltungsaktes tatsächlich nicht vertraut. Wenn – im Regelfall, wie auch hier im Fall des Klägers – alle Umstände dafür sprechen, daß der Begünstigte in den Bestand des Bescheides vertraut hat, obliegt es nicht ihm, das Bestehen seines Vertrauens selbst unter Beweis zu stellen (Pickel, SGB X, Loseblatt, Stand: Dezember 1998, § 45 Rdnr. 24; Klappstein, in: Knack, VwVfG, 4. Aufl. 1994; § 48 Rdnr. 5.8; Wiesner, in: Schroeder-Printzen, SGB X, 3. Aufl. 1996, § 45 SGB X Rdnr. 16; wohl auch Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 4. Aufl. 1994, § 48 Rdnr. 29; die abweichende Position bei Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, 3. Aufl. 1986, § 62 II 2. aa., ist vereinzelt geblieben und dürfte nach der nunmehr übereinstimmenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des BSG überholt sein); vielmehr müßte der Beklagte zunächst darlegen und Ansatzpunkte für eine Beweiserhebung erbringen, mit denen der Mangel eines Vertrauens des Klägers nachgewiesen werden könnte. Dies ist von Seiten des Beklagten nicht gelungen.
Schutzwürdig ist das Vertrauen des begünstigten Klägers gemäß § 45 Abs. 2 Satz 2 SGB X "in der Regel” (das heißt grundsätzlich immer – von ganz besonderen Ausnahmen abgesehen – aber nicht nur aus den nachfolgend genannten Gründen), soweit er als Leistungsempfänger die Leistungen verbraucht hat oder aber wenn er eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter Inkaufnahme von unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann (und soweit diese Vermögensdisposition nach Erhalt des Bewilligungsbescheides getroffen worden ist, vgl. Steinwedel, a.a.O., § 45 SGB X Rdnr. 48 unter Hinweis auf BSGE 59, 206 = BSG SozR 2-1300 § 45 Nr. 20). Von einer solchen Vermögensdisposition hat der Kläger auf Anfrage des Senats nicht berichtet. Er hat weder ein Haus noch eine Eigentumswohnung gekauft oder bauen lassen, noch eine andere (teurere) Wohnung angemietet und auch kein Auto oder andere größere Gebrauchsgegenstände angeschafft.
Aus der Formulierung "in der Regel” wird aber nach einhelliger Meinung in der Literatur und der Rechtsprechung geschlossen, daß in diesen beiden Fällen (wobei der Fall des "Verbrauchs” nur – rückwärts gewandt – die Rücknahme eines bestandskräftigen Bescheides für die Vergangenheit betrifft, was vorliegend nicht geschehen ist, während der andere Fall – im Hinblick auf zukünftige Entwicklungen – für die Rücknahme eines begünstigenden Bescheides für die Zukunft und damit hier einschlägig ist) zwar nicht immer und unter allen Umständen, aber doch in aller Regel ein schutzwürdiges Vertrauen anzuerkennen ist (BSG, Urteile vom 14. Juni 1984 – 10 RKg 5/83 – und vom 28. November 1985 – 11 b/7 RAr 128/84 – in: SozR 2-1300 § 45 Nrn. 9 u. 20). Dies bedeutet aber auch zugleich, daß damit nicht abschließend alle die Fälle bezeichnet werden, bei denen von einem schutz- und vorzugswürdigen Vertrauen des Begünstigten in den Bestand des Bescheides ausgegangen werden kann. Würde man nur in den Regelfällen des Abs. 2 Satz 2 von § 45 SGB X ein schutzwürdiges Vertrauen anerkennen, hätte dies zur Folge, daß diejenigen Leistungsempfänger, die mutiger und risikobereiter sind als andere, in einer gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßenden Weise zusätzlich begünstigt würden. Wenn sie etwa wegen des Kaufs eines Hauses oder einer Wohnung eine schutzwürdige Vermögensdisposition getroffen haben, würde ihnen bei Weitergewährung der Versorgungsbezüge auch noch die Möglichkeit eingeräumt, die Schuldzinsen und Tilgungsleistungen zu zahlen, mit dem Ergebnis, daß sie durch (rechtswidrig bewilligte) Mittel aus dem Bundeshaushalt noch einen zusätzlichen Vermögensvorteil erwerben könnten, während andere, die etwa wegen der Schwere ihrer Schädigungsfolgen eine solche Vermögensdisposition nicht haben treffen können oder wollen, durch den Entzug der Versorgungsleistungen für die Zukunft zusätzlich benachteiligt würden.
Zu Recht hat das BSG deshalb hierzu (unter Bezugnahme auf die Gesetzesbegründung auch zu § 48 VwVfG, vgl. BT-Drucks. 8/2034, S. 34 und BT-Drucks. 7/510, S. 68) ausgeführt, daß zusätzlich – soweit nicht ohnedies einer der beiden Regeltatbestände erfüllt ist – geprüft werden muß, ob aus irgendeinem anderen Grund ein schutzwürdiges Vertrauen entstanden ist, bei dem dann aber unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an der Rücknahme des Bescheides geprüft werden muß, ob es vorzugswürdig ist (BSG, Urteil vom 14. Juni 1984 – 10 RKg 5/83 – und vom 28. November 1985 11 b/7 RAr 128/84 – in: SozR 2-1300 § 45 Nr. 9 (S. 25) und Nr. 20 sowie Urteil vom 5. November 1997 – 9 RV 20/96 – in: SozR 3-1300 § 45 Nr. 37; vgl. auch Pickel, a.a.O., § 45 SGB X, Rdnrn. 5 und 28; Grüner/Dalichau, a.a.O., § 45 SGB X, IV, 1 u. 4).
Dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme eines Bescheides für die Zukunft, wie im vorliegenden Fall, wird dabei ein erhebliches Gewicht beigemessen (vgl. BSG, Urteil vom 25. Juni 1986 – 9 a RVg 2/84 – in: SozR 2-1300 § 45 Nr. 24). Die nach § 45 SGB X zugelassene Durchbrechung der Bindungswirkung bestandskräftiger Verwaltungsakte (§ 77 SGG) geht von dem Gedanken der Recht- und Gesetzmäßigkeit jeden Verwaltungshandelns aus, der es grundsätzlich verlangt, rechtswidrige Verwaltungsakte zu beseitigen (BSG, Urteil vom 14. November 1984 – 7 RAr 123/84 – in: SozR 2-1399 § 45 Nr. 19; Urteil vom 5. November 1997 – 9 RV 20/96 – a.a.O.). Der Fortbestand eines rechtswidrigen Bewilligungsbescheides hätte zur Folge, daß in der Zukunft aus dem Bundeshaushalt entgegen der Regelung in § 7 Abs. 2 BVG auf Dauer erhebliche Mittel gezahlt werden müßten, obwohl dies nach der seit 1992 bzw. 1993 gefestigten Rechtsprechung des BSG nicht zulässig ist. Dies widerspräche auch den allgemein anerkannten und verbindlich geregelten Grundsätzen einer sparsamen Haushaltsführung (vgl. hierzu z.B. Art. 109 ff. des Grundgesetzes – GG –, insbesondere Art. 109 Abs. 3, 110 und 114 GG sowie § 6 Haushaltsgrundsätzegesetz – HGrG – und §§ 7, 105 Abs. 1 Nr. 2 der Bundeshaushaltsordnung – BHO –). Bei einem Verwaltungsakt, mit welchem – wie hier – dem Begünstigten eine Dauerleistung bewilligt worden ist, die noch für eine erhebliche Zeitspanne weiterzugewähren sein würde, muß deshalb das öffentliche Interesse an der Beseitigung des rechtswidrigen Zustandes in der Regel höher eingeschätzt werden, als etwa bei der Gewährung einer einmaligen Leistung; dem öffentlichen Interesse an einer rechtmäßigen Mittelverwendung hat dann im allgemeinen der Vorrang zu gebühren (BSG, Urteil vom 25. Juni 1985, SozR 2-1300 § 45 Nr. 24; Urteil vom 5. November 1997, a.a.O., m.w.N., unter anderem mit Hinweis auf BSG SozR 2-1300 § 45 Nrn. 9, 19 und 24). Dem trägt auch die Vorschrift des § 48 Abs. 3 Satz 1 SGB X Rechnung, wonach, wenn ein in rechtswidriger Weise Leistungen bewilligender Bescheid aus Rechtsgründen nicht mehr zurückgenommen werden kann, die Leistung jedenfalls nicht mehr an zukünftigen Anpassungen teilnimmt, sondern "eingefroren” wird.
Diese gewichtigen öffentlichen Interessen schließen es aber im Einzelfall nicht aus, den Vertrauensschutz des Begünstigten als bedeutsamer anzusehen. Vielmehr muß eine Abwägung zwischen einerseits all den Gesichtspunkten des jeweiligen Einzelfalles stattfinden, welche konkret geeignet sein können, das Vertrauen des Berechtigten in die Bestandskraft des Bescheides zu stärken, und dem dargelegten gewichtigen öffentlichen Interesse an der Rechtmäßigkeit und Sparsamkeit der Verwendung von Mitteln aus öffentlichen Haushalten (vgl. Steinwedel, a.a.O., § 45 SGB X Rdnrn. 48 f. unter Hinweis auf BSG SozR 2-1300 § 45 Nrn. 19, 20, 24, 32; BSG, a.a.O. SozR 3-1300 § 45 Nr. 37). Dabei sind allerdings zugunsten des Leistungsempfängers nicht irgendwelche Gesichtspunkte zu berücksichtigen und in die Abwägung einzubeziehen, sondern nur solche, welche geeignet erscheinen können, das Interesse des Betroffenen an und sein Vertrauen in die Bestandskraft des Bescheides zu bestärken (Steinwedel, a.a.O.).
Die öffentlichen Belange sind dann immer als weniger gewichtig zu bewerten, als das Interesse des Berechtigten am Bestand des Bescheides, wenn der Fehler, der zum Erlaß eines rechtswidrigen Bescheides geführt hat, ausschließlich von der Verwaltung zu vertreten ist (BSG SozR 2-1300 § 45 Nrn. 19, 20, 24; BSG, Urteile vom 5. November 1997 – 9 RV 20/96 – und vom 7. Juli 1998 – B 5 RJ 58/97 R – vgl. SozR 3-1300 § 45 Nrn. 37 und 38). So liegen die Dinge im vorliegenden Fall: Der Kläger hat alle von ihm verlangten Informationen in einem mehrjährigen Verwaltungsverfahren beschafft und dem Beklagten übermittelt und dabei insbesondere auch von Anfang an ausdrücklich darauf hingewiesen, daß er in seinem Heimatstaat als ziviles Kriegsopfer anerkannt worden war und deshalb von diesem eine – wenn auch vergleichsweise nicht sehr hohe Rente – erhält. Die Verwaltung des Beklagten hat in Kenntnis dieser Tatsachen und Umstände sowie der Rechtslage – wobei insbesondere die Anerkennung des Klägers als ziviles Kriegsopfer in seinem Heimatstaat eine wichtige Bedeutung für die Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen für eine Ermessensentscheidung nach § 8 BVG zugunsten des Klägers hatte – dem Kläger die sogenannte "Kann-Versorgung” gewährt, obwohl bereits nach einer früheren Entscheidung des BSG (Urteil vom 25. November 1976 – 9 RV 188/75 – in SozR 2-3100 § 7 Nr. 2) durchaus Zweifel an der Zulässigkeit dieser Praxis der Leistungsbewilligung an im Ausland lebende zivile Kriegsopfer angebracht waren. In keiner Weise hat der Kläger diese – durch Richtlinien des beigeladenen Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung ("Richtlinien Ost”) ausdrücklich gebilligte – Praxis durch unzutreffende Angaben oder Auskünfte herbeigeführt oder sonst zu vertreten. In der Rechtsprechung des BSG und in der Kommentarliteratur wird allgemein anerkannt, daß ein solcher Umstand bei der Abwägung zugunsten des Leistungsempfängers zu berücksichtigen ist (BSG in: SozR 2 1300 § 45 Nrn. 19, 20 und 24; Urteil vom 5. November 1997 – 9 RV 20/96 – und vom 7. Juli 1998 – B 5 RJ 58/97 R – in: SozR 3-1300 Nrn. 37 und 38; Steinwedel, a.a.O. § 45 Rdnr. 47; Grüner/Dalichau, SGB X, § 45 IV. 3.; Pickel, a.a.O., § 45 Rdnr. 25) wobei zunächst offen bleiben kann, ob man durch diesen Umstand eher das Vertrauen des Klägers in den Bestand des Bescheides gestärkt sehen will, oder aber eine Relativierung des öffentlichen Interesses an der Rücknahme des Bescheides für die Zukunft (insoweit, als das Offenlegen eines solchen Verwaltungsfehlers geeignet ist, das Ansehen der Versorgungsverwaltung und das Vertrauen in eine rechtsstaatlich einwandfreie Verwaltungstätigkeit zu beschädigen, was nicht im öffentlichen Interesse liegt).
Darüber hinaus erfährt das öffentliche Interesse an der Aufhebung des Bewilligungsbescheides aber auch noch unter einem weiteren Gesichtspunkt eine Abschwächung, weil vorliegend auch außenpolitische Belange der Bundesrepublik Deutschland zu berücksichtigen sind. Der Senat hat hierzu das Auswärtige Amt der Bundesrepublik Deutschland als besonders fachkundige Stelle für die Bewertung außenpolitischer Belange und – vermittelt über dieses – die Botschaften der Bundesrepublik Deutschland in allen früheren Teilstaaten der ehemaligen Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien (SFRJ) um eine Auskunft ersucht. In Kenntnis der Stellungnahmen der Botschaft in Zagreb (für die Republik Kroatien), demzufolge dort zwar nicht von erheblichen Unstimmigkeiten in diesem Land berichtet worden war, sowie einer ersten Stellungnahme der Botschaft in Skopje (frühere Sozialistische Republik Mazedonien) hat das Auswärtige Amt bereits die Bewertung abgegeben, daß durch die Entziehung von Versorgungsleistungen öffentliche Belange der Bundesrepublik Deutschland tangiert sein können. Eine Entziehung dieser Leistungen müßte nicht nur für die Betroffenen unverständlich sein, sondern könnte auch zur Folge haben, daß sich die Bundesrepublik im Ausland der Kritik ausgesetzt sehen müßte, zivile Opfer des zweiten Weltkrieges unangemessen zu behandeln. Aus außenpolitischer Sicht könnte es deshalb – so das Auswärtige Amt – gerechtfertigt erscheinen, dem Vertrauen der Betroffenen in den Bestand des nach einem langwierigen Verwaltungsverfahren zustande gekommenen Bewilligungsbescheides größeres Gewicht beizumessen, als dem öffentlichen Interesse an der Aufhebung des Bescheides – auch für die Zukunft.
Diese Bewertung wird durch die Äußerungen der Botschaften der Bundesrepublik Deutschland in Sarajevo (für Bosnien-Herzegowina) und insbesondere in Laibach/Ljubljana (für Slowenien) bestätigt. Nach diesen Auskünften können für die Berücksichtigung der Situation in diesen Ländern und dem Umgang mit zivilen Opfern des zweiten Weltkrieges nicht ausschließlich fiskalische Interessen und Grundsätze des (bundesdeutschen) Haushaltsrechts im Vordergrund stehen; es ist jedenfalls – so insbesondere die Stellungnahme aus Ljubljana – eine erhebliche Beschädigung des Ansehens der Bundesrepublik Deutschland in diesen Staaten zu besorgen.
Der Senat hält die Bewertungen des Auswärtigen Amtes und der Botschaften zwar nicht allein für zwingend und ausschlaggebend. Sie machen aber zur Überzeugung des Senats jedenfalls deutlich, daß, über die bereits vorstehend erörterten Aspekte hinaus, ein öffentliches Interesse an der Rücknahme der Bescheide (und damit auch am rechtsstaatlichen Gesetzesvollzug und an der sparsamen Haushaltsführung) weiter relativiert werden muß, weil an einer Beschädigung des Ansehens der Versorgungsverwaltung der Bundesrepublik Deutschland ein öffentliches Interesse nicht erkennbar ist. Der Senat sieht diese Bewertung der außenpolitischen Belange auch nicht dadurch widerlegt, weil – wie die Beigeladene und der Beklagte haben ausführen lassen – in Slowenien nur einige wenige zivile Kriegsopfer von Rücknahmebescheiden betroffen sind. Die Botschaft in Sarajewo hat in Kenntnis der Vorgänge in Slowenien in ihrer Stellungnahme vom 18. Dezember 1998 gerade daraufhingewiesen, daß angesichts der wieder aktuellen Diskussion über die Frage von Kriegsentschädigungen eine Beschädigung des Ansehens der Bundesrepublik in Slowenien zu befürchten ist. Diese Einschätzung hält der Senat für sachkundiger als die Äußerungen von Seiten der Beklagten und der Beigeladenen, weshalb sie für die Bewertung des öffentlichen Interesses (mit) heranzuziehen sind.
Weder in der Republik Slowenien, wo der Kläger wohnt, noch in einem der anderen ehemaligen Teilstaaten der früheren SFRJ, wird die Zahlung von Versorgungsleistungen an zivile Kriegsopfer als eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten dieser nunmehr souveränen Staaten angesehen. Insoweit hat sich die vom BSG geäußerte Besorgnis (Urteile vom 5. November 1997 – 9 RV 20/96 – u.a. sowie im vorliegenden Verfahren: Urteil vom 4. Februar 1998) nicht bestätigt. Dies hat aber auch zur Folge, daß bei der Abwägung des öffentlichen Interesses an der Rücknahme des Bewilligungsbescheides mit den zugunsten des Klägers zu berücksichtigenden Vertrauensschutzgesichtspunkten dem öffentlichen Interesse nur eine erheblich geringere Bedeutung zugesprochen werden kann.
Demgegenüber sprechen erhebliche und in der Rechtsprechung des BSG immer wieder anerkannte Gesichtspunkte für die Schutzwürdigkeit des Vertrauens des Klägers in den Bestand des Bewilligungsbescheides.
Der Kläger hat dargelegt, daß die Zuerkennung von Versorgungsleistungen für ihn eine Verbesserung der Lebensqualität ("Vertrauensbetätigung”, vgl. Steinwedel, a.a.O. § 45 SGB X, Rdnr. 47) ermöglicht hat. Sein Vertrauen in den Bestand dieses Bewilligungsbescheides ist zunächst durch ein besonders langwieriges und aufwendiges Verwaltungsverfahren (Dauer: fast 24 Monate) und durch die besonders sorgfältige Durchführung dieses Verwaltungsverfahrens bestärkt worden (BSG, Urteil vom 5. November 1997 – a.a.O.), wobei der Kläger in erheblichem Umfang mitzuwirken hatte, indem umfassende Auskünfte zu erteilen und – beglaubigte – Urkunden vorzulegen waren. Der Kläger mußte im Einzelnen den Hergang der Schädigung und die Anerkennung als ziviles Kriegsopfer in seinem Heimatland nachweisen, weshalb bei ihm der (seinerzeit nicht unbegründete) Eindruck entstanden sein mußte, daß gerade die Anerkennung als ziviles Kriegsopfer durch seinen Heimatstaat der entscheidende Gesichtspunkt dafür war, ihn (im Ermessenswege) in den Kreis der Leistungsberechtigten nach dem BVG einzubeziehen. Darüber hinaus wurde der Kläger aufgefordert, umfassend über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu berichten, was geeignet war, den Eindruck zu verstärken, daß die "Kann-Leistung” nach dem BVG auch nur solchen Personen zukommen sollte, die besonders bedürftig und deshalb oder aus anderen Gründen (wie etwa die Schwere der Beschädigung) auf die Leistungen aus der Bundesrepublik Deutschland in besonders hohem Umfang angewiesen sind. Alle diese, den Ablauf und die Dauer des Verwaltungsverfahrens betreffenden Umstände waren in hohem Maße geeignet, bei dem im Ausland lebenden, die deutsche Sprache nur unzureichend beherrschenden und nicht rechtskundigen Kläger den Eindruck zu erwecken, es werde ihm Gerechtigkeit in einem Verfahren zuteil, in dem alles "mit rechten Dingen” zuging.
Darüber hinaus hat der Beklagte auch nach Erlaß des Bewilligungsbescheides dieses beim Kläger entstandene besondere Vertrauen noch dadurch verstärkt, daß er Folgebescheide erlassen hat (vgl. schon BSG, Urteil vom 14. Juni 1984 in SozR 2-1300 § 45 Nr. 9 sowie BSG, Urteil vom 5. November 1997, a.a.O. – weitergehend als noch bei SozR 2-1300 § 45 Nr. 24). Der Beklagte hat nämlich auch noch einen Anpassungsbescheid nach dem 20. KOV-Anpassungsgesetz erlassen (Bescheid vom 17. Juni 1992) sowie mit dem Kläger beim Zerfall der SFRJ wegen eines neuen Zahlungsweges korrespondiert. Auch hierin liegt ein Verwaltungshandeln, das geeignet war, das Vertrauen des Klägers in Rechtmäßigkeit und Bestandskraft des Bewilligungsbescheides weiter zu stärken und zu vertiefen (Steinwedel, a.a.O., § 45 SGB X Rdnr. 47).
Der Kläger hat für den Senat glaubhaft und nachvollziehbar dargelegt, daß er auf die Versorgungsbezüge aus Deutschland dringend angewiesen ist und sich durch die Zahlung von Versorgungsleistungen aus Deutschland seine Lebensqualität nachhaltig verbessert. Während er zuvor mit eher bescheidenen Einkünften auszukommen gezwungen war und dabei die durch die schwerwiegende Schädigung erlittenen Nachteile nicht ausgleichen konnte, ist er durch die Bewilligung der Leistungen nach dem BVG in die Lage versetzt worden, in erheblich verbesserten Lebensumständen zu leben. Dem steht nicht entgegen, daß, wie der Beklagte ausgeführt hat, die wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers geordnet waren und sind. Die Renteneinkünfte des Klägers belaufen sich nach seinen eigenen Angaben auf insgesamt rund 176.000 SIT, was im Dezember 1998 einen Gegenwert in DM von rund 1.838 DM/Monat entsprach (lt. Mitteilung der Deutschen Bundesbank). Auch unter dem Vorbehalt, daß ein echter Kaufkraftvergleich schwierig ist, handelt es sich dabei nicht um derart niedrige Einkünfte, die es rechtfertigen würden, davon auszugehen, daß der Kläger mit seiner Familie ohne Versorgungsleistungen aus der Bundesrepublik unmittelbar am Existenzminimum leben müßte. Der Kläger hat aber daraufhingewiesen, daß er für seine Frau und derzeit auch noch für zwei Kinder aufzukommen hat.
Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, daß der Kläger als Blinder durch die Schädigung besonders schwer betroffen war und ist. Der Kläger hat im Hinblick auf die Schwere seiner Schädigung, deren Folgen mit einer MdE von 100 v.H. zu bewerten sind, für den Senat deshalb auch einleuchtend und nachvollziehbar daraufhingewiesen, daß ihn der Entzug der Leistungen in eine sehr schwierige Lebenslage (zurück-)versetzt hat und weiter zurückversetzen wird, weil er als Blinder ständig fremder Hilfe bedarf. Insoweit stellt die Rücknahme der Versorgungsbezüge bewilligenden Bescheides eine besondere Härte für den Kläger dar, was auch schon im Rahmen der Interessenabwägung zu seinen Gunsten berücksichtigt werden muß (Wiesner, in: Schroeder-Printzen, SGB X, 3. Aufl. 1996, § 45 Rdnrn. 1, 20). Schließlich muß auch die große Zeitspanne zwischen dem Erlaß des Bewilligungs- und des Rücknahmebescheides zugunsten des Klägers Berücksichtigung finden: Je später die Rücknahme erfolgt, desto mehr hat sich der Vertrauensschutz "verdichtet” (BSG, Urteil vom 5. November 1997, a.a.O. und passim; Wiesner, a.a.O. Rdnr. 17; auch Grüner/Dalichau, a.a.O., Anm. IV. 3), wo zu Recht daraufhingewiesen wird, daß die Zwei-Jahres-Frist in Abs. 3 von § 45 SGB X zusammen mit den anderen dort genannten Fristen auch als Hinweis dafür gelesen werden kann, daß der Zeitablauf bei der Interessenabwägung Berücksichtigung finden muß.
Bei Abwägung aller dieser Umstände und Gesichtspunkte, die für ein schutzwürdiges Vertrauen des Klägers in den Bestand des Bewilligungsbescheides sprechen, mit den Gesichtspunkten, die das öffentliche Interesse an der Rücknahme des Bescheides rechtfertigen können, kann zur Überzeugung des Senats – wie oben ausgeführt – nicht außer Acht gelassen werden, daß das öffentliche Interesse eine erhebliche Relativierung dadurch erfahren muß, daß der Fehler beim Zustandekommen des Bescheides ausschließlich in der Verantwortung der Versorgungsverwaltung gelegen hat, und daß bei der Rücknahme nunmehr auch in einem nicht zu vernachlässigenden Umfang außenpolitische Belange der Bundesrepublik Deutschland Berücksichtigung finden müssen. Dies muß im Ergebnis dazu führen, das uneingeschränkt schutzwürdige Vertrauen des Klägers – auch schon vor Ablauf der Zwei-Jahres-Frist des § 45 Abs. 3 Satz 1 SGB X – höher zu bewerten, als das öffentliche Interesse an der Rücknahme. Dabei ist auch zu berücksichtigen, daß die zukünftige Belastung des Bundeshaushaltes von Seiten des Beklagten durch den Erlaß eines Bescheides gemäß § 48 Abs. 3 SGB X verringert werden kann.
Nach alledem steht zur Überzeugung des Senats als Ergebnis einer Abwägung sämtlicher zu berücksichtigender Umstände fest, daß dem Interesse des Klägers an der Aufrechterhaltung des Bewilligungsbescheides Vorzug gebührt, weshalb das Sozialgericht den Rücknahmebescheid des Beklagten vom 11. Januar 1993 zu Recht aufgehoben hat.
Im Hinblick darauf, daß der Senat bereits im Rahmen der Interessenabwägung zu dem Ergebnis gelangt ist, daß der Rücknahmebescheid rechtswidrig war und deshalb aufgehoben werden mußte, bedurfte es keiner weiteren Erörterung der Frage mehr, inwieweit aus den genannten und wegen evtl. weiterer Gesichtspunkte noch Raum für eine Ermessensentscheidung von Seiten des Beklagten verblieben ist (vom BSG in seinen Entscheidungen vom 5. November 1997 – 9 RV 20/96 – und vom 4. Februar 1998 – B 9 V 12/97 R – mit der Formulierung offen gelassen, daß insoweit "Ausnahmen denkbar” seien).
Die Berufung des Beklagten mußte nach alledem zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 und Abs. 2 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen. Die anläßlich der früheren Entscheidung des Senats noch offene Rechtsfrage, die eine Zulassung der Revision erforderlich gemacht hatte, ist zwischenzeitlich durch eine ständige Rechtsprechung des 9. Senats des BSG jedenfalls für Fallkonstellationen wie die vorliegende geklärt, weshalb Zulassungsgründe gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
II. Der Beklagte hat dem Kläger dessen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten des gesamten Rechtsstreits zu erstatten. Im übrigen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Rücknahme eines Bescheides, mit welchem der Beklagte dem Kläger Versorgung bewilligt hatte.
Der 1935 geborene Kläger hat seinen Wohnsitz in der Republik Slowenien. Im Mai 1944 wurde er durch die Explosion einer Handgranate erheblich verletzt. Deshalb wurde er als ziviles Kriegsopfer in seinem Heimatstaat anerkannt. Auf seinen Antrag vom 4. Juli 1989 erkannte der Beklagte mit Bescheid vom 12. Juni 1991 als Schädigungsfolgen "Verlust des Sehvermögens beiderseits, Verlust der Endglieder der Finger III und IV und Narben an der linken Hand” als Schädigungsfolgen an und bewilligte dem Kläger als "Kannleistung” gemäß § 64 e Abs. 1 bzw. § 64 Abs. 2 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) Beschädigtenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 100 v.H., eine Schwerstbeschädigtenzulage (Stufe 1) und Pflegezulage nach Stufe III. Mit Bescheid vom 17. Juni 1992 wurden diese Leistungen gemäß dem 20. KOV Anpassungsgesetz i.V.m. § 48 des 10. Buches des Sozialgesetzbuches Verwaltungsverfahren – (SGB X) erhöht. In der Zeit davor und danach korrespondierte der Kläger mit der Versorgungsverwaltung in Fulda wegen des Zahlungsweges, der aufgrund des Zerfalls der früheren Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien (SFRJ) neu geregelt werden mußte.
Ohne vorherige Anhörung des Klägers nahm der Beklagte den Bewilligungsbescheid unter Hinweis auf § 7 Abs. 2 BVG mit Rücknahmebescheid vom 11. Januar 1993 mit Wirkung ab 1. Februar 1993 zurück. Dieser Bescheid wurde am 11. Januar 1993 abgesandt. Der Kläger erhob Widerspruch (Eingang 13. Februar 1993), der mit Widerspruchsbescheid vom 9. Juli 1993 zurückgewiesen wurde.
Auf die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgericht Frankfurt am Main die angefochtenen Bescheide mit Urteil vom 13. Januar 1995 aufgehoben. Die Berufung des Beklagten blieb erfolglos (Urteil des Hessischen Landessozialgerichts – HLSG – vom 12. Juni 1997).
Mit der vom HLSG zugelassenen Revision hat der Beklagte eine Verletzung des § 45 SGB X geltend gemacht. Mit Urteil vom 4. Februar 1998 hat das Bundessozialgericht (BSG) das Urteil des HLSG vom 12. Juni 1997 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen – u.a. mit der Maßgabe, zu prüfen, ob der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut habe und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig sei. Insoweit sei zu ermitteln, ob und welche Vermögensdispositionen der Begünstigte getroffen habe, in welchen wirtschaftlichen Verhältnissen er nach der Rücknahme lebe und ob außenpolitische Belange der Bundesrepublik Deutschland berührt sein könnten.
In dem zurückverwiesenen Verfahren hat der Senat daraufhin weitere Ermittlungen bei dem Kläger hinsichtlich evtl. Vermögensdispositionen und zu seiner wirtschaftlichen Lage durchgeführt. Der Kläger hat die Frage, ob er besondere Vermögensdispositionen getroffen habe, verneint. Nach seinen Angaben bezieht er monatlich eine Rente in Höhe von 64.560 SIT (slowenische Talar) sowie eine Invalidenrente in Höhe von 111.729 SIT. Er hat mitgeteilt, daß er mit Frau und zwei Kindern (ein Sohn im Studium, einer arbeitslos) in einem gemeinsamen Haushalt lebe und weiter ausgeführt, daß "die zur Verfügung stehende Geldsumme (gemeint ist hier die Rente aus der Bundesrepublik) die Lebensqualität” bedinge.
Der Beklagte ist der Ansicht, daß ein Vertrauen des Klägers in die Weitergewährung der bislang zu Unrecht erbrachten Leistungen nicht zu erkennen sei. Der Kläger habe keine Vermögensdispositionen getroffen und lebe weiterhin in wirtschaftlich geordneten Verhältnissen.
Der Beklagte beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 13. Januar 1995 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat durch Beschluss vom 12. Juni 1998 die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (BMA), zum Verfahren beigeladen.
Die Beigeladene hat sich zur Frage der Abwägung des schutzwürdigen Vertrauens des Klägers mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme des Bescheides einer Stellungnahme enthalten; außenpolitische Belange seien angesichts der geringen Zahl der Verfahren von slowenischen Staatsbürgern nicht berührt.
Der Senat hat hinsichtlich der außenpolitischen Belange der Bundesrepublik Deutschland beim Auswärtigen Amt ermittelt und die Antrage sowie die Auskünfte zum Gegenstand auch dieses Verfahrens gemacht. Mit Schreiben vom 8. Dezember 1998 hat das Auswärtige Amt mitgeteilt, von seiner Seite aus erscheine es aus außenpolitischer Sicht gerechtfertigt, dem Vertrauen eines Begünstigten in die Bindungswirkung einer nach mehrjährigem Verfahren zustande gekommenen Entscheidung der Versorgungsverwaltung größeren Wert beizumessen, als dem Interesse der Versorgungsverwaltung an der Rechtmäßigkeit der Entscheidung. Eine Entziehung der nach langjährigem Verwaltungsverfahren bewilligten Versorgung wäre nicht nur für den Betroffenen unverständlich, sondern könnte die Bundesrepublik Deutschland auch im Ausland der Kritik aussetzen, zivile Kriegsopfer des zweiten Weltkrieges unangemessen zu behandeln. In der Stellungnahme der Botschaft Zagreb vom 20. November 1998 hat diese u.a. ausgeführt, daß die Zahlung von Versorgungsleistungen nach Kroatien dort nicht als eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten empfunden werde und daß der Entzug von Rentenzahlungen im Jahre 1993 zu einer Eingabe des Verbandes der zivilen Kriegsinvaliden Kroatiens an den Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland geführt habe. In einer Mitteilung vom 14. Dezember 1998 hat die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Ljubljana/Laibach (Slowenien) u.a. mitgeteilt, daß die Entziehung von Renten an zivile Kriegsopfer zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Ansehens der Bundesrepublik Deutschland in diesem Land geführt habe und weiterhin führen könne. Weiter sind die Stellungnahmen der Botschaften in Sarajevo (Bosnien-Herzegowina), Skopje (ehemalige Sozialistische Republik Mazedonien) und Belgrad (Bundesrepublik Jugoslawien) vorgelegt worden. Die Botschaft in Belgrad hat empfohlen, evtl. schwerwiegende Folgen bei der Entziehung von Rentenzahlungen bei der Abwägung zwischen öffentlichem Interesse und schutzwürdigem Vertrauen zu berücksichtigen. Keine der Botschaften hat darüber berichtet, daß die Zahlung von Renten an zivile Kriegsopfer als eine Einmischung in die Inneren Angelegenheiten dieser Staaten empfunden werde.
Alle Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die Akte des Bundessozialgerichts sowie auf die Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen (B-Akten des Versorgungsamtes Fulda, Archiv-Nr.: ), die dem Senat vorgelegen haben und die Gegenstand der Beratungen des Senats am 29. Juli 1999 gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil alle Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG –).
Die zulässige Berufung erweist sich auch nach erneuter Prüfung durch den Senat als sachlich unbegründet.
Streitgegenstand der vom Kläger erhobenen Anfechtungsklage ist die Rechtmäßigkeit der durch den Bescheid des Beklagten vom 11. Januar 1993 (in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Juli 1993) verfügten Rücknahme des Bewilligungsbescheides vom 12. Juni 1991. Rechtsgrundlage für die gerichtliche Prüfung ist, wie das Bundessozialgericht (BSG) in ständiger Rechtsprechung in einer Vielzahl von vergleichbaren Fällen entschieden hat (Urteile vom 5. November 1997 – 9 RV 20/96 –, 9 RV 28/96 – und 9 RV 2/97 – vgl. SozR 3-1300 § 45 Nr. 37) allein § 45 SGB X. Nach dieser Vorschrift darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt – auch soweit es sich, wie vorliegend, um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung handelt), wenn er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 von § 45 SGB X ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit und nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden (§ 45 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 SGB X).
Der Beklagte hat den Bewilligungsbescheid vom 12. Juni 1991, der, wie das BSG entschieden hat, wegen Verstoßes gegen § 7 Abs. 2 BVG rechtswidrig war, unter Einhaltung dieser Zwei-Jahres-Frist zurückgenommen, wie das BSG im vorliegenden Fall bereits entschieden hat. Das ergibt sich bereits daraus, daß der Bewilligungsbescheid vom 12. Juni 1991 erst am 24. Juni 1991 abgesandt worden ist und der Kläger nach seinen Angaben den Rücknahmebescheid vom 11. Januar 1993 noch im Januar 1993 erhalten sowie in Kenntnis dieses Bescheides dagegen bereits mit Schreiben vom 8. Februar 1993 Widerspruch eingelegt hatte.
Der Beklagte durfte indes den Bewilligungsbescheid vom 12. Juni 1991 nicht zurücknehmen, weil der Kläger in den Bestand dieses Bescheides vertraut hat und weil bei der nach § 45 Abs. 2 SGB X vorzunehmenden Abwägung zwischen diesem Vertrauen des Klägers in den Bestand des Bescheides und dem öffentlichen Interesse, sich sein Vertrauen als schutzwürdiger erweist, als das öffentliche Interesse an der Rücknahme des Bescheides. Die hierbei erforderliche Abwägung kann vom Gericht in vollem Umfang überprüft werden (Steinwedel, in: Kasseler Kommentar, Loseblatt, Stand: Dezember 1998, § 45 SGB X, Rdnr. 46).
Der Kläger hat nach den vom Senat getroffenen Feststellungen in den Bestand des Bewilligungsbescheides vertraut und hat die ihm gewährten Leistungen im guten Glauben auf die Rechtmäßigkeit des Bescheides unter anderem zum Bestreiten des laufenden Lebensunterhaltes verbraucht; er hat aber keine solch weitreichenden Vermögensdispositionen getroffen, deren Rückgängig-Machen bereits als unzumutbar anzusehen wäre. Die weiteren Ermittlungen des Senats haben jedoch keine Anhaltspunkte dafür erbracht, daß der Kläger deshalb kein Vertrauen in den Bestand des Bewilligungsbescheides gehabt hätte. Da es zu den Grundsätzen einer rechtsstaatlichen Verwaltung gehört, daß der Empfänger eines Bescheides auf die Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns vertrauen darf (BSG, Urteil vom 14. Juni 1994 – 10 RKg 5/83 – in: SozR 2-1300 § 45 Nr. 9, S. 25 unten; Urteil vom 5. November 1997 – 9 RV 20/96 – in: SozR 3-1300 § 45 Nr. 37), spricht für das Vorliegen eines solchen Vertrauens beim Kläger eine – im Zweifel allerdings auch widerlegliche – Vermutung (BSG, Urteil vom 5. November 1997 a.a.O. unter Hinweis auf Kopp, Verwaltungsverfahrensgesetz VwVfG – 6. Aufl. 1996, § 48 Rdnrn. 55, 56 m.w.N.). Solche Zweifel hat jedoch die Behörde darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, wenn sie den Einwand erhebt, der Begünstigte habe auf den Bestand des Verwaltungsaktes tatsächlich nicht vertraut. Wenn – im Regelfall, wie auch hier im Fall des Klägers – alle Umstände dafür sprechen, daß der Begünstigte in den Bestand des Bescheides vertraut hat, obliegt es nicht ihm, das Bestehen seines Vertrauens selbst unter Beweis zu stellen (Pickel, SGB X, Loseblatt, Stand: Dezember 1998, § 45 Rdnr. 24; Klappstein, in: Knack, VwVfG, 4. Aufl. 1994; § 48 Rdnr. 5.8; Wiesner, in: Schroeder-Printzen, SGB X, 3. Aufl. 1996, § 45 SGB X Rdnr. 16; wohl auch Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 4. Aufl. 1994, § 48 Rdnr. 29; die abweichende Position bei Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, 3. Aufl. 1986, § 62 II 2. aa., ist vereinzelt geblieben und dürfte nach der nunmehr übereinstimmenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des BSG überholt sein); vielmehr müßte der Beklagte zunächst darlegen und Ansatzpunkte für eine Beweiserhebung erbringen, mit denen der Mangel eines Vertrauens des Klägers nachgewiesen werden könnte. Dies ist von Seiten des Beklagten nicht gelungen.
Schutzwürdig ist das Vertrauen des begünstigten Klägers gemäß § 45 Abs. 2 Satz 2 SGB X "in der Regel” (das heißt grundsätzlich immer – von ganz besonderen Ausnahmen abgesehen – aber nicht nur aus den nachfolgend genannten Gründen), soweit er als Leistungsempfänger die Leistungen verbraucht hat oder aber wenn er eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter Inkaufnahme von unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann (und soweit diese Vermögensdisposition nach Erhalt des Bewilligungsbescheides getroffen worden ist, vgl. Steinwedel, a.a.O., § 45 SGB X Rdnr. 48 unter Hinweis auf BSGE 59, 206 = BSG SozR 2-1300 § 45 Nr. 20). Von einer solchen Vermögensdisposition hat der Kläger auf Anfrage des Senats nicht berichtet. Er hat weder ein Haus noch eine Eigentumswohnung gekauft oder bauen lassen, noch eine andere (teurere) Wohnung angemietet und auch kein Auto oder andere größere Gebrauchsgegenstände angeschafft.
Aus der Formulierung "in der Regel” wird aber nach einhelliger Meinung in der Literatur und der Rechtsprechung geschlossen, daß in diesen beiden Fällen (wobei der Fall des "Verbrauchs” nur – rückwärts gewandt – die Rücknahme eines bestandskräftigen Bescheides für die Vergangenheit betrifft, was vorliegend nicht geschehen ist, während der andere Fall – im Hinblick auf zukünftige Entwicklungen – für die Rücknahme eines begünstigenden Bescheides für die Zukunft und damit hier einschlägig ist) zwar nicht immer und unter allen Umständen, aber doch in aller Regel ein schutzwürdiges Vertrauen anzuerkennen ist (BSG, Urteile vom 14. Juni 1984 – 10 RKg 5/83 – und vom 28. November 1985 – 11 b/7 RAr 128/84 – in: SozR 2-1300 § 45 Nrn. 9 u. 20). Dies bedeutet aber auch zugleich, daß damit nicht abschließend alle die Fälle bezeichnet werden, bei denen von einem schutz- und vorzugswürdigen Vertrauen des Begünstigten in den Bestand des Bescheides ausgegangen werden kann. Würde man nur in den Regelfällen des Abs. 2 Satz 2 von § 45 SGB X ein schutzwürdiges Vertrauen anerkennen, hätte dies zur Folge, daß diejenigen Leistungsempfänger, die mutiger und risikobereiter sind als andere, in einer gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßenden Weise zusätzlich begünstigt würden. Wenn sie etwa wegen des Kaufs eines Hauses oder einer Wohnung eine schutzwürdige Vermögensdisposition getroffen haben, würde ihnen bei Weitergewährung der Versorgungsbezüge auch noch die Möglichkeit eingeräumt, die Schuldzinsen und Tilgungsleistungen zu zahlen, mit dem Ergebnis, daß sie durch (rechtswidrig bewilligte) Mittel aus dem Bundeshaushalt noch einen zusätzlichen Vermögensvorteil erwerben könnten, während andere, die etwa wegen der Schwere ihrer Schädigungsfolgen eine solche Vermögensdisposition nicht haben treffen können oder wollen, durch den Entzug der Versorgungsleistungen für die Zukunft zusätzlich benachteiligt würden.
Zu Recht hat das BSG deshalb hierzu (unter Bezugnahme auf die Gesetzesbegründung auch zu § 48 VwVfG, vgl. BT-Drucks. 8/2034, S. 34 und BT-Drucks. 7/510, S. 68) ausgeführt, daß zusätzlich – soweit nicht ohnedies einer der beiden Regeltatbestände erfüllt ist – geprüft werden muß, ob aus irgendeinem anderen Grund ein schutzwürdiges Vertrauen entstanden ist, bei dem dann aber unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an der Rücknahme des Bescheides geprüft werden muß, ob es vorzugswürdig ist (BSG, Urteil vom 14. Juni 1984 – 10 RKg 5/83 – und vom 28. November 1985 11 b/7 RAr 128/84 – in: SozR 2-1300 § 45 Nr. 9 (S. 25) und Nr. 20 sowie Urteil vom 5. November 1997 – 9 RV 20/96 – in: SozR 3-1300 § 45 Nr. 37; vgl. auch Pickel, a.a.O., § 45 SGB X, Rdnrn. 5 und 28; Grüner/Dalichau, a.a.O., § 45 SGB X, IV, 1 u. 4).
Dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme eines Bescheides für die Zukunft, wie im vorliegenden Fall, wird dabei ein erhebliches Gewicht beigemessen (vgl. BSG, Urteil vom 25. Juni 1986 – 9 a RVg 2/84 – in: SozR 2-1300 § 45 Nr. 24). Die nach § 45 SGB X zugelassene Durchbrechung der Bindungswirkung bestandskräftiger Verwaltungsakte (§ 77 SGG) geht von dem Gedanken der Recht- und Gesetzmäßigkeit jeden Verwaltungshandelns aus, der es grundsätzlich verlangt, rechtswidrige Verwaltungsakte zu beseitigen (BSG, Urteil vom 14. November 1984 – 7 RAr 123/84 – in: SozR 2-1399 § 45 Nr. 19; Urteil vom 5. November 1997 – 9 RV 20/96 – a.a.O.). Der Fortbestand eines rechtswidrigen Bewilligungsbescheides hätte zur Folge, daß in der Zukunft aus dem Bundeshaushalt entgegen der Regelung in § 7 Abs. 2 BVG auf Dauer erhebliche Mittel gezahlt werden müßten, obwohl dies nach der seit 1992 bzw. 1993 gefestigten Rechtsprechung des BSG nicht zulässig ist. Dies widerspräche auch den allgemein anerkannten und verbindlich geregelten Grundsätzen einer sparsamen Haushaltsführung (vgl. hierzu z.B. Art. 109 ff. des Grundgesetzes – GG –, insbesondere Art. 109 Abs. 3, 110 und 114 GG sowie § 6 Haushaltsgrundsätzegesetz – HGrG – und §§ 7, 105 Abs. 1 Nr. 2 der Bundeshaushaltsordnung – BHO –). Bei einem Verwaltungsakt, mit welchem – wie hier – dem Begünstigten eine Dauerleistung bewilligt worden ist, die noch für eine erhebliche Zeitspanne weiterzugewähren sein würde, muß deshalb das öffentliche Interesse an der Beseitigung des rechtswidrigen Zustandes in der Regel höher eingeschätzt werden, als etwa bei der Gewährung einer einmaligen Leistung; dem öffentlichen Interesse an einer rechtmäßigen Mittelverwendung hat dann im allgemeinen der Vorrang zu gebühren (BSG, Urteil vom 25. Juni 1985, SozR 2-1300 § 45 Nr. 24; Urteil vom 5. November 1997, a.a.O., m.w.N., unter anderem mit Hinweis auf BSG SozR 2-1300 § 45 Nrn. 9, 19 und 24). Dem trägt auch die Vorschrift des § 48 Abs. 3 Satz 1 SGB X Rechnung, wonach, wenn ein in rechtswidriger Weise Leistungen bewilligender Bescheid aus Rechtsgründen nicht mehr zurückgenommen werden kann, die Leistung jedenfalls nicht mehr an zukünftigen Anpassungen teilnimmt, sondern "eingefroren” wird.
Diese gewichtigen öffentlichen Interessen schließen es aber im Einzelfall nicht aus, den Vertrauensschutz des Begünstigten als bedeutsamer anzusehen. Vielmehr muß eine Abwägung zwischen einerseits all den Gesichtspunkten des jeweiligen Einzelfalles stattfinden, welche konkret geeignet sein können, das Vertrauen des Berechtigten in die Bestandskraft des Bescheides zu stärken, und dem dargelegten gewichtigen öffentlichen Interesse an der Rechtmäßigkeit und Sparsamkeit der Verwendung von Mitteln aus öffentlichen Haushalten (vgl. Steinwedel, a.a.O., § 45 SGB X Rdnrn. 48 f. unter Hinweis auf BSG SozR 2-1300 § 45 Nrn. 19, 20, 24, 32; BSG, a.a.O. SozR 3-1300 § 45 Nr. 37). Dabei sind allerdings zugunsten des Leistungsempfängers nicht irgendwelche Gesichtspunkte zu berücksichtigen und in die Abwägung einzubeziehen, sondern nur solche, welche geeignet erscheinen können, das Interesse des Betroffenen an und sein Vertrauen in die Bestandskraft des Bescheides zu bestärken (Steinwedel, a.a.O.).
Die öffentlichen Belange sind dann immer als weniger gewichtig zu bewerten, als das Interesse des Berechtigten am Bestand des Bescheides, wenn der Fehler, der zum Erlaß eines rechtswidrigen Bescheides geführt hat, ausschließlich von der Verwaltung zu vertreten ist (BSG SozR 2-1300 § 45 Nrn. 19, 20, 24; BSG, Urteile vom 5. November 1997 – 9 RV 20/96 – und vom 7. Juli 1998 – B 5 RJ 58/97 R – vgl. SozR 3-1300 § 45 Nrn. 37 und 38). So liegen die Dinge im vorliegenden Fall: Der Kläger hat alle von ihm verlangten Informationen in einem mehrjährigen Verwaltungsverfahren beschafft und dem Beklagten übermittelt und dabei insbesondere auch von Anfang an ausdrücklich darauf hingewiesen, daß er in seinem Heimatstaat als ziviles Kriegsopfer anerkannt worden war und deshalb von diesem eine – wenn auch vergleichsweise nicht sehr hohe Rente – erhält. Die Verwaltung des Beklagten hat in Kenntnis dieser Tatsachen und Umstände sowie der Rechtslage – wobei insbesondere die Anerkennung des Klägers als ziviles Kriegsopfer in seinem Heimatstaat eine wichtige Bedeutung für die Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen für eine Ermessensentscheidung nach § 8 BVG zugunsten des Klägers hatte – dem Kläger die sogenannte "Kann-Versorgung” gewährt, obwohl bereits nach einer früheren Entscheidung des BSG (Urteil vom 25. November 1976 – 9 RV 188/75 – in SozR 2-3100 § 7 Nr. 2) durchaus Zweifel an der Zulässigkeit dieser Praxis der Leistungsbewilligung an im Ausland lebende zivile Kriegsopfer angebracht waren. In keiner Weise hat der Kläger diese – durch Richtlinien des beigeladenen Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung ("Richtlinien Ost”) ausdrücklich gebilligte – Praxis durch unzutreffende Angaben oder Auskünfte herbeigeführt oder sonst zu vertreten. In der Rechtsprechung des BSG und in der Kommentarliteratur wird allgemein anerkannt, daß ein solcher Umstand bei der Abwägung zugunsten des Leistungsempfängers zu berücksichtigen ist (BSG in: SozR 2 1300 § 45 Nrn. 19, 20 und 24; Urteil vom 5. November 1997 – 9 RV 20/96 – und vom 7. Juli 1998 – B 5 RJ 58/97 R – in: SozR 3-1300 Nrn. 37 und 38; Steinwedel, a.a.O. § 45 Rdnr. 47; Grüner/Dalichau, SGB X, § 45 IV. 3.; Pickel, a.a.O., § 45 Rdnr. 25) wobei zunächst offen bleiben kann, ob man durch diesen Umstand eher das Vertrauen des Klägers in den Bestand des Bescheides gestärkt sehen will, oder aber eine Relativierung des öffentlichen Interesses an der Rücknahme des Bescheides für die Zukunft (insoweit, als das Offenlegen eines solchen Verwaltungsfehlers geeignet ist, das Ansehen der Versorgungsverwaltung und das Vertrauen in eine rechtsstaatlich einwandfreie Verwaltungstätigkeit zu beschädigen, was nicht im öffentlichen Interesse liegt).
Darüber hinaus erfährt das öffentliche Interesse an der Aufhebung des Bewilligungsbescheides aber auch noch unter einem weiteren Gesichtspunkt eine Abschwächung, weil vorliegend auch außenpolitische Belange der Bundesrepublik Deutschland zu berücksichtigen sind. Der Senat hat hierzu das Auswärtige Amt der Bundesrepublik Deutschland als besonders fachkundige Stelle für die Bewertung außenpolitischer Belange und – vermittelt über dieses – die Botschaften der Bundesrepublik Deutschland in allen früheren Teilstaaten der ehemaligen Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien (SFRJ) um eine Auskunft ersucht. In Kenntnis der Stellungnahmen der Botschaft in Zagreb (für die Republik Kroatien), demzufolge dort zwar nicht von erheblichen Unstimmigkeiten in diesem Land berichtet worden war, sowie einer ersten Stellungnahme der Botschaft in Skopje (frühere Sozialistische Republik Mazedonien) hat das Auswärtige Amt bereits die Bewertung abgegeben, daß durch die Entziehung von Versorgungsleistungen öffentliche Belange der Bundesrepublik Deutschland tangiert sein können. Eine Entziehung dieser Leistungen müßte nicht nur für die Betroffenen unverständlich sein, sondern könnte auch zur Folge haben, daß sich die Bundesrepublik im Ausland der Kritik ausgesetzt sehen müßte, zivile Opfer des zweiten Weltkrieges unangemessen zu behandeln. Aus außenpolitischer Sicht könnte es deshalb – so das Auswärtige Amt – gerechtfertigt erscheinen, dem Vertrauen der Betroffenen in den Bestand des nach einem langwierigen Verwaltungsverfahren zustande gekommenen Bewilligungsbescheides größeres Gewicht beizumessen, als dem öffentlichen Interesse an der Aufhebung des Bescheides – auch für die Zukunft.
Diese Bewertung wird durch die Äußerungen der Botschaften der Bundesrepublik Deutschland in Sarajevo (für Bosnien-Herzegowina) und insbesondere in Laibach/Ljubljana (für Slowenien) bestätigt. Nach diesen Auskünften können für die Berücksichtigung der Situation in diesen Ländern und dem Umgang mit zivilen Opfern des zweiten Weltkrieges nicht ausschließlich fiskalische Interessen und Grundsätze des (bundesdeutschen) Haushaltsrechts im Vordergrund stehen; es ist jedenfalls – so insbesondere die Stellungnahme aus Ljubljana – eine erhebliche Beschädigung des Ansehens der Bundesrepublik Deutschland in diesen Staaten zu besorgen.
Der Senat hält die Bewertungen des Auswärtigen Amtes und der Botschaften zwar nicht allein für zwingend und ausschlaggebend. Sie machen aber zur Überzeugung des Senats jedenfalls deutlich, daß, über die bereits vorstehend erörterten Aspekte hinaus, ein öffentliches Interesse an der Rücknahme der Bescheide (und damit auch am rechtsstaatlichen Gesetzesvollzug und an der sparsamen Haushaltsführung) weiter relativiert werden muß, weil an einer Beschädigung des Ansehens der Versorgungsverwaltung der Bundesrepublik Deutschland ein öffentliches Interesse nicht erkennbar ist. Der Senat sieht diese Bewertung der außenpolitischen Belange auch nicht dadurch widerlegt, weil – wie die Beigeladene und der Beklagte haben ausführen lassen – in Slowenien nur einige wenige zivile Kriegsopfer von Rücknahmebescheiden betroffen sind. Die Botschaft in Sarajewo hat in Kenntnis der Vorgänge in Slowenien in ihrer Stellungnahme vom 18. Dezember 1998 gerade daraufhingewiesen, daß angesichts der wieder aktuellen Diskussion über die Frage von Kriegsentschädigungen eine Beschädigung des Ansehens der Bundesrepublik in Slowenien zu befürchten ist. Diese Einschätzung hält der Senat für sachkundiger als die Äußerungen von Seiten der Beklagten und der Beigeladenen, weshalb sie für die Bewertung des öffentlichen Interesses (mit) heranzuziehen sind.
Weder in der Republik Slowenien, wo der Kläger wohnt, noch in einem der anderen ehemaligen Teilstaaten der früheren SFRJ, wird die Zahlung von Versorgungsleistungen an zivile Kriegsopfer als eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten dieser nunmehr souveränen Staaten angesehen. Insoweit hat sich die vom BSG geäußerte Besorgnis (Urteile vom 5. November 1997 – 9 RV 20/96 – u.a. sowie im vorliegenden Verfahren: Urteil vom 4. Februar 1998) nicht bestätigt. Dies hat aber auch zur Folge, daß bei der Abwägung des öffentlichen Interesses an der Rücknahme des Bewilligungsbescheides mit den zugunsten des Klägers zu berücksichtigenden Vertrauensschutzgesichtspunkten dem öffentlichen Interesse nur eine erheblich geringere Bedeutung zugesprochen werden kann.
Demgegenüber sprechen erhebliche und in der Rechtsprechung des BSG immer wieder anerkannte Gesichtspunkte für die Schutzwürdigkeit des Vertrauens des Klägers in den Bestand des Bewilligungsbescheides.
Der Kläger hat dargelegt, daß die Zuerkennung von Versorgungsleistungen für ihn eine Verbesserung der Lebensqualität ("Vertrauensbetätigung”, vgl. Steinwedel, a.a.O. § 45 SGB X, Rdnr. 47) ermöglicht hat. Sein Vertrauen in den Bestand dieses Bewilligungsbescheides ist zunächst durch ein besonders langwieriges und aufwendiges Verwaltungsverfahren (Dauer: fast 24 Monate) und durch die besonders sorgfältige Durchführung dieses Verwaltungsverfahrens bestärkt worden (BSG, Urteil vom 5. November 1997 – a.a.O.), wobei der Kläger in erheblichem Umfang mitzuwirken hatte, indem umfassende Auskünfte zu erteilen und – beglaubigte – Urkunden vorzulegen waren. Der Kläger mußte im Einzelnen den Hergang der Schädigung und die Anerkennung als ziviles Kriegsopfer in seinem Heimatland nachweisen, weshalb bei ihm der (seinerzeit nicht unbegründete) Eindruck entstanden sein mußte, daß gerade die Anerkennung als ziviles Kriegsopfer durch seinen Heimatstaat der entscheidende Gesichtspunkt dafür war, ihn (im Ermessenswege) in den Kreis der Leistungsberechtigten nach dem BVG einzubeziehen. Darüber hinaus wurde der Kläger aufgefordert, umfassend über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu berichten, was geeignet war, den Eindruck zu verstärken, daß die "Kann-Leistung” nach dem BVG auch nur solchen Personen zukommen sollte, die besonders bedürftig und deshalb oder aus anderen Gründen (wie etwa die Schwere der Beschädigung) auf die Leistungen aus der Bundesrepublik Deutschland in besonders hohem Umfang angewiesen sind. Alle diese, den Ablauf und die Dauer des Verwaltungsverfahrens betreffenden Umstände waren in hohem Maße geeignet, bei dem im Ausland lebenden, die deutsche Sprache nur unzureichend beherrschenden und nicht rechtskundigen Kläger den Eindruck zu erwecken, es werde ihm Gerechtigkeit in einem Verfahren zuteil, in dem alles "mit rechten Dingen” zuging.
Darüber hinaus hat der Beklagte auch nach Erlaß des Bewilligungsbescheides dieses beim Kläger entstandene besondere Vertrauen noch dadurch verstärkt, daß er Folgebescheide erlassen hat (vgl. schon BSG, Urteil vom 14. Juni 1984 in SozR 2-1300 § 45 Nr. 9 sowie BSG, Urteil vom 5. November 1997, a.a.O. – weitergehend als noch bei SozR 2-1300 § 45 Nr. 24). Der Beklagte hat nämlich auch noch einen Anpassungsbescheid nach dem 20. KOV-Anpassungsgesetz erlassen (Bescheid vom 17. Juni 1992) sowie mit dem Kläger beim Zerfall der SFRJ wegen eines neuen Zahlungsweges korrespondiert. Auch hierin liegt ein Verwaltungshandeln, das geeignet war, das Vertrauen des Klägers in Rechtmäßigkeit und Bestandskraft des Bewilligungsbescheides weiter zu stärken und zu vertiefen (Steinwedel, a.a.O., § 45 SGB X Rdnr. 47).
Der Kläger hat für den Senat glaubhaft und nachvollziehbar dargelegt, daß er auf die Versorgungsbezüge aus Deutschland dringend angewiesen ist und sich durch die Zahlung von Versorgungsleistungen aus Deutschland seine Lebensqualität nachhaltig verbessert. Während er zuvor mit eher bescheidenen Einkünften auszukommen gezwungen war und dabei die durch die schwerwiegende Schädigung erlittenen Nachteile nicht ausgleichen konnte, ist er durch die Bewilligung der Leistungen nach dem BVG in die Lage versetzt worden, in erheblich verbesserten Lebensumständen zu leben. Dem steht nicht entgegen, daß, wie der Beklagte ausgeführt hat, die wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers geordnet waren und sind. Die Renteneinkünfte des Klägers belaufen sich nach seinen eigenen Angaben auf insgesamt rund 176.000 SIT, was im Dezember 1998 einen Gegenwert in DM von rund 1.838 DM/Monat entsprach (lt. Mitteilung der Deutschen Bundesbank). Auch unter dem Vorbehalt, daß ein echter Kaufkraftvergleich schwierig ist, handelt es sich dabei nicht um derart niedrige Einkünfte, die es rechtfertigen würden, davon auszugehen, daß der Kläger mit seiner Familie ohne Versorgungsleistungen aus der Bundesrepublik unmittelbar am Existenzminimum leben müßte. Der Kläger hat aber daraufhingewiesen, daß er für seine Frau und derzeit auch noch für zwei Kinder aufzukommen hat.
Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, daß der Kläger als Blinder durch die Schädigung besonders schwer betroffen war und ist. Der Kläger hat im Hinblick auf die Schwere seiner Schädigung, deren Folgen mit einer MdE von 100 v.H. zu bewerten sind, für den Senat deshalb auch einleuchtend und nachvollziehbar daraufhingewiesen, daß ihn der Entzug der Leistungen in eine sehr schwierige Lebenslage (zurück-)versetzt hat und weiter zurückversetzen wird, weil er als Blinder ständig fremder Hilfe bedarf. Insoweit stellt die Rücknahme der Versorgungsbezüge bewilligenden Bescheides eine besondere Härte für den Kläger dar, was auch schon im Rahmen der Interessenabwägung zu seinen Gunsten berücksichtigt werden muß (Wiesner, in: Schroeder-Printzen, SGB X, 3. Aufl. 1996, § 45 Rdnrn. 1, 20). Schließlich muß auch die große Zeitspanne zwischen dem Erlaß des Bewilligungs- und des Rücknahmebescheides zugunsten des Klägers Berücksichtigung finden: Je später die Rücknahme erfolgt, desto mehr hat sich der Vertrauensschutz "verdichtet” (BSG, Urteil vom 5. November 1997, a.a.O. und passim; Wiesner, a.a.O. Rdnr. 17; auch Grüner/Dalichau, a.a.O., Anm. IV. 3), wo zu Recht daraufhingewiesen wird, daß die Zwei-Jahres-Frist in Abs. 3 von § 45 SGB X zusammen mit den anderen dort genannten Fristen auch als Hinweis dafür gelesen werden kann, daß der Zeitablauf bei der Interessenabwägung Berücksichtigung finden muß.
Bei Abwägung aller dieser Umstände und Gesichtspunkte, die für ein schutzwürdiges Vertrauen des Klägers in den Bestand des Bewilligungsbescheides sprechen, mit den Gesichtspunkten, die das öffentliche Interesse an der Rücknahme des Bescheides rechtfertigen können, kann zur Überzeugung des Senats – wie oben ausgeführt – nicht außer Acht gelassen werden, daß das öffentliche Interesse eine erhebliche Relativierung dadurch erfahren muß, daß der Fehler beim Zustandekommen des Bescheides ausschließlich in der Verantwortung der Versorgungsverwaltung gelegen hat, und daß bei der Rücknahme nunmehr auch in einem nicht zu vernachlässigenden Umfang außenpolitische Belange der Bundesrepublik Deutschland Berücksichtigung finden müssen. Dies muß im Ergebnis dazu führen, das uneingeschränkt schutzwürdige Vertrauen des Klägers – auch schon vor Ablauf der Zwei-Jahres-Frist des § 45 Abs. 3 Satz 1 SGB X – höher zu bewerten, als das öffentliche Interesse an der Rücknahme. Dabei ist auch zu berücksichtigen, daß die zukünftige Belastung des Bundeshaushaltes von Seiten des Beklagten durch den Erlaß eines Bescheides gemäß § 48 Abs. 3 SGB X verringert werden kann.
Nach alledem steht zur Überzeugung des Senats als Ergebnis einer Abwägung sämtlicher zu berücksichtigender Umstände fest, daß dem Interesse des Klägers an der Aufrechterhaltung des Bewilligungsbescheides Vorzug gebührt, weshalb das Sozialgericht den Rücknahmebescheid des Beklagten vom 11. Januar 1993 zu Recht aufgehoben hat.
Im Hinblick darauf, daß der Senat bereits im Rahmen der Interessenabwägung zu dem Ergebnis gelangt ist, daß der Rücknahmebescheid rechtswidrig war und deshalb aufgehoben werden mußte, bedurfte es keiner weiteren Erörterung der Frage mehr, inwieweit aus den genannten und wegen evtl. weiterer Gesichtspunkte noch Raum für eine Ermessensentscheidung von Seiten des Beklagten verblieben ist (vom BSG in seinen Entscheidungen vom 5. November 1997 – 9 RV 20/96 – und vom 4. Februar 1998 – B 9 V 12/97 R – mit der Formulierung offen gelassen, daß insoweit "Ausnahmen denkbar” seien).
Die Berufung des Beklagten mußte nach alledem zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 und Abs. 2 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen. Die anläßlich der früheren Entscheidung des Senats noch offene Rechtsfrage, die eine Zulassung der Revision erforderlich gemacht hatte, ist zwischenzeitlich durch eine ständige Rechtsprechung des 9. Senats des BSG jedenfalls für Fallkonstellationen wie die vorliegende geklärt, weshalb Zulassungsgründe gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
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