L 6 Kg 1291/84

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
6
1. Instanz
SG Wiesbaden (HES)
Aktenzeichen
S 5 Kg 5/83
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 Kg 1291/84
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1) So wie dem Erwerb der Staatsangehörigkeit der DDR für die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland in den Grenzen des ordre public die Rechtswirkung des Erwerbs der (gesamt-)deutschen Staatsangehörigkeit zuzumessen ist (vgl. BVerfG Beschluß vom 21. Oktober 1987 – 2 BvR 373/83), kann auch die Aufgabe der Staatsangehörigkeit der DDR zu einem Verlust der (gesamt-)deutschen Staatsangehörigkeit führen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn dieser Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit – z.B. durch Annahme einer ausländischen Staatsangehörigkeit – in Übereinstimmung mit den Regelungen des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes erfolgt und seinerseits mit dem ordre public vereinbar ist.
2) Das Verbleiben eines volljährigen, sich noch in der Ausbildung befindlichen Kindes in der Tschechoslowakei bei der leiblichen Mutter, die eben falls die Staatsangehörigkeit der CSSR angenommen hat, führt bei einer solchermaßen erfolgten Aufgabe der deutschen Staatsangehörigkeit unter Annahme der Staatsangehörigkeit der CSSR, sofern die Annahme dieser Staatsangehörigkeit nicht lediglich der notwendigsten Existenzgrundlage dient (hier: Erlangung eines ganz bestimmten Studienplatzes), zum Verlust der Rechtsstellung als „deutscher Volkszugehöriger” und steht deshalb dem Kindergeldanspruch des im Geltungsbereich des Bundeskindergeldgesetzes lebender Vaters nach § 2 Abs. 5 Satz 3 BKGG entgegen.
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 7. Juni 1984 wird zurückgewiesen.

2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Gewährung von Kindergeld für seine in der Tschechoslowakei lebende Tochter C. für die Zeit ab August 1981 bis einschließlich Januar 1988.

Der Kläger ist 1924 in Prag geboren. Er heiratete am 15. März 1963 in R. die 1939 geborene deutsche Staatsangehörige W. S. Am 17. Juni 1963 wurde in R. die gemeinsame Tochter C. der Eheleute Z. geboren. Nach dem DDR-Staatsangehörigkeitsgesetz erwarb C. mit ihrer Geburt die Staatsangehörigkeit der DDR. Ende 1963 verzog der Kläger mit seiner Familie in die CSSR. C. ging dort zur Schule. Im Sommer 1982 legte sie ihr Abitur ab. Im Oktober 1982 begann C. in Prag mit dem Studium der Zoologie, das nach dem Vortrag des Klägers im Januar 1988 abgeschlossen wurde. Spätestens mit dem 30. März 1981 erlangte C., ebenso wie ihre Mutter, auf entsprechenden Antrag und unter Aufgabe der Staatsangehörigkeit der DDR durch Einbürgerung die Staatsangehörigkeit der CSSR.

Am 22. November 1968 wurde die Ehe der Eheleute Z. geschieden. Am 4. November 1969 übersiedelte der Kläger in die Bundesrepublik Deutschland. C. verblieb mit ihrer Mutter in der CSSR. Am 29. Januar 1970 wurde der Kläger als Asylberechtigter anerkannt. Durch Einbürgerung erwarb der Kläger am 18. Januar 1982 die deutsche Staatsangehörigkeit. Die erfolgte Einbürgerung erstreckte sich nach dem Inhalt der Einbürgerungsurkunde des Regierungspräsidenten in Köln vom 2. Dezember 1981 nicht auf die Kinder des Klägers.

Nach seiner Einstellung im öffentlichen Dienst im Oktober 1970 erhielt der Kläger vom Beklagten für C. bis einschließlich Juli 1981 Kindergeld. Durch Bescheid vom 15. September 1981 wurde das Kindergeld mit Ablauf des Monats Juli 1981 entzogen. Dieser Bescheid wurde bindend. Nach erfolgter Einbürgerung stellte der Kläger erneut einen Antrag auf Zahlung von Kindergeld. Durch Bescheid vom 12. Februar 1982 wurde dieser Antrag abgelehnt. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Gewährung von Kindergeld scheitere daran, daß der Kläger noch nicht mindestens 15 Jahre lang einen Wohnsitz im Gebiet des Deutschen Reiches von 1937 gehabt habe. Auch dieser Bescheid wurde bindend.

Am 30. Juli 1982 stellte der Kläger einen weiteren Antrag auf Gewährung von Kindergeld, den er damit begründete, bei der Berechnung der 15-Jahresfrist müsse auch die Zeit ab Oktober 1943 bis zum Ende des Krieges berücksichtigt werden. Während dieser Zeit sei er zur Arbeit bei den Junkerswerken in Berlin dienstverpflichtet gewesen. Durch Bescheid vom 18. März 1983 wurde auch dieser Antrag abgelehnt. Der Beklagte berief sich dabei darauf, selbst unter Berücksichtigung der Zeit der Dienstverpflichtung sei jedenfalls bis zum 31. Dezember 1982 der geforderte 15-jährige Aufenthalt noch nicht erreicht gewesen, so daß bis zu diesem Zeitpunkt eine Kindergeldgewährung ohnehin nicht in Betracht komme. Für die Zeit ab dem 1. Januar 1983 scheide die Kindergeldgewährung nach den nunmehr geänderten gesetzlichen Bestimmungen aus. Für in der CSSR lebende Kinder komme die Gewährung von Kindergeld ab diesem Zeitpunkt nur noch dann in Betracht, wenn diese die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen oder aber deutsche Volkszugehörige seien. Davon könne im Falle der Tochter des Klägers indes nicht ausgegangen werden. Insbesondere sei die Annahme des Vorliegens der deutschen Staatsangehörigkeit nicht zutreffend. Diese könne nur durch Einbürgerung erreicht werden. Eine solche Einbürgerung komme jedoch solange nicht in Betracht, als sich die Tochter des Klägers in der CSSR aufhalte.

Die dagegen erhobene Klage hat das Sozialgericht Wiesbaden durch Urteil vom 7. Juni 1984 abgewiesen. Das Sozialgericht hat die Auffassung vertreten, nach dem zum 1. Januar 1979 in Kraft getretenen 8. Gesetz zur Änderung des Bundeskindergeldgesetzes komme eine Kindergeldgewährung für die Tochter des Klägers nicht mehr in Betracht, da diese keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich des Bundeskindergeldgesetzes habe. Auch die allgemeinen Verwaltungsvorschriften des Bundesministers des Innern und des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit, die auch nach Ablauf der im 8. Änderungsgesetz zum Bundeskindergeldgesetz vorgesehenen Übergangszeit die Gewährung von Kindergeld für solche Kinder vorsähen, die z.B. in der Tschechoslowakei lebten, komme als Anspruchsgrundlage nicht in Betracht. Denn diese Verwaltungsvorschriften seien gesetzwidrig. Der Kläger könne sich deshalb nicht auf diese Bestimmungen berufen.

Gegen das dem Kläger am 6. August 1984 zugestellte Urteil richtet sich die am 4. September 1984 eingegangene Berufung. Der Kläger ist der Meinung, in der Zeit bis zum Inkrafttreten des 11. Gesetzes zur Änderung des Bundeskindergeldgesetzes (1. Januar 1986) lasse sich sein Anspruch aus den Verwaltungsvorschriften des Bundesministers des Innern und des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit vom 30. August 1982 und dem Gemeinsamen Runderlaß vom 17. Dezember 1982 ableiten. Die Berücksichtigung von Kindern, die unter anderem in der Tschechoslowakei leben, ergebe sich aus der durch diese Verwaltungsvorschriften eingetretenen Selbstbindung der Verwaltung. Der Grundsatz, daß es keine Gleichbehandlung im Unrecht gebe, gelte nicht ausnahmslos. Ein Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht sei insbesondere dann gegeben, wenn die rechtswidrige Verwaltungspraxis nur ausnahmsweise durchbrochen, ansonsten aber beibehalten und nicht durch eine rechtmäßige Verwaltungspraxis abgelöst werden solle. Eine solche Fallgestaltung sei hier gegeben. Für die Zeit nach dem 1. Januar 1986 ergebe sich der Kindergeldanspruch nach den nunmehr geänderten gesetzlichen Bestimmungen, die auf der Grundlage der früheren Verwaltungsvorschriften beruhten. Dabei sei davon auszugehen, daß der Kläger bereits am 17. Juli 1983 15 Jahre im Gebiet des Deutschen Reiches von 1937 gelebt habe, davon bis zu diesem Zeitpunkt 13 Jahre und 8 Monate in der Bundesrepublik Deutschland. Seine Tochter habe überdies durch Geburt in R. die deutsche Staatsangehörigkeit erworben. Daran habe auch der Umzug in die Tschechoslowakei zum Ende des Jahres 1963 nichts geändert. Trotz der zwischenzeitlichen Annahme der Staatsangehörigkeit der CSSR sei seine Tochter im übrigen auch weiterhin als deutsche Volkszugehörige anzusehen. So werde zu Hause mit ihrer Mutter ausschließlich Deutsch gesprochen. Während des Schulbesuches habe sich seine Tochter ausschließlich in den deutschen Volkskreis, der sich in Prag selbständig gebildet habe, zurückgezogen und lediglich im Unterricht Kontakt zu tschechischen Kindern gehabt. In der Schule sei sie deshalb immer als Deutsche angesehen und behandelt worden. Seine Tochter hätte unter Inkaufnahme der dadurch eingetretenen Nachteile durchaus die deutsche Staatsangehörigkeit auch in der Tschechoslowakei beibehalten, wenn nicht die gesellschaftlichen und politischen Repressalien so weit gegangen wären, daß sie allein auf Grund ihrer Staatsangehörigkeit bei der Studienplatzvergabe in der von ihr beabsichtigten Fachrichtung nicht hätte berücksichtigt werden können. Auch ihre Mutter sei dazu gedrängt worden, die tschechoslowakische Staatsangehörigkeit anzunehmen, um nicht ihren Arbeitsplatz zu verlieren. Seine Tochter werde im übrigen in der Tschechoslowakei auch weiterhin als Deutsche angesehen. So werde sie z.B. in dem von der Internationalen Studentenunion ausgestellten Studentenausweis nach wie vor als Deutsche bezeichnet.

Nachdem der Kläger ursprünglich vorgetragen hatte, seine Tochter habe immer wieder den Versuch unternommen, aus der CSSR auszureisen, um mit ihm in der Bundesrepublik Deutschland als Deutsche leben zu können, was ihr jedoch stets versagt worden sei (vgl. unter anderem Schriftsätze vom 3. November 1983 sowie vom 16. April 1986), gestand er im Erörterungstermin vom 30. Juli 1987 zu, daß seine Tochter bereits zweimal in der Bundesrepublik Deutschland gewesen war. Bei ihren jeweils drei- bzw. vierwöchigen Aufenthalten im August 1982 sowie im Januar 1984 habe sich seine Tochter durchaus überlegt, ob sie hierbleiben solle. Sie habe sich allerdings dazu nicht entschließen können, weil sie Befürchtungen gehabt habe, ihre Mutter, die als Diplomchemikerin in einer führenden Stellung beim Zentralen Staatlichen Veterinärinstitut in Prag arbeite, könne ihre berufliche Stellung verlieren.

Der Kläger trägt weiterhin vor, er leiste seiner Tochter regelmäßig Unterhalt. Dies geschehe durch Barzahlungen, die er seiner Tochter über Bekannte zukommen lasse, sowie über eine Vielzahl von Paketen, die er aus der Bundesrepublik Deutschland in die CSSR versende. Die Unterhaltsleistungen überschritten deutlich die Höhe des jeweils beanspruchten Kindergeldes. Die Mutter von C. erhalte in der CSSR ihrerseits keine dem Kindergeld vergleichbare Leistung für ihre Tochter.

Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Wiesbaden vom 7. Juni 1984, des Bescheides der Beklagten vom 18. März 1983 sowie des Widerspruchsbescheides vom 29. April 1983 das beklagte Land zu verurteilen, ihm ab September 1981 bis Januar 1988 Kindergeld für seine Tochter C. in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte ist der Auffassung, der Kläger könne den geltend gemachten Kindergeldanspruch weder auf die fraglichen Verwaltungsvorschriften noch auf die Neufassung des Bundeskindergeldgesetzes ab 1. Januar 1986 stützen. So habe die Tochter des Klägers zu keinem Zeitpunkt die (gesamt-)deutsche Staatsangehörigkeit besessen. Die DDR-Staatsangehörigkeit seiner Tochter sei ohne Bedeutung. Es komme vielmehr allein auf die deutsche Staatsangehörigkeit nach dem Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz an. Nach § 4 des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes in der zum Zeitpunkt der Geburt seiner Tochter geltenden Fassung, habe das eheliche Kind einer Deutschen und eines Ausländers die deutsche Staatsangehörigkeit nicht erwerben können. Im übrigen habe sich die Tochter des Klägers durch die Annahme der Staatsangehörigkeit der CSSR aus der deutschen Volkszugehörigkeit gelöst, so daß eine Kindergeldbewilligung auch aus diesem Grunde nicht mehr in Betracht komme.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird im übrigen auf den gesamten weiteren Inhalt der Gerichtsakte sowie die auszugsweise vorgelegte Personalakte des Beklagten (Nr. 0428-068275) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt (§ 151 Sozialgerichtsgesetz –SGG–); Berufungsausschließungsgründe nach § 27 Abs. 2 Bundeskindergeldgesetz (BKGG) und §§ 144 ff SGG liegen nicht vor.

Die Berufung ist jedoch in der Sache unbegründet. Dem Kläger steht während des streitbefangenen Zeitraums ein Kindergeldanspruch für seine in der CSSR lebende Tochter C. nicht zu.

Hinsichtlich der Zeit bis zum 31. Dezember 1985 scheitert der geltend gemachte Anspruch des Klägers bereits daran, daß bis zu diesem Zeitpunkt – sieht man von der hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmeregelung des § 2 Abs. 5 Satz 2 BKGG a.F. ab – Kindergeld nur für Kinder gewährt werden konnte, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich des Bundeskindergeldgesetzes hatten.

Das war für die Zeit von September 1981 bis zum 31. Dezember 1985 bei der Tochter des Klägers unzweifelhaft nicht der Fall.

Entgegen der Auffassung des Klägers und in Übereinstimmung mit dem Urteil des Sozialgerichts kann der Kläger insoweit sein Begehren auch nicht auf das Gemeinsame Rundschreiben des Bundesminister des Innern und des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit vom 30. August 1982 (GMBl 1982, S. 438) in Verbindung mit dem Gemeinsamen Runderlaß des Bundesministers des Innern und des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit vom 17. Dezember 1981 (Hess. St.Anz. 1983, S. 5) stützen. Zwar sehen diese Verwaltungsvorschriften in der Tat – in Übereinstimmung mit dem Erlaß des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung vom 24. Juni 1982 und in Fortführung des Erlasses des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung vom 13. September 1979 (Dienstblatt der Bundesanstalt für Arbeit vom 25. Oktober 1979 – RdErl. Nr. 213/79) – vor, daß für Kinder, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt zwar außerhalb des Geltungsbereiches des Bundeskindergeldgesetzes, aber innerhalb des Gebiets des Deutschen Reiches nach dem Stand vom 31. Dezember 1937 sowie in Ländern wie z.B. der CSSR haben, das Bestehen eines Anspruchs auf Kindergeld bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen des § 2 Abs. 5 BKGG angenommen wird. Diese Verwaltungsvorschriften sind jedoch gesetzwidrig. Denn mit dem 1. Januar 1979 – bzw. mit Auslaufen der Übergangsfrist ab 1. Januar 1980 – werden Kinder, die weder ihren Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben, nach der gesetzlichen Neuregelung auch dann nicht mehr bei der Kindergeldgewährung berücksichtigt, wenn sie in der DDR oder einem sonstigen früheren Vertreibungsgebiet – also etwa der Tschechoslowakei – leben (BSG, Urteil vom 22. Januar 1981 – 10/8 b RKg 7/79 = SozR 5870 § 2 Nr. 21). Wie der Senat bereits mehrfach entschieden hat (Urteil vom 22. Juni 1983 – L-6/Kg-7/83; zuletzt Urteil vom 24. Oktober 1986 – L-6/Kg-856/83) können die entgegen dem Gesetz erlassenen Verwaltungsvorschriften mangels einer entsprechenden gesetzlichen Ermächtigung (§ 31 Sozialgesetzbuch I – SGB I) Leistungsverpflichtungen nicht begründen. Auch die auf diesen Verwaltungsvorschriften beruhende Verwaltungspraxis des beklagten Landes führt zu keinem Rechtsanspruch des Klägers auf Gewährung von Kindergeld. Eine Selbstbindung der Verwaltung durch diese gesetzeswidrige Verwaltungsvorschrift ist nicht eingetreten, so daß aus ihr insbesondere kein Anspruch auf Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz –GG–) abgeleitet werden kann (vgl. schon Urteil des erkennenden Senats vom 22. Juni 1983 a.a.O.). Der Senat sieht keinen Anlaß, von dieser Auffassung abzuweichen.

Auch nach der zum 1. Januar 1986 in Kraft getretenen Neufassung des § 2 Abs. 5 Satz 3 BKGG (11. Gesetz zur Änderung des Bundeskindergeldgesetzes vom 27. Juni 1985 – BGBl. I, S. 251) kann der Kläger für seine Tochter C. kein Kindergeld beanspruchen.

Nach § 2 Abs. 5 Satz 3 BKGG n.F. sind – bei Berechtigten nach § 2 Abs. 5 Nr. 1 und Nr. 2 BKGG – auch solche Kinder bei der Kindergeldgewährung zu berücksichtigen, die zwar nicht ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich des Bundeskindergeldgesetzes haben, aber Deutsche im Sinne von Art. 116 des Grundgesetzes oder aber deutsche Volkszugehörige sind und seit ihrer Geburt ohne Unterbrechung einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der DDR oder Berlin (Ost) bzw. Ländern wie etwa der Tschechoslowakei haben.

Diese Voraussetzungen liegen bei der Tochter des Klägers indes nicht vor:

Die Tochter des Klägers ist insbesondere keine Deutsche im Sinne von Art. 116 des Grundgesetzes.

Art. 116 GG bezeichnet als Deutsche zum einen die deutschen Staatsangehörigen (1. Alternative) und zum anderen Flüchtlinge oder Vertriebene deutscher Volkszugehörigkeit (2. Alternative).

Allerdings geht der Senat – entgegen der Auffassung des Beklagten – davon aus, daß die Tochter des Klägers ursprünglich die deutsche Staatsangehörigkeit im Sinne von Art. 116 GG besessen hatte. Zwar hatte sie diese Staatsangehörigkeit – insoweit ist der Beklagten zuzustimmen – nicht nach § 4 des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes (RuStAG) in der zum Zeitpunkt der Geburt von C. (17. Juni 1963) geltenden Fassung erworben, da der Kläger zum Zeitpunkt der Geburt seiner Tochter nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besaß, § 4 RuStAG die deutsche Staatsangehörigkeit des ehelichen Kindes jedoch von der deutschen Staatsangehörigkeit des Vaters abhängig gemacht und dem ehelichen Kind einer Deutschen und eines Ausländers die deutsche Staatsangehörigkeit damit nicht kraft Geburt zugemessen hat. Die deutsche Staatsangehörigkeit im Sinne von Art. 116 GG ist indes daraus abzuleiten, daß die Tochter des Klägers – was zwischen den Beteiligten unstreitig ist – nach den maßgeblichen Bestimmungen der DDR mit ihrer Geburt die Staatsangehörigkeit der DDR erworben hatte. Dieser Erwerb bewirkte seinerseits, daß C. damit jedenfalls zugleich deutsche Staatsangehörige im Sinne der Art. 16 Abs. 1, 116 Abs. 1 GG geworden ist. Dies folgt, wie das Bundesverfassungsgericht entschieden hat (BVerfG Beschluss vom 21. Oktober 1987 – 2 BvR 373/83), aus dem Gebot der Wahrung der Einheit der deutschen Staatsangehörigkeit (Art. 116 Abs. 1, 16 Abs. 1 GG), das dazu führt, daß dem Erwerb der Staatsbürgerschaft der DDR für die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland in den Grenzen des ordre public die Rechtswirkung des Erwerbs der (gesamt-)deutschen Staatsangehörigkeit zuzumessen ist.

Allerdings hat die Tochter des Klägers ihre deutsche Staatsangehörigkeit mit dem Erwerb der Staatsangehörigkeit der CSSR wieder verloren. Dies ergibt sich zum einen aus § 25 Abs. 1 RuStAG, wonach ein Deutscher, der im Inland weder seinen Wohnsitz noch seinen dauernden Aufenthalt hat, die deutsche Staatsangehörigkeit mit dem Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit verliert, wenn dieser Erwerb auf seinen Antrag – oder denjenigen seines gesetzlichen Vertreters – erfolgt ist, ohne daß die vorherige Zustimmung der zuständigen Behörden des Heimatstaates zur Beibehaltung der Staatsangehörigkeit (§ 25 Abs. 2 RuStAG) eingeholt worden ist. Der Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit ergibt sich im übrigen auch aus dem Verlust der Staatsbürgerschaft der DDR, der seinerseits die Wirkungen des – entgegen § 4 RuStAG a.F. zustande gekommenen – Besitzes der deutschen Staatsangehörigkeit wieder in Wegfall gebracht hat. Denn so wie nach der zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (a.a.O.) dem Gebot der Wahrung der Einheit der deutschen Staatsangehörigkeit die Übernahme der jeweiligen Erwerbstatbestände entspricht, folgt aus diesem Gebot, daß bei einem Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit entgegen den Bestimmungen des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes sich auch der Verlust der DDR-Staatsbürgerschaft ohne Vorliegen eines sonstigen Auffangtatbestandes – und soweit dieser Verlust seinerseits in Übereinstimmung mit dem Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz steht –, in den Grenzen des ordre public in gleicher Weise auf die einheitliche Staatsangehörigkeit auswirkt.

Die Tochter des Klägers besitzt auch keinen Status als Deutsche nach der 2. Alternative des Art. 116 Abs. 1 GG. Denn C. lebt nach wie vor in der CSSR, so daß ihr bereits aus diesem Grunde – derzeit jedenfalls – nicht die Rechtsstellung als "sonstige Deutsche” im Sinne von Art. 116 GG zugemessen werden kann, zumal ein Einbürgerungsantrag nicht vorliegt (vgl. dazu Maunz/Dürig Anm. 26 zu Art. 116 GG).

Die Tochter des Klägers erfüllt auch nicht die Voraussetzungen als deutsche Volkszugehörige nach § 2 Abs. 5 Satz 3 BKGG.

Wer als deutscher Volkszugehöriger anzusehen ist, wird im Bundeskindergeldgesetz nicht näher bestimmt. Auch aus den Gesetzesmaterialien zum 11. Gesetz zur Änderung des Bundeskindergeldgesetzes (vgl. BT Dr. 10/2886) ergeben sich hierzu keine weiteren Anhaltspunkte. Der Senat hält es indes für angebracht, insoweit auf die Legaldefinition des § 6 Bundesvertriebenengesetz (BVFG) zurückzugreifen. Danach ist deutscher Volkszugehöriger, wer sich in seiner Heimat zum deutschen Volkstum bekannt hat, sofern dieses Bekenntnis durch bestimmte Merkmale wie Abstammung, Sprache, Erziehung, Kultur bestätigt wird. Dieser aus dem Kriegsfolgenrecht (vgl. z.B. § 1 a FRG, §§ 19, 20 WGSVG, § 1251 Abs. 1 Nr. 6 RVO) und unter Abkehr vom ansonsten dem BKGG zugrunde liegenden Territorialitätsprinzip mit Wirkung zum 1. Januar 1986 bezüglich der Kinder erstmals in das Kindergeldrecht übernommene Begriff der deutschen Volkszugehörigkeit enthält einerseits – als subjektive Seite – das "volkstumsmäßige Bekenntnis”, und zum anderen objektive Merkmale der Volkszugehörigkeit, wie etwa Abstammung, deutsche Erziehung, deutsche Muttersprache u.a.m. (vgl. Nitsche DÖV 1953, S. 461; Maunz/Dürig Anm. 13 zu Art. 116 GG).

Dabei führt im Regelfall die nicht nur zur Sicherung der notwendigsten Existenzgrundlage angenommene Staatsangehörigkeit eines anderen Staates unter Aufgabe der deutschen Staatsangehörigkeit dazu, daß bei dem Betroffenen von einer Abkehr von diesem Bekenntnis zum deutschen Volkstum ausgegangen werden muß (vgl. insoweit zu § 6 BVG: Straßmann/Nitsche, Bundesvertriebenengesetz, 2. Aufl. Anm. 1 zu § 6). Von einem solchem Regelfall ist auch bei der Tochter des Klägers auszugehen. Denn nach dessen Vortrag war der Entschluß zur Annahme der Staatsangehörigkeit der CSSR maßgeblich davon bestimmt, auf diesem Wege eher einen Studienplatz an der Prager Universität in der von seiner Tochter gewünschten Fachrichtung zu finden, was nach seinem Vortrag bei Beibehaltung der ursprünglich deutschen Staatsangehörigkeit nicht möglich gewesen wäre. Die Erreichung dieses Zieles ist als persönliche Lebensentscheidung durchaus verständlich und nachvollziehbar, geht jedoch in seinen Auswirkungen deutlich über die bloße Existenzsicherung hinaus. Unterstrichen wird die dadurch eingetretene Abkehr von dem durch § 6 BVG geforderten Bekenntnis durch die bisher zweimaligen Besuche der Tochter des Klägers in der Bundesrepublik Deutschland, die jeweils mit der Rückkehr in das Land endeten, dessen Staatsangehörigkeit C. zwischenzeitlich angenommen hatte. Diese Besuche und die jeweils erfolgte Rückkehr in die Tschechoslowakei widerlegen zugleich die ursprüngliche Behauptung des Klägers – die in dieser Form zuletzt auch nicht mehr aufrechterhalten worden ist – die Staatsangehörigkeit der CSSR sei vor allem auch deshalb erworben worden, damit C. leichter in die Bundesrepublik Deutschland einreisen könne, um danach so bald wie möglich bei ihrem Vater zu leben.

Dem Kläger steht demnach für den gesamten streitbefangenen Zeitraum kein Anspruch auf Kindergeld zu. Im Hinblick darauf konnte die Klärung der Frage dahingestellt bleiben, ob der Anspruch des Klägers auf Kindergeld für die Zeit bis einschließlich Januar 1982 nicht ohnehin nach § 9 Abs. 2 BKGG gänzlich ausgeschlossen ist, bzw. für diese Zeit allenfalls eine ermessensfehlerfreie Bescheidung nach § 20 Abs. 5 BKGG begehrt werden konnte.

Die Berufung des Klägers war damit insgesamt zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision hat der Senat gemäß § 160 Abs. 2 SGG zugelassen.
Rechtskraft
Aus
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