Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
5
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 11 V 3510/94
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 5 V 743/96
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 29. Februar 1996 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt als außerhalb der Bundesrepublik Deutschland lebender Ausländer und ziviles Kriegsopfer des Zweiten Weltkrieges Beschädigtenversorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG).
Der 1945 geborene Kläger lebt als jugoslawischer Staatsangehöriger in Serbien, der früheren Teilrepublik der ehemaligen Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien. Im Oktober 1992 stellte der Kläger bei dem Beklagten den Antrag auf Gewährung einer Beschädigtenversorgung nach dem BVG und gab an, er sei am 15. Oktober 1961 durch zurückgebliebenes Kriegsmaterial beschädigt worden und habe dabei seine rechte Hand verloren sowie schwere Verletzungen am linken Bein erlitten. In seinem Heimatstaat sei er als ziviles Kriegsopfer mit einem Grad der Invalidität von 70 % anerkannt und erhalte aus diesem Grunde eine Rente.
Mit Bescheid vom 11. November 1992 lehnte der Beklagte den Antrag auf Gewährung einer Kriegsopferversorgung mit der Begründung ab, der Kläger gehöre nicht zu dem berechtigten Personenkreis, da die von ihm behauptete Schädigung durch unmittelbare Kriegseinwirkung sich weder in Deutschland noch in einem zur Zeit der Schädigung von der Deutschen Wehrmacht besetzten Gebiet ereignet habe. Eine Einbeziehung in eine Versorgung über § 8 BVG könne nicht erfolgen, da es daher sowohl an der Wohnsitz- als auch an der Schädigungsvoraussetzung des § 7 Abs. 1 Nr. 3 BVG fehle.
Am 5. September 1994 ging die "Klage” des Klägers bei dem Beklagten ein, mit der sich der Kläger gegen den ablehnenden Bescheid vom 11. November 1992 wandte. Zur Begründung gab der Kläger an, die Deutsche Wehrmacht habe während des Zweiten Weltkrieges den Staat Jugoslawien okkupiert und eine große Menge Explosionsmaterial überall in allen Teilen Jugoslawiens zurückgelassen, die später durch Berührung seitens unschuldiger Leute explodiert seien und diese unschuldigen Leute für das ganze Leben verunstaltet hätten. Mit Widerspruchsbescheid vom 5. Oktober 1994 wies der Beklagte die als Widerspruch ausgelegte Klage des Klägers zurück mit der Begründung, der Widerspruch sei unzulässig, da er nicht innerhalb der zu beachtenden Widerspruchsfrist eingelegt worden sei. Wiedereinsetzungsgründe seien nicht ersichtlich. Zudem hätte auch bei Einhaltung der Widerspruchsfrist dem Widerspruch nicht abgeholfen werden können, da, wie im angefochtenen Bescheid zutreffend festgestellt wurde, die Grundvoraussetzungen für die Gewährung einer Versorgung nicht erfüllt seien.
Die Klageschrift des Klägers leitete der Beklagte an das Sozialgericht Frankfurt am Main weiter, wo sie am 6. Oktober 1994 eingegangen ist.
Das Sozialgericht Frankfurt am Main hat einen Zahlungsbeleg über die serbische Invalidenrente des Klägers für den Monat November 1994 zum Verfahren beigezogen sowie eine Ablichtung des Bescheides des Sekretariates der Gemeinde K. für verwaltungsrechtliche Angelegenheiten vom 8. März 1974, mit dem dem Kläger Invalidenrente in seinem Heimatstaat ab dem 1. Juli 1973 zuerkannt worden war.
Mit Gerichtsbescheid vom 29. Februar 1996 hat das Sozialgericht Frankfurt am Main die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Gericht in den Entscheidungsgründen ausgeführt, es könne dahinstehen, ob der Beklagte den Widerspruch des Klägers zu Recht als unzulässig verworfen hat. Jedenfalls habe der Kläger in der Sache weder Anspruch auf Beschädigtenversorgung noch auf eine Neubescheidung durch den Beklagten. Gemäß § 7 Abs. 2 BVG seien Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz ausgeschlossen, in denen, wie vorliegend, der Kläger als ziviles Kriegsopfer in seinem Heimatstaat eine monatliche Rente aus demselben Rechtsgrund erhalte, aus dem er Leistungen aus der deutschen Kriegsopferversorgung begehrt. Der Ausschluß gelte auch für die Möglichkeit der Kannversorgung nach § 8 Satz 1 BVG. Das Gericht stützt sich dazu auf die Rechtsprechung des 9 a-Senates des Bundessozialgerichts (Urteil vom 20. Mai 1992 – 9 a RV 11/91).
Gegen den ihm unter Vermittlung der Deutschen Botschaft in Belgrad am 24. April 1996 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger die am 10. Juni 1996 bei dem Hessischen Landessozialgericht eingegangene Berufung eingelegt.
Der Kläger macht im Berufungsverfahren wie in seiner Klageschrift geltend, die Rentenbehörde Deutschlands müsse doch verstehen, daß ihre Ahnen im April 1941 gegen alle internationale Normen bei der Okkupation Jugoslawiens verstoßen hätten. Dafür müsse Deutschland nunmehr einstehen und ihm Versorgung gewähren. Zudem sei zu berücksichtigen, daß der Staat Jugoslawien ihm nur eine minimale monatliche Versorgung als ziviles Opfer des Krieges leisten könne.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 29. Februar 1996 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 11. November 1992 und des Widerspruchsbescheides vom 5. Oktober 1994 zu verurteilen, an ihn wegen der erlittenen Schädigung Versorgungsleistungen nach einer MdE von mindestens 25 v.H. ab dem Antragsmonat Oktober 1992 zu gewähren,
hilfsweise,
ihm unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts einen neuen Bescheid zu erteilen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main für zutreffend.
Beide Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Für den Sach- und Streitstand im übrigen wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte sowie auf die Verwaltungsakten des Beklagten (B-Akten des Versorgungsamtes AF., Archiv-Nr.: XXXXX), die zum Verfahren beigezogen worden sind.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).
Die Berufung ist zulässig, sie ist form- und fristgerecht eingelegt sowie an sich statthaft (§ 151 Abs. 1 i.V.m. § 153 Abs. 1 i.V.m. § 87 Abs. 1 Satz 2, §§ 143, 144 Abs. 1 SGG).
In der Sache ist die Berufung jedoch nicht begründet. Dabei steht einer gerichtlichen Nachprüfung in der Sache vorliegend nicht die Bindungswirkung des Bescheides des Beklagten vom 11. November 1992 entgegen. Selbst wenn der in der Klageschrift vom 5. Oktober 1994 enthaltene Widerspruch von dem Kläger verspätet eingelegt sein sollte und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zu gewähren wäre, so hat sich der Beklagte indes in dem Widerspruchsbescheid nicht darauf beschränkt, den Widerspruch als unzulässig zu verwerfen, sondern – ergänzend – auch die materielle Rechtslage überprüft. Die sachliche Überprüfung eines – unzulässigen – Widerspruchs liegt grundsätzlich im freien Ermessen einer Behörde (BSGE 49, 85). Vorliegend war diese Überprüfung sogar geboten, da andernfalls der Widerspruch des Klägers von dem Beklagten in einen Überprüfungsantrag nach § 44 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch, Verwaltungsverfahren (SGB X) hätte umgedeutet werden müssen (vgl. dazu Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, 5. Auflage 1993, § 84 Rdnr. 7).
Das Sozialgericht Frankfurt am Main hat die Klage durch Gerichtsbescheid vom 29. Februar 1996 in der Sache zu Recht abgewiesen, da der Kläger nicht zu dem berechtigten Personenkreis gehört, der Ansprüche nach dem Bundesversorgungsgesetz geltend machen kann.
Nach § 7 Abs. 2 BVG findet das Bundesversorgungsgesetz keine Anwendung auf Kriegsopfer, die aus derselben Ursache einen Anspruch auf Versorgung gegen einen anderen Staat besitzen, es sei denn, daß zwischenstaatliche Vereinbarungen etwas anderes bestimmen. Solche zwischenstaatlichen Vereinbarungen sind zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der früheren Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien bzw. dem Nachfolge-Staat, der Bundesrepublik Jugoslawien mit ihren Teilrepubliken Serbien und Montenegro nicht geschlossen worden.
Der Ausschluß nach § 7 Abs. 2 BVG gilt sowohl für deutsche Kriegsopfer oder Kriegsopfer deutscher Volkszugehörigkeit (§ 7 Abs. 1 Nrn. 1, 2 BVG) als auch für ausländische Kriegsopfer, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich des BVG haben (§ 7 Abs. 1 Nr. 3 BVG) als auch für ausländische Kriegsopfer, die im Ausland wohnen und nur nach § 8 BVG in besonders begründeten Fällen mit Zustimmung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung in den Kreis der Versorgungsberechtigten einbezogen werden können (BSG, Urteile vom 25. November 1976 – 9 RV 188/75 – und vom 20. Mai 1992 – 9 a RV 11/91).
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Auslegung des § 7 Abs. 2 BVG (Urteil vom 25. November 1976 – a.a.O.; Urteile vom 20. Mai 1992 – a.a.O. – und – 9 a RV 12/91 – sowie Urteil vom 10. August 1993 – 9/9 a RV 39/92) sollen durch die Vorschrift nicht nur der Höhe nach Doppelleistungen verhindert werden, sondern sämtliche Ansprüche nach dem BVG dem Grunde nach allein wegen der Zugehörigkeit zum Kriegsopferversorgungssystem eines anderen Staates ausgeschlossen sein. Diese Zugehörigkeit – so das Bundessozialgericht – werde durch jeden durch Kriegsschäden begründeten Anspruch gegen diesen Staat dokumentiert. Dabei komme es weder auf die Höhe und die Ausgestaltung im einzelnen an, noch darauf, ob sich ein solcher Anspruch im Einzelfall verwirklichen läßt oder nicht. Maßgeblich sei für den in § 7 Abs. 2 BVG geregelten Ausschluß von Ansprüchen nach deutschem Versorgungsrecht allein, daß das ausländische Versorgungsrecht dem ausländischen Staatsangehörigen einen Anspruch aus gleicher Ursache eröffne (BSG, Urteil vom 25. November 1976 – a.a.O.). Der Heimatstaat übernehme als sachnäherer Träger die Haftung für die Kriegsschäden. Der vollständige Ausschluß von deutschen Versorgungsleistungen sei auch bei geringeren Versorgungsleistungen eines anderen Staates mit dem Gleichheitsgrundsatz vereinbar, soweit dadurch die Gleichbehandlung der Kriegsopfer mit gleicher Staatsangehörigkeit und gleichem Wohnsitz ermöglicht werde (BSG, Urteil vom 10. August 1993 – a.a.O.).
Der Kläger hat einen solchen Anspruch gegenüber seinem Heimatstaat Serbien aus derselben Ursache, wegen der er Versorgungsleistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz begehrt. Dies hat das Sozialgericht Frankfurt am Main zutreffend den von ihm im Klageverfahren von dem Kläger angeforderten Unterlagen entnommen. In dem Bescheid vom 8. März 1974 stellt die Gemeinde K. gemäß Art. 27 Abs. 1 des Gesetzes über den Schutz von Schwergeschädigten, Zivilkriegsopfern ("Amtsblatt der Sozialistischen Republik Serbien Nr. 8/73”) fest, daß dem Kläger ab dem 1. Juli 1973 Invalidenrente zu zahlen ist bei einer MdE von 70 % infolge der Körperverletzungen, die er durch Flugzeugzünder erlitt, die im Krieg zurückgelassen worden sind. In Verbindung mit dem von dem Kläger im Klageverfahren auf Anforderung vorgelegten Zahlungsbeleg für den Monat November 1994 ist das Sozialgericht Frankfurt am Main zu Recht davon ausgegangen, daß dieser Anspruch auf Invalidenrente weiterhin besteht, d.h. auch nach dem Zerfall der früheren Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien gegenüber der Teilrepublik Serbien in der jetzigen "Bundesrepublik Jugoslawien”.
Der Kläger kann auch keine Versorgung über § 8 BVG erhalten, wonach mit Zustimmung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung Versorgung in anderen als den in § 7 BVG bezeichneten, besonders begründeten Fällen gewährt werden "kann”. Nach der o.g. Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 20. Mai 1992 – 9 a RV 11/91) können Kriegsopfer, die nach § 7 Abs. 2 BVG aus dem berechtigten Personenkreis herausgenommen sind, nicht über § 8 Satz 1 BVG wieder in den begünstigten Personenkreis einbezogen werden. Eine solche Auslegung würde dem erkennbaren Sinnzusammenhang zwischen dem § 7 und dem § 8 BVG widersprechen. Wie das Bundessozialgericht weiter ausgeführt hat, kann grundsätzlich jeder Staat frei entscheiden, welche Kriegsopfer er wie entschädigt. Es gibt im internationalen Recht (Art. 25 Grundgesetz) keine strenge Rangfolge der Verantwortlichkeit für Kriegsopfer, die etwa Deutschland vor jedem anderen Staat uneingeschränkt und unabwendbar für die Folgen der vom Deutschen Reich geführten Kriege eintreten ließe.
Das Sozialgericht hat die Klage daher durch Gerichtsbescheid zu Recht abgewiesen. Auch die Berufung des Klägers konnte keinen Erfolg haben und war zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil ein Zulassungsgrund nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht zu erkennen ist; die aufgeworfenen Rechtsfragen sind seit 1992 vom BSG erneut mehrfach und abschließend geklärt worden.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt als außerhalb der Bundesrepublik Deutschland lebender Ausländer und ziviles Kriegsopfer des Zweiten Weltkrieges Beschädigtenversorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG).
Der 1945 geborene Kläger lebt als jugoslawischer Staatsangehöriger in Serbien, der früheren Teilrepublik der ehemaligen Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien. Im Oktober 1992 stellte der Kläger bei dem Beklagten den Antrag auf Gewährung einer Beschädigtenversorgung nach dem BVG und gab an, er sei am 15. Oktober 1961 durch zurückgebliebenes Kriegsmaterial beschädigt worden und habe dabei seine rechte Hand verloren sowie schwere Verletzungen am linken Bein erlitten. In seinem Heimatstaat sei er als ziviles Kriegsopfer mit einem Grad der Invalidität von 70 % anerkannt und erhalte aus diesem Grunde eine Rente.
Mit Bescheid vom 11. November 1992 lehnte der Beklagte den Antrag auf Gewährung einer Kriegsopferversorgung mit der Begründung ab, der Kläger gehöre nicht zu dem berechtigten Personenkreis, da die von ihm behauptete Schädigung durch unmittelbare Kriegseinwirkung sich weder in Deutschland noch in einem zur Zeit der Schädigung von der Deutschen Wehrmacht besetzten Gebiet ereignet habe. Eine Einbeziehung in eine Versorgung über § 8 BVG könne nicht erfolgen, da es daher sowohl an der Wohnsitz- als auch an der Schädigungsvoraussetzung des § 7 Abs. 1 Nr. 3 BVG fehle.
Am 5. September 1994 ging die "Klage” des Klägers bei dem Beklagten ein, mit der sich der Kläger gegen den ablehnenden Bescheid vom 11. November 1992 wandte. Zur Begründung gab der Kläger an, die Deutsche Wehrmacht habe während des Zweiten Weltkrieges den Staat Jugoslawien okkupiert und eine große Menge Explosionsmaterial überall in allen Teilen Jugoslawiens zurückgelassen, die später durch Berührung seitens unschuldiger Leute explodiert seien und diese unschuldigen Leute für das ganze Leben verunstaltet hätten. Mit Widerspruchsbescheid vom 5. Oktober 1994 wies der Beklagte die als Widerspruch ausgelegte Klage des Klägers zurück mit der Begründung, der Widerspruch sei unzulässig, da er nicht innerhalb der zu beachtenden Widerspruchsfrist eingelegt worden sei. Wiedereinsetzungsgründe seien nicht ersichtlich. Zudem hätte auch bei Einhaltung der Widerspruchsfrist dem Widerspruch nicht abgeholfen werden können, da, wie im angefochtenen Bescheid zutreffend festgestellt wurde, die Grundvoraussetzungen für die Gewährung einer Versorgung nicht erfüllt seien.
Die Klageschrift des Klägers leitete der Beklagte an das Sozialgericht Frankfurt am Main weiter, wo sie am 6. Oktober 1994 eingegangen ist.
Das Sozialgericht Frankfurt am Main hat einen Zahlungsbeleg über die serbische Invalidenrente des Klägers für den Monat November 1994 zum Verfahren beigezogen sowie eine Ablichtung des Bescheides des Sekretariates der Gemeinde K. für verwaltungsrechtliche Angelegenheiten vom 8. März 1974, mit dem dem Kläger Invalidenrente in seinem Heimatstaat ab dem 1. Juli 1973 zuerkannt worden war.
Mit Gerichtsbescheid vom 29. Februar 1996 hat das Sozialgericht Frankfurt am Main die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Gericht in den Entscheidungsgründen ausgeführt, es könne dahinstehen, ob der Beklagte den Widerspruch des Klägers zu Recht als unzulässig verworfen hat. Jedenfalls habe der Kläger in der Sache weder Anspruch auf Beschädigtenversorgung noch auf eine Neubescheidung durch den Beklagten. Gemäß § 7 Abs. 2 BVG seien Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz ausgeschlossen, in denen, wie vorliegend, der Kläger als ziviles Kriegsopfer in seinem Heimatstaat eine monatliche Rente aus demselben Rechtsgrund erhalte, aus dem er Leistungen aus der deutschen Kriegsopferversorgung begehrt. Der Ausschluß gelte auch für die Möglichkeit der Kannversorgung nach § 8 Satz 1 BVG. Das Gericht stützt sich dazu auf die Rechtsprechung des 9 a-Senates des Bundessozialgerichts (Urteil vom 20. Mai 1992 – 9 a RV 11/91).
Gegen den ihm unter Vermittlung der Deutschen Botschaft in Belgrad am 24. April 1996 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger die am 10. Juni 1996 bei dem Hessischen Landessozialgericht eingegangene Berufung eingelegt.
Der Kläger macht im Berufungsverfahren wie in seiner Klageschrift geltend, die Rentenbehörde Deutschlands müsse doch verstehen, daß ihre Ahnen im April 1941 gegen alle internationale Normen bei der Okkupation Jugoslawiens verstoßen hätten. Dafür müsse Deutschland nunmehr einstehen und ihm Versorgung gewähren. Zudem sei zu berücksichtigen, daß der Staat Jugoslawien ihm nur eine minimale monatliche Versorgung als ziviles Opfer des Krieges leisten könne.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 29. Februar 1996 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 11. November 1992 und des Widerspruchsbescheides vom 5. Oktober 1994 zu verurteilen, an ihn wegen der erlittenen Schädigung Versorgungsleistungen nach einer MdE von mindestens 25 v.H. ab dem Antragsmonat Oktober 1992 zu gewähren,
hilfsweise,
ihm unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts einen neuen Bescheid zu erteilen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main für zutreffend.
Beide Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Für den Sach- und Streitstand im übrigen wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte sowie auf die Verwaltungsakten des Beklagten (B-Akten des Versorgungsamtes AF., Archiv-Nr.: XXXXX), die zum Verfahren beigezogen worden sind.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).
Die Berufung ist zulässig, sie ist form- und fristgerecht eingelegt sowie an sich statthaft (§ 151 Abs. 1 i.V.m. § 153 Abs. 1 i.V.m. § 87 Abs. 1 Satz 2, §§ 143, 144 Abs. 1 SGG).
In der Sache ist die Berufung jedoch nicht begründet. Dabei steht einer gerichtlichen Nachprüfung in der Sache vorliegend nicht die Bindungswirkung des Bescheides des Beklagten vom 11. November 1992 entgegen. Selbst wenn der in der Klageschrift vom 5. Oktober 1994 enthaltene Widerspruch von dem Kläger verspätet eingelegt sein sollte und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zu gewähren wäre, so hat sich der Beklagte indes in dem Widerspruchsbescheid nicht darauf beschränkt, den Widerspruch als unzulässig zu verwerfen, sondern – ergänzend – auch die materielle Rechtslage überprüft. Die sachliche Überprüfung eines – unzulässigen – Widerspruchs liegt grundsätzlich im freien Ermessen einer Behörde (BSGE 49, 85). Vorliegend war diese Überprüfung sogar geboten, da andernfalls der Widerspruch des Klägers von dem Beklagten in einen Überprüfungsantrag nach § 44 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch, Verwaltungsverfahren (SGB X) hätte umgedeutet werden müssen (vgl. dazu Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, 5. Auflage 1993, § 84 Rdnr. 7).
Das Sozialgericht Frankfurt am Main hat die Klage durch Gerichtsbescheid vom 29. Februar 1996 in der Sache zu Recht abgewiesen, da der Kläger nicht zu dem berechtigten Personenkreis gehört, der Ansprüche nach dem Bundesversorgungsgesetz geltend machen kann.
Nach § 7 Abs. 2 BVG findet das Bundesversorgungsgesetz keine Anwendung auf Kriegsopfer, die aus derselben Ursache einen Anspruch auf Versorgung gegen einen anderen Staat besitzen, es sei denn, daß zwischenstaatliche Vereinbarungen etwas anderes bestimmen. Solche zwischenstaatlichen Vereinbarungen sind zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der früheren Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien bzw. dem Nachfolge-Staat, der Bundesrepublik Jugoslawien mit ihren Teilrepubliken Serbien und Montenegro nicht geschlossen worden.
Der Ausschluß nach § 7 Abs. 2 BVG gilt sowohl für deutsche Kriegsopfer oder Kriegsopfer deutscher Volkszugehörigkeit (§ 7 Abs. 1 Nrn. 1, 2 BVG) als auch für ausländische Kriegsopfer, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich des BVG haben (§ 7 Abs. 1 Nr. 3 BVG) als auch für ausländische Kriegsopfer, die im Ausland wohnen und nur nach § 8 BVG in besonders begründeten Fällen mit Zustimmung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung in den Kreis der Versorgungsberechtigten einbezogen werden können (BSG, Urteile vom 25. November 1976 – 9 RV 188/75 – und vom 20. Mai 1992 – 9 a RV 11/91).
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Auslegung des § 7 Abs. 2 BVG (Urteil vom 25. November 1976 – a.a.O.; Urteile vom 20. Mai 1992 – a.a.O. – und – 9 a RV 12/91 – sowie Urteil vom 10. August 1993 – 9/9 a RV 39/92) sollen durch die Vorschrift nicht nur der Höhe nach Doppelleistungen verhindert werden, sondern sämtliche Ansprüche nach dem BVG dem Grunde nach allein wegen der Zugehörigkeit zum Kriegsopferversorgungssystem eines anderen Staates ausgeschlossen sein. Diese Zugehörigkeit – so das Bundessozialgericht – werde durch jeden durch Kriegsschäden begründeten Anspruch gegen diesen Staat dokumentiert. Dabei komme es weder auf die Höhe und die Ausgestaltung im einzelnen an, noch darauf, ob sich ein solcher Anspruch im Einzelfall verwirklichen läßt oder nicht. Maßgeblich sei für den in § 7 Abs. 2 BVG geregelten Ausschluß von Ansprüchen nach deutschem Versorgungsrecht allein, daß das ausländische Versorgungsrecht dem ausländischen Staatsangehörigen einen Anspruch aus gleicher Ursache eröffne (BSG, Urteil vom 25. November 1976 – a.a.O.). Der Heimatstaat übernehme als sachnäherer Träger die Haftung für die Kriegsschäden. Der vollständige Ausschluß von deutschen Versorgungsleistungen sei auch bei geringeren Versorgungsleistungen eines anderen Staates mit dem Gleichheitsgrundsatz vereinbar, soweit dadurch die Gleichbehandlung der Kriegsopfer mit gleicher Staatsangehörigkeit und gleichem Wohnsitz ermöglicht werde (BSG, Urteil vom 10. August 1993 – a.a.O.).
Der Kläger hat einen solchen Anspruch gegenüber seinem Heimatstaat Serbien aus derselben Ursache, wegen der er Versorgungsleistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz begehrt. Dies hat das Sozialgericht Frankfurt am Main zutreffend den von ihm im Klageverfahren von dem Kläger angeforderten Unterlagen entnommen. In dem Bescheid vom 8. März 1974 stellt die Gemeinde K. gemäß Art. 27 Abs. 1 des Gesetzes über den Schutz von Schwergeschädigten, Zivilkriegsopfern ("Amtsblatt der Sozialistischen Republik Serbien Nr. 8/73”) fest, daß dem Kläger ab dem 1. Juli 1973 Invalidenrente zu zahlen ist bei einer MdE von 70 % infolge der Körperverletzungen, die er durch Flugzeugzünder erlitt, die im Krieg zurückgelassen worden sind. In Verbindung mit dem von dem Kläger im Klageverfahren auf Anforderung vorgelegten Zahlungsbeleg für den Monat November 1994 ist das Sozialgericht Frankfurt am Main zu Recht davon ausgegangen, daß dieser Anspruch auf Invalidenrente weiterhin besteht, d.h. auch nach dem Zerfall der früheren Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien gegenüber der Teilrepublik Serbien in der jetzigen "Bundesrepublik Jugoslawien”.
Der Kläger kann auch keine Versorgung über § 8 BVG erhalten, wonach mit Zustimmung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung Versorgung in anderen als den in § 7 BVG bezeichneten, besonders begründeten Fällen gewährt werden "kann”. Nach der o.g. Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 20. Mai 1992 – 9 a RV 11/91) können Kriegsopfer, die nach § 7 Abs. 2 BVG aus dem berechtigten Personenkreis herausgenommen sind, nicht über § 8 Satz 1 BVG wieder in den begünstigten Personenkreis einbezogen werden. Eine solche Auslegung würde dem erkennbaren Sinnzusammenhang zwischen dem § 7 und dem § 8 BVG widersprechen. Wie das Bundessozialgericht weiter ausgeführt hat, kann grundsätzlich jeder Staat frei entscheiden, welche Kriegsopfer er wie entschädigt. Es gibt im internationalen Recht (Art. 25 Grundgesetz) keine strenge Rangfolge der Verantwortlichkeit für Kriegsopfer, die etwa Deutschland vor jedem anderen Staat uneingeschränkt und unabwendbar für die Folgen der vom Deutschen Reich geführten Kriege eintreten ließe.
Das Sozialgericht hat die Klage daher durch Gerichtsbescheid zu Recht abgewiesen. Auch die Berufung des Klägers konnte keinen Erfolg haben und war zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil ein Zulassungsgrund nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht zu erkennen ist; die aufgeworfenen Rechtsfragen sind seit 1992 vom BSG erneut mehrfach und abschließend geklärt worden.
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