L 4 KA 1/07

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
4
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 492/06
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 1/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 26/08 R
Datum
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 29. November 2006 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits beider Rechtszüge zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Genehmigung des Klägers zur Abrechnung der Leistungen nach Nr. 30600 (Proktologischer Basiskomplex) des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes vom 1. April 2005 (EBM).

Der Kläger ist als Facharzt für Urologie zur vertragsärztlichen Versorgung mit dem Vertragsarztsitz in A-Stadt zugelassen. Er ist seit 1997 Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Koloproktologie und nimmt an deren Fortbildungsveranstaltungen regelmäßig teil.

Nach den zwischen den Beteiligten unstreitigen Feststellungen der Beklagten betrug der Anteil der proktologischen Tätigkeit (Nummern 360 bis 374, Nr. 755 EBM 1996) im Verhältnis zum Gesamtpunktzahlvolumen im Jahr 2002 zwischen 10,01% bis 12% (Quartal 1/02: 10,01%; Quartal 2/02: 11,98%; Quartal 3/02: 11,32%; Quartal 4/02: 12,00%). Nach den unstreitigen Feststellungen des Sozialgerichts stellen sich die Leistungen nach Nr. 755 EBM 1996 im Vergleich zur Fachgruppe der Urologen wie folgt dar:

Es folgt eine Tabelle, die aus technischen Gründen nicht dargestellt werden kann.

I/02 II/02 III/02 IV/02 Fallzahl des Klägers 1.651 1.779 1.690 1.794 Nr. 755 EBM ´96 absolut 237 327 280 19 Nr. 755 EBM ´96 auf 100 Fälle 14 18 17 1 Fallzahl der Fachgruppe 1.164 1.158 1.127 1.197 Zahl der Praxen 152 152 153 153 Zahl der abrechnenden Praxen 17 2 17 2 Nr. 755 EBM ´96 auf 100 Fälle durch Abrechner 3 10 2 1

Am 5. Oktober 2005 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Genehmigung zur Abrechnung der Nr. 30600 EBM mit der Begründung, er sei seit seiner Niederlassung im Jahre 1989 proktologisch tätig. Mit Bescheid vom 26. Oktober 2005 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Sie wies darauf hin, dass der Vorstand der KV Hessen beschlossen habe, dass eine entsprechende Genehmigung zur Durchführung und Abrechnung der Leistung zu erteilen sei, wenn vor dem 31. Dezember 2002 proktologische Leistungen des Abschnitts C VI des EBM 1996 im Umfang von wenigstens 30% des Punktzahlenanteils erbracht worden seien. Dieses Erfordernis sei vorliegend nicht erfüllt. Es sei nicht von einer Schwerpunkttätigkeit auszugehen.

Dagegen legte der Kläger am 7. November 2005 Widerspruch ein. Er wies darauf hin, dass er bereits während seiner in Rumänien begonnenen chirurgischen Ausbildung in großem Umfang proktologisch tätig gewesen sei. Er führe eine große urologische Einzelpraxis mit 1500 bis 1700 Kassenpatienten pro Quartal. Auch außerhalb der Urologie sei er umfangreich ambulant operativ tätig und führe in großem Umfang Laborleistungen durch. Er betreue mehrere Altersheime urologisch und führe auch sonst in großem Umfang Hausbesuche durch. Diese Praxisbesonderheiten würden dazu führen, dass sein Punktezahlvolumen im Vergleich zu anderen Kollegen der Facharztgruppe deutlich höher sei. Ausgehend von diesem ungewöhnlich hohen Gesamtpunktzahlvolumen könne es durchaus möglich sein, dass die erbrachten proktologischen Leistungen einen Punktezahlanteil von unter 30% ausmachen würden. In absoluten Zahlen ausgedrückt zeige sich jedoch, dass er ausgesprochen umfangreich proktologisch tätig sei. Zum Nachweis legte er eine Auflistung bezüglich der behandelten Patienten vor.

Mit Widerspruchsbescheid vom 1. März 2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. In der Begründung wies sie darauf hin, dass nach den Bestimmungen des EBM 2000 plus von einem Facharzt für Urologie Leistungen nach den Ziffern 30.600 und 30.601 entsprechend der Präambel des Kapitels 26. 1 Nr. 3 i.V.m. den Vorgaben in Abschnitt 30. 6 EBM 2000 plus nur berechnungsfähig seien, wenn ein durch die KV Hessen genehmigter Versorgungsschwerpunkt nachweisbar sei. Der Vorstand der KV Hessen habe beschlossen, dass ein derartiger Versorgungsschwerpunkt genehmigt werden könne, wenn in der Zeit vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 2002 der vorliegende proktologische Leistungsanteil 30% an der Gesamttätigkeit betrage. Darüber hinaus könnten Fachärzten für Urologie eine Abrechnungsgenehmigung für proktologische Leistungen auch dann zuerkannt werden, wenn eine entsprechende fachliche Weiterbildung im Bereich Proktologie über die Dauer von mindestens einem Jahr nachgewiesen werden könne. Vorliegend habe der Kläger weder die geforderte fachliche Weiterbildung vorgelegt, noch betrage der Punktezahlanteil 30%. Aus Gründen der Sicherstellung komme eine andere Beurteilung nicht in Betracht. Im PR.Kreis seien keine Sicherstellungsprobleme im Hinblick auf die Leistungen des prokto-/rektoskopischen Basiskomplexes zu konstatieren. Ein Bestandsschutz bestehe nicht. Aus dem Umstand, dass der Kläger bis zum Quartal 1/05 berechtigt gewesen sei, entsprechende Leistungen abzurechnen, erwachse kein Recht, auch für die Zukunft - nach Einführung des EBM 2000 plus zum 1. April 2005 - entsprechend abrechnen zu dürfen.

Dagegen hat der Kläger am 23. März 2006 Klage bei dem Sozialgericht Marburg erhoben. Mit Urteil vom 29. November 2006 hat das Sozialgericht den angefochtenen Bescheid der Beklagten aufgehoben und diese verurteilt, dem Kläger eine Genehmigung zur Abrechnung der Leistung nach Nr. 30600 EBM für die Quartale ab 2/05 zu erteilen. Zwar habe das BSG im Rahmen der Auslegung des Begriffs "besonderer Versorgungsbedarf" in Nr. 4. 3 der Allgemeinen Bestimmungen des EBM 1996 als Voraussetzung eine im Leistungsangebot der Praxis tatsächlich zum Ausdruck kommende Spezialisierung und eine von der Typik der Arztgruppe abweichende Praxisausrichtung angesehen, die messbaren Einfluss auf den Anteil der im Spezialisierungsbereich abgerechneten Punkte im Verhältnis zur Gesamtpunktzahl der Praxis habe. Dies erfordere vom Leistungsvolumen her, dass bei dem Arzt das durchschnittliche Punktezahlvolumen je Patient in dem vom Budget erfassten Bereich die Budgetgrenze erreiche, und zudem, dass bei ihm im Verhältnis zum Fachgruppendurchschnitt eine signifikant überdurchschnittliche Leistungshäufigkeit vorliege, die zwar allein noch nicht ausreiche, aber immerhin ein Indiz für eine entsprechende Spezialisierung darstelle (BSG, Urteil vom 22. März 2006, B 6 KA 80/04 R). Diese Rechtsprechung könne auf den hier streitigen Begriff "Versorgungsschwerpunkt" in dieser Weise nicht vollständig übertragen werden, da die Proktologie gerade für die Arztgruppen, bei denen dieses zusätzliche Erfordernis vorliegen müsse, nicht zum typischen Inhalt ihres Fachbereichs gehöre und angesichts der Punktezahl für die Leistung nach Nr. 30600 EBM 2005 nennenswerte Anteile am Gesamtpunktzahlvolumen nicht zu erzielen seien. Für die Kammer sei entscheidend, dass im Verhältnis zum Fachgruppendurchschnitt eine signifikant überdurchschnittliche Leistungshäufigkeit vorliege, die die Spezialisierung zum Ausdruck bringe und dass auch die Leistung in absoluten Zahlen in nennenswertem Umfang erbracht würde. Insoweit sei vorliegend allein auf die Leistung nach Nr. 755 EBM 1996 abzustellen. Diese Leistung sei im Jahre 2002 nur von weiteren 16 Praxen von insgesamt über 150 Praxen erbracht worden. Abgesehen vom Quartal 4/02 habe der Kläger die Leistung 237 bis 327 Mal erbracht bzw. zwischen 14 und 18 Mal auf 100 Behandlungsfälle. Damit weiche der Kläger signifikant von seiner Fachgruppe ab.

Gegen das der Beklagten am 12. Dezember 2006 zugestellte Urteil hat diese am 10. Januar 2007 Berufung zum Hessischen Landessozialgericht eingelegt.

Die Beklagte verweist auf die Rechtsprechung des BSG. Dieses habe in seiner Entscheidung zu den Teilbudgets vom 6. März 2000 (B 6 KA 40/99) unmissverständlich bestimmt, dass auf einen als Versorgungsschwerpunkt geltend gemachten Leistungsbereich ein Anteil von mindestens 20% der von der Praxis insgesamt abgerechneten Gesamtpunktzahl entfallen müsse. Diesen Umfang habe der Kläger nicht annähernd erreicht, denn seine proktologische Tätigkeit mache im Verhältnis zum Gesamtpunktzahlvolumen lediglich bezogen auf das Jahr 2002 einen Anteil von 10,01% bis 12,00% aus. Dabei habe die Beklagte für die Überprüfung des Vorliegens eines Schwerpunktes neben der Nr. 755 EBM 1996 auch die Leistungen nach den Nummern 360 bis 374 EBM 1996 berücksichtigt. Insoweit stelle die Nr. 360 bereits eine typisch urologische Ziffer dar. Bezogen auf die Nr. 755 EBM 1996 mache der Anteil des Klägers am Gesamtpunktzahlvolumen lediglich 5,37% aus. Soweit das Sozialgericht auf eine Fallzahlbetrachtung abstelle, sei festzustellen, dass der Kläger bezüglich der Nr. 755 im Quartal 4/02 gar nicht und im Quartal 2/02 nicht signifikant von seiner Fachgruppe abweiche. Außerdem habe das Sozialgericht unberücksichtigt gelassen, dass der Kläger mit einer Fallzahlen von 1779 gegenüber seinen Facharztkollegen mit durchschnittlich 1158 Fällen 1/3 mehr an Fällen habe. Würde man dieses Verhältnis berücksichtigen für die Zahl der auf 100 Fälle durch die Abrechner abgerechneten Fällen nach Nr. 755, würde man beim proportional mit den Fallzahlen anwachsenden Fällen nach Nr. 755 bereits auf eine Summe von 13 kommen. Damit wäre bei einem Verhältnis der Fälle nach Nr. 755 von 18 für den Kläger zu 13 für die Abrechner keine signifikant überdurchschnittliche Leistungshäufigkeit feststellbar. Eine signifikant überdurchschnittliche Leistungshäufigkeit sei auch kein taugliches Indiz für eine Spezialisierung. Sie lasse nicht darauf schließen, dass der Arzt die Methode so beherrsche wie diejenigen Ärzte, die die Leistung aufgrund der Weiterbildung erbringen dürften. Im Übrigen habe das BSG entschieden, dass der Anteil der streitigen Leistung an der Gesamtpunktzahl am ehesten deren Bedeutung für die jeweilige Praxis zum Ausdruck bringe. Die Fallzahl sei kein geeigneter Gradmesser für die Schwerpunkttätigkeit. Der Begriff des Versorgungsschwerpunktes sei aus dem alten EBM entlehnt. Dort sei eine Erweiterung des Praxis-/Zusatzbudgets in Betracht gekommen, wenn dies im Einzelfall zur Sicherstellung eines besonderen Versorgungsbedarfs angezeigt gewesen sei. Die Ausnahmevorschrift setze am individuellen Behandlungsspektrum an und sei im Sinne einer Härtefallregelung eng auszulegen. Nicht anders verhalte es sich mit Genehmigungen nach dem EBM 2000 plus, deren Erteilung einen Versorgungsschwerpunkt voraussetze. Nachdem das BSG für Teilbudgets entschieden habe, dass für einen Versorgungsschwerpunkt ein Leistungsanteil von mindestens 20% am Gesamtpunktzahlvolumen zu fordern sei, ohne dass der Senat eine Aussage darüber getroffen habe, welcher Prozentsatz höchstens verlangt werden könne, habe das Bayerische Landessozialgericht die Forderung nach einem 30-prozentigen Anteil an der Gesamtanforderung als Gradmesser für den Versorgungsschwerpunkt als zulässig erachtet. Die Vorgaben des Vorstandes der KV habe zum Ziel gehabt, die atypische jedoch versorgungsgerechte Ausrichtung von Arztpraxen zu berücksichtigen, um die wirtschaftlichen Auswirkungen zu mildern, die für einige Praxen aus der Umstellung des EBM und seiner strengen Systematik resultieren würden. Die Atypik verlange jedoch, dass der Leistungsanteil im Hinblick auf die eigene Anforderung merklich ins Gewicht falle. Auch solle die an die schwerpunktmäßige Leistungserbringung zu stellende Anforderung Gewähr dafür bieten, dass die fachliche Qualifikation gegeben sei. Vor diesem Hintergrund rechtfertige sich die Forderung nach dem hohen prozentualen Leistungsanteil von 30% am Gesamtpunktzahlvolumen. Eine Atypik zur Fachgruppe sei aber nicht notwendig. Darüber hinausgehende Sicherstellungserwägungen seien entbehrlich. Außerdem sei das Urteil fehlerhaft, weil der Kläger die Abrechnungsgenehmigung erst mit Schreiben vom 5. Oktober 2005 beantragt habe. Ihm hätte eine Abrechnungsgenehmigung frühestens für das Quartal 4/05 erteilt werden dürfen.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 29. November 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Er trägt vor, er habe die Abrechnungsgenehmigung zu einem Zeitpunkt beantragt, in dem die Abrechnung für das Quartal 2/05 noch nicht durchgeführt gewesen sei, so dass auch rückwirkend zum Quartal 2/05 die Genehmigung zu erteilen sei. Dies entspreche der Rechtsprechung des Sozialgerichts zur Rückwirkung von z. B. HVM-Änderungen. Es werde nicht bestritten, dass der Vorstand der Beklagten befugt sei, den Rechtsbegriff des Versorgungsschwerpunktes mit Leben zu erfüllen. Der vorliegende Beschluss habe aber nichts zu tun mit der Ermächtigung im EBM. Gemäß EBM gehe es nämlich nicht um irgendeine Menge bezogen auf die individuell abgerechneten Leistungen, sondern um einen Versorgungsschwerpunkt, also einen Schwerpunkt im Bereich der Versorgung. Die Abrechnungsgenehmigung ziete nämlich auf eine Sicherstellung der Versorgung. Nur der Vertragsarzt solle die Abrechnungsgenehmigung bekommen, der schon zuvor in diesem Bereich die Versorgung sichergestellt habe. Es bedürfe also einer konkreten Betrachtungsweise orientiert am Versorgungsauftrag von Kassenärztlicher Vereinigung und Ärzten. Die Erbringung der Leistung für den Kläger sei auch sinnvoll, da er anderenfalls nach einer entsprechenden Diagnostik die Patienten zu einem anderen Arzt schicken müsse, was unnötige Doppelbehandlungen und Doppelabrechnungen zur Folge habe und schlussendlich zulasten der Versichertengemeinschaft höhere Kosten verursachen würde. Die Beklagte knüpfe an die Rechtsprechung des BSG zu den Teilbudgets nach dem alten EBM an, während der neue EBM anders strukturiert sei.

Wegen des Vortrags der Beteiligten im Übrigen sowie wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Der angefochtene Bescheid vom 26. Oktober 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. März 2006 ist rechtmäßig. Das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 29. November 2006 war daher aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Ausgangspunkt für die von dem Kläger begehrte Abrechnungsgenehmigung ist Abschnitt 30. 6 Ziff. 1 EBM. Danach ist die Leistung nach Nr. 30600 nur von Fachärzten für Chirurgie, Fachärztin für Haut- und Geschlechtskrankheiten sowie Fachärzten für Innere Medizin mit Schwerpunkt Gastroenterologie berechnungsfähig. Fachärzten für Allgemeinmedizin, Fachärzten für Innere Medizin und Fachärzten für Urologie, die einen durch die zuständige Kassenärztliche Vereinigung genehmigten Versorgungsschwerpunkt nachweisen können, können ebenfalls die Nr. 30600 abrechnen. Die Nr. 30600 (Proktologischer Basiskomplex) enthält als obligaten Leistungsinhalt die Proktoskopie und als fakultativen Leistungsinhalt die Prämedikation/Sedierung, Lokalanästhesie, Rektoskopie, sowie die Untersuchung mit einem Spreizspekulum einmal im Behandlungsfall.

Vorliegend kann zugunsten des Klägers ein derartiger Versorgungschwerpunkt nicht angenommen werden. Nach dem Vorstandsbeschluss der Beklagten ist ein Versorgungsschwerpunkt anzunehmen, wenn von dem maßgeblichen Arzt Leistungen bis zum 31. Dezember 2002 im Sinne einer Schwerpunkttätigkeit erbracht worden sind und/oder eine entsprechende fachliche Weiterbildung im Bereich Proktologie über die Dauer von mindestens einem Jahr nachgewiesen werden kann. Eine Schwerpunkttätigkeit ist dabei anzunehmen sein, wenn die Leistungen wenigstens 30% des Gesamtpunktzahlvolumens ausmacht.

Das Sozialgericht weist zu Recht darauf hin, dass der Rechtsbegriff des Versorgungschwerpunkts vollumfänglich gerichtlich überprüfbar ist. Mangels eines Erkenntnis- oder Einschätzungsvorrangs kommt der Beklagten insoweit ein Beurteilungsspielraum nicht zu (BSG, Urteil vom 6. September 2000, B 6 KA 53/00 R; vom 31. Januar 2001, B 6 KA 11/99 R).

Mit dem Begriff Versorgungsschwerpunkt knüpft Abschnitt 30. 6 Ziff. 1 EBM erkennbar an die Vereinbarung der Spitzenverbände der Krankenkassen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung geschlossenen Vereinbarung zur Weiterentwicklung der Reform des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (Weiterentwicklungsvereinbarung, DÄ 1996, A 2815) und an die dazu ergangene Rechtsprechung des BSG an. In der Weiterentwicklungsvereinbarung heißt es unter Ziffer 4: " Die Kassenärztlichen Vereinigungen sind berechtigt, aus Gründen der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung im Einvernehmen mit den Krankenkassenverbänden auf Antrag des Arztes im Einzelfall Ausnahmen von der Teilbudgetierung nach den folgenden Nummern des Punktes 5 des Allgemeinen Bestimmungen A I.1. - entsprechend dem Bewertungsausschuss-, Beschluss vom 13. Juni 1996 - zuzulassen, soweit der Arzt einen entsprechenden Versorgungsschwerpunkt für seine Praxis nachweist ..." Das BSG hat in seiner Leitentscheidung vom 6. September 2000 (B 6 KA 40/99 R) zur Auslegung des Begriffs des Versorgungsschwerpunkts für den Senat überzeugend ausgeführt, dass nicht jede vom Durchschnitt der Arztgruppe abweichende Punktzahlanforderung in einem bestimmten Leistungsbereich einen Versorgungsschwerpunkt (im Sinne der Nr. 4 der damaligen Weiterentwicklungsvereinbarung) begründet. Denn die Festsetzung der Teilbudgets erfolgt bewusst typisierend und generalisierend und die damit verfolgten Regelungszwecke würden verfehlt, wenn jeder geringfügigen Abweichung das Abrechnungsverhalten einer Arztpraxis von den rechnerischen Durchschnittswerten ihrer Arztgruppe durch Ausnahmeregelungen Rechnung getragen werden muss. Versorgungsschwerpunkt meint immer eine von der Typik der Arztgruppe abweichende Praxisausrichtung, einen besonderen Behandlungsschwerpunkt bzw. eine Konzentration auf die Erbringung von Leistungen aus einem Teilbereich des Fachgebietes. Das BSG hat deshalb angenommen, dass auf einen als Versorgungsschwerpunkt geltend gemachten Leistungsbereich ein Anteil von zumindest 20% der von der Praxis insgesamt abgerechneten Gesamtpunktzahl entfallen muss. Das Bayerische Landessozialgericht hat insoweit einen Versorgungsanteil von 30% akzeptiert (Urteil vom 16. Mai 2001, L 12 KA 147/99). In einer weiteren Entscheidung hat das BSG für den Senat nachvollziehbar ausgeführt, dass es nicht sachgerecht ist, zur Ermittlung des Schwerpunktes der Praxistätigkeit auf die Fallzahlen des betroffenen Arztes abzustellen. Denn nur der Anteil der streitigen Leistungen an der Gesamtpunktzahl bringt am ehesten deren Bedeutung für die jeweilige Praxis zum Ausdruck, indem apparative Ausstattung sowie Personal- und Zeitaufwand des Arztes für die Behandlung entscheidend berücksichtigt werden. Das BSG führt insoweit überzeugend aus, dass bei einer stark spezialisierten Praxis die Zahl der im Bereich des besonderen Leistungsangebots abgerechneten Fälle nur gering sein mag, während sie gleichwohl wegen der relativ hohen punktzahlenmäßigen Bewertung theoretisch einen erheblichen Anteil am gesamten, von dem Arzt abgerechneten Punktezahlvolumen ausmachen kann (BSG, Urteil vom 31. Januar 2001, B 6 KA 11/99 R).

Später hat das BSG den Begriff des "Versorgungsschwerpunkts" von dem des "besonderen Versorgungsbedarfs" (im Sinne der Nr. 4. 3 der Allgemeinen Bestimmungen des EBM 1996) abgegrenzt. Es hat ausgeführt, dass ein Versorgungsschwerpunkt in erster Linie aus der besonderen Struktur einer einzelnen Praxis abzuleiten ist, während das Merkmal Versorgungsbedarfs stärker auf objektive Kriterien in dem Sinne abstelle, dass ein bestimmtes Leistungsangebot einer Praxis unter Sicherstellungsaspekten erforderlich ist (BSG, Urteil vom 16. Mai 2001, B 6 KA 53/00 R; vgl. auch LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20. September 2006, L 7 KA 3/03). Bei Auslegung des Merkmals besonderer Versorgungsbedarf hat das BSG weiter festgestellt, dass ein Arzt allein mit Leistungen aus einem einzelnen Zusatzbudget 20% der Gesamtpunktzahl seiner Praxis nur selten erreichen kann. Daher könne bei den ab dem 1. Juli 1997 geltenden Praxis- und Zusatzbudgets nicht stets auf einen Punktzahlanteil von 20% abgestellt werden. Abweichungen der einzelnen Praxis von der Typik der Arztgruppe, die sich (auch) in abweichenden Anteilen des auf die bestimmte Leistungen entfallenden Punktzahlenvolumens niederschlagen, könnten ein wichtiges Indiz für die Sicherstellung eines besonderen Versorgungsbedarfs darstellen (BSG, Urteil vom 16. Mai 2001, a.a.O.; vgl. auch Urteil vom 31. Januar 2001, B 6 KA 11/99 R; vgl. auch Sächsisches LSG, Urteil vom 26. Januar 2005, L 1 KA 5/04). In einer Entscheidung vom 22. März 2006 hat das BSG ausgeführt, dass der besondere Versorgungsbedarfs eine im Leistungsangebot der Praxis tatsächlich zum Ausdruck kommende Spezialisierung und eine von der Typik der Arztgruppe abweichende Praxisausrichtung voraussetze, die messbaren Einfluss auf den Anteil der im Spezialisierungsbereich abgerechneten Punkte im Verhältnis zu Gesamtpunktzahl der Praxis hat. Vom Leistungsvolumen her bedeutet das bei dem Arzt, dass das durchschnittliche Punktezahlvolumen je Patient in dem vom Budget erfassten Bereich die Budgetgrenze übersteigt und zudem, dass bei ihm im Verhältnis zum Fachgruppendurchschnitt eine signifikant überdurchschnittliche Leistungshäufigkeit vorliegt (BSG, Urteil vom 22. März 2006, B 6 KA 80/04 R).

Knüpft daher die Beriffsbildung des "Versorgungsschwerpunkts" in Abschnitt 30.6 Ziff. 1 EBM 2005 an die Weiterentwicklungsvereinbarung sowie die Rechtsprechung des BSG zu diesem Begriff an, kommt es auf die zusätzlichen Voraussetzungen, die die Rechtsprechung zum Begriff des "besonderen Versorgungsbedarfs" entwickelt hat, nicht an. Dies ergibt sich schon daraus, dass die Sicherstellungsproblematik unerheblich ist. Die besondere Problematik der Zusatzbudgets im EBM 1996 - Punktzahlvolumen im Hinblick auf den Umgang der Zusatzbudgets von ca. 10% des Leistungsspektrums - spielt vorliegend keine Rolle. Es stellt sich daher - im Gegensatz zur Auffassung des Sozialgerichts - schon wegen der unterschiedlichen Begrifflichkeit nicht die Frage, ob und inwieweit die Rechtsprechung des BSG zum "besonderen Versorgungsbedarf" übertragbar ist. Von daher gibt es für den Senat keinen Grund, abweichend von dem Anteil am Punktzahlvolumen nunmehr auf die Fallzahlen abzustellen. Der Senat geht dabei davon aus, dass die Parteien des EBM bewusst den Begriff des Versorgungsschwerpunkts gewählt haben, um an die Rechtslage zu diesem Begriff anzuknüpfen, der anders als der Begriff des besonderen Versorgungsbedarfs auf die besondere Struktur der jeweiligen Praxis abhebt. Wären Versorgungsgesichtspunkte i.S. einer Sicherstellungsproblematik maßgeblich gewesen, hätte dies zum Ausdruck kommen müssen.

Nach Auffassung des Senats berücksichtigt der Beschluss des Vorstands der Beklagten zum Versorgungsschwerpunkt im Ansatz zu Recht zwei Gesichtspunkte. Zum einen ist dies der Qualitätsgesichtspunkt. Jeder Urologen, der eine einjährige spezifische Weiterbildung absolviert, kann die Nr. 30600 EBM abrechnen. Diese Voraussetzung liegt zugunsten des Klägers vorliegend nicht vor, da er eine entsprechende Weiterbildung nicht nachgewiesen hat. Zum anderen hebt der Beschluss nicht auf eine reine Fallzahlenerbringung ab, sondern, die individuellen Praxisgesichtspunkte berücksichtigend, im Sinne einer Übergangsregelung auf den Anteil der Leistung am Gesamtpunktzahlvolumen. Die notwendigen Voraussetzungen für einen Versorgungsschwerpunkt liegen bei dem Kläger insoweit ebenfalls nicht vor. Dabei konnte der Senat offenlassen, ob nach dem Vorstandsbeschluss der Beklagten tatsächlich ein 30-prozentiger Anteil am Punktzahlvolumen notwendig ist, oder ob nicht ein 20-prozentiger Anteil gemäß der BSG-Rechtsprechung ausreichend ist. Denn der Kläger erfüllt bei Weitem diese Voraussetzung nicht. Nach den zwischen den Beteiligten unstreitigen Berechnungen der Beklagten für die vier Quartale des Jahres 2002 lag der Anteil der berücksichtigen Nr. 360 - 374, 755 EBM 1996 zwischen 10,01% und 12,00% am Honorarvolumen. Dabei hat die Beklagte diese Berechung wohlwollend zugunsten des Klägers unter Berücksichtigung der Nr. 360 EBM 1996 gefertigt, deren Legende durchaus (auch) einen urologischen Schwerpunkt hat. Unwidersprochen weist die Beklagte darauf hin, dass bei alleiniger Berücksichtigung der Nr. 755 EBM 1996, die am ehesten die Entsprechung der neuen Nr. 30600 EBM bildet, der Anteil am Honorarvolumen in einer Größenordnung von unter 6% liegt.

Der Kläger kann nicht damit gehört werden, dass der geforderte Anteil allenfalls eine nur theoretische Anerkennung eines Versorgungsschwerpunkts zuließe. Denn der Kläger betreibt eine vom Umfang her deutlich überdurchschnittliche Praxis. Seine Punktzahlvolumen bezogen auf die proktologischen Leistungen würde sich völlig anders darstellen, wenn die Praxis vom Umfang her in gleichem Ausmaße unterdurchschnittlich wäre. Nur weil in seinem Falle bei deutlich überdurchschnittlich abrechnender Praxis der Nachweis eines Versorgungsschwerpunkts schwierig ist, bedeutet das nicht, dass andere Ärzte bei anderen Volumina dies nicht könnten.

Härtegesichtspunkte zugunsten des Klägers, die eine andere Sichtweise erforderlich machen könnten, sind vom Kläger weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 154 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Der Senat hat die Revision zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG vorliegen.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 63 Abs. 2 S. 1, 47, 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz, wobei ein Streitwert von 5.000 EUR anzunehmen war, weil der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte bietet.
Rechtskraft
Aus
Saved