L 1 KR 392/02

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 12 KR 929/01
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 KR 392/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 20. Februar 2002 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die rückwirkende Änderung der Beitragshöhe sowie die Erstattung von Beiträgen im Zeitraum vom 1. März 1996 bis 30. April 1999.

Der Kläger ist seit 5. April 1994 als Maschinenbaumeister selbständig tätig und bei der Beklagten freiwillig krankenversichert. Zuvor war er pflichtversichertes Mitglied der Beklagten. In einer vom Kläger vom 24. April 1994 unterschriebenen Erklärung zu seinen Einkommensverhältnissen gab der Kläger an, dass er zwei Arbeitnehmer beschäftige und seine Bruttoeinnahmen in den nächsten zwölf Monaten insgesamt über der Beitragsbemessungsgrenze in der Krankenversicherung liegen werden. Im Hinblick darauf stufte die Beklagte den Kläger in die höchste Beitragsklasse 651 (Beitragspflichtige Einnahmen oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze) mit einem monatlichen Zahlbetrag von 870,00 DM im Jahr 1999 für die Kranken- und Pflegeversicherung ein.

Im April 1999 wandte sich der Kläger unter Vorlage von Steuerbescheiden ab 1994 an die Beklagte, beanstandete die vorgenommene Beitragseinstufung und forderte die Erstattung zu viel entrichteter Beiträge.

Mit Bescheid vom 17. Februar 2000 (ohne Rechtsbehelfsbelehrung) teilte die Beklagte mit, dass eine rückwirkende Beitragserstattung dem Grunde nach nicht möglich sei. Jedoch werde nach der fernmündlichen Mitteilung des Klägers im April 1999 ab 1. Mai 1999 bis 30. November 1999 die freiwillige Krankenversicherung nach den geschätzten Einnahmen des Klägers in der Beitragsklasse 656 und einem monatlichen Beitrag zur Krankenversicherung von 403,52 DM sowie zur Pflegeversicherung von 56,22 DM durchgeführt, vorbehaltlich eines höheren Einkommens in dem jeweiligen Steuerbescheid.

Die Erstattung von Beiträgen vor dem 1. Mai 1999 lehnte die Beklagte mit weiterem Bescheid (ohne Rechtsbehelfsbelehrung) vom 8. Juni 2000 ab.

Den hiergegen mit Schreiben vom 1. August 2000 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15. Mai 2001 zurück. Der Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder, die hauptberuflich selbständig tätig seien, seien grundsätzlich beitragspflichtige Einnahmen in Höhe der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze zugrunde zu legen. Eine am tatsächlichen Einkommen orientierte Einstufung komme nur in Betracht, wenn der Versicherte niedrigere Einnahmen nachweise; mindestens sei jedoch ein kalendertäglicher Betrag in Höhe des vierzigsten Teils der monatlichen Bezugsgröße (= 3.307,50 DM/Monat 1999) heranzuziehen. Die einnahmeorientierte Einstufung werde ausschließlich mit Wirkung für die Zukunft, mit Beginn des auf die Vorlage des Nachweises folgenden Monats, wirksam. Ein rückwirkender Eingriff in einen abgeschlossenen Versicherungszeitraum sei gesetzlich nicht vorgesehen. Der Kläger sei laufend über die Möglichkeit einer einnahmeorientierten Einstufung durch die Mitgliederzeitschrift informiert worden, habe aber einen dementsprechenden Antrag nicht vor April 1999 gestellt.

Am 23. Mai 2001 hat der Kläger beim Sozialgericht Kassel Klage erhoben und weiterhin die Erstattung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung ab April 1994 begehrt. Die Beklagte sei ihrer Verpflichtung zur Aufklärung nach Wechsel von der versicherungspflichtigen zur selbständigen Tätigkeit nicht in ausreichendem Maße nachgekommen. Sie habe die Möglichkeit gehabt, ab 1996 die Beitragseinstufung zu überprüfen, da er Steuerbescheide stets nach Erlass durch das Finanzamt der Beklagten zugesandt habe.

Die Beklagte hat die Übersendung von Steuerbescheiden vor April 1999 bestritten, Auszüge aus den Mitgliederzeitschriften vom Dezember 1994 und 1995 mit Informationen zur einkommensabhängigen Beitragseinstufung vorgelegt sowie auf die eigene Erklärung des Klägers über seine Einkommensverhältnisse vom 24. April 1994 verwiesen. Im Hinblick darauf sei nach den gesetzlichen Bestimmungen nur eine Einstufung in die höchste Beitragsklasse möglich gewesen. In einem solchen Fall erfolge auch keine jährliche Überprüfung der Einkommensverhältnisse.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 20. Februar 2002 hat das Sozialgericht den Kläger persönlich angehört und ergänzend darauf hingewiesen, dass eine Neubemessung der Beiträge auf der Grundlage der tatsächlichen Einkünfte des Klägers frühestens ab 1. März 1996, nach Erlass des Steuerbescheids für 1994 vom 23. Februar 1996, möglich gewesen wäre.

Durch Urteil vom 20. Februar 2002 hat das Sozialgericht Kassel die Klage abgewiesen und in den Entscheidungsgründen ausgeführt, dass auch unter Berücksichtigung der nunmehr nur noch ab 1. März 1996 geltend gemachten Erstattung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung, die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht vorlägen. Vielmehr erweise sich die vorgenommene Beitragsbemessung durch die Beklagte als rechtmäßig. Auf der Grundlage der eigenen Angaben des Klägers vom 24. April 1994 hatte die Beklagte zu 1) für sich und als Einzugsstelle für die Beklagte zu 2) der Beitragsbemessung zutreffend monatliche beitragspflichtige Einnahmen oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze zugrunde gelegt und eine weitere Überprüfung nicht vorgenommen. Die tatsächlich erfolgte Beitragserhebung entspreche den gesetzlichen Bestimmungen, die in den angefochtenen Bescheiden richtig wiedergegeben seien. Eine Beitragserstattung komme nur in Betracht, wenn Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung und zur Pflegeversicherung zu Unrecht erhoben worden seien. Diese Voraussetzungen lägen aber nicht vor, denn nach dem Ergebnis der persönlichen Anhörung in der mündlichen Verhandlung sei unstreitig, dass vor April 1999 der Beklagten kein Nachweis über niedrigere Einnahmen vorgelegen habe, der zur Herabbemessung der Beiträge habe führen können. Die gesetzliche Regelung zur Beitragsbemessung sei auch nicht verfassungswidrig. Schließlich könne der geltend gemachte Anspruch auch nicht wegen unzureichender oder fehlerhafter Beratung durch die Beklagte aufgrund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs begründet werden. Dabei könne dahinstehen, ob hier eine fehlerhafte oder unzureichende Beratung vorliege, denn eine solche wäre für die nicht an den tatsächlichen Einkommensverhältnissen orientierte Beitragsbemessung nicht ursächlich gewesen. Vielmehr habe der Kläger diese Dinge seinem Steuerberater überlassen und deshalb jahrelang die vorgenommene Einstufung der Beklagten hingenommen.

Gegen dieses den Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Empfangsbekenntnis am 15. März 2002 zugestellte Urteil richtet sich die mit Schriftsatz vom 5. April 2002 - eingegangen beim Hessischen Landessozialgericht in Darmstadt am 8. April 2002 - eingelegte Berufung, mit der sich der Kläger ohne Begründung gegen die getroffene Entscheidung des Sozialgerichts wendet.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 20. Februar 2002 sowie die Bescheide der Beklagten vom 17. Februar 2000 und 8. Juni 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. Mai 2001 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die im Zeitraum vom 1. März 1996 bis 30. April 1999 zu viel entrichteten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zu erstatten.

Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 29. August 2002 haben sich die Beteiligten mit einer Entscheidung durch die Berichterstatterin anstelle des Senats einverstanden erklärt.

Hinsichtlich des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den weiteren Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Im Einverständnis der Beteiligten konnte über die Berufung des Klägers durch die Berichterstatterin anstelle des Senats entschieden werden (§ 155 Abs. 3, 4 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).

Die Berufung ist zulässig, denn sie ist form- und fristgerecht eingelegt sowie an sich statthaft (§§ 143, 151 SGG).

Die Berufung ist aber sachlich nicht begründet.
Das Urteil des Sozialgerichts Kassel ist zu Recht ergangen, denn ein Anspruch auf Erstattung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung besteht in dem noch streitigen Zeitraum vom 1. März 1996 bis 30. April 1999 nicht. Hinsichtlich der Begründung schließt sich der Senat den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung und der Rechtsprechung des Senats ausgehenden Ausführungen im Urteil des Sozialgerichts Kassel an und sieht deshalb zur Vermeidung von Wiederholungen von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe gemäß § 153 Abs. 2 SGG ab.

Da der Kläger seine Berufung nicht begründet hat, ergibt sich zu seinen Gunsten auch im Berufungsverfahren nichts anderes.

Gemäß § 240 Abs. 1 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) wird die Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder durch die Satzung geregelt. Dabei ist sicherzustellen, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtigt. Die Satzung der Krankenkasse muss mindestens die Einnahmen des freiwilligen Mitglieds berücksichtigen, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung zugrunde zu legen sind (§ 240 Abs. 2 Satz 1 SGB V). Für den Personenkreis der hauptberuflich selbständig erwerbstätigen freiwilligen Mitglieder bestimmt § 240 Abs. 4 SGB V ergänzend im Einzelnen, dass als beitragspflichtige Einnahmen für den Kalendertag den dreißigsten Teil der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze (§ 223), bei Nachweis niedrigerer Einnahmen jedoch mindestens jedoch der vierzigsten Teil der monatlichen Bezugsgröße gilt. Eine entsprechende Bestimmung enthält § 12 der Satzung der Beklagten zu 1), so dass der Beitragsbemessung grundsätzlich beitragspflichtige Einnahmen in Höhe der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze zugrunde gelegt werden müssen. Dies ist im Hinblick auf die eigenen Angaben des Klägers in der von ihm ausgefüllten und unterschriebenen Erklärung vom 24. April 1994 auch tatsächlich erfolgt. Da er dort angegeben hat, dass seine Bruttoeinnahmen in den nächsten zwölf Monaten insgesamt über der Beitragsbemessungsgrenze in der Krankenversicherung liegen werden, ist von der Beklagten keine weitere Prüfung der Einkommensverhältnisse vorgenommen worden, da der gesetzliche Regelfall vorlag. Niedrigere Einnahmen und somit Veränderungen der Beitragsbemessung sind nur aufgrund eines vom Versicherten geführten Nachweises zu berücksichtigen. Sie können nur zum 1. Tag des auf die Vorlage dieses Nachweises folgenden Monats wirksam werden (§ 240 Abs. 4 Satz 3 SGB V). Unter Berücksichtigung dieser gesetzlichen Vorgaben, die den Regelungen in der Satzung der Beklagten zu 1) entsprechen, ist der geltend gemachte Beitragserstattungsanspruch zu Recht abgelehnt worden. Der Kläger hat erstmals im April 1999 fernmündlich die Veränderung seiner Beitragsbemessung unter Hinweis auf seine Einkommensverhältnisse begehrt. Im Hinblick darauf hat die Beklagte zu 1) auch nach Prüfung eine Neueinstufung vorgenommen und führt den Kläger seit Mai 1999 in der beitragsgünstigeren Beitragsklasse 656 (beitragspflichtige Einnahmen bis 3.700,00 DM). Der Kläger selbst hat bei seiner persönlichen Anhörung beim Sozialgericht Kassel - im Gegensatz zum schriftsätzlichen Vortrag - bestätigt, dass er vor 1999 nicht an die Beklagte zu 1) wegen einer Herabbemessung seiner Krankenversicherungsbeiträge herangetreten ist. Auch Steuerbescheide hat er der Beklagten zu 1) nicht zugesandt. Vielmehr ist er durch die Versicherung seines Sohnes bei einer anderen Krankenkasse zur Prüfung der Höhe seiner eigenen Beiträge veranlasst worden. Steht aber fest, dass vor April 1999 weder ein Antrag auf Einstufung in eine andere Beitragsklasse noch ein Nachweis über ein tatsächlich erzieltes niedrigeres Einkommen vorgelegt worden ist, kommt nach der genannten gesetzlichen Bestimmung, die mit der Satzung der Beklagten zu 1) übereinstimmt, keine Beitragserstattung für die Vergangenheit in Betracht. Bereits das Sozialgericht hat insoweit zutreffend ausgeführt, dass der Ausschluss einer rückwirkenden Änderung der Beitragsklasse nicht gegen höherrangiges Recht verstößt. Bereits vor Geltung des § 240 Abs. 4 SGB höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass Satzungsbestimmungen, die Veränderungen nur für die Zukunft berücksichtigten, rechtmäßig waren. Insbesondere wurde zur Begründung darauf verwiesen, dass der Ausschluss einer Rückwirkung von Einkommensveränderungen zum einen Manipulationen durch die Versicherten und einem doppelten Verwaltungsaufwand entgegenwirke (vgl. BSG, Urteil vom 19. Juni 1986 - 12 RK 10/86). Ist somit zu Recht unter Berücksichtigung der eigenen Angaben des Klägers eine Einstufung in die höchste Versicherungsklasse der Beklagten zu 1) vorgenommen worden und konnte das erst im April 1999 der Beklagten zu 1) angezeigte niedrigere monatliche Einkommen erst mit Wirkung für die Zukunft, also ab 1. Mai 1999, berücksichtigt werden, liegen die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften (SGB IV) für die Erstattung von Beiträgen nicht vor, da diese bis April 1999, nicht zu Unrecht entrichtet worden sind. Schließlich kommt der geltend gemachte Anspruch auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs in Betracht, wie das Sozialgericht bereits zutreffend ausgeführt hat. Nach diesem von der Rechtsprechung entwickelten Rechtsinstitut ist ein Versicherter bei fehlender oder falscher Beratung oder Auskunft so zu stellen, wie er stünde, wenn der Leistungsträger die ihm obliegenden Pflichten ordnungsgemäß erfüllt hätte (BSGE 41, 126 ff. st. Rspr.). Der Kläger ist überhaupt nicht an die Beklagte zu 1) vor April 1999 herangetreten, um sich über die Höhe entrichteter Krankenversicherungsbeiträge und Beiträge zur gesetzlichen Pflegeversicherung zu informieren oder beraten zu lassen. Vielmehr hat er sich bis zu diesem Zeitpunkt nicht um die Höhe seiner Krankenversicherungsbeiträge gekümmert. Die Beklagte zu 1) hatte im Hinblick auf die eigene Erklärung des Klägers zu Beginn der freiwilligen Krankenversicherung auch keine Veranlassung oder gar rechtliche Verpflichtung, beim Kläger nachzufragen oder regelmäßig eigene Ermittlungen anzustellen. Ungeachtet dessen kommt aber vorliegend dieses richterrechtliche Rechtsinstitut, das der Lückenfüllung dient, nicht in Betracht, denn § 26 Abs. 1 SGB IV regelt abschließend die Voraussetzungen, unter denen die Erstattung von Beiträgen erfolgen kann (vgl. hierzu: BSGE 50, 129; 55, 261, 263 ff.).

Da somit die Bescheide der Beklagten insgesamt nicht zu beanstanden waren, musste die Berufung des Klägers erfolglos bleiben und zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1, 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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