L 14 KR 850/95

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 6 Kr 295/93
Datum
-
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 14 KR 850/95
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Der Rechtsstreit wird ausgesetzt.

II. Dem Bundesverfassungsgericht wird gemäß Artikel 100 des Grundgesetzes die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob § 240 Absatz 4 Satz 2, 2. Halbsatz des Fünften Buches Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – in der Fassung des Artikel 1 Nr. 137 c) des Gesetzes zur Sicherung und Strukturverbesserung der gesetzlichen Krankenversicherung (Gesundheitsstrukturgesetz) vom 21. Dezember 1992 (BGBl. I S. 2266) mit dem Grundgesetz insoweit vereinbar ist, als bei Nachweis niedrigerer Einnahmen mindestens der 40. Teil der monatlichen Bezugsgröße pro Kalendertag bei der Beitragsbemessung anzusetzen ist.

Tatbestand:

Die 1951 geborene Klägerin ist seit 1979 bei der Beklagten familienversichert bzw. deren Mitglied. Bis 1989 war sie als angestellte Lehrerin Pflichtmitglied der Beklagten. Seither ist sie freiwilliges Mitglied.

Die Klägerin erwirbt ihren Lebensunterhalt überwiegend als Kursleiterin/Dozentin u.a. an mehreren Volkshochschulen, sowohl in der Universitätsstadt XYZ. als auch in den Volkshochschulen umliegender Städte und Landkreise sowie für andere Auftraggeber (u.a. Volkshochschule – VHS – der Universitätsstadt XYZ., der Landkreise XYZ. und RSQ. sowie der Universitätsstadt NGX. und u.a. für den hessischen VHS-Verband). Die Klägerin übt diese Tätigkeit überwiegend selbständig auf Honorarbasis aus, wobei sie VHS-Kurse in verschiedenen Orten anbietet und – wenn diese nach Anmeldung einer ausreichenden Anzahl von Teilnehmerinnen und Teilnehmern auch tatsächlich zustande kommen – mit dem eigenen Pkw zu den jeweiligen Veranstaltungsorten fährt. Die Honorare werden dabei jeweils nach Ende eines Semesters abgerechnet.

Zweimal im Jahr arbeitet die Klägerin im Rahmen eines feststehenden Kursangebotes für jeweils vier Wochen bei der VHS der Universitätsstadt XYZ. als festangestellte Dozentin in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis und ist in dieser Zeit pflichtversichertes Mitglied der Beklagten.

In den Jahren 1989 bis 1996 hat die Klägerin auf diese Weise (mit gewissen Schwankungen) jeweils den überwiegenden Teil ihrer zum Lebensunterhalt dienenden Einkünfte aus Honoraren in der selbständigen Tätigkeit verdient. Dabei entwickelten sich die in den Steuererklärungen ausgewiesenen Einkünfte aus selbständiger Arbeit (nach Abzug der Ausgaben wegen der selbständigen Tätigkeit) wie folgt (jeweils in vollen DM): 1989: 8.927; 1990: 10.767; 1991: 10.970; 1992: 9.654; 1993: 11.673; 1994: 6.055; 1995: 12.010 und 1996: 12.200 (vgl. auch Tabelle 1, Spalte 3 für die Zeit ab 1992). Die Gesamthonorareinnahmen ("Bruttoeinnahmen” aus selbständiger Tätigkeit vor Abzug der Ausgaben nach der Anlage zur Anlage GSE zur Einkommensteuererklärung) entwickelten sich in den letzten Jahren wie folgt (jeweils in vollen DM): 1993: 19.890; 1994: 14.977; 1995: 20.485 und 1996: 17.538 (vgl. Tabelle 1, Spalte 1).

Die große Differenz zwischen den ("Brutto”-)Einnahmen und den steuerlich zu deklarierenden Einkünften aus selbständiger Tätigkeit ergibt sich aus den erheblichen Ausgaben, die bei der Klägerin im Rahmen der selbständigen Tätigkeit anfallen und bei der Gewinn- und Verlustrechnung einkommensmindernd abgesetzt werden können. Dazu gehören insbesondere Ausgaben für Reisekosten (zu den Kursen), Fachliteratur, Bürobedarf/Kopien/Porto, Telefon, Kosten für das häusliche Arbeitszimmer sowie Absetzungsbeträge für die Anschaffung eines Computers und von Möbelstücken für das Arbeitszimmer. Aus der unselbständigen Tätigkeit, für die von der Arbeitgeberin Pflichtbeiträge an die Beklagte abgeführt werden, hat die Klägerin in den letzten Jahren folgende Bruttoentgelte (Brutto-Arbeitslohn) erhalten (jeweils in vollen DM):

1989: 5.202; 1990: 5.246; 1991: 6.212; 1992: 6.512; 1993: 7.203; 1994: 5.906; 1995: 6.229 und 1996: 6.326 (vgl. Tabelle 1, Spalte 4 für die Zeit ab 1992).

Die Klägerin hatte (je nach Berechnungsart) aus diesen Gesamteinkünften nach Abzug aller Pauschbeträge, der Vorsorgeaufwendungen und der Steuern seit 1989 monatlich (in vollen DM) als "frei verfügbares Einkommen” folgende Beträge:

1989: 634; 1990: 781; 1991: 849; 1992: 779; 1993: 905; 1994.: 707; 1995: 878 und 1996: 882 (vgl. Tabelle 1, Spalten 8 und 9).

Dabei variiert das monatliche, zur freien Verwendung zur Verfügung stehende ("Netto” )Einkommen je nach Berechnungsart. Werden die bei der Festsetzung des zu versteuernden Einkommens bereits abgezogenen Versicherungsbeiträge den Einkünften hinzugefügt, erhöht sich das vorstehend errechnete durchschnittliche, zur freien Verfugung stehende Monatseinkommen etwa in der Größenordnung von DM 100,– je Monat (vgl. auch später Tabelle 3).

Aufgrund der von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) erzwungenen Änderung des Einkommensteuerrechts, wonach das Existenzminimum steuerfrei zu bleiben hat, zahlt die Klägerin ausweislich der Einkommensteuererklärungen seit dem Jahre 1994 sowie für die Jahre 1995 und 1996 keine Einkommensteuer mehr (vgl. BVerfGE 87, 153, ff.).

Für die Monate, in denen die Klägerin im Rahmen ihrer selbständigen Tätigkeit freiwilliges Mitglied der Beklagten war, wurden die Beiträge zur freiwilligen Versicherung in der GKV von der Beklagten jeweils auf der Grundlage von Steuererklärungen bzw. Einkommensteuerbescheiden nach den deklarierten Einkünften aus selbständiger Arbeit (d.h. nach Abzug der Ausgaben wegen selbständiger Tätigkeit) errechnet.

Die Klägerin war jeweils in die entsprechende Beitragsklasse (ohne Bezug von Krankengeld), eingeordnet und zahlte aufgrund dieser Einstufung in den Jahren 1989 bis 1992 Monatsbeiträge in Höhe von DM 249 bzw. DM 240. Mit Bescheid vom 25. September 1992 stufte die Beklagte die Klägerin (letztmals vor dem streitbefangenen Zeitraum) unter Zugrundelegung eines Arbeitseinkommens aus selbständiger Tätigkeit als Kursleiterin ab dem 1. Oktober 1992 in die Beitragsklasse 885 mit einem Monatsbeitrag von DM 261 (vgl. Tabelle 2, Spalten 9 und 10) ein. Diese Einstufung war bis zum 30. September 1993 befristet.

Nachdem das Inkrafttreten des Gesundheitsstrukturgesetzes (GSG) mit dem Beschluss des Bundesrates vom 18. Dezember 1992 absehbar war, teilte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 22. Dezember 1992 mit, daß die bisherige Einstufung in die einkommensbezogene Beitragsklasse 885 unter Zugrundelegung von beitragspflichtigen Einnahmen je Monat bis DM 2.150,00 nach der Gesetzesänderung nicht mehr aufrechterhalten werden könne. Durch das GSG sei festgelegt, daß bei der Beitragseinstufung Selbständiger als beitragspflichtige Einnahmen nunmehr nicht mehr nur 60 v.H. sondern 75 v.H. der monatlichen Bezugsgröße zu veranschlagen seien. Die monatliche Bezugsgröße für das Jahr 1993 betrage DM 3.710,00; 75 v.H. davon würden DM 2.782,50 ergeben. Unter Berücksichtigung dieses (Mindest-)Einkommens könne die Mitgliedschaft der Klägerin ab 1. Januar 1993 nur noch in der Beitragsklasse 925 mit einem monatlichen Beitrag von DM 362,– fortgeführt werden. Der Bescheid enthielt keine Rechtsbehelfsbelehrung.

Die Klägerin erhob Widerspruch (Eingang 22. Januar 1993) und machte geltend, daß sie ausweislich des Einkommensteuerbescheides für 1991 vor Steuern über ein Gesamtjahreseinkommen in Höhe von DM 15.182 (monatliches Durchschnittseinkommen: DM 1.265,17) verfügt habe. Ihr tatsächliches Bruttoeinkommen habe deshalb weniger als die Hälfte des von der Beklagten bei der Beitragsbemessung zugrunde gelegten Einkommens betragen. Die Beklagte erläuterte mit Schreiben vom 19. März 1993 die neue Rechtslage des § 240 Abs. 1 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V), wonach die Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder zwar durch die Kassensatzung geregelt werde, und die Kassensatzung dementsprechend bisher bei der Einstufung Selbständiger als beitragspflichtige Mindesteinnahmen in Höhe von 60 v.H. der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch – (SGB IV) berücksichtigt habe. Die zum 1. Januar 1993 in Kraft getretene Gesetzesänderung durch das GSG zwinge die Beklagte jedoch, mindestens 75 v.H. der monatlichen Bezugsgröße als Einnahmen bei der Beitragsbemessung zugrunde zu legen. Die Vorschriften des SGB V stellten höherrangiges Recht dar, weshalb abweichende Satzungsbestimmungen nicht mehr zulässig seien. Nachdem die Klägerin ihren Widerspruch aufrechterhalten hatte, wies die Beklagte, nach Beteiligung des bei ihr bestehenden besonderen Ausschusses, den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 11. Mai 1993 u.a. mit der Begründung zurück, die sie bereits in dem Erläuterungsschreiben vom 19. März 1993 gegeben hatte. Unter Berücksichtigung der ab 1. Januar 1993 maßgeblichen Mindesteinnahmen in Höhe von 75 v.H. der monatlichen Bezugs große (d.h. für 1993: 2.782,50 DM) müsse die Klägerin, die hauptberuflich selbständig erwerbstätig sei, nunmehr in die Beitragsklasse 925 der Satzung eingestuft werden, woraus sich ein monatlicher Beitrag in Höhe von 362,00 DM ergeben müsse.

Gegen den ihrer Prozeßbevollmächtigten mittels Postzustellungsurkunde am 14. Mai 1993 zugestellten Widerspruchsbescheid hat die Klägerin die am 11. Juni 1993 per Telefax beim Sozialgericht Marburg eingegangene Klage erhoben. Die Klägerin hat u.a. geltend gemacht, daß die Regelung in § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V so nicht richtig sein könne, weil sie im Ergebnis zur Folge haben könnte, daß ein Selbständiger selbst mit einem Einkommen von bloß 500,00 DM im Monat hiervon 362,00 DM als monatlichen Beitrag zur Krankenversicherung zahlen müßte. Die Klägerin hat im erstinstanzlichen Verfahren die Einkommensteuerbescheide für 1991, 1992 und 1993 vorgelegt und u.a. weiter daraufhingewiesen, daß sich aus allen diesen Bescheiden ein erhebliches Mißverhältnis zwischen den tatsächlichen von der Klägerin erzielten Einkünften und den von ihr nunmehr verlangten erhöhten monatlichen Beiträgen für die freiwillige Krankenversicherung ergeben würde.

Durch Urteil vom 16. Mai 1995 hat das Sozialgericht Marburg die Klage abgewiesen und zur Begründung u.a. ausgeführt, daß die Beklagte mit den angefochtenen Bescheiden nunmehr zu Recht von der Klägerin in der Beitragsklasse 925 ab 1. Januar 1993 einen monatlichen Beitrag in Höhe von 362,00 DM verlangt habe. Da sich seit Erlaß des Beitragsbescheides vom 25. September 1992, mit dem ein Beitrag in Höhe von 261,00 DM bis zum 30. September 1993 festgesetzt worden war, eine wesentliche Änderung i.S.d. § 48 des 10. Buches – Sozialgesetzbuch (SGB X) durch eine gesetzliche Neuregelung im GSG ergeben habe, sei die Beklagte zur Aufhebung und Änderung des den Beitrag festsetzenden Bescheides vom 25. September 1992 jedenfalls für die Zukunft berechtigt gewesen. Die Beklagte habe der erforderlichen Neueinstufung der Beitragsbemessung auch zutreffend Mindesteinnahmen in Höhe von DM 2.782,50/Monat zugrunde gelegt. Dabei sei es unbeachtlich, daß die Klägerin tatsächlich im Jahre 1993 geringere Einkünfte erzielt habe. Die Klägerin sei hauptberuflich selbständig erwerbstätig, weil ihre selbständige Tätigkeit die nur jeweils kurzfristigen Versicherungspflichtigen Beschäftigungen deutlich überwiege und auch ihre Haupteinkommensquelle sei. Bei der Beitragsbemessung sei deshalb gemäß den Grundsätzen des § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V zu berücksichtigen gewesen, daß sie tatsächlich niedrigere Einkünfte habe, als für einen Kalendertag dem 30. Teil der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze entspreche. Die Beklagte habe deshalb als beitragspflichtige Einnahmen zutreffend den 40. Teil der monatlichen Bezugs große pro Kalendertag nach der Neuregelung des GSG zugrunde gelegt. Für das Jahr 1993 habe sich daraus als Mindestbeitragsbemessungsgrundlage ein Betrag von monatlich 2.782,50 DM ergeben. Aufgrund dieser eindeutigen gesetzlichen Regelung habe für die Beklagte keine andere Möglichkeit bestanden, als den Beitrag in der nunmehr geforderten Höhe festzusetzen. Eine anderweitige Satzungsregelung wäre, als gegen vorrangiges Gesetzesrecht verstoßend, unwirksam gewesen.

Nach Auffassung des Sozialgerichts sei die mit Wirkung vom 1. Januar 1993 erfolgte Gesetzesänderung auch nicht wegen Verstoßes gegen das Gleichbehandlungsgebot aus Art. 3 des Grundgesetzes (GG) verfassungswidrig. Für die unterschiedliche Behandlung von Pflichtversicherten und freiwillig Versicherten gebe es hinlänglich sachliche Differenzierungsgründe; insbesondere gelte der Grundsatz der Solidarität der Höherverdienenden mit den Geringerverdienenden grundsätzlich nur für die Pflichtversicherten. Diejenigen aber, die von Gesetzes wegen nicht zwangsweise zur Solidargemeinschaft herangezogen würden, müßten sich, wenn sie sich freiwillig versichern, diesen Versicherungsschutz auch durch einen angemessenen Mindestbeitrag "kaufen”. Auch soweit die Klägerin geltend mache, durch den hohen Beitrag zur freiwilligen Krankenversicherung verblieben ihr angesichts der insgesamt geringen Einkünfte keine zur Bestreitung des Lebensunterhaltes ausreichenden Einnahmen, führe dies, nicht zu einer Verletzung von Art. 14 GG. Solange die Klägerin für ihren Beitrag ein ausreichendes Äquivalent – nämlich einen vollen Krankenversicherungsschutz – erlange, werde sie dadurch nicht in ihrem Grundrecht aus Art. 14 GG tangiert. Die gesetzliche Neuregelung verstoße schließlich auch nicht gegen das rechtsstaatliche Gebot des Vertrauensschutzes, weshalb auch Art. 2 GG nicht verletzt sei. Die in früherer Zeit von der Klägerin zu zahlenden – wesentlich geringeren – Beiträge hätten eine Privilegierung der freiwillig Versicherten dargestellt. Wenn der Gesetzgeber nunmehr diese günstigere Behandlung von freiwillig Versicherten mit geringen Einkünften zurückgenommen habe, so bedeute dies keine verfassungsrechtlich erhebliche Verletzung des Vertrauensgrundsatzes. Der einzelne Bürger könne nicht verlangen, daß eine einmal eingeräumte günstige Rechtsposition, wenn keine eigene Beitragsleistung zugrunde liege, auf Dauer erhalten bleibe. Dies müsse insbesondere dann gelten, wenn aufgrund von schwerwiegenden Finanzierungsproblemen der Gesetzgeber zur Anpassung des Gesamtsystems der gesetzlichen Krankenversicherung gezwungen sei.

Gegen das ihrer Bevollmächtigten gegen Empfangsbekenntnis am 18. Juli 1995 zugestellte Urteil hat die Klägerin die am 15. August 1995 beim Hessischen Landessozialgericht eingegangene Berufung eingelegt. Die Klägerin macht insbesondere geltend, die vom Sozialgericht vorgenommene Unterscheidung zwischen pflicht- und freiwillig versicherten Personen in der gesetzlichen Krankenversicherung halte einer genauen Überprüfung nicht stand. Es verstoße gegen den im Grundgesetz verankerten Gleichbehandlungsgrundsatz, daß die unselbständig Tätigen lediglich ihren Einkünften entsprechend zur Beitragszahlung in der gesetzlichen Krankenversicherung herangezogen würden, während es bei Selbständigen – wie der Klägerin – eine deutlich höhere Mindestbeitragsbemessungsgrundlage gäbe. Die tatsächlichen Einkünfte (Gewinne) der Klägerin aus der selbständigen Tätigkeit würden lediglich ein Drittel der Bemessungsgrundlage ausmachen, wie sich auch aus dem jetzt vorliegenden Einkommensteuerbescheid für 1994 ergebe. Die Klägerin hat hierzu des weiteren noch die Einkommensteuerbescheide für 1995 und 1996 vorgelegt, die – bei zum Teil etwas höheren Bruttoeinnahmen aus Honoraren und -gleichzeitig höheren Abzugsbeträgen – im wesentlichen (mit Ausnahme des Jahres 1994) eine unveränderte Einkommenssituation für die Jahre seit 1989 widerspiegeln. Danach verfüge die Klägerin – je nach Berechnungsart – auch in den Jahren 1994 bis 1996 über ein frei verfügbares Nettoeinkommen von monatlich DM 707,00 bis DM 882,00 aus dem sie Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung in Höhe von 362,00 DM an die Beklagte (seit 1994 kontinuierlich erhöht) und beginnend mit dem 1. Januar 1997 in Höhe von DM 426,55/Monat zu zahlen habe. Im Ergebnis erweise sich, so die Klägerin, die Vorschrift des § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V jedenfalls dann als verfassungswidrig, wenn eine Diskrepanz derart entstehen könne, daß die tatsächlich erzielten Einkünfte lediglich ein Drittel der für die Beitragsbemessung zugrunde zulegenden Mindesteinnahmen betragen würden.

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 16. Mai 1995 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 22. Dezember 1992 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Mai 1993 sowie alle nachfolgenden Beitragsbescheide für die Jahre 1994 bis 1998 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, die Beitragseinstufung für die freiwillige Versicherung entsprechend dem tatsächlichen Einkommen aus der selbständigen Tätigkeit für die Zeiten der selbständigen Tätigkeit vorzunehmen,
hilfsweise,
das Verfahren auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht die Frage zur Entscheidung vorzulegen, ob § 240 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGB V, in der Fassung des Gesundheitsstrukturgesetzes vom 21. Dezember 1992, mit dem Grundgesetz insoweit vereinbar ist, als bei Nachweis niedrigerer Einnahmen mindestens der 40. Teil der monatlichen Bezugsgröße pro Kalendertag bei der Beitragsbemessung anzusetzen ist.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil, das sie für zutreffend hält, und beruft sich im übrigen auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 26. September 1996 ( 12 RK 46/95 –), wo in einem nach Auffassung der Beklagten vergleichbaren Verfahren das BSG die Revision eines Klägers zurückgewiesen habe und zugleich zu der Überzeugung gekommen sei, daß § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V (n.F.) mit der Verfassung vereinbar sei. Das BSG habe deshalb den Rechtsstreit auch nicht dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift des § 240 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGB V vorgelegt.

Für den Sach- und Streitstand im übrigen wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte sowie auf die Verwaltungsvorgänge der Beklagten, die dem Senat vorgelegen haben und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung des Senats am 28. Mai 1998 gemacht worden sind.

Entscheidungsgründe:

Das Verfahren ist gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz (GG) auszusetzen. Dem Bundesverfassungsgericht ist die Frage vorzulegen, ob § 240 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGB V (in der Fassung des Gesundheitsstrukturgesetzes – GSG – vom 21. Dezember 1992, BGBl. I, S. 2266) mit dem GG vereinbar ist.

I.

Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt worden und an sich statthaft und mithin insgesamt zulässig (§§ 151 Abs. 1, 143,144 ff. Sozialgerichtsgesetz – SGG –).

1.) Das Sozialgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß die Klage als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage zu erheben war. Die Klägerin begehrt die Aufhebung des sie nach ihrer Auffassung mit ungerechtfertigt hohen Beiträgen belastenden Ausgangsbescheides vom 29. Dezember 1992 und zugleich die Festsetzung eines niedrigeren Beitrages unter Berücksichtigung ihrer tatsächlichen Einkünfte, die deutlich unterhalb dem von der Beklagten nach Maßgabe des § 240 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGB V (in der Fassung des GSG – n.F. –) zugrunde gelegten Mindesteinkommens für die Beitragsfestsetzung liegen (Mindesteinkommensgrenze).

2.) Gegenstand des Rechtsstreits sind mittlerweile aber nicht nur der Ausgangsbescheid vom 29. Dezember 1992 sondern auch alle zwischenzeitlich ergangenen nachfolgenden Beitragsfestsetzungsbescheide. Nach § 96 SGG, der gemäß § 151 Abs. 3 SGG auch im Berufungsverfahren gilt, sind Bescheide, die einen angefochtenen Bescheid ersetzen und während des Klage- und/oder des Berufungsverfahrens ergehen, Gegenstand dieses Gerichtsverfahrens. Zwar "ersetzt” der spätere Beitragsbescheid den angefochtenen nur insoweit, als nach Maßgabe der Veränderungen der monatlichen Bezugsgrößen und/oder der daraufhin erfolgten Beitragsanpassungen in der Satzung ein höherer Monatsbeitrag festgesetzt wird, doch wird nach der Rechtsprechung des BSG, die sich der Senat zu eigen macht, in einem auf Dauer angelegten Sozialrechtsverhältnis (wie hier der freiwilligen Mitgliedschaft bei der Beklagten) – auch aus prozeßökonomischen Gründen – davon ausgegangen, daß für die zeitlich nachfolgende Periode der jeweils neue Beitragsbescheid an die Stelle des angefochtenen tritt und deshalb vom laufenden Klage- und Berufungsverfahren mitumfaßt wird (BSG, Urteil vom 23. Februar 1995 – 12 RK 66/93 –).

Dem steht nicht entgegen, daß das Sozialgericht über die später erlassenen Bescheide noch nicht mitentschieden hat (bzw. noch nicht entscheiden konnte), weil das Berufungsgericht über den noch nicht entschiedenen Teil des Rechtsstreits (mit) zu entscheiden hat, soweit die Klägerin dies, wie geschehen, beantragt hat (Meyer-Ladewig, SGG, Kommentar, 6. Auflage, § 96 Rdz. 12).

II.

Ob die Berufung begründet ist, kann der Senat erst entscheiden, wenn geklärt ist, ob § 240 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGB V (n.F.) mit dem Grundgesetz (GG) vereinbar ist. Der Rechtsstreit mußte deshalb ausgesetzt werden, damit die Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 240 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGB V in der Fassung des GSG dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zur Entscheidung vorgelegt werden kann.

Ist diese Gesetzesvorschrift mit dem GG vereinbar, muß die Berufung in vollem Umfang zurückgewiesen werden, weil die angefochtenen Bescheide der Beklagten sämtlich unter korrekter Anwendung des § 240 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGB V (n.F.) ergangen sind. Für die Entscheidung des Rechtsstreits kommt es deshalb darauf an, ob § 240 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGB V (n.F.) mit der Verfassung vereinbar ist, was der erkennende Senat verneint.

1.) Das auf den Monat umgerechnete Einkommen der Klägerin aus der von ihr überwiegend ausgeübten selbständigen Tätigkeit, wie es sich aus den von ihr eingereichten Steuerunterlagen und den Einkommens-Steuerbescheiden für die Jahre 1992 bzw. 1993 bis 1997 ergibt (vgl. Tabelle 1: "Einkünfte aus selbständiger Arbeit” – Spalte 3 – errechnet aus dem Überschuß der vereinnahmten Honorare unter Abzug der zum Erwerb eingesetzten Mittel nach Maßgabe der vereinfachten Gewinn- und Verlustrechnung; die Zahlen dort basieren auf den von der Klägerin eingereichten Unterlagen, soweit sie bereits vorgelegt werden konnten, und den ergangenen Steuerbescheiden), ist geringer als die nach § 240 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGB V (n.F.) nunmehr geltende Mindesteinnahmegrenze, weshalb für die Bemessung des Beitrags in der freiwilligen Krankenversicherung nach der Satzung der Beklagten von einem Mindesteinkommen bezogen auf den Kalendertag in Höhe von mindestens einem 40. der jeweils maßgeblichen monatlichen Bezugsgröße ausgegangen werden mußte. Dies hat die Beklagte getan, wie sich aus der in Tabelle 2 enthaltenen Zusammenstellung der maßgeblichen Rechengrößen und den dort in einer Übersicht dargestellten Beitragsklassen und Monatsbeiträgen entsprechend der von der Beklagten übersandten jeweils maßgeblichen Beitragstabellen ergibt.

a.) Die Beklagte ist bei der Beitragsfestsetzung auch zu Recht davon ausgegangen, daß die Klägerin hauptberuflich – d.h. überwiegend – eine selbständige Tätigkeit zum Erwerb ihres Lebensunterhaltes ausübt Dies gilt sowohl nach der Art der Tätigkeit wie auch nach dem zeitlichen Überwiegen dieser selbständigen Tätigkeit sowie auch im Bezug auf die Einkünfte, welche die Klägerin erzielt.

Die Klägerin ist selbständig tätig, weil sie nicht von einem Auftrag- oder Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Lediglich für zwei Monate im Jahr übt sie für die Volkshochschule in XYZ. eine Tätigkeit aus, bei der sich die Weisungsabhängigkeit derart "verdichtet”, daß von einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis ausgegangen wird und dementsprechend die Anmeldung bei der Einzugsstelle erfolgt sowie Gesamtsozialversicherungsbeiträge abgeführt werden. Im übrigen überwiegen bei der Klägerin die Merkmale einer selbständigen Tätigkeit: Sie ist für mehrere Volkshochschulen (u.a.) tätig, sie bietet dort ihre Kurse an, die nach der zeitlichen Lage, dem Inhalt des Unterrichts und der Art und Weise der Durchführung von ihr eigenverantwortlich und selbständig gestaltet und verantwortet werden. Die Klägerin ist in dieser Zeit, wenn sich genügend Teilnehmer/innen gemeldet haben, und der Kurs damit zustande kommt, weder im Bezug auf die Art und Weise, noch auf die Zeit (die mit ihr abgesprochen werden muß), noch im Hinblick auf weitere maßgebliche Abgrenzungskriterien für die "abhängige” Arbeit weisungsgebunden und auch nicht in einen festgefügten Betriebsablauf integriert. Sie ist deshalb während rund zehn Monaten des Jahres selbständig tätig und übt mithin – in Bezug auf die zeitliche Dimension – überwiegend eine selbständige Tätigkeit aus. Wie sich aus Tabelle 1 (Spalte 3 im Vergleich zu Spalte 4) ergibt, hat die Klägerin auch in den Jahren seit 1993 den überwiegenden Teil ihrer Einkünfte pro Jahr aus dieser selbständigen Tätigkeit erzielt – gleichviel, ob man nur auf die erzielten Brutto-Honorar-Erlöse (Spalte 2) abstellt oder auf die steuerrechtlich relevanten "Einkünfte aus selbständiger Arbeit” (Spalte 3). Richtigerweise ist deshalb die Beklagte von der Anwendbarkeit des § 240 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGB V (n.F.) ausgegangen und hat – unter Berücksichtigung der jeweils aktuellen Beitragstabelle – die festzusetzenden Beiträge nach dem (relativ hohen) Mindesteinkommen dieser Vorschrift festgesetzt und vereinnahmt.

b.) Die Beitragsbescheide der Beklagten sind nicht schon deshalb rechtswidrig, weil die nach der Satzung der Beklagten in der Beitragstabelle zugrunde gelegten "Einstiegsbeträge” für das Mindesteinkommen in den Jahren 1993 bis (einschließlich) 1997 etwas höher waren, als der Betrag, der sich bei Anwendung der Rechenformel des § 240 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGB V (n.F.) ergeben hätte (vgl. Tabelle 2 – Spalte 4 einerseits, Spalte 5 andererseits). Erstmals mit Beginn des Jahres 1998 ist in der (neuen) Beitragsklasse 805 als "Einstiegsbetrag” nunmehr exakt der Betrag (DM 3.255,00) gewählt worden, welcher der Rechengröße gemäß § 240 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGB V (n.F.) entspricht. Die Differenz, die sich für die Vorjahre ergeben hat, hält der Senat für hinnehmbar. Sie ist eine vertretbare Konsequenz aus dem Umstand, daß die Beklagte in ihrer Satzung Beitragstabellen für die Beitrags Staffelung vorsieht, was nach § 240 Abs. 5 SGB V ausdrücklich für zulässig erklärt wird. Diese Regelung dient der Verwaltungsvereinfachung in einer Massenverwaltung mit einer erheblichen Anzahl von Beitragszahlern, die es traditionell vor allem bei den sog. "Ersatzkassen” in großer Zahl gegeben hat und gibt. Die Beitragsfestsetzung nach Beitragsklassen ist seit vielen Jahren allgemein akzeptiert, sie wird in der Rechtsprechung anerkannt und begegnet keinen grundsätzlichen rechtlichen oder gar verfassungsrechtlichen Bedenken. Dies hat zwangsläufig zur Folge, daß der zu zahlende und von der Beklagten festgesetzte Beitrag nicht exakt dem Prozentsatz der tatsächlich erzielten Einkünfte entspricht, nach denen die Beitragsfestsetzung zu erfolgen hat (d.h.: die Höhe des Beitrags ist nicht durchgängig × % von y DM, wobei × der jeweilige Beitragssatz und y das für die Bemessung maßgebliche Einkommen ist). Die Beklagte hat dabei – was sich aus den Beitragstabellen ergibt und auch als Rechengröße zeigen läßt (Tabelle 2, Spalten 5, B und 10) – für die Versicherten, die kein Krankengeld in Anspruch nehmen, entsprechend der Vorschrift des § 243 SGB V einen ermäßigten Beitragssatz zugrunde gelegt. Nach der Beitragstabelle springt der festzusetzende und zu zahlende Beitrag immer stufenweise, wenn die nächst höhere Einnahmegrenze erreicht ist. Dies hat zur Folge, daß Versicherte einen geringfügig höheren Beitrag zu zahlen haben, als es (bei exakter Berechnung nach einem festen Beitragssatz) ihrem jeweiligen Einkommen entsprechen würde. Auch bezüglich des Mindesteinkommens ergibt sich in den Jahren zwischen 1993 und 1997 dabei eine – in der Höhe schwankende – Differenz (vgl. Tabelle 2, Spalte 5 im Vergleich zu Spalte 4) zu dem Mindesteinkommen, das sich aus der Bezugsgröße unter Anwendung der Rechenformel des § 240 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGB V (n.F.) ergeben würde. Der Senat hält dies – wie ausgeführt – für hinnehmbar. Zwar hat das BSG (Urteil vom 15. September 1992 – 12 RK 51/91 –) zu § 240 Abs. 4 SGB V (a.F.) entschieden, daß es unzulässig sei, wenn eine Krankenkasse einen höheren als den gesetzlich vorgesehenen "Einstiegsbetrag” (Mindesteinnahmegrenze) für die Bemessung des Beitrags anwendet, doch ist die Differenz nach Überzeugung des Senats bei den hier angewandten Beitragstabellen der Beklagten nicht so erheblich, daß dies zur Rechtswidrigkeit der Beitragsfestsetzung fuhren müßte.

Es bedarf insoweit der systematischen Auslegung und der Zusammenschau der Abs. 4 und 5 von § 240 SGB V. Wenn aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung eine Pauschalierung durch die Einführung von Beitragsklassen zugelassen wird, sind gewisse Unschärfen, wie oben ausgeführt, unvermeidlich. Dann aber ist den Krankenkassen damit zwangsläufig ein gewisser Spielraum bei der Beitragsfestsetzung eingeräumt, der erst bei groben Mißverhältnissen zur rechtlichen Beanstandung fuhren darf, soll nicht der Zweck der Regelung in § 240 Abs. 5 SGB V verfehlt werden. Aus Tabelle 2, (Spalten 4 und 5) ist erkennbar, daß – je nach Veränderung der Bezugsgröße und einer etwas verzögerten Änderung der Beitragstabelle nach der Satzung der Beklagten – der Abstand zwischen der errechneten Mindesteinnahmegrenze des § 240 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGB V (n.F.) und dem "Einstiegsbetrag” der Beitragstabelle sich unterschiedlich entwickelt hat. Im Jahre 1992 hätte dabei zum Beispiel (bei einem errechneten Beitragssatz von 12,7 % für den nach § 243 SGB V ermäßigten Beitrag), die Beitragsdifferenz 8,64 DM/Monat betragen (statt DM 362,00 wären dies – 12,7 % von 2.782,50 – DM 353,34 gewesen). In einigen Jahren war, wie Tabelle 2 (Spalte 4 im Vergleich zu Spalte 5) entnommen werden kann, die Differenz sogar noch geringer. Im Jahre 1994 betrug sie lediglich 10,00 DM/Monat und stieg im Jahre 1996 wieder auf DM 52,50 je Monat. Die sich hieraus ergebenden Beitragsunterschiede begründen aus Sicht des Senates alleine noch keinen Rechtsverstoß, der zur Unwirksamkeit der Satzungsbestimmung und damit zur Rechtswidrigkeit der Beitragsbescheide fuhren müßte; auch ein Verfassungsverstoß läßt sich hieraus nicht ableiten.

c.) Der Senat brauchte deshalb auch nicht weiter zu prüfen, ob es angemessen gewesen wäre, durch ein Teilurteil die Beitragsbescheide insoweit aufzuheben und die Beitragshöhe herabzusetzen, als die Beiträge aus einem höheren Einkommen, als es der Mindesteinnahmegrenze des § 240 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGB V (n.F.) entspricht, errechnet worden sind, und den Rechtsstreit im übrigen durch Beschluss nach Art. 100 GG auszusetzen. Eine solche Verfahrensweise hätte sich auch deshalb verboten, weil es für die verfassungsrechtliche Prüfung von § 240 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGB V (n.F.) auf diese (im Verhältnis zur insgesamt zu hohen. Beitragsbemessungsgrundlage) vergleichbar geringe Differenz nicht ankommen würde. Denn die vom Senat nachfolgend erörterten Verstöße gegen Verfassungsrecht ergeben sich aus der sachlich nicht gerechtfertigten Benachteilung von (überwiegend) selbständig tätigen freiwillig Versicherten mit geringen Einkünften. Selbst wenn die Satzung der Beklagten, wie sie dies seit dem 1. Januar 1998 nunmehr offenbar tut, als "Einstiegsbetrag” in der neuen Beitragsklasse 805 nunmehr exakt den Rechenbetrag für die Mindesteinnahmegrenze des § 240 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGB V (n.F.) zugrunde legt, bleibt es bei der Verfassungswidrigkeit der Norm, weil zur Überzeugung des Senats gerade diese Mindesteinnahmegrenze – wie zu zeigen sein wird – unter Verstoß gegen das Grundgesetz gesetzlich festgelegt worden ist. An diesem Ergebnis würde sich durch eine – geringfügige – Varianz der Beitragsfestsetzung bei der Anwendung von Beitragsklassen nichts ändern.

2.) Zur Überzeugung des Senats verstößt § 240 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGB V (in der Fassung des GSG hier: "n.F.”) – auf dessen Wirksamkeit es für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits ankommt, weil das für die Beitragsfestsetzung maßgebliche Einkommen der Klägerin in allen Jahren seit 1993 unterhalb der Mindesteinnahmegrenze lag – gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 GG.

Nach § 240 Abs. 1 Satz 1 SGB V wird die Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder durch die Satzung geregelt. Dabei hat die Krankenkasse nach Satz 2 dieser Vorschrift sicherzustellen, daß die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtigt. Gemäß § 240 Abs. 2 Satz 1 SGB V muß die Satzung mindestens die Einnahmen des freiwilligen Mitglieds berücksichtigen, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung zugrunde zu legen sind. Als beitragspflichtige Einnahmen gilt nach § 240 Abs. 4 Satz 1 SGB V für den Kalendertag mindestens der 90. Teil der monatlichen Bezugsgröße. Für freiwillige Mitglieder, die hauptberuflich selbständig erwerbstätig sind, findet die Sonderregelung des § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V Anwendung. Hiernach ist als beitragspflichtige Einnahme für den Kalendertag der 30. Teil der monatlichen Bemessungsgrenze (§ 223 SGB V) oder – bei Nachweis niedriger Einnahmen –, jedoch mindestens der 40. Teil der monatlichen Bezugsgröße zugrunde zu legen (Fassung durch das GSG vom 21. Dezember 1992, BGBl. I, S. 2266).

a.) Diese hier als Mindesteinnahmegrenze bezeichnete Regelung ist mit Art. 3 GG nicht vereinbar.

Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 GG, wonach alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind, verpflichtet nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG (vgl. bereits BVerfGE 1, 206 ff.) als Grundrecht, das auch den parlamentarischen Gesetzgeber bindet (Art. 20 GG), diesen dazu, wesentlich Ungleiches nicht gleich und wesentlich Gleiches nicht ungleich zu behandeln. Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz werden – je nach Regelungsgegenstand und/oder Differenzierungsmerkmalen – unterschiedliche Grenzen für die Entscheidungsfreiheit des parlamentarischen Gesetzgebers hergeleitet, dessen Normsetzungs- und Einschätzungsprärogative im demokratischen Verfassungsstaat aber auch vorrangig Beachtung zu finden hat.

Die durch das Gleichbehandlungsgebot auch dem parlamentarischen Gesetzgeber aufgezeigten Grenzen reichen vom bloßen Willkürverbot (so vor allem die ältere Rechtsprechung des BVerfG) bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse (vgl. BVerfGE 88, 87 ff., 97 f.; E 89, 365 jeweils mit zahlreichen weiteren Nachweisen insbesondere auch zum Sozialrecht).

Der parlamentarische Gesetzgeber hat das Grundrecht aus Art. 3 GG dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können (BVerfGE 55, 72 ff., 88 und. E 60, 23 ff., 133 f. sowie E 60, 329 ff., 346; seither ständige Rspr.). Jedenfalls seit der Entscheidung vom 9. Februar 1983 (BVerfGE 63, 152 ff., 166; vgl. auch E 63, 255 ff, 261; E 70, 230 ff, 239; E 75, 382 ff, 393) werden diese Maßstäbe auch im Bereich des Sozialrechts vom BVerfG als Prüfungsmaßstab herangezogen. Dabei verbleibt es auch in der Entscheidungsprärogative des parlamentarischen Gesetzgebers, welche Elemente eines zu regelnden Sachbereiches er für so bedeutsam hält, daß er ihrer Gleichheit oder Gleichartigkeit oder aber ihrer Verschiedenheit – und in welcher Weise – Rechnung tragen will, soweit sich nicht bereits durch Regelungen in der Verfassung selbst solche Differenzierungen aufdrängen. Dem parlamentarischen Gesetzgeber ist dabei ein weiter Entscheidungsspielraum gegeben – insbesondere auch im Sozialrecht, soweit "Gewährung” gegenüber "Eingriff” überwiegt. Die verfassungsrechtliche Kontrolle hat sich deshalb auf die Prüfung der Einhaltung bestimmter äußerster Grenzen zu beschränken.

b.) Aus der vorstehenden Darstellung der Rechtsprechungsgrundsätze des BVerfG, welchen der Senat folgt, ergibt sich zwangsläufig, daß für die verfassungsrechtliche Beurteilung im Bezug auf einen Grundrechtsverstoß die Abgrenzung der für den Vergleich relevanten Gruppen von entscheidender Bedeutung ist.

Hierzu hat das LSG Bremen in seinem Vorlagebeschluß vom 30. November 1995 (E LSG B-065; Az. beim BVerfG: 1 BvL 4/96) ausgeführt, daß – unter Berücksichtigung der hier dargestellten Rechtsprechungsgrundsätze zu Art. 3 GG – es zwar mit der Verfassung vereinbar sei, wenn für freiwillig Versicherte in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) Mindest(einnahme)grenzen festgelegt werden und nicht – wie bei Pflichtversicherten (oberhalb der Geringfügigkeitsgrenze des § 8 SGB TV, ab der die Versicherungspflicht beginnt) – die Beitragshöhe ausschließlich nach der Höhe des versicherungspflichtigen Entgelts festgesetzt wird. Das LSG Bremen hat dies wie auch schon das BSG in seinen Entscheidungen vom 07.11.1991 und vom 24.11.1992 (SozR 3 2500 § 240 SGB V Nr. 13) sowie vom 23.06.1994 (SozR 3-1300 § 40 Nr. 2) und vom 6. November 1997 (– 12 RK 61/96 –) damit begründet, daß durch die seit Inkrafttreten des Gesundheitsreformgesetzes (01.01.1989) geregelte Anhebung der Mindest(einnahme)grenze, wie aus der Begründung zum Regierungsentwurf ersichtlich, ein angemesseneres Verhältnis zwischen Beitrag und Leistung bei den freiwillig Versicherten hergestellt werden sollte, was auch eine gewisse Benachteiligung eines Teiles der freiwillig Versicherten zur Folge haben dürfe (LSG Bremen, a.a.O., S. 9 f des Abdrucks in E-LSG – B-065).

Hingegen hat das LSG Bremen für die spezielle Mindestgrenze des § 240 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGB V (für die hauptberuflich selbständig Tätigen) die Sachbezogenheit der – deutlich höheren – Mindest(einnahme)grenze verneint, weil für die besondere Höherstufung dieser Selbständigen sich keine eigenständige und nachvollziehbare Begründung im Gesetzgebungsverfahren habe finden lassen.

Des weiteren hat das LSG zum Vergleich und zur Beurteilung der Sachgerechtigkeit der Regelung in § 240 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGB V (n.F.) folgende drei Personengruppen gegeneinander abgegrenzt: (1.) die Gruppe mit Einnahmen unterhalb der Mindest(einnahme)grenze nach § 240 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGB V; (2.) die Gruppe mit Einnahmen zwischen dieser Grenze und der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze (§ 223 SGB V) nach § 240 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 1 SGB V und schließlich (3.) die Gruppe oberhalb dieser Grenze. In absoluten Zahlen (für das Jahr 1993) ausgedrückt, hatte die erste Gruppe Einnahmen von (monatlich) unter DM 2.782,50, die zweite Gruppe hatte Einnahmen zwischen DM 2.782,50 und DM 5.400,00 und die dritte Gruppe hatte Einnahmen über DM 5.400,00/Monat (und war deshalb nicht mehr versicherungspflichtig in der GKV, wohl aber zur freiwilligen Versicherung berechtigt – § 9 Abs. 1 Nr. 1 SGB V). Lediglich bei der zweiten Gruppe erfolge die Beitragsfestsetzung – so das LSG Bremen – (mehr oder weniger) unter Bezugnahme auf die tatsächlich erzielten Einkünfte und damit nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Bei den anderen beiden Gruppen und insbesondere bei den gering verdienenden Selbständigen nach § 240 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGB V. werde die tatsächliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit hingegen nicht berücksichtigt. Dies könne zu erheblichen Härten führen und sei nicht zu rechtfertigen, auch nicht durch die unbestrittene Notwendigkeit der Verbesserung der finanziellen Lage der GKV. Der Gesetzgeber sei vielmehr gehalten, das Ziel der Einnahmenverbesserung so zu realisieren, daß die sich daraus ergebenden Lasten möglichst gleichmäßig auf alle freiwilligen Mitglieder verteilt werden könnten. Demgegenüber könne auch nicht eingewandt werden, daß bei der Abgrenzung von Personengruppen in der Massenverwaltung gewisse Pauschalierungen und Typisierungen unerläßlich seien, weil für die Anwendbarkeit der Regelung für die unterste Gruppe (wie auch für die mittlere Gruppe) ohnedies eine genaue Feststellung der Einnahmen unerläßlich sei.

Offen gelassen hat das LSG Bremen insoweit, ob ein Verfassungsverstoß auch in der Regelung des § 240 Abs. 4 Satz 1 SGB V insoweit gegeben ist, als dort die Beitragshöhe für die dritte Gruppe (die "Spitzenverdiener”) ebenfalls nicht nach der (tatsächlichen) Leistungsfähigkeit, sondern nur bis zur Höhe der Pflichtversicherungsgrenze erfolgt.

In einem zweiten Prüfungsschritt hat das LSG Bremen ("horizontaler Gruppenvergleich”) einen Vergleich zwischen den hauptberuflich selbständig und den nicht hauptberuflich selbständig erwerbstätigen freiwillig Versicherten gezogen. Auch hier wird ein Verstoß gegen das. Gleichbehandlungsgebot insoweit gesehen, als zwar für alle anderen zu berücksichtigenden Einnahmen auf deren tatsächliche Höhe abgestellt wird, lediglich bei den Einkünften aus selbständiger Tätigkeit (unabhängig davon, mit welchem Aufwand sie erzielt werden könnten) immer eine pauschale Mindesthöhe eingesetzt werden müsse. Ein sachlicher Rechtfertigungsgrund für diese Benachteiligung von selbständigen Beziehern kleinerer Einnahmen aus dieser Tätigkeit hat das LSG nicht zu finden vermocht.

c.) Anders als das LSG Bremen in dem vorstehend erörterten Vorlagebeschluß hält der 12. Senat des BSG die Vorschrift des § 240 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGB V (n.F.) für mit dem Grundgesetz und insbesondere Art. 3 GG für vereinbar (Urteil vom 26. September 1996 – 12 RK 46/95 –).

Der 12. Senat des BSG hat bei dem nach der Rechtsprechung des BVerfG anzustellenden Gruppenvergleich folgende Vergleichsgruppen berücksichtigt: die Pflichtversicherten, die freiwillig Versicherten ohne selbständige Tätigkeit und die freiwillig Versicherten mit einer selbständigen Nebentätigkeit.

In Bezug auf die Pflichtversicherten hat der 12. Senat – entsprechend seiner ständigen Rechtsprechung – ausgeführt, daß die Zahlung von Beiträgen nach dem tatsächlichen Entgelt und die damit einhergehende erheblich niedrigere Mindesteinnahmegrenze (bei geringfügiger Beschäftigung) dadurch gerechtfertigt sei, daß der parlamentarische Gesetzgeber für die Pflichtversicherten in der Regel von einem größeren Schutzbedürfnis ausgehen könne. Soweit dadurch eine Bevorzugung von Pflichtversicherten mit geringen Einkünften erfolge, sei es von Verfassungswegen nicht erforderlich, daß dieser Vorteil auch auf die freiwillig Versicherten ausgedehnt werde.

Bezüglich der unterschiedlichen Behandlung der selbständig tätigen freiwillig Versicherten, welche diese Tätigkeit hauptberuflich ausüben, und den übrigen freiwillig Versicherten, hat der 12. Senat des BSG zwar einen erheblichen Unterschied in der Belastung mit Beiträgen konstatiert (Urt. vom 26.09.1996 – 12 RK 46/95 – unter 5. b., S. 14 f. des Umdrucks). Der 12. Senat des BSG hält diese erhebliche Schlechterstellung jedoch für sachlich gerechtfertigt, weil es erhebliche Unterschiede in der Beitragsbemessung insoweit gäbe, als bei Einkünften aus selbständiger Tätigkeit die Beiträge aus dem Arbeitseinkommen und damit auf einer grundlegend anderen, für die Versicherten günstigeren Bemessungsgrundlage beruhen würden. Der Gewinn stelle eine Nettogröße und nicht – wie bei der Beitragsfestsetzung aus den Entgelten aus abhängiger Beschäftigung – einen Bruttobetrag dar. Der Unterschied zwischen den Bruttoeinnahmen und dem Gewinn (Arbeitseinkommen) sei für die Beitragsbemessung von solcher Art und solchem Gewicht, daß er die besondere Mindesteinnahme-Grenze für hauptberuflich selbständige Erwerbstätige zu rechtfertigen vermöge. Nach der Rechtsprechung des BVerfG (Bezug wird genommen auf E 84, 348 ff., 359 f.; E 71, 84 ff. 106; E 71, 255 ff., 271) könne eine generalisierende, typisierende und pauschalierte Regelung getroffen werden. Der parlamentarische Gesetzgeber sei im Sozialrecht nicht gehalten, jeweils die zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste Lösung zu finden; ihm müsse vielmehr ein sehr weiter Gestaltungsspielraum zugebilligt werden. Diese könne auch eine – über die allgemeine Mindesteinnahmegrenze des § 240 Abs. 2 Satz 1 SGB V hinausgehende – Sonderregelung, wie sie § 240 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGB V enthalte, rechtfertigen.

Die (besondere) höhere Mindesteinnahmegrenze trage der Tatsache Rechnung, daß eine mit den beitragspflichtigen Einnahmen anderer Versicherter gleichwertige Erfassung der Einnahmen von Selbständigen ausscheide und als Grundlage nur das für sie günstigere Arbeitseinkommen berücksichtigt werden könne. Die Regelung des § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V (n.F.) sei insgesamt sachgerecht, weil sie für die Selbständigen teils vorteilhafte, teils nachteilige Regelungen enthalte. Auch die Höhe der Mindesteinnahme-Grenze sei sachgerecht, weil sie bewirke, daß hauptberuflich Selbständige wenigstens mit drei Vierteln der Durchschnitts-Bruttoentgelte in der gesetzlichen Rentenversicherung (Bezugsgröße des § 18 SGB IV) zu den Beiträgen herangezogen würden. Auch die zum 1.1.1993 eingeführte Erhöhung der Mindesteinnahmegrenze sei noch maßvoll gewesen. Die Selbständigen, für die eine private Eigenvorsorge typisch sei, sollten nicht durch besonders niedrige Beiträge zu Lasten anderer Versicherten in der GKV begünstigt werden. Auch unter Berücksichtigung der Mindesteinnahmegrenze werde ihnen die Möglichkeit zu einem außerordentlich günstigen Krankenversicherungsschutz eröffnet.

Schließlich hat der 12. Senat des BSG eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes auch insoweit verneint, als er die hauptberuflich Selbständigen mit den nebenberuflich Selbständigen verglichen hat. Bei Versicherten, die in erster Linie ihren Lebensunterhalt durch andere Einnahmen als solche aus selbständiger Tätigkeit bestreiten würden, hätte der parlamentarische Gesetzgeber davon ausgehen dürfen, daß der Beitragsbemessung überwiegend Bruttoeinnahmen zugrunde liegen, und das nebenberuflich erworbene Arbeitseinkommen (Gewinn) von untergeordneter Bedeutung sei. Letztere Personengruppe könne daher hinsichtlich der Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit – anders als die freiwillig versicherten hauptberuflich selbständig Tätigen – so behandelt werden, wie versicherungspflichtige Beschäftigte, die neben einer Rente oder Versorgungsbezügen (nebenberuflich) Arbeitseinkommen beziehen würden (§ 226 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB V).

d.) Der erkennende Senat vermag sich die Ausführungen des 12. Senats des BSG zur Vereinbarkeit der Vorschrift des § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V (n.F.) mit dem Grundgesetz nicht zu eigen zu machen.

Die im Vorlagebeschluß des LSG Bremen vorgenommenen Differenzierungen bzgl. der zu vergleichenden Personengruppen finden sich in den Ausführungen des 12. Senats des BSG so nicht wieder, was auch in einer unterschiedlichen Fallgestaltung der Ausgangsverfahren begründet ist.

Anders als das LSG Bremen hat der 12. Senat des BSG den sog. horizontalen Gruppenvergleich innerhalb der selbständig erwerbstätigen freiwillig Versicherten nicht in den Mittelpunkt seiner Erwägungen gestellt. Die Aussage, daß Bezieher von geringen Einkünften aus der hauptberuflich ausgeübten selbständigen Erwerbstätigkeit ihre Einkünfte anders als sonstige selbständig Versicherte weniger transparent offenlegen würden, ist durch kein empirisch gesichertes Argument gerechtfertigt.

So richtig es erscheint, eine Mindesteinnahmegrenze für die freiwillige Versicherung in der GKV einzuführen, so sehr muß andererseits auch erkennbar werden, weshalb und aus welchen nachvollziehbaren – erforderlichenfalls auch empirisch überprüfbaren – Überlegungen heraus, für eine bestimmte Personengruppe eine drastisch höhere Mindesteinnahmegrenze gelten soll.

Wie auch das LSG Bremen in seinem Vorlagebeschluß ausgeführt hat, ist die Zahl derjenigen Selbständigen, die – auch bei hauptberuflicher Tätigkeit – nur vergleichsweise bescheidene "Gewinne” aus der selbständigen Tätigkeit erzielen, nicht unbedeutend. Da ohnehin ein Einkommensnachweis (auch für die Absenkung des Mindestbeitrages nach Satz 1 von § 240 Abs. 4 SGB V) erbracht werden muß, kann auch für diejenigen, die tatsächlich über noch geringere Einkünfte verfügen, eine Beitragsabsenkung (bis zu einem Betrag oberhalb der Geringfügigkeitsgrenze) nicht völlig ausgeschlossen werden. Die drastische Schlechterstellung vor allem der Selbständigen, die vergleichsweise geringe Einkünfte erzielen, ist zur Überzeugung des Senats nicht durch nachvollziehbare und verfassungsrechtlich tragfähige Erwägungen sachlich gerechtfertigt.

Angesichts der Tatsache, daß in den letzen Jahren vielfältige Formen sog. "Schemselbständigkeit” aufgetreten sind, bei denen auch – nach der jetzt gängigen Definition der abhängigen Arbeit – eine größere Anzahl von "echten” Selbständigen mit geringerem Verdienst (vor allem die Berufsanfänger) sich befinden, erscheint es dem erkennenden Senat nicht (mehr) gerechtfertigt, ohne nähere empirische Prüfung von verallgemeinernden Annahmen darüber auszugehen, welche Personenkreise die freiwillige Versicherung in der GKV in Anspruch nehmen und wie sich deren Einnahmequellen zusammensetzen und entwickelt haben. Jedenfalls soweit die relativ hohen Mindesteinnahmegrenzen – und die daraus resultierenden hohen Mindestbeiträge – geeignet sein können, Versicherte – auch solche, die nach jahrelanger Mitgliedschaft als freiwillige Mitglieder in der GKV keine wirklich praktikable Wahlmöglichkeit zu privaten Krankenversicherungen haben – unter die Sozialhilfegrenze zu bringen, bedarf es einer zusätzlichen verfassungsrechtlichen Rechtfertigung.

Hierzu finden sich in dem Vorlagebeschluß des LSG Bremen Anknüpfungspunkte insoweit, als auch in dem dort zugrundeliegenden Fall von der Klägerin ein geringes Mindesteinkommen erzielt wurde, was die Frage nach einem uneingeschränkt geschützten Existenzminimums hätte aufwerfen müssen. Zur Überzeugung des erkennenden Senats verstößt die Regelung des § 240 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGB V (n.F.) aber auf jeden Fall dann und insoweit gegen Art. 3 GG, als sie bei einer nicht unerheblichen Anzahl von Fällen – und auch hier bei der Klägerin – maßgeblich dazu beitragen kann, daß selbständig tätige freiwillig Versicherte (vor allem diejenigen, die bereits seit vielen Jahren freiwilliges Mitglied in der GKV sind), wenn ihre Einkünfte aus selbständiger Arbeit gering sind oder absinken, durch die hohe Beitragslast zur GKV in eine Notlage geraten können und einen Eingriff in das von Verfassungswegen geschützte Existenzminimum (BVerfGE 82, 60 ff,; 87, 153 ff.; 91, 93 ff.) hinnehmen müßten.

Insoweit ist durch diese Regelung weil sie keine Ausnahmeregelung für Härtefälle enthält und auch keine Ansatzpunkte für eine – auch verfassungskonforme – einschränkende Auslegung bietet – Art. 3 GG verletzt, weil sich die Regelung für eine nicht unerhebliche Anzahl von Fällen als willkürlich, darstellt.

Die betroffenen freiwillig Versicherten haben keine realistische Ausweichmöglichkeit, weil – was allgemeinkundig ist – sie sich in höherem Lebensalter nicht mehr – oder aber nur sehr teuer – bei einem privaten Versicherungsunternehmen versichern können. Hierzu hat das LSG Bremen Erkundigungen beim Verband der privaten Krankenversicherer eingeholt, die auch zur Überzeugung des erkennenden Senats hinlänglich repräsentativ sind. Ein Verzicht auf einen Versicherungsschutz gegen Krankheit verbietet sich angesichts hoher Behandlungskosten, vor allem bei stationärer Behandlung mit Tagessätzen von 500,– DM (und mehr). Bei der Klägerin kommt hinzu, daß sie – wie sie für den Senat glaubhaft in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat – wegen der Folgen eines 1971/72 erlittenen Unfalles und der bei ihr bestehenden Kurzsichtigkeit einen privaten Krankenversicherungsschutz gar nicht (oder nur mit erheblichen Risiko-Zuschlägen) hätte erhalten können.

3.) Zugleich sind aber – entsprechend der Rechtsprechung des BVerfG – auch Art. 1 GG (Menschenwürde) und Art. 2 GG (allgemeine Handlungsfreiheit, die nur durch verfassungskonforme Gesetze beschränkt werden darf) in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 GG) verletzt.

a.) Wie das BVerfG (E 82, 60 ff., 83 ff., 85; 87, 153 ff., 169 ff., 173 ff; 91, 93 ff, 108 ff.) – zunächst für das Kindergeld, sodann für das Einkommensteuerrecht – nunmehr in ständiger Rechtsprechung entschieden hat, gebietet es der Grundsatz der Menschenwürde, daß dem Bürger ein Existenzminimum, das er selbst erwirtschaftet hat, verbleibt, das nicht durch Besteuerung – und, so ist zu ergänzen, nicht durch andere staatliche Regelungen – geschmälert werden darf Insoweit ist die Rechtsprechung des BVerfG konsequent sowohl an den sogenannten positiven Transfers (Kindergeld) als auch an den negativen Transfers (Einkommensteuer) orientiert; (in den Regelungen zum Kindergeld sind beide sachlichen Regelungsbereiche ohnedies untrennbar miteinander verwoben).

Wie das BVerfG entschieden – und das BSG für das Sozialrecht es auch übernommen – hat, darf eine gesetzliche Bestimmung von Verfassungswegen nicht dazu fuhren, daß einem Bürger nicht das an Mitteln verbleibt, was zur Aufrechterhaltung einer Mindestexistenz erforderlich ist. Als Grenze für dieses Existenzminimum ist der (in der Regel durchschnittliche Bemessung, bezogen auf die Bundesrepublik) Sozialhilfebedarf nach dem Bundessozialhilfegesetz herangezogen worden (BVerfGE 82, 60 ff., 94 ff.; 87, 153 ff, 167 ff.; 91, 93 ff, 110 ff.). Dieses Existenzminimum wird bei der Klägerin tangiert, weil sie sich krankenversichern muß, dies aber nur gegen Zahlung hoher Beiträge kann.

Wie die Tabellen 1 und 3 zeigen – für unterschiedliche Berechnungsweisen – hat die Klägerin durch die hohen Beiträge zur GKV einen Gesamtbedarf, der durch ihr einzusetzendes Einkommen (nach Abzug der Beiträge) – selbst wenn man, auf das Jahr gerechnet, die Einnahmen aus der unselbständigen Tätigkeit hinzurechnet – bei weitem nicht gedeckt wird. Die Klägerin ist deshalb auch, wie in Tabelle 1 gezeigt, seit 1994 gemäß der Rechtsprechung des BVerfG (E 87, 152 ff.) konsequenterweise von der Zahlung jeglicher Einkommensteuer befreit, weil ihr nur dadurch ein steuerfreies existenzsicherndes Einkommen verbleiben kann. Die Klägerin fällt einerseits unter die Härteregelung bei der Zuzahlung in der GKV. Andererseits aber werden von ihr Beiträge in einer Höhe verlangt, die sie aus eigener Kraft nur aufbringen kann, wenn sie ihren Mindestlebensstandard im übrigen unter die Sozialhilfegrenze absenkt.

Dieses Ergebnis hält der Senat verfassungsrechtlich für nicht hinnehmbar. Es fehlt insoweit jedenfalls an einer Härtefallklausel für hauptberuflich Selbständige mit sehr geringen Einkünften.

b.) Es ist nicht Aufgabe der Gerichte, aufzuzeigen, welche anderen Wege gangbar wären, um eine derart schwerwiegende Belastung einer Teilgruppe der hauptberuflich selbständig Erwerbstätigen in der freiwilligen Versicherung in der GKV zu vermeiden. Im Ergebnis jedenfalls kann die gegenwärtige Regelung zu derart, unbilligen Härten führen, daß sie sowohl als willkürliche Ungleichbehandlung anzusehen ist, als auch Eingriffe in das von Verfassungswegen geschützte Existenzminimum produzieren kann.

Damit ist sowohl Art. 3 GG verletzt und zugleich, wie ausgeführt die Art. 1, 2 Abs. 1 und der Sozialstaatsgrundsatz des Art. 20 GG (BVerfGE 82, 60 ff., 85; 87, 153 ff., 169 f.).

4.) Hiergegen läßt sich nicht einwenden, der Klägerin bliebe die Möglichkeit, Sozialhilfe in Anspruch zu nehmen. Wegen des von Gesetzes wegen eintretenden Forderungsübergangs hätte dies zu Folge, daß Verwandte in gerader Linie unmittelbar vom Sozialhilfeträger in Anspruch genommen werden könnten. Der Klägerin muß für die Aufrechterhaltung einer menschenwürdigen Existenz aber ein Wahlrecht verbleiben, ob sie die Sozialhilfe in Anspruch nehmen will oder nicht Dies ist beispielsweise auch in der Rechtsprechung des 12. Senats des BSG insoweit anerkannt worden, als die Eigenständigkeit desjenigen, der Sozialhilfe erhält, es gebietet, daß nur dieser selbst den Antrag auf freiwillige Versicherung stellen kann. Anders lautende gesetzliche Pläne (etwa zur Pflichtversicherung von Sozialhilfebedürftigen in der GKV) sind bislang in der Gesetzgebung des Bundes nicht umgesetzt worden.

Nach alledem erweist sich die Regelung des § 240 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 SBG V, auf die es für die Entscheidung des Rechtsstreits ankommt, als mit der Verfassung unvereinbar, weshalb der Rechtsstreit auszusetzen und gemäß Art. 100 GG die Entscheidung des BVerfG einzuholen war.

5.) Der Senat hat auch geprüft, ob er die Vorschrift des § 240 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGB V (n.F.), in einer verfassungskonformen, restriktiven Interpretation seiner Entscheidung zugrunde legen darf, was im Ergebnis die Vorlage an das BVerfG entbehrlich machen würde.

Der Senat hält diesen Weg vorliegend aber nicht für gangbar. Gesetzliche Bestimmungen, in denen der parlamentarische Gesetzgeber durch Angabe von Zahlen und Rechengrößen sowie – verfahren, eindeutige Regelungen trifft, entfalten einerseits die für die Interpretation von Gesetzen immer erwünschte Eindeutigkeit. Sie beinhalten andererseits aber auch das Problem, daß sich die Regelung, wenn sie maßgebliche Folgen nicht berücksichtigt und sich insoweit als verfassungswidrig erweist, nicht einfach "uminterpretiert” oder gar "weginterpretiert” werden kann.

Der Senat sieht die Aufgabe der rechtsprechenden Gewalt insoweit begrenzt auf die (nachträgliche) Kontrolle solcher Folgewirkungen der gesetzgeberischen Entscheidung, die im Einzelfall (oder in einer erheblichen Anzahl von Fällen) zu verfassungsrechtlich nicht hinnehmbaren Ergebnissen fuhren. Ist diese Regelung selbst eindeutig, kann sie nur durch eine gesetzliche Neureglung in der Kompetenz des Parlaments geändert werden.

Eine Kostenentscheidung bleibt der abschließenden gerichtlichen Entscheidung vorbehalten.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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