L 12 J 746/94

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 13 J 1290/92
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 12 J 746/94
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 28. Juni 1994 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung einer Versichertenrente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit.

Der 1937 geborene Kläger hat keinen Beruf erlernt. Ein Anlernverhältnis zum Polsterer in den Jahren 1952 bis 1954 schloß er nicht ab. Zwischen 1962 und 1966 war er als Bauhilfsarbeiter und zwischen 1966 und 1973 als Hilfsarbeiter tätig. Ab dem 10. Mai 1976 arbeitete er als Straßenbaufacharbeiter bei der Firma F. GmbH & Co. KG – Allgemeiner Ingenieurbau, Spezial-Tiefbau – in W ... Ausweislich einer von der Beklagten eingeholten Arbeitgeberauskunft vom 13. August 1992 betrug die Einarbeitungszeit weniger als drei Monate. Der Kläger wurde nach der Lohngruppe IV, 4.2 des Bundesrahmentarifvertrages für das Baugewerbe entlohnt. Es habe sich, so heißt es dort weiter, um eine überwiegend stehende Tätigkeit gehandelt. Der Arbeitgeber gab weiter an, daß die Arbeitskraft des Klägers aus gesundheitlichen Gründen seit Dezember 1990 nachgelassen habe. Seit dem 6. Juni 1991 war der Kläger arbeitsunfähig und bezog ab dem 6. Juli 1991 Krankengeld bis zum 27. Oktober 1992. Anschließend erhielt er Arbeitslosengeld und bezieht nunmehr Arbeitslosenhilfe.

Am 21. April 1992 beantragte der Kläger die Gewährung einer Versichertenrente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit bei der Beklagten. Diese holte daraufhin einen Befundbericht bei den Dres. G. R. (Allgemeinmediziner, V.) vom 6. April 1992 ein. Diesen waren beigefügt: Arztbriefe des Dr. R. (Nervenarzt, W.) vom 26. August 1987, des Psychiatrischen Krankenhauses W. vom 30. Oktober 1987 und des Kreiskrankenhauses W. (Radiologie) vom 2. Juli 1991. Des weiteren zog die Beklagte ein sozialmedizinisches Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen Hessen (W., Dr. V.) zur Arbeitsunfähigkeit des Klägers vom 27. August 1991 bei. Es gelangte ein Heilverfahrensentlassungsbericht über ein vom Kläger zwischen dem 31. Oktober 1991 und dem 28. November 1991 durchgeführtes Heilverfahren in der Klinik K. (B.) vom 28. November 1991 zu den Akten. Der Kläger wurde arbeitsunfähig aus der Rehabilitationsmaßnahme entlassen. In dem Bericht wird festgestellt, daß dem Kläger die Fortsetzung der zuletzt ausgeübten Tätigkeit nicht mehr möglich sei, er könne jedoch noch andere Tätigkeiten vollschichtig verrichten. Nachdem weitere sozialmedizinische Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen Hessen (W., Dr. V.) vom 14. Januar 1992 und 12. März 1992 zu den Akten gelangt waren und die Ärztin für Innere Medizin Dr. A. (M.) am 22. Mai 1992 eine medizinische Stellungnahme abgegeben hatte, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 9. Juni 1992 die Gewährung der beantragten Leistung ab. Auf den Widerspruch des Klägers vom 1. Juli 1992 holte die Beklagte die eingangs erwähnte Arbeitgeberauskunft bei der Firma F. ein und wies mit Widerspruchsbescheid vom 23. Oktober 1992 den Widerspruch zurück.

Auf seine Klage vor dem Sozialgericht Gießen vom 16. November 1992 hat das Sozialgericht einen Befundbericht bei Dres. G./R. vom 16. Februar 1993 eingeholt, dem diverse medizinische Unterlagen beigefügt waren. Des weiteren hat das Sozialgericht die Akte des Arbeitsamtes XY. (Stamm-Nr.: XXXXX) beigezogen und auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz – SGG – ein medizinisches Sachverständigengutachten auf orthopädischem Fachgebiet bei Dr. N. (Orthopädische Klinik B.) vom 24. Februar 1994 eingeholt. Dieser hat als Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Fachgebiet beim Kläger festgestellt:

1) Halswirbelsäulensyndrom mit leichter Bewegungseinschränkung bei zum Teil ausgeprägten degenerativen Veränderungen sowie Bandscheibenschäden C 5/C 6 und C 7,
2) Schulter-Arm-Syndrom beidseits mit geringer endgradiger Bewegungseinschränkung beider Schultergelenke bei Schultereckgelenksarthrose beidseits,
3) Brust- und Lendenwirbelsäulensyndrom mit zum Teil erheblichen degenerativen Veränderungen im Sinne einer Spondylose und Spondylarthrose der Brustwirbelsäule und Lendenwirbelsäule bei Mehrfachbandscheibenschäden und
4) beginnende mediale Kniegelenksarthrose beidseits.

Mit diesen Erkrankungen sei der Kläger noch in der Lage, so führt Dr. N. weiter aus, vollschichtig leichte Tätigkeiten mit gewissen Einschränkungen zu verrichten. Er könne noch als Pförtner oder ungelernter Arbeiter in Industrie, Handel oder auf dem sonstigen Arbeitsfeld unter Berücksichtigung der Leistungseinschränkungen arbeiten. Mit Urteil vom 28. Juni 1994 hat das Sozialgericht Gießen die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, daß der Kläger mit der von ihm zuletzt verrichteten Tätigkeit unter Berücksichtigung des vom Bundessozialgericht entwickelten "Mehr-Stufen-Schemas” als angelernter Arbeiter einzustufen sei. Als solcher genieße er keinen Berufsschutz und sei auf das allgemeine Arbeitsfeld verweisbar. Die Tätigkeiten als Pförtner oder ungelernter Arbeiter in Handel und Industrie könne er unter Berücksichtigung der vorhandenen medizinischen Unterlagen und des eingeholten Sachverständigengutachtens noch vollschichtig verrichten. Demzufolge habe der Kläger weder einen Anspruch auf die Gewährung einer Versichertenrente wegen Berufs- noch wegen Erwerbsunfähigkeit.

Gegen dieses dem Kläger am 18. Juli 1994 zugestellte Urteil hat er am 18. August 1994 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht eingelegt. Zur Begründung trägt er vor, daß die von ihm zuletzt verrichtete Tätigkeit bei der Firma F. nach dem Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe einer Facharbeitertätigkeit entsprochen habe. Zudem sei er nur noch in der Lage, einmal täglich 500 m zu Fuß zurückzulegen, nicht jedoch 4 × 500 m. Des weiteren läge eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor. Er sei daher als erwerbsunfähig, mindestens jedoch berufsunfähig anzusehen.

Der Senat hat Befundberichte bei Dr. A. (Orthopäde, L. vom 1. November 1994 und Dres. G./R. vom 4. November 1994, dem diverse medizinische Unterlagen beigefügt waren, eingeholt. Des weiteren hat er einen Bericht des Dr. K. (Kreiskrankenhaus W.) vom 27. Oktober 1994 zu einem stationären Aufenthalt des Klägers dort vom 25. November bis 4. Dezember 1992, die Schwerbehindertenakte des Klägers vom Versorgungsamt YY. (Geschäftsz.: YYYYY) und die Gerichtsakte des Sozialgerichts

Gießen zum Aktenzeichen: S-15/Vb-341/93 beigezogen. Mit Bescheid vom 17. Juli 1992 waren beim Kläger vom Versorgungsamt YY. als Behinderungen anerkannt worden:

1) Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule mit Bewegungseinschränkung und Reizerscheinungen, Kopfschmerzen.
2) Sehleistungsminderung und
3) Bluthochdruck, Beeinträchtigung der Hirndurchblutung bei Gefäßverengung.

Der Gesamt-GdB beträgt 50. Es ist alsdann noch ein Arztbrief des Dr. W. (Orthopäde, W.) vom 31. März 1995 zu den Akten gelangt und der Senat hat ein fachchirurgisches Gutachten bei Dr. M. (F.) vom 11. Oktober 1995 in Auftrag gegeben. Dieser hat beim Kläger auf chirurgisch-orthopädischem Fachgebiet folgende Gesundheitsstörungen festgestellt:

1) Fehlstellung und Verschleißschaden der Wirbelsäule mit Reizerscheinungen,
2) Bewegungseinschränkung und Reizerscheinungen der Schultergelenke bei arthrotischen Veränderungen am linken Schultergelenk,
3) Verschleißschaden und Reizerscheinungen der Kniegelenke, geringgradige Lockerung des rechten Knieaußenbandes,
4) beginnender Verschleißschaden der Hüftgelenke mit Bewegungseinschränkung und Reizerscheinungen,
5) geringgradiges Streckdefizit in den Ellenbogengelenken ,
6) reizlose Narbe nach operativ behandeltem Schienbeinkopfbruch rechts, leichte O-Beinstellung,
7) beginnende Strangbildung im Bereich des III. Fingerstrahles beiderseits ohne Funktionseinschränkung und
8) deutliches Übergewicht.

Weiter führt er aus, daß auf chirurgisch-orthopädischem Fachgebiet beim Kläger die Veränderungen an der Wirbelsäule im Vordergrund stünden. Der Kläger sei jedoch noch in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte Tätigkeiten vollschichtig zu verrichten. Die Tätigkeit als Straßenbaufacharbeiter sei nicht mehr mit den aufgrund der Gesundheitsstörungen des Klägers festzustellenden Einschränkungen der Leistungsfähigkeit vereinbar. Als solche benennt der Sachverständige, daß dem Kläger keine Tätigkeiten mit Expositionen durch Nässe, Kälte, Zugluft und starke Temperaturschwankungen zugemutet werden könnten. Wegen der Schultergelenksveränderungen seien noch Über-Kopf-Arbeiten und wegen der Wirbelsäulen- und Beingelenksveränderungen Tätigkeiten, die häufiges Hocken, Bücken oder Knien erforderten, auszuschließen. Das Heben und Tragen von Lasten ohne technische Hilfsmittel sei bis zu 10 kg möglich. Es sei eine wechselnde Körperhaltung anzustreben, wobei der sitzende Anteil überwiegen solle. Es dürfe sich nicht um Tätigkeiten handeln, die mit Absturzgefahr verbunden seien und Schichtarbeit sei wegen des bestehenden Bluthochdruckleidens auszuschließen. Dies gelte auch für Tätigkeiten mit besonderer nervlicher Belastung. Eine Tätigkeit als Pförtner, Warenprüfer, Sortierer oder Versandfertigmacher könne noch verrichtet werden, wenn die unter Ziffer 4 aufgeführten Leistungseinschränkungen beachtet würden. Eine Gebrauchsbehinderung der Hände läge nicht vor. Dies gelte auch für eine Einschränkung des Sehvermögens. Eine Einschränkung der Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit habe er nicht feststellen können. Unter Berücksichtigung der Ergebnisse der fachinternistischen Untersuchung vom 7. Juli 1993 (Dr. L., Internist, Kardiologe, L.) sei davon auszugehen, daß weder eine gravierende Einschränkung der kardialen Belastung noch der Beingelenke bestünde. Unter Berücksichtigung dessen sei dem Kläger ein Fußweg von 4 × 750 m, entsprechend einer Gehzeit von jeweils 15 bis 20 Minuten zumutbar. Die Einhaltung betriebsunüblicher Pausen sei nicht erforderlich. Das so festgestellte Leistungsvermögen bestehe seit April 1992. Die Einholung weiterer Sachverständigengutachten sei unter Berücksichtigung seiner Feststellungen nicht erforderlich.

Der Kläger hält das Gutachten des Dr. M. nicht für überzeugend und legt eine fachorthopädische Stellungnahme des Dr. W. vom 9. November 1995 vor. Hierin wird ausgeführt, daß der Kläger bei der Vielzahl der bestehenden Leistungseinschränkungen auch Tätigkeiten als Pförtner, Warenprüfer und Sortierer nicht mehr verrichten könne. Es sei zu überlegen, inwieweit ein weiteres Gutachten auf neurologischem Fachgebiet mit orthopädischer Zusatzbegutachtung eingeholt werden müsse. Des weiteren hat der Kläger ein augenärztliches Attest des Dr. T. (Augenarzt, L.) vom 7. Dezember 1995 eingereicht, aus dem hervorgeht, daß der Kläger unter einem angeborenen Grauen Star mit zunehmender Tendenz leide.

Der Senat hat daraufhin abschließend einen Befundbericht bei Dr. T. vom 30. Januar 1996 eingeholt.

Der im Termin zur mündlichen Verhandlung weder anwesende noch vertretene Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 28. Juni 1994 sowie den Bescheid der Beklagten vom 9. Juni 1992 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Oktober 1992 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ab dem 1. April 1992 eine Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit,
hilfsweise,
Berufsunfähigkeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält unter Berücksichtigung, insbesondere des vom Senat eingeholten Sachverständigengutachtens des Dr. M., die Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil für zutreffend. Des weiteren vertritt sie die Auffassung, daß die vom Kläger zuletzt verrichtete Tätigkeit als Straßenbaufacharbeiter nicht als Facharbeitertätigkeit, sondern als angelernte Tätigkeit anzusehen sei, mit der Folge, daß der Kläger zumutbar auf das allgemeine Arbeitsfeld verwiesen werden könne.

Wegen der weiteren Einzelheiten sowie zum Vorbringen der Beteiligten im übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten und der zuvor benannten vom Senat beigezogenen weiteren Akten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte auch in Abwesenheit des Klägers bzw. seines Prozeßbevollmächtigten aufgrund mündlicher Verhandlung entscheiden, da er in der ordnungsmäßigen Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist (§ 110 Sozialgerichtsgesetz – SGG –). Seine Prozeßbevollmächtigten haben zudem erklärt, mit einer Entscheidung nach Lage der Akten einverstanden zu sein.

Die Berufung ist zulässig, denn sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt sowie an sich statthaft (§§ 143, 151 SGG).

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 28. Juni 1994 ist nicht zu beanstanden. Der Bescheid der Beklagten vom 9. Juni 1992 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Oktober 1992 ist rechtmäßig. Der Kläger wird dadurch nicht in seinen Rechten verletzt. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, dem Kläger eine Versichertenrente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit zu gewähren.

Der Kläger ist weder erwerbs- noch berufsunfähig. Gemäß § 44 Abs. 1 Sozialgesetzbuch – 6. Buch (SGB 6) – haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, wenn sie erwerbsunfähig sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit drei Jahre Pflichtbeitragszeiten haben und vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Die letzten beiden Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall gegeben. Erwerbsunfähig sind nach § 44 Abs. 2 Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das 1/7 der monatlichen Bezugsgröße übersteigt. Berufsunfähig ist nach § 43 Abs. 2 SGB 6 der Versicherte, dessen Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfaßt alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Unter Berücksichtigung des Ergebnisses der medizinischen Ermittlungen der Beklagten, des Sozialgerichts Gießen und des Senats ist letzterer zu der Überzeugung gelangt, daß der Kläger zwar nicht mehr in der Lage ist, die seit 1976 ausgeübte Tätigkeit als Straßenbaufacharbeiter zu verrichten, jedoch noch leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mit Einschränkungen ausüben kann. Sowohl der Arzt des Vertrauens des Klägers, der Sachverständige Dr. N. als auch der vom Gericht beauftragte Sachverständige Dr. M. haben übereinstimmend in ihren Gutachten ausgeführt, daß der Schwerpunkt der Gesundheitsstörungen des Klägers bei der Erkrankung an der Wirbelsäule, an den Schulter- und an den Kniegelenken liegt. Dr. M. hat am 11. Oktober 1995 festgestellt, daß der Kläger unter einer Fehlstellung und einem Verschleißschaden der Wirbelsäule mit Reizerscheinungen, Bewegungseinschränkungen und Reizerscheinungen der Schultergelenke bei arthrotischer Veränderung am linken Schultergelenk, Verschleißschaden und Reizerscheinungen der Kniegelenke, mit geringgradiger Lockerung des rechten Knieaußenbandes, einem beginnenden Verschleißschaden der Hüftgelenke mit Bewegungseinschränkung und Reizerscheinungen, einem geringgradigen Streckdefizit in den Ellenbogengelenken, einer leichten O-Beinstellung und einer beginnenden Strangbildung im Bereich des III. Fingerstrahles beiderseits ohne Funktionseinschränkung leidet. Diese Feststellungen decken sich mit denen des Dr. A., die dieser in seinem Befundbericht vom 1. November 1994 beschrieben hat. Soweit Dr. W. darüber hinaus in seiner fachorthopädischen Stellungnahme vom 9. November 1995 angibt, daß beim Kläger ein neurologisch gesichertes Wurzelreizsyndrom C 6/7 rechts vorliegen würde, welches Dr. M. ebenso wie das chronisch rezidivierende Lumbalsyndrom bei diffuser Spondylose – Osteochondrose L 4/S 1 nicht hinreichend berücksichtigt habe, vermag der Senat dem nicht zu folgen.

Dr. M. hat eine erhebliche Bewegungseinschränkung an der gesamten Wirbelsäule festgestellt. Aus der von ihm angegebenen Wirbelsäulenveränderung resultiert ohne Zweifel eine Einschränkung des Leistungsvermögens. Hiervon ist auch Dr. N. in seinem Sachverständigengutachten vom 24. Februar 1994 ausgegangen. Wegen der Gesundheitsstörungen des Klägers an der Wirbelsäule und den Schultergelenkveränderungen, sind dem Kläger Arbeiten Über-Kopf, solche die mit häufigem Hocken, Bücken oder Knien verbunden sind oder die ein Heben und Tragen von Lasten ohne technische Hilfsmittel bis zu 10 kg erfordern, nicht mehr möglich. Auch ist es erforderlich, daß er eine wechselnde Körperhaltung einnehmen kann, eine Tätigkeit verrichtet, die überwiegend im Sitzen auszuführen ist und keinen Witterungseinflüssen ausgesetzt ist. Unabhängig von der Ursache der Gesundheitsstörungen des Klägers vermögen die von Dr. W. beschriebenen Erkrankungen des Klägers keine anderen Auswirkungen auf das Leistungsvermögen zu bewirken. Gerade die von Dr. W. beschriebenen Schmerzen durch Reizerscheinungen an der Wirbelsäule und an den Schultergelenken, hat Dr. M. bei seiner Leistungsbeurteilung ausreichend gewürdigt und berücksichtigt. Veranlassung, ein weiteres medizinisches Sachverständigengutachten auf neurologischem Fachgebiet mit orthopädischer Zusatzbegutachtung einzuholen, bestand angesichts dessen für den Senat nicht. Neben diesen Erkrankungen auf orthopädisch-neurolgischem Fachgebiet leidet der Kläger darüber hinaus unter einem medikamentös zu behandelnden Bluthochdruck und einer coronaren Herzkrankheit. Dies ergibt sich aus dem Befundbericht der Dres. G./R. vom 11. November 1994 und ist bestätigt worden durch den Arzt für Innere Medizin und Kardiologie Dr. L. vom 7. Juli 1993. Dr. L. führt in diesem Arztbrief aus, daß bei dem Kläger das Anfangsstadium einer coronaren Herzkrankheit bestünde. Im Rahmen der Ergometerbelastung sei eine Leistungsstufe von 125 Watt erreicht worden. Der Blutdruck zeige belastungsabhängig, wie auch in der Erholungsphase, einen grenzwertig pathologischen Verlauf. Hieraus ergibt sich zwar, wie Dr. M. zutreffend ausgeführt hat, die Leistungseinschränkung, daß der Kläger keine Tätigkeiten mit besonderer nervlicher Belastung oder aber Schichtdiensttätigkeiten verrichten darf. Auswirkungen auf die Wegefähigkeit haben die Gesundheitsstörungen vom internistischen Fachgebiet her jedoch nicht. Dr. M. hat hierzu zutreffend ausgeführt, daß ein forsches Gehen eine Belastbarkeit von 75 Watt erfordert. Unter Berücksichtigung der Befundergebnisse des Dr. L. geht der Senat daher davon aus, daß dem Kläger mindestens ein Fußweg von 4 × 500 m täglich in einer jeweils maximalen Gehzeit von 20 Minuten zumutbar ist. Weitere Erkrankungen des Klägers, die Leistungseinschränkungen nach sich ziehen könnten, waren den medizinischen Unterlagen des Verwaltungs- und Gerichtsverfahrens nicht zu entnehmen. Anlaß dafür, daß der Kläger betriebsunübliche Pausen einhalten müßte oder sonstige weitere Leistungseinschränkungen, etwa hinsichtlich der Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit vorhanden sind liegen nicht vor. Der in dem augenärztlichen Attest des Dr. T. angegebene Graue Star mit zunehmender Tendenz führt nach Auffassung des Senats nicht zu einer weiteren Leistungseinschränkung. Dr. M. hat hierzu ausgeführt, daß der Kläger am Untersuchungstag mit Korrektur, d.h. also mit Sehhilfe, kleine Schrift im Abstand von 40 cm lesen konnte. Zweifelsohne kann der Kläger mit den zuvor benannten Erkrankungen und den daraus folgenden Leistungseinschränkungen die seit 1976 bei der Firma F. verrichtete Tätigkeit als Straßenbaufacharbeiter, die diese mit Teeren, Plattenverlegen, Bordsteine setzen und Rohrbrüche beheben am 13. August 1992 beschrieben hat, nicht mehr verrichten. Es handelt sich um eine schwere körperliche Arbeit, die überwiegend im Stehen ausgeübt werden muß. Dies führt jedoch nicht zur Berufsunfähigkeit des Klägers, denn der Kläger ist noch in der Lage, die ihm zumutbaren Tätigkeiten als Pförtner oder aber ungelernter Arbeiter in Industrie und Handel sowie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten.

Der Versicherte hat nicht bereits dann einen Anspruch auf eine Versichertenrente wegen Berufsunfähigkeit, wenn er die bisher versicherungspflichtig ausgeübte Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr verrichten kann. Es wird vielmehr von ihm verlangt, daß er, bezogen auf seinen bisherigen Beruf, einen zumutbaren beruflichen Abstieg in Kauf nimmt und sich vor Inanspruchnahme der Rente mit einer geringerwertigen Tätigkeit zufrieden gibt (vgl. Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 20. Januar 1976, Az.: 5/12 RJ 132/75, in BSGE, 41, 129, 131). Ausgangspunkt der Beurteilung ist dabei die Qualität des bisher ausgeübten Berufs. Zur Feststellung dessen hat das Bundessozialgericht die Arbeiterberufe in vier nach ihrer Leistungsqualität hierarchisch geordnete Gruppen aufgegliedert. Der obersten Gruppe mit dem Leitberuf des Facharbeiters mit Vorgesetztenfunktion oder aber dem besonders qualifizierten Facharbeiter ist untergeordnet die Gruppe des Facharbeiters mit einer Regelausbildung von mehr als zwei Jahren. In die dritte Gruppe werden Tätigkeiten eingeordnet, mit einer Ausbildung von weniger als zwei Jahren. Sie entsprechen dem Leitberuf des Angelernten. In der untersten Gruppe finden sich sämtliche Tätigkeiten, die dem Leitberuf des Ungelernten zuzuordnen sind (vgl. st. Rechtsprechung des BSG in BSG SozR 2200 § 1246, BSG vom 30. März 1977 – Az.: 5 RJ 98/76, in SozR 2200 § 1246 Nr. 16; BSG vom 19. Januar 1978 – Az.: 4 RJ 81/77, in SozR 2200 § 1246 Nr. 27; BSG vom 15. März 1978 – Az.: 1/5 RJ 128/76 in SozR 2200 § 1246 Nr. 29; BSG vom 4. Oktober 1979 – Az.: 1 RA 55/78, in SozR 2200 § 1246 Nr. 51; BSG vom 9. Dezember 1981 – Az.: 1 RJ 34/80, in SozR 2200 § 1246 Nr. 85; BSG vom 9. Dezember 1981 – Az.: 1 RJ 124/80, in SozR 2200 § 1246 Nr. 86; BSG vom 14. Juli 1982 – Az.: 5 a RKn 7/81, in SozR 2200 § 1246 Nr. 95; BSG vom 13. Dezember 1984 – Az.: 11 RA 72/83 in SozR 2200 § 1246 Nr. 126 und BSG vom 28. November 1985 – Az.: 4 a RJ 51/84 in SozR 2200 § 1246 Nr. 132). Als im Sinne von § 43 Abs. 2 SGB 6 zumutbaren beruflichen Abstieg hat die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts jeweils den Abstieg zur nächst niedrigeren Gruppe angenommen. Ausgangspunkt für die Beurteilung der Qualität des bisherigen Berufs ist mithin die Dauer und die Qualität der Ausbildung. Weiteres Indiz für die Einstufung der bisherigen Tätigkeit ist die Eingruppierung im jeweils geltenden Tarifvertrag. Nach Angaben des Arbeitgebers in der Auskunft vom 13. August 1992 war für die Ausübung der vom Kläger zuletzt verrichteten Tätigkeit eine Anlern- bzw. Einarbeitungszeit von weniger als drei Monaten erforderlich. Unter diesem Gesichtspunkt wäre der Kläger mithin der Gruppe der Ungelernten zuzuordnen. Entlohnt worden ist der Kläger nach der Lohngruppe IV 4.2 des Bundesmanteltarifvertrages für das. Baugewerbe. Unter § 5 Ziff. 2.1 findet sich als Beschreibung der Tätigkeiten der Lohngruppe IV 1 bis IV 4 die Bezeichnung: "gehobener Baufacharbeiter”. Das Bundessozialgericht hat hierzu in seiner Entscheidung vom 9. September 1986 (Az.: 5 b RJ 82/85 (S. 10)) ausgeführt, daß die Tätigkeiten der Berufsgruppe IV 4 im Baugewerbe nicht denen eines Facharbeiters im Sinne des Mehrstufenschemas tariflich gleichgestellt worden seien. Voraussetzung dafür wäre, daß Facharbeiter der gesamten Gruppe IV das Gepräge gegeben hätten. Dies sei jedoch nicht der Fall. Erst ab der Lohngruppe III erfolge eine Zuordnung zu den Facharbeitertätigkeiten. Zwar seien Arbeiter, die eine Berufsausbildung in Form der Stufenausbildung mit der obersten Stufe abgeschlossen hätten, zunächst für ein Jahr der Lohngruppe IV 1 bzw. IV 2 zuzuordnen. Hierbei handele es sich allerdings nur um eine Übergangsphase, so daß das Gepräge der Berufsgruppe IV des Bundesrahmentarifvertrages für das Baugewerbe nicht durch Facharbeitertätigkeiten überwogen werde. Daß es sich bei den Tätigkeiten, die den Lohngruppen IV 3 und IV 4 zugeordnet sind, nicht um solche eines Facharbeiters handelt, hat das Bundessozialgericht nochmals in einer Entscheidung vom 29. Juni 1989 (Az.: 5 RJ 49/88, S. 7) bestätigt (vgl. auch Entscheidung des 13. Senats des Hessischen Landessozialgerichts vom 12. November 1993, Az.: L-13/J-288/91). Wenn der Kläger mithin maximal als Angelernter angesehen werden kann, zudem noch in der untersten Lohngruppe der Gesamtlohngruppe IV, dann ist ihm im Sinne des Mehrstufenschemas des Bundessozialgerichts ein beruflicher Abstieg in die nächste Gruppe, nämlich die der Ungelernten zumutbar. Derartige ungelernte Tätigkeiten kann der Kläger unter Berücksichtigung der eingangs benannten Leistungseinschränkungen jedoch noch verrichten.

Wenn auch nach dem Sachverständigengutachten des Dr. M. Zweifel daran bestehen müssen, ob der Kläger tatsächlich eine Tätigkeit als Pförtner ausüben kann, so steht ihm jedoch der allgemeine Arbeitsmarkt mit anderen ungelernten Tätigkeiten in Industrie und Handel offen. Hierbei sind lediglich die von Dr. M. benannten Leistungseinschränkungen zu beachten.

Damit kann der Kläger zugleich aber auch nicht als erwerbsunfähig angesehen werden. Er ist unter Berücksichtigung der vorangegangenen Ausführungen noch in der Lage, einer Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nachzugehen. Der Benennung einer konkreten Tätigkeit, die ihm vom gesundheitlichen Status her zumutbar ist, bedurfte es nicht. Sofern eine Verweisung auf ungelernte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sozial zumutbar ist, bedarf es nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts der konkreten Benennung einer Verweisungstätigkeit nicht. Es sind aber im Gegensatz zur Auffassung des Klägers auch nicht derart multiple Leistungseinschränkungen oder besondere Leistungseinschränkungen vorhanden, die die konkrete Benennung einer noch gesundheitlich zumutbaren Tätigkeit nach sich ziehen müßten. Es ist weder die Wegefähigkeit noch die Umstellungs- oder Anpassungsfähigkeit des Klägers eingeschränkt, noch sind betriebsunübliche Pausen einzuhalten oder aber liegt eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine besondere spezifische Leistungseinschränkung beim Kläger vor. Es wird insoweit Bezug genommen auf die vorangegangenen Ausführungen.

Das Risiko, keinen Arbeitsplatz auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu finden, also das Risiko der Arbeitslosigkeit, ist nicht von der gesetzlichen Rentenversicherung, sondern von der Arbeitslosenversicherung zu tragen. Dies gilt auch unter Berücksichtigung dessen, daß der Kläger im nächsten Jahr das 60. Lebensjahr vollendet. Im Hinblick auf den Vorlagebeschluß des 13. Senats des Bundessozialgerichts vom 23. November 1994 (Az.: 13 RJ 19/93) läßt der Senat jedoch die Revision an das Bundessozialgericht zu (§ 160 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG gegeben sind.
Rechtskraft
Aus
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