L 6 Ar 128/96

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 7 Ar 788/95
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 Ar 128/96
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Kassel vom 28. Dezember 1995 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Es geht in dem Rechtsstreit um die Höhe des vom 1. September bis 16. November 1994 gewährten Unterhaltsgeldes sowie um eine Sperrzeit vom 17. November 1994 bis 8. Februar 1995.

Der 1962 geborene Kläger ist gelernter Stahlformbauer und arbeitete zuletzt vor den streitigen Vorgängen von September 1989 bis Juli 1993 als Papiermacherhelfer. Er bezog danach Arbeitslosengeld bis zur Erschöpfung des Anspruchs (ab 13. Juli 1994) in Höhe von wöchentlich DM 311,40 (Bemessungsentgelt DM 830,–, 60 %, Leistungsgruppe A, 0 Kinder; die zu Beginn des Jahres 1993 eingetragene Lohnsteuerklasse 3 war vor Antragstellung – 5. Juli 1993 – in Lohnsteuerklasse 4 geändert worden), im Anschluß daran Arbeitslosenhilfe zunächst nach einem niedrigeren Bemessungsentgelt, das auf den Widerspruch des Klägers am 20. März 1995 in der bisherigen Höhe zugrunde gelegt wurde.

Auf seinen Antrag vom 29. Dezember 1993 auf Förderung der Umschulung zum Industriekaufmann bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 14. September 1994 Unterhaltsgeld für die Zeit vom 1. September 1994 bis 31. August 1996 in Höhe von vorläufig DM 259,80 wöchentlich (Bemessungsentgelt DM 660,–), da die Akten wegen der Prüfung einer Neubemessung nicht vorlagen. Mit Änderungsbescheid vom 16. Januar 1995 wurde das Unterhaltsgeld ab 1. September 1994 festgesetzt auf DM 311,40 wöchentlich (Bemessungsentgelt DM 830,–).

In der Zwischenzeit hatte der Kläger wegen finanzieller Schwierigkeiten am 16. November 1994 die Umschulung abgebrochen und die Beklagte mit Bescheiden vom 6. Dezember 1994 und 16. Januar 1995 die Bewilligung von Unterhaltsgeld ab 17. November 1994 aufgehoben und einen Betrag in Höhe von DM 448,13 zurückgefordert (ohne Rechtsgrund erhalten). Am 15. Februar 1995 meldete der Kläger seine Arbeitsaufnahme zum 6. Februar 1995, die jedoch nur bis zum 9. Februar 1995 fortgeführt wurde.

Gegen den Unterhaltsgeld bewilligenden Bescheid vom 16. Januar 1995 hat der Kläger am 15. Februar 1995 Widerspruch erhoben und eine höhere Leistung begehrt, da er aus einer Broschüre entnommen habe, daß bei seinem zuletzt verdienten Arbeitsentgelt in Höhe von DM 2.800,– das Unterhaltsgeld 80 % dieses Betrages ausmachen müßte.

Mit Widerspruchsbescheid vom 2. Juni 1995 hat die Beklagte den Widerspruch zurückgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, in der letzten beitragspflichtigen Beschäftigung (9/89 – 13.07.93) habe der Kläger ein wöchentliches Entgelt von DM 810,– erzielt, das auch dem Arbeitslosengeld-Anspruch zugrunde gelegt worden sei und sich durch Dynamisierung auf DM 830,– erhöht habe. Dieser Wert sei Ausgangspunkt der Berechnung des Unterhaltsgeldes (Leistungsgruppe A, 60 %) gewesen. Nach der Leistungsverordnung habe sich daraus ein wöchentliches Unterhaltsgeld von DM 311,40 ergeben.

Vom 9. bis 15. November 1994 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt. Der 16. November 1994 war Feiertag (Buß- und Bettag – Mittwoch). Laut telefonischer Veränderungsanzeige vom 2. Dezember 1994 nahm der Kläger ab 17. November 1994 unentschuldigt nicht mehr am Unterricht teil.

Am 17. November 1994 meldete sich der Kläger erneut arbeitslos und beantragte die Wiederbewilligung von Arbeitslosenhilfe. Den Abbruch erklärte er mit finanziellen Schwierigkeiten. Beim Antrag im Dezember 1993 habe es geheißen, er solle 70 % vom letzten Nettoeinkommen als Umschulungsgeld erhalten. Sein letztes Nettoeinkommen bei Firma W. habe DM 2.800,– betragen, jetzt bekomme er nur DM 259,– die Woche. Die Kostenübernahme für ein Kfz sei ebenso abgelehnt worden wie ein Antrag auf Sozialhilfezuschuß.

Mit Bescheid vom 4. Januar 1995 stellte die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit vom 17. November 1994 bis 8. Februar 1995 (12 Wochen) fest, da der Kläger am 16. November 1994 die Teilnahme an einer zumutbaren Maßnahme zur beruflichen Umschulung abgebrochen habe. Die angegebenen finanziellen Gründe seien nicht zu berücksichtigen. Die Teilnahme sei ihm zuzumuten gewesen, da Unterhaltsgeld nur in vorläufiger Höhe gewährt worden sei, dessen endgültige Festsetzung noch ausgestanden hätte.

Hiergegen hat der Kläger am 13. Januar 1995 Widerspruch erhoben und zur Begründung u.a. vorgetragen, das Unterhaltsgeld sei zu niedrig bemessen gewesen; seine laufenden Festkosten habe er davon nicht bestreiten können. Deshalb habe er sich in der Hoffnung auf eine feste Anstellung wieder arbeitssuchend gemeldet, um seinen Lebensstandard zu halten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 17. Mai 1995 hat die Beklagte den Widerspruch zurückgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, die vom Kläger vorgetragenen Gründe könnten nicht als wichtig anerkannt werden. Die Fortsetzung des Umschulungsverhältnisses sei zumutbar gewesen. Es habe erwartet werden können, daß er die Umschulung erst abbreche, wenn er eine feste Zusage für einen Arbeitsplatz habe. Der Kläger habe das Unterhaltsgeld nach einem Bemessungsentgelt erhalten, welches auch Grundlage für die zuvor bezogene Arbeitslosenhilfe gewesen sei. Eine Verschlechterung seiner finanziellen Situation mit der Teilnahme an der Umschulung im Vergleich zu der Zeit seiner Arbeitslosigkeit könne daher nicht eingetreten sein. Auch wenn er nicht mehr im Besitz eines Pkw gewesen sei, habe er den Umschulungsort mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichen können.

Am 6. Juli 1995 hat der Kläger Klage erhoben gegen den Bescheid vom 4. Januar 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Mai 1995 mit dem Ziel der Aufhebung und Gewährung von Arbeitslosenhilfe für die Zeit vom 17. November 1994 bis 5. Februar 1995, ferner gegen den Bescheid vom 16. Januar 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Juni 1995 mit dem Ziel eines höheren Unterhaltsgeldes.

Mit Gerichtsbescheid vom 28. Dezember 1995 hat das Sozialgericht Kassel die Klage abgewiesen im wesentlichen mit der Begründung, das Gericht folge der Begründung der angefochtenen Bescheide. Zu ergänzen sei noch, daß im Verfahren S-7/Ar-726/95 mit Gerichtsbescheid vom selben Tage festgestellt worden sei, daß die Beklagte zu Recht die Förderung des Kfz abgelehnt habe. Dies stelle also keinen wichtigen Grund für den Abbruch der Umschulung dar. Dem Kläger sei auch nicht nur Unterhaltsgeld in Höhe der vorbezogenen Arbeitslosenhilfe, sondern auch die Teilnahme- und Prüfungsgebühren und die Fahrtkosten bezahlt worden. Auch unter Berücksichtigung des Arbeitsschicksals des Klägers, der seit Ende 1982 allein von September 1989 bis Juli 1993 längerfristig in Arbeit gewesen sei, sei es dem Kläger zumutbar gewesen, die Umschulungsmaßnahme fortzusetzen. Soweit in § 59 Abs. 2 Satz 1 AFG der Berechnung des Übergangsgeldes 80 % des entgangenen regelmäßigen Arbeitsentgeltes (Regelentgelt) höchstens jedoch das entgangene regelmäßige Netto-Arbeitsentgelt zugrunde gelegt werde, ergebe sich daraus noch nicht die Höhe des Übergangsgeldes. Das Übergangsgeld mache davon nicht 80 % des Betrages aus, sondern im Falle des Klägers 68 % des zuvor genannten Betrages. Die Beklagte habe dem Kläger jedoch nach § 56 Abs. 3 AFG zu Recht Unterhaltsgeld gewährt, da der Kläger nicht an einer für Behinderte spezifischen Maßnahme teilgenommen habe. Das Sozialgericht hat die Bescheide der Beklagten vom 11. Januar 1995 und vom 2. März 1995 in den sinngemäßen Antrag des Klägers einbezogen, ohne dies jedoch näher zu erläutern bzw. in den Entscheidungsgründen darauf einzugehen.

Gegen den ihm am 4. Januar 1996 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 30. Januar 1996 Berufung eingelegt. Der Kläger trägt vor, allein wegen der ursprünglich falsch festgesetzten Höhe des Unterhaltsgeldes sei er zum Abbruch der Maßnahme gezwungen gewesen, weil er von dem mit Bescheid vom 14. September 1994 bewilligten Betrag nicht habe leben können. Nur wegen unzureichender Beratung und der fehlerhaften Berechnung des Unterhaltsgeldes sowie der unberechtigten Verweigerung eines Beförderungsmittels sei er wirtschaftlich und menschlich ruiniert worden. Dies habe ihn auch zum Abbruch der Maßnahme berechtigt.

Es wurde ein Schreiben des Klägers vom 7. Februar 1996 an seine Prozeßbevollmächtigten im Parallelverfahren vorgelegt.

Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Kassel vom 28. Dezember 1995 sowie den Bescheid der Beklagten vom 4. Januar 1995 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17. Mai 1995 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 16. Januar 1995 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 2. Juni 1995 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm höheres Unterhaltsgeld für die Zeit vom 1. September bis 16. November 1994 sowie Arbeitslosenhilfe auch für die Zeit vom 17. November 1994 bis zum 5. Februar 1995 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte bezieht sich auf den angefochtenen Gerichtsbescheid.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt, § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Berufung ist auch zulässig. Dabei ist im Termin zur mündlichen Verhandlung klargestellt worden, daß die Bescheide der Beklagte vom 11. Januar 1995 und vom 2. März 1995 nicht zum Streitgegenstand gehören, da der Kläger eindeutig sein Klageziel zum Ausdruck gebracht hat, dem auch der im Berufungsverfahren gestellte Antrag entspricht.

Die Berufung ist jedoch unbegründet. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Kassel vom 28. Dezember 1995 ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 16. Januar 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Juni 1995 hat die. Beklagte dem Kläger Unterhaltsgeld für die streitbefangene Zeit vom 1. September 1994 bis zum Abbruch der Umschulung (16. November 1994) in nicht zu beanstandender Höhe gewährt.

Nach §§ 47 Abs. 1, 44 Abs. 2 AFG beträgt das Unterhaltsgeld im Falle des Klägers 60 % des um die gesetzlichen Abzüge, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen, verminderten Arbeitsentgelts im Sinne des § 112, wobei entsprechend § 44 Abs. 3 Nr. 1 AFG bei zuvor bezogener Arbeitslosenhilfe mindestens die dortige Bemessung anzuwenden ist; hier also DM 830,– pro Woche (ausgehend von DM 810,– zuzüglich Dynamisierung). Während der letzten beitragspflichtigen Beschäftigung vor Beginn der Arbeitslosigkeit (14. Juli 1993) erzielte der Kläger ein zu berücksichtigendes wöchentliches durchschnittliches Bruttoeinkommen in Höhe von gerundet DM 810,– (letzte 3 Monate DM 11.324,02: 530 Stunden × 38 Stunden regelmäßiger tariflicher Arbeitszeit). Ohne Berücksichtigungsmöglichkeit eines Kindes gehörte der Kläger auch nicht zu den in § 111 Abs. 1 Nr. 1 AFG genannten Personen, so daß sein Anspruch 60 % des verminderten Arbeitsentgeltes betrug. Daß der Kläger sich Hoffnung auf einen höheren Prozentsatz gemacht hat, ändert daran nichts. Unter Berücksichtigung der Lohnsteuerklasse IV entsprechend Leistungsgruppe A stand dem Kläger nach der Leistungsverordnung 1994 ein wöchentlicher Leistungssatz von DM 311,40 zu. Dieser Betrag wurde ihm auch von der Beklagten gewährt, so daß er durch die entsprechenden Bescheide nicht beschwert ist.

Einen weitergehenden Anspruch hat der Kläger nicht dadurch erworben, daß es sich um eine Rehabilitationsmaßnahme gehandelt hat, da die geförderte Maßnahme nicht behindertenspezifisch war, § 56 Abs. 3 AFG.

Auch der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 4. Januar 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Mai 1995 ist nicht zu beanstanden.

Nach §§ 119, 119 a AFG tritt eine Sperrzeit von 12 Wochen ein, wenn der Arbeitslose eine Maßnahme nach § 103 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe b (zumutbare Maßnahme zur beruflichen Rehabilitation) abbricht, ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund zu haben.

Die vom Kläger selbst gesuchte Umschulung zum Industriekaufmann war ihm zumutbar. Für den Abbruch hatte er auch keinen wichtigen Grund. Die Beklagte hatte dem Kläger die Lehrgangsgebühren sowie Fahrtkosten und Unterhaltsgeld bewilligt. Soweit der Kläger sich wegen seiner finanziellen Probleme, die teilweise aus der familiären Trennungssituation herrührten, zum Abbruch für berechtigt hielt, konnte dem der Senat nicht folgen. Soweit der Kläger zunächst niedrigeres Unterhaltsgeld erhielt, war dies ausdrücklich nur als vorläufige Leistung bezeichnet und mit DM 259,80 je Woche höher als die zuvor tatsächlich bezogene Arbeitslosenhilfe von DM 229,20 (nach dem später wieder erhöhten Bemessungsentgelt von DM 660,–), aber auch nur um 15,– DM niedriger als die ihm zustehende Arbeitslosenhilfe in Höhe von DM 274,80 (bei Bemessungsentgelt von DM 830,–). Dem Kläger war aber auch zumutbar, die endgültige Höhe des Unterhaltsgeldes abzuwarten. Keinen wichtigen Grund zum Abbruch stellt die Weigerung der Beklagten dar, dem Kläger einen Pkw (teilweise) zu finanzieren. Dem Kläger waren die täglichen Pendelfahrten zwischen Wohnung und Umschulungsstätte auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln zumutbar (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 8. Oktober 1997 – L 6/Ar-145/96).

Das Vorliegen einer besonderen Härte nach den für den Eintritt einer Sperrzeit maßgebenden Tatsachen ist nicht erkennbar.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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