Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
6
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 12 Kg 9/84
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 Kg 1689/86
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1) Auch ein US-amerikanischer Staatsbürger, der als Zivilbeschäftigter bei einer Organisation tätig ist, die ihrerseits zum „Bestandteil der US-amerikanischen Truppe” gehört, kann seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland haben und deshalb nicht dem „zivilen Gefolge” dieser Truppe zuzurechnen sein. Sein Ehepartner ist in einem solchen Falle kein „Angehöriger des zivilen Gefolges” und demzufolge auch nicht vom Anspruch auf Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz ausgeschlossen.
2) Zur Unbeachtlichkeit des Status als „Angehöriger eines Mitglieds des zivilen Gefolges” nach Beendigung einer im Inland ausgeübten sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung.
2) Zur Unbeachtlichkeit des Status als „Angehöriger eines Mitglieds des zivilen Gefolges” nach Beendigung einer im Inland ausgeübten sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung.
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 31. Oktober 1986 aufgehoben. Unter Aufhebung des Bescheids vom 12. Januar 1984 und des Widerspruchsbescheides vom 10. Februar 1984 wird die Beklagte verurteilt, der Klägerin für ihre Kinder N. und P. ab Juli 1983 Kindergeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
II. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin für ihre Kinder ab Juli 1983 Kindergeld zusteht.
Die Klägerin ist 1939 geboren. Sie ist deutsche Staatsangehörige. Die Klägerin ist seit dem 30. April 1963 mit dem 1939 geborenen US-amerikanischen Staatsangehörigen J. R. verheiratet. Aus dieser Ehe sind die Kinder N. (geb. 1974) und P. (geb. 1980) hervorgegangen. Beide Kinder besitzen die deutsche Staatsangehörigkeit; sie besuchen in B. die deutsche Gesamtschule. Die Eheleute R. leben mit ihren Kindern seit ihrer Heirat ohne Unterbrechung in der Bundesrepublik Deutschland. Seit 1974 besitzen sie in B. ein eigen genutztes Einfamilienhaus.
Der Ehemann der Klägerin gehörte bis 1962 der US-Army an; er war zuletzt in der Bundesrepublik Deutschland stationiert. Nach Beendigung der Dienstzeit in der US-Army verblieb der Ehemann der Klägerin in der Bundesrepublik Deutschland. Hier war er zunächst bis Juni 1963 bei Firma W. GmbH in B. beschäftigt. Anschließend arbeitete er als Zivilangestellter zunächst im N. in B. und seit 1972 bei der "A. (AAFES)”. Durch die "A.” wird der Bedarf der Mitglieder der US-Army und ihrer Angehörigen in Europa mit nichtmilitärischen Gütern und Bedarfsgegenständen gedeckt. Der Ehemann der Klägerin erhält sein Gehalt in US-Dollar; er entrichtet Steuern zugunsten der US-amerikanischen Steuerbehörde. Der Reisepaß des Ehemannes der Klägerin enthält einen durch eine US-amerikanische Dienststelle angebrachten Stempelaufdruck/der ihn als Mitglied der Truppe bzw. des zivilen Gefolges der Truppen der USA ausweist. Kindergeld oder andere kindergeldähnliche Leistungen erhält weder er noch die Klägerin von AAFES bzw. anderen US-amerikanischen Stellen.
Die Klägerin war zwischen März 1967 und April 1981 als Kantinenhilfe sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Im Anschluß an dieses Arbeitsverhältnis bezog sie bis zur Anspruchserschöpfung am 25. Mai 1982 Arbeitslosengeld. Nach Ablauf des
Arbeitslosengeldbezugs war sie beim zuständigen Arbeitsamt zunächst nicht wieder als arbeitssuchend gemeldet. Dies geschah erstmals wieder ab dem 21. Januar 1988.
Bis Februar 1983 bezog die Klägerin von der Beklagten Kindergeld. Durch Bescheid vom 14. Juli 1983 wurde die Kindergeldbewilligung ab März 1983 aufgehoben.
Mit Schreiben vom 13. Dezember 1983 beantragte die Klägerin erneut Kindergeld für ihre Kinder N. und P. Durch Bescheid vom 12. Januar 1984 wurde dieser Antrag von der Beklagten abgelehnt. Der dagegen erhobene Widerspruch wurde durch Widerspruchsbescheid vom 10. Februar 1984 zurückgewiesen. Im Widerspruchsbescheid wurde ausgeführt, der Klägerin stehe kein Kindergeldanspruch zu, da nach Artikel 13 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut die Bestimmungen über soziale Sicherheit – und damit auch das Bundeskindergeldgesetz – für Mitglieder des zivilen Gefolges einer im Bundesgebiet stationierten Truppe der NATO-Streitkräfte grundsätzlich keine Anwendung fänden. Zu den "Angehörigen” im Sinne dieser Bestimmungen gehörten auch der Ehegatte des Mitglieds des zivilen Gefolges und die dem Mitglied gegenüber unterhaltsberechtigten Kinder. Die Klägerin und deren Kinder seien deshalb von der Kindergeldgewährung ausgeschlossen.
Am 18. Februar 1984 hat die Klägerin dagegen Klage erhoben. Durch Urteil vom 31. Oktober 1986, das der Klägerin am 9. Dezember 1986 zugestellt wurde, hat das Sozialgericht Darmstadt die Klage abgewiesen. Das Sozialgericht hat die Auffassung vertreten, in Übereinstimmung mit der Meinung der Beklagten sei der Ehemann der Klägerin als Mitglied des zivilen Gefolges der US-Streitkräfte anzusehen, so daß ihr kein Kindergeld zu stehe. Eine entsprechende Eintragung, die in seinem Reisepaß enthalten gewesen war, sei für das Gericht grundsätzlich als verbindlich anzusehen gewesen. Daß die Statuseintragung nach erfolgter Eintragung wieder gelöscht worden sei, sei demgegenüber unbeachtlich. Die Regel, wonach die Eintragung im Paß grundsätzlich als verbindlich anzusehen sei, könne insoweit nämlich nicht gelten, da die Klägerin nicht dargelegt habe, wann diese Löschung erfolgt sei, welche Stelle sie vorgenommen habe und aus welchem Grund es zu einer solchen Löschung gekommen sei. Im übrigen werde der Ehemann der Klägerin im steuerrechtlichen Sinne als "Mitglied des zivilen Gefolges” behandelt. Für das Kindergeldrecht könne deshalb nichts anderes gelten. Auch verfassungsrechtliche Gesichtspunkte stünden dem Ausschluß der Kindergeldgewährung nicht entgegen.
Mit ihrer am 19. Dezember 1986 eingelegten Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie ist der Meinung, ihr Ehemann gehöre nicht dem zivilen Gefolge der US-Army an, da er seit seiner Entlassung aus der US-Army seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort in der Bundesrepublik Deutschland gehabt habe. Ganz unabhängig davon stehe ihr jedoch Kindergeld deshalb zu, weil es eine nicht vertretbare Diskriminierung der Eheschließung darstelle, wenn sie von der Kindergeldgewährung ausgeschlossen würde. Es sei im übrigen nicht einzusehen, weshalb ihr Kindergeld zustehen solle, solange sie arbeite und infolge ihres Einkommens Barunterhalt und Naturalunterhalt gleichermaßen wie ihr Ehemann für die gemeinsamen Kinder leiste, während ein solcher Anspruch auf Kindergeld nicht mehr bestehen solle, wenn sie lediglich noch den Naturalunterhalt für ihre Kinder erbringe.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 31. Oktober 1986 sowie den Bescheid vom 12. Januar 1984 und den Widerspruchsbescheid vom 10. Februar 1984 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab Juli 1983 für ihre Kinder N. und P. Kindergeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält die sozialgerichtliche Entscheidung für zutreffend. Sie geht weiterhin davon aus, daß die Klägerin Angehörige eines Mitglieds des zivilen Gefolges der NATO-Streitkräfte im Sinne von Artikel 1 des NATO-Truppenstatuts sei. Eine Anwendung der Bestimmungen über soziale Sicherheit komme demnach bei der Klägerin nicht in Betracht.
Bei der A. wurde vom Gericht eine Auskunft zur Frage des dem Ehemann der Klägerin zugemessenen Status eingeholt. In ihrer Auskunft vom 24. Juni 1988 teilte AAFES mit, der Ehemann der Klägerin werde als Mitglied des zivilen Gefolges betrachtet und nicht als Arbeitnehmer im Sinne von Artikel 56 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird im übrigen Bezug genommen auf den gesamten weiteren Inhalt der Gerichtsakte sowie die beigezogene Kindergeldakte der Beklagten (KG-Nr. yyyyy) und die ebenfalls beigezogene Leistungsakte des Arbeitsamtes X. über den Bezug von Arbeitslosengeld (St.Nr. xxxxx).
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 150 Nr. 1, 151 Sozialgerichtsgesetz –SGG–) ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach §§ 144 ff. SGG, § 27 Abs. 2 Bundeskindergeldgesetz (BKGG) bestehen nicht.
Die Berufung ist auch sachlich begründet. Der Klägerin steht aufgrund ihres Antrags vom 13. Dezember 1983 Kindergeld für die Zeit ab Juli 1983 – entsprechend dem im erstinstanzlichen Verfahren eingeschränkten Begehren – für ihre Kinder N. und P. zu. Die entgegenstehenden Bescheide der Beklagten sowie das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt waren demzufolge aufzuheben.
Dies ergibt sich aus § 1 Nr. 1 BKGG. Danach ist ein Kindergeldanspruch – bei Vorliegen der übrigen, hier nicht umstrittenen Voraussetzungen – insbesondere dann gegeben, wenn der Kindergeldberechtigte seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich des Bundeskindergeldgesetzes hat. Dies ist bei der Klägerin der Fall; die Klägerin hat hier sowohl ihren Wohnsitz als auch ihren gewöhnlichen Aufenthalt (§ 30 Abs. 1 und Abs. 3 Sozialgesetzbuch I – SGB I –). Da der Wohnsitz und gewöhnliche Aufenthalt ihrer Kinder N. und P. gleichfalls im Geltungsbereich des Bundeskindergeldgesetzes liegt, schließt auch § 2 Abs. 5 BKGG den geltend gemachten Kindergeldanspruch nicht aus.
Auch über- und zwischenstaatliches Recht (§ 30 Abs. 2 SGB I) steht der Anwendung dieser kindergeldrechtlichen Bestimmungen nicht entgegen. Insbesondere hindern die Regelungen des NATO-Truppenstatuts vom 19. Juni 1951 (BGBl. II 1961, S. 1190) und des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut vom 3. August 1959 (BGBl. II 1961, S. 1218) in der Fassung vom 21. Oktober 1971 (BGBl. II 1973, S. 1022) die Anwendbarkeit des Bundeskindergeldgesetzes bzw. des § 30 Abs. 1 SGB I nicht.
Zwar wird nach Art. 13 des Zusatzabkommens die Anwendung der im Bundesgebiet geltenden Bestimmungen über soziale Sicherheit und Fürsorge für Mitglieder einer Truppe, eines zivilen Gefolges sowie deren Angehörige grundsätzlich ausgeschlossen. Der Ehemann der Klägerin ist indes – entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung – nicht als Mitglied des "zivilen Gefolges” im Sinne von Art. 1 Abs. 1 b des NATO-Truppenstatuts anzusehen. Daraus folgt zugleich, daß die Klägerin selbst nicht zum Kreis der "Angehörigen” i.S.v. Art. 1 Abs. 1 c des NATO-Truppenstatus gehört. Ein Ausschluß der Anwendung der Bestimmungen des Bundeskindergeldgesetzes nach Art. 13 Abs. 1 Satz 1 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut kommt deshalb nicht in Betracht.
Zwar gehört der "A.” nach dem Unterzeichnungsprotokoll zum Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut vom 3. August 1959 (BGBl. 1961, S. 1313) gemäß Teil I Abs. 4 a II dieses Protokolls zu Art. I Abs. 1 a NATO-Truppenstatut zu den Organisationen mit haushaltsrechtlichem Sondervermögen, die als Bestandteil der US-amerikanischen Truppe anzusehen sind. Der Ehemann der Klägerin, der bei AAFES als Zivilangestellter tätig ist, ist allerdings trotz seiner US-Staatsangehörigkeit deshalb nicht dem zivilen Gefolge zugehörig anzusehen, weil er seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hat. Dieser Personenkreis wird von Art. 1 Abs. 1 b des NATO-Truppenstatuts ausdrücklich nicht umfaßt.
Daß der Ehemann der Klägerin seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hat, schließt der Senat insbesondere aus dem Umstand, daß er nach Beendigung seines Dienstes bei der US-Army nicht wieder in die USA zurückgekehrt vielmehr erkennbar auf Dauer hier in der Bundesrepublik Deutschland verblieben ist. Damit liegt eine nicht nur vorübergehende Aufenthaltsbegründung entsprechend § 30 Abs. 3 SGB I – auf den bei der Auslegung des Begriffs des gewöhnlichen Aufenthalts nach Art. 1 Abs. 1 b NATO-Truppenstatut zurückgegriffen werden kann – vor. Gegen ein nur vorübergehendes Verweilen in der Bundesrepublik Deutschland spricht insbesondere die Länge der Zeit, die der Kläger nach Beendigung seines Dienstes in der US-Army hier verblieben ist. Seit Beendigung dieses Dienstes sind bereits mehr als 25 Jahre vergangen, ohne daß der Ehemann der Klägerin die Bundesrepublik zur Veränderung seines Aufenthaltsortes verlassen hatte. Hier in der Bundesrepublik Deutschland hat er unmittelbar nach Beendigung der Militärzeit außerhalb der Stationierungsstreitkräfte bzw. der ihr angeschlossenen Organisationen bei Fa. VDO GmbH eine unzweifelhaft nach deutschem Recht sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt. Hier schließlich hat der Ehemann der Klägerin geheiratet und ein Wohnhaus erworben, das er mit seiner Familie seither bewohnt. Der Wille auf ein dauerhaftes Verbleiben in der Bundesrepublik Deutschland wird auch dadurch ganz nachdrücklich unterstrichen, daß seine Kinder mit seinem Einvernehmen hier die deutsche Gesamtschule besuchen, ein Umstand, durch den – wegen der Verschiedenartigkeit der Schulsysteme – eine Reintegration der Familie der Klägerin in die US-amerikanische Gesellschaft ganz erheblich erschwert werden würde.
Ohne Bedeutung ist demgegenüber, daß der Kläger von AAFES trotz dieser Umstände als Mitglied des zivilen Gefolges angesehen wird und dies von Dienststellen der US-Army auch durch einen entsprechenden Eintrag im Reisepaß kenntlich gemacht worden ist. Denn dieser Eintrag ist im Rahmen der hier vorzunehmenden Überprüfung nicht verbindlich. Die Klärung des Statuts des Ehemannes der Klägerin obliegt als Vortrage vielmehr in vollem Umfang der gerichtlichen Überprüfung durch den Senat (BSG Urteil vom 26. November 1985 – 12 RK 40/83 = SozR 6180 Art. 73 Nr. 1).
Da der Ehemann der Klägerin aufgrund seines gewöhnlichen Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland nicht dem "zivilen Gefolge” im Sinne des NATO-Truppenstatuts zuzurechnen ist, kommt auch der Klägerin kein Status als "Angehörige des Mitglieds des zivilen Gefolges” zu, so daß über- bzw. zwischenstaatliches Recht im Rahmen des NATO-Truppenstatuts dem Kindergeldanspruch der Klägerin nicht entgegensteht.
Selbst wenn man jedoch den Status des Ehemannes der Klägerin als desjenigen eines Mitglieds des "zivilen Gefolges” der US-Stationierungsstreitkräfte ansehen würde – und damit den Status der Klägerin als derjenigen einer "Angehörigen” des Mitglieds des zivilen Gefolges – steht dies dem bestehenden Kindergeldanspruch nicht entgegen.
Denn – wie der Senat bereits entschieden hat (Urteil vom 16. Dezember 1987 – L-6/Kg-761/87) – wurde die Angehörigeneigenschaft für den hier in Frage stehenden Anspruch auf Kindergeld jedenfalls in dem Augenblick unbeachtlich, in dem die Klägerin mit dem 15. März 1967 bei Firma M. GmbH in B. ein Beschäftigungsverhältnis aufnahm. Denn dieses Beschäftigungsverhältnis bestand außerhalb des Rahmens der dem NATO-Truppenstatut zuzurechnenden Betätigungen (vgl. dazu BSG Urteil vom 8. Oktober 1981 – 7 RAr 30/80 = SozR 6180 Art. 13 Nr. 3), so daß insoweit auch die inländischen Bestimmungen über soziale Sicherheit wieder zur Anwendung kamen. In der tatsächlich erfolgten Kindergeldgewährung durch die Beklagte während der Dauer dieses Beschäftigungsverhältnisses hat dies auch hinsichtlich der Anwendbarkeit des Bundeskindergeldgesetzes auf Angehörige von Mitgliedern des zivilen Gefolges von Stationierungsstreitkräften seinen sichtbaren Niederschlag gefunden.
Die dadurch erworbene Rechtsstellung ist der Klägerin nach Beendigung ihrer Tätigkeit bei Firma M. GmbH – jedenfalls bisher – nicht wieder verloren gegangen. Zwar kennt das Bundeskindergeldgesetz keine Anwartschaftsbegründung im eigentlichen Sinne für den Bezug von Kindergeld. Auch die frühere anwartschaftsähnliche Regelung, wie sie zum Beispiel in § 2 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 BKGG in der bis zum 31. Dezember 1978 geltenden Fassung enthalten war, ist zwischenzeitlich weggefallen. Dem Senat erscheint es indes nicht gerechtfertigt, den Bezug des Kindergeldes lediglich für den Zeitraum zuzugestehen, für den – wie das hier geschehen ist – andere Sozialleistungen, wie zum Beispiel das Arbeitslosengeld, tatsächlich gewährt worden sind. Eine solche Anbindung an Anwartschaftsregelungen aus anderen Gesetzen und die darauf beruhende zeitliche Begrenzung des Leistungsanspruchs auf Kindergeld kann nämlich weder aus dem NATO-Truppenstatut noch aus dem Zusatzabkommen abgeleitet werden. Insbesondere läßt sich auch aus Art. 13 Abs. 1 Satz 2 des Zusatzabkommens, der die Aufrechterhaltung von Rechtsansprüchen aus früheren Aufenthalten ermöglicht, eine solche Anbindung nicht ableiten. Der Verlust der – in Bezug auf den Kindergeldanspruch – eingetretenen Rechtsstellung läßt sich nach Auffassung des Senats sachgerecht vielmehr nur an den Zeitpunkt anbinden, an dem der Aufenthalt im Geltungsbereich des Bundeskindergeldgesetzes dadurch endet, daß der "Angehörige” dem NATO-Truppenmitglied oder Mitglied des zivilen Gefolges an einen Ort außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes folgt. Erst zu diesem Zeitpunkt liegt eine Lösung aus dem System der sozialen Sicherheit vor, durch die sich dann auch eine Beendigung des Kindergeldanspruchs rechtfertigen läßt. Der Aufenthalt der Klägerin im Geltungsbereich des Bundeskindergeldgesetzes dauert jedoch nach wie vor auf nicht absehbare Zeit an, so daß auch ein fortdauernder Kindergeldanspruch gegeben ist.
Da der Antrag der Klägerin auf Gewährung von Kindergeld im Dezember 1983 gestellt wurde, steht ihr Kindergeld jedenfalls in dem vorliegend begehrten Umfang nach Maßgabe der gestellten Sachanträge, die in zeitlicher Hinsicht denjenigen in 1. Instanz entsprechen, zu (§ 9 Abs. 2 BKGG). Der Berufung war deshalb in vollem Umfang stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision hat der Senat gemäß § 160 Abs. 2 SGG zugelassen.
II. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin für ihre Kinder ab Juli 1983 Kindergeld zusteht.
Die Klägerin ist 1939 geboren. Sie ist deutsche Staatsangehörige. Die Klägerin ist seit dem 30. April 1963 mit dem 1939 geborenen US-amerikanischen Staatsangehörigen J. R. verheiratet. Aus dieser Ehe sind die Kinder N. (geb. 1974) und P. (geb. 1980) hervorgegangen. Beide Kinder besitzen die deutsche Staatsangehörigkeit; sie besuchen in B. die deutsche Gesamtschule. Die Eheleute R. leben mit ihren Kindern seit ihrer Heirat ohne Unterbrechung in der Bundesrepublik Deutschland. Seit 1974 besitzen sie in B. ein eigen genutztes Einfamilienhaus.
Der Ehemann der Klägerin gehörte bis 1962 der US-Army an; er war zuletzt in der Bundesrepublik Deutschland stationiert. Nach Beendigung der Dienstzeit in der US-Army verblieb der Ehemann der Klägerin in der Bundesrepublik Deutschland. Hier war er zunächst bis Juni 1963 bei Firma W. GmbH in B. beschäftigt. Anschließend arbeitete er als Zivilangestellter zunächst im N. in B. und seit 1972 bei der "A. (AAFES)”. Durch die "A.” wird der Bedarf der Mitglieder der US-Army und ihrer Angehörigen in Europa mit nichtmilitärischen Gütern und Bedarfsgegenständen gedeckt. Der Ehemann der Klägerin erhält sein Gehalt in US-Dollar; er entrichtet Steuern zugunsten der US-amerikanischen Steuerbehörde. Der Reisepaß des Ehemannes der Klägerin enthält einen durch eine US-amerikanische Dienststelle angebrachten Stempelaufdruck/der ihn als Mitglied der Truppe bzw. des zivilen Gefolges der Truppen der USA ausweist. Kindergeld oder andere kindergeldähnliche Leistungen erhält weder er noch die Klägerin von AAFES bzw. anderen US-amerikanischen Stellen.
Die Klägerin war zwischen März 1967 und April 1981 als Kantinenhilfe sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Im Anschluß an dieses Arbeitsverhältnis bezog sie bis zur Anspruchserschöpfung am 25. Mai 1982 Arbeitslosengeld. Nach Ablauf des
Arbeitslosengeldbezugs war sie beim zuständigen Arbeitsamt zunächst nicht wieder als arbeitssuchend gemeldet. Dies geschah erstmals wieder ab dem 21. Januar 1988.
Bis Februar 1983 bezog die Klägerin von der Beklagten Kindergeld. Durch Bescheid vom 14. Juli 1983 wurde die Kindergeldbewilligung ab März 1983 aufgehoben.
Mit Schreiben vom 13. Dezember 1983 beantragte die Klägerin erneut Kindergeld für ihre Kinder N. und P. Durch Bescheid vom 12. Januar 1984 wurde dieser Antrag von der Beklagten abgelehnt. Der dagegen erhobene Widerspruch wurde durch Widerspruchsbescheid vom 10. Februar 1984 zurückgewiesen. Im Widerspruchsbescheid wurde ausgeführt, der Klägerin stehe kein Kindergeldanspruch zu, da nach Artikel 13 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut die Bestimmungen über soziale Sicherheit – und damit auch das Bundeskindergeldgesetz – für Mitglieder des zivilen Gefolges einer im Bundesgebiet stationierten Truppe der NATO-Streitkräfte grundsätzlich keine Anwendung fänden. Zu den "Angehörigen” im Sinne dieser Bestimmungen gehörten auch der Ehegatte des Mitglieds des zivilen Gefolges und die dem Mitglied gegenüber unterhaltsberechtigten Kinder. Die Klägerin und deren Kinder seien deshalb von der Kindergeldgewährung ausgeschlossen.
Am 18. Februar 1984 hat die Klägerin dagegen Klage erhoben. Durch Urteil vom 31. Oktober 1986, das der Klägerin am 9. Dezember 1986 zugestellt wurde, hat das Sozialgericht Darmstadt die Klage abgewiesen. Das Sozialgericht hat die Auffassung vertreten, in Übereinstimmung mit der Meinung der Beklagten sei der Ehemann der Klägerin als Mitglied des zivilen Gefolges der US-Streitkräfte anzusehen, so daß ihr kein Kindergeld zu stehe. Eine entsprechende Eintragung, die in seinem Reisepaß enthalten gewesen war, sei für das Gericht grundsätzlich als verbindlich anzusehen gewesen. Daß die Statuseintragung nach erfolgter Eintragung wieder gelöscht worden sei, sei demgegenüber unbeachtlich. Die Regel, wonach die Eintragung im Paß grundsätzlich als verbindlich anzusehen sei, könne insoweit nämlich nicht gelten, da die Klägerin nicht dargelegt habe, wann diese Löschung erfolgt sei, welche Stelle sie vorgenommen habe und aus welchem Grund es zu einer solchen Löschung gekommen sei. Im übrigen werde der Ehemann der Klägerin im steuerrechtlichen Sinne als "Mitglied des zivilen Gefolges” behandelt. Für das Kindergeldrecht könne deshalb nichts anderes gelten. Auch verfassungsrechtliche Gesichtspunkte stünden dem Ausschluß der Kindergeldgewährung nicht entgegen.
Mit ihrer am 19. Dezember 1986 eingelegten Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie ist der Meinung, ihr Ehemann gehöre nicht dem zivilen Gefolge der US-Army an, da er seit seiner Entlassung aus der US-Army seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort in der Bundesrepublik Deutschland gehabt habe. Ganz unabhängig davon stehe ihr jedoch Kindergeld deshalb zu, weil es eine nicht vertretbare Diskriminierung der Eheschließung darstelle, wenn sie von der Kindergeldgewährung ausgeschlossen würde. Es sei im übrigen nicht einzusehen, weshalb ihr Kindergeld zustehen solle, solange sie arbeite und infolge ihres Einkommens Barunterhalt und Naturalunterhalt gleichermaßen wie ihr Ehemann für die gemeinsamen Kinder leiste, während ein solcher Anspruch auf Kindergeld nicht mehr bestehen solle, wenn sie lediglich noch den Naturalunterhalt für ihre Kinder erbringe.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 31. Oktober 1986 sowie den Bescheid vom 12. Januar 1984 und den Widerspruchsbescheid vom 10. Februar 1984 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab Juli 1983 für ihre Kinder N. und P. Kindergeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält die sozialgerichtliche Entscheidung für zutreffend. Sie geht weiterhin davon aus, daß die Klägerin Angehörige eines Mitglieds des zivilen Gefolges der NATO-Streitkräfte im Sinne von Artikel 1 des NATO-Truppenstatuts sei. Eine Anwendung der Bestimmungen über soziale Sicherheit komme demnach bei der Klägerin nicht in Betracht.
Bei der A. wurde vom Gericht eine Auskunft zur Frage des dem Ehemann der Klägerin zugemessenen Status eingeholt. In ihrer Auskunft vom 24. Juni 1988 teilte AAFES mit, der Ehemann der Klägerin werde als Mitglied des zivilen Gefolges betrachtet und nicht als Arbeitnehmer im Sinne von Artikel 56 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird im übrigen Bezug genommen auf den gesamten weiteren Inhalt der Gerichtsakte sowie die beigezogene Kindergeldakte der Beklagten (KG-Nr. yyyyy) und die ebenfalls beigezogene Leistungsakte des Arbeitsamtes X. über den Bezug von Arbeitslosengeld (St.Nr. xxxxx).
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 150 Nr. 1, 151 Sozialgerichtsgesetz –SGG–) ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach §§ 144 ff. SGG, § 27 Abs. 2 Bundeskindergeldgesetz (BKGG) bestehen nicht.
Die Berufung ist auch sachlich begründet. Der Klägerin steht aufgrund ihres Antrags vom 13. Dezember 1983 Kindergeld für die Zeit ab Juli 1983 – entsprechend dem im erstinstanzlichen Verfahren eingeschränkten Begehren – für ihre Kinder N. und P. zu. Die entgegenstehenden Bescheide der Beklagten sowie das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt waren demzufolge aufzuheben.
Dies ergibt sich aus § 1 Nr. 1 BKGG. Danach ist ein Kindergeldanspruch – bei Vorliegen der übrigen, hier nicht umstrittenen Voraussetzungen – insbesondere dann gegeben, wenn der Kindergeldberechtigte seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich des Bundeskindergeldgesetzes hat. Dies ist bei der Klägerin der Fall; die Klägerin hat hier sowohl ihren Wohnsitz als auch ihren gewöhnlichen Aufenthalt (§ 30 Abs. 1 und Abs. 3 Sozialgesetzbuch I – SGB I –). Da der Wohnsitz und gewöhnliche Aufenthalt ihrer Kinder N. und P. gleichfalls im Geltungsbereich des Bundeskindergeldgesetzes liegt, schließt auch § 2 Abs. 5 BKGG den geltend gemachten Kindergeldanspruch nicht aus.
Auch über- und zwischenstaatliches Recht (§ 30 Abs. 2 SGB I) steht der Anwendung dieser kindergeldrechtlichen Bestimmungen nicht entgegen. Insbesondere hindern die Regelungen des NATO-Truppenstatuts vom 19. Juni 1951 (BGBl. II 1961, S. 1190) und des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut vom 3. August 1959 (BGBl. II 1961, S. 1218) in der Fassung vom 21. Oktober 1971 (BGBl. II 1973, S. 1022) die Anwendbarkeit des Bundeskindergeldgesetzes bzw. des § 30 Abs. 1 SGB I nicht.
Zwar wird nach Art. 13 des Zusatzabkommens die Anwendung der im Bundesgebiet geltenden Bestimmungen über soziale Sicherheit und Fürsorge für Mitglieder einer Truppe, eines zivilen Gefolges sowie deren Angehörige grundsätzlich ausgeschlossen. Der Ehemann der Klägerin ist indes – entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung – nicht als Mitglied des "zivilen Gefolges” im Sinne von Art. 1 Abs. 1 b des NATO-Truppenstatuts anzusehen. Daraus folgt zugleich, daß die Klägerin selbst nicht zum Kreis der "Angehörigen” i.S.v. Art. 1 Abs. 1 c des NATO-Truppenstatus gehört. Ein Ausschluß der Anwendung der Bestimmungen des Bundeskindergeldgesetzes nach Art. 13 Abs. 1 Satz 1 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut kommt deshalb nicht in Betracht.
Zwar gehört der "A.” nach dem Unterzeichnungsprotokoll zum Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut vom 3. August 1959 (BGBl. 1961, S. 1313) gemäß Teil I Abs. 4 a II dieses Protokolls zu Art. I Abs. 1 a NATO-Truppenstatut zu den Organisationen mit haushaltsrechtlichem Sondervermögen, die als Bestandteil der US-amerikanischen Truppe anzusehen sind. Der Ehemann der Klägerin, der bei AAFES als Zivilangestellter tätig ist, ist allerdings trotz seiner US-Staatsangehörigkeit deshalb nicht dem zivilen Gefolge zugehörig anzusehen, weil er seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hat. Dieser Personenkreis wird von Art. 1 Abs. 1 b des NATO-Truppenstatuts ausdrücklich nicht umfaßt.
Daß der Ehemann der Klägerin seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hat, schließt der Senat insbesondere aus dem Umstand, daß er nach Beendigung seines Dienstes bei der US-Army nicht wieder in die USA zurückgekehrt vielmehr erkennbar auf Dauer hier in der Bundesrepublik Deutschland verblieben ist. Damit liegt eine nicht nur vorübergehende Aufenthaltsbegründung entsprechend § 30 Abs. 3 SGB I – auf den bei der Auslegung des Begriffs des gewöhnlichen Aufenthalts nach Art. 1 Abs. 1 b NATO-Truppenstatut zurückgegriffen werden kann – vor. Gegen ein nur vorübergehendes Verweilen in der Bundesrepublik Deutschland spricht insbesondere die Länge der Zeit, die der Kläger nach Beendigung seines Dienstes in der US-Army hier verblieben ist. Seit Beendigung dieses Dienstes sind bereits mehr als 25 Jahre vergangen, ohne daß der Ehemann der Klägerin die Bundesrepublik zur Veränderung seines Aufenthaltsortes verlassen hatte. Hier in der Bundesrepublik Deutschland hat er unmittelbar nach Beendigung der Militärzeit außerhalb der Stationierungsstreitkräfte bzw. der ihr angeschlossenen Organisationen bei Fa. VDO GmbH eine unzweifelhaft nach deutschem Recht sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt. Hier schließlich hat der Ehemann der Klägerin geheiratet und ein Wohnhaus erworben, das er mit seiner Familie seither bewohnt. Der Wille auf ein dauerhaftes Verbleiben in der Bundesrepublik Deutschland wird auch dadurch ganz nachdrücklich unterstrichen, daß seine Kinder mit seinem Einvernehmen hier die deutsche Gesamtschule besuchen, ein Umstand, durch den – wegen der Verschiedenartigkeit der Schulsysteme – eine Reintegration der Familie der Klägerin in die US-amerikanische Gesellschaft ganz erheblich erschwert werden würde.
Ohne Bedeutung ist demgegenüber, daß der Kläger von AAFES trotz dieser Umstände als Mitglied des zivilen Gefolges angesehen wird und dies von Dienststellen der US-Army auch durch einen entsprechenden Eintrag im Reisepaß kenntlich gemacht worden ist. Denn dieser Eintrag ist im Rahmen der hier vorzunehmenden Überprüfung nicht verbindlich. Die Klärung des Statuts des Ehemannes der Klägerin obliegt als Vortrage vielmehr in vollem Umfang der gerichtlichen Überprüfung durch den Senat (BSG Urteil vom 26. November 1985 – 12 RK 40/83 = SozR 6180 Art. 73 Nr. 1).
Da der Ehemann der Klägerin aufgrund seines gewöhnlichen Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland nicht dem "zivilen Gefolge” im Sinne des NATO-Truppenstatuts zuzurechnen ist, kommt auch der Klägerin kein Status als "Angehörige des Mitglieds des zivilen Gefolges” zu, so daß über- bzw. zwischenstaatliches Recht im Rahmen des NATO-Truppenstatuts dem Kindergeldanspruch der Klägerin nicht entgegensteht.
Selbst wenn man jedoch den Status des Ehemannes der Klägerin als desjenigen eines Mitglieds des "zivilen Gefolges” der US-Stationierungsstreitkräfte ansehen würde – und damit den Status der Klägerin als derjenigen einer "Angehörigen” des Mitglieds des zivilen Gefolges – steht dies dem bestehenden Kindergeldanspruch nicht entgegen.
Denn – wie der Senat bereits entschieden hat (Urteil vom 16. Dezember 1987 – L-6/Kg-761/87) – wurde die Angehörigeneigenschaft für den hier in Frage stehenden Anspruch auf Kindergeld jedenfalls in dem Augenblick unbeachtlich, in dem die Klägerin mit dem 15. März 1967 bei Firma M. GmbH in B. ein Beschäftigungsverhältnis aufnahm. Denn dieses Beschäftigungsverhältnis bestand außerhalb des Rahmens der dem NATO-Truppenstatut zuzurechnenden Betätigungen (vgl. dazu BSG Urteil vom 8. Oktober 1981 – 7 RAr 30/80 = SozR 6180 Art. 13 Nr. 3), so daß insoweit auch die inländischen Bestimmungen über soziale Sicherheit wieder zur Anwendung kamen. In der tatsächlich erfolgten Kindergeldgewährung durch die Beklagte während der Dauer dieses Beschäftigungsverhältnisses hat dies auch hinsichtlich der Anwendbarkeit des Bundeskindergeldgesetzes auf Angehörige von Mitgliedern des zivilen Gefolges von Stationierungsstreitkräften seinen sichtbaren Niederschlag gefunden.
Die dadurch erworbene Rechtsstellung ist der Klägerin nach Beendigung ihrer Tätigkeit bei Firma M. GmbH – jedenfalls bisher – nicht wieder verloren gegangen. Zwar kennt das Bundeskindergeldgesetz keine Anwartschaftsbegründung im eigentlichen Sinne für den Bezug von Kindergeld. Auch die frühere anwartschaftsähnliche Regelung, wie sie zum Beispiel in § 2 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 BKGG in der bis zum 31. Dezember 1978 geltenden Fassung enthalten war, ist zwischenzeitlich weggefallen. Dem Senat erscheint es indes nicht gerechtfertigt, den Bezug des Kindergeldes lediglich für den Zeitraum zuzugestehen, für den – wie das hier geschehen ist – andere Sozialleistungen, wie zum Beispiel das Arbeitslosengeld, tatsächlich gewährt worden sind. Eine solche Anbindung an Anwartschaftsregelungen aus anderen Gesetzen und die darauf beruhende zeitliche Begrenzung des Leistungsanspruchs auf Kindergeld kann nämlich weder aus dem NATO-Truppenstatut noch aus dem Zusatzabkommen abgeleitet werden. Insbesondere läßt sich auch aus Art. 13 Abs. 1 Satz 2 des Zusatzabkommens, der die Aufrechterhaltung von Rechtsansprüchen aus früheren Aufenthalten ermöglicht, eine solche Anbindung nicht ableiten. Der Verlust der – in Bezug auf den Kindergeldanspruch – eingetretenen Rechtsstellung läßt sich nach Auffassung des Senats sachgerecht vielmehr nur an den Zeitpunkt anbinden, an dem der Aufenthalt im Geltungsbereich des Bundeskindergeldgesetzes dadurch endet, daß der "Angehörige” dem NATO-Truppenmitglied oder Mitglied des zivilen Gefolges an einen Ort außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes folgt. Erst zu diesem Zeitpunkt liegt eine Lösung aus dem System der sozialen Sicherheit vor, durch die sich dann auch eine Beendigung des Kindergeldanspruchs rechtfertigen läßt. Der Aufenthalt der Klägerin im Geltungsbereich des Bundeskindergeldgesetzes dauert jedoch nach wie vor auf nicht absehbare Zeit an, so daß auch ein fortdauernder Kindergeldanspruch gegeben ist.
Da der Antrag der Klägerin auf Gewährung von Kindergeld im Dezember 1983 gestellt wurde, steht ihr Kindergeld jedenfalls in dem vorliegend begehrten Umfang nach Maßgabe der gestellten Sachanträge, die in zeitlicher Hinsicht denjenigen in 1. Instanz entsprechen, zu (§ 9 Abs. 2 BKGG). Der Berufung war deshalb in vollem Umfang stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision hat der Senat gemäß § 160 Abs. 2 SGG zugelassen.
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