Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 17 J 1530/88
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 11 J 213/93
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 16. Dezember 1992 aufgehoben und die Klage in vollem Umfang abgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Weitergewährung von Waisenrente während des Besuchs einer Berufsschule für Mädchen.
Die Klägerin, eine am -.-.1963 geborene türkische Staatsangehörige, ist die Tochter des 1977 verstorbenen Versicherten A. A. (A) ‚ der ebenfalls türkischer Staatsangehöriger war. Die Beklagte gewährte der damals bei ihrer Mutter in der Türkei wohnhaften Klägerin Waisenrente. Durch Bescheid vom 13. August 1987 entzog die Beklagte die Waisenrente mit Ablauf des Monats Juni 1987, weil die Voraussetzungen für die Leistungsgewährung nicht mehr vorlägen.
Mit am 20. November 1987 bei der Beklagten eingegangenem Schreiben vom 16. November 1987 beantragte die Klägerin die Weitergewährung der Waisenrente. Dem Antrag war beigefügt die Bescheinigung einer türkischen Schule, wonach die Klägerin als ordentliche Schülerin regelmäßig die Schule besuchte. Aufgrund eines Auskunftsersuchens war der Beklagten mit Schreiben vom 16. November 1987 mitgeteilt worden, daß die Klägerin seit dem 21. September 1987 das Ausbildungsinstitut "Kiz Meslek Lisesine bagli Pratik Kiz Sarat okulu" in AM. besuche; voraussichtliches Ende der Ausbildung sei am 17. Juni 1988. Eine regelmäßige Unterrichtszeit wurde für Montag bis Freitag bescheinigt. Mit Bescheid vom 24. Februar 1988 lehnte die Beklagte den Antrag auf Weitergewährung der Waisenrente ab. Über das 18. Lebensjahr hinaus werde Waisenrente längstens nur bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres für ein Kind gewährt, das sich in Schul- oder Berufsausbildung befinde, das ein freiwilliges soziales Jahr im Sinne des Gesetzes zur Förderung eines freiwilligen sozialen Jahres leiste oder das in Folge körperlicher oder geistiger Gebrechen außerstande sei, sich selbst zu unterhalten. Im Falle der Klägerin sei die Berufsausbildung an der praktischen Berufsschule für Mädchen in AM. keine Schulausbildung im Sinne deutscher Gesetzesvorschriften. Eine planmäßige Ausbildung finde nicht statt, da es im Belieben der Schüler gestellt sei, an welchen Kursen sie teilnähmen und wie lange sie die Schule besuchten. Ein bestimmtes Ausbildungsziel werde durch die Kurse nicht angestrebt.
Auf die hiergegen am 24. März 1988 erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) Frankfurt am Main den Bescheid vom 24. Februar 1988 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin Waisenrente für die Zeit vom 1. November 1987 bis zum 29. Februar 1988 zu gewähren; im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, ausweislich der - vom SG eingeholten - Auskunft der Berufsschule für Mädchen in AM. vom 15. Mai 1992 habe die Klägerin in der Zeit von September 1985 bis April 1988 (mit Lücken) Schul- bzw. Berufsausbildung im Sinne des vorliegend noch anwendbaren - § 1267 Abs. 1 Satz 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) absolviert. Auf eine fehlende straffe Organisation des Unterrichtsangebotes komme es nicht an. Dies gelte insbesondere auch im Hinblick auf eine fehlende Präsenzpflicht des Schülers. Die genannte Vorschrift erfasse nicht nur herkömmliche oder rechtlich geordnete und förmliche Ausbildungsverhältnisse; vielmehr unterliege die Beantwortung der Frage, ob Ausbildung im Sinne des § 1267 Abs. 1 Satz 1 RVO gegeben sei, einer besonderen sozialrechtlichen Wertung, wobei die Bedürfnisse der jeweiligen Zeitverhältnisse, der jeweiligen wirtschaftlichen Entwicklung sowie der sozio-kulturellen Besonderheiten im Heimatland der Waise zu berücksichtigen seien. Zeit und Arbeitskraft der Klägerin seien durch die Ausbildung auch überwiegend in Anspruch genommen worden. Augrund der eingeholten Auskunft stehe fest, daß sie u.a. in der Zeit vom 1. November 1987 bis zum 29. Februar 1988 zwei Kurse gleichzeitig besucht habe. Daraus ergebe sich unter Einberechnung der aufgewandten Zeit für Hausaufgaben von 2 Stunden täglich sowie des Zeitaufwandes für den Schulweg von 2 Stunden täglich insgesamt eine Wochenbelastung von 36 Stunden. Zwar seien Kurse in der Zeit ab September 1987 bis zum April 1988 bescheinigt worden. Gleichwohl könne die Waisenrente nicht bereits ab dem 1. September 1987 zugesprochen werden, weil die Rente nur vom Beginn des Monats, in dem der Weitergewährungsantrag gestellt worden sei, gewährt werden könne. Die Rente falle mit Ablauf des Monats weg, in dem die Voraussetzungen für die Gewährung entfallen seien. Dies sei hier der Februar 1988, weil die Klägerin ihr 25. Lebensjahr am 15. Februar 1988 vollendet habe. Mithin stehe der Klägerin die begehrte Waisenrente lediglich für die Zeit vom 1. November 1987 bis zum 29. Februar 1988 zu.
Gegen dieses ihr am 26. Februar 1993 zugestellte Urteil wendet sich die Beklagte, die im Klageverfahren bereits auf das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts (LSG) vom 25. September 1986 L-16/Ar-0358/83 hingewiesen hat, mit der am 10. März 1993 eingegangenen - und vom SG zugelassenen - Berufung. Sie macht geltend, daß aus der Schulbescheinigung vom 15. Mai 1992 zwar hervorgehe, welche Kurse belegt worden seien. Dies besage aber nichts, weil aus der Bescheinigung eindeutig ersichtlich sei, daß die Teilnahme an den Kursen freigestellt gewesen und daß keine Prüfungen abgelegt worden seien. Eine generelle Gewähr für eine dem herkömmlichen Schulbesuch vergleichbare Tätigkeit und Regelmäßigkeit der Ausbildung habe nicht bestanden. Vielmehr sei es allein der Verantwortung der Teilnehmerin überlassen und somit in ihr Belieben gestellt gewesen, wie lange sie die Schule besuche und an welchen Kursen sie teilnehme. Ein bestimmtes Ausbildungsziel sei dabei nicht angestrebt worden. Bei den Berufsschulen für Mädchen in der Türkei handele es sich um sog. Erwachsenen-Schulen mit freien Gestaltungsmöglichkeiten. Lt. Bescheinigung vom 15. Mai 1992 sei die erste Kurseintragung vom 13. September 1985. Die Klägerin habe mithin im 23. Lebensjahr mit den Kursen begonnen. Es fehle die Angabe, ob sie bei allen Kursen stets anwesend gewesen sei. Aus der Bescheinigung könne geschlossen werden, daß an der Schule keine Aufschreibungen über die tatsächliche Anwesenheit der Schülerin geführt worden seien, weil - wie schon erwähnt - die Kursteilnahme freigestellt gewesen sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 16. Dezember 1992 aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Im übrigen wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten auf den Inhalt der Akten der Beklagten und der Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist begründet. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Waisenrente nicht zu. Sie befand sich in der Zeit vom 1. November 1987 bis zum 29. Februar 1988 nicht in Schul- oder Berufsausbildung.
Nach § 1267 Abs. 1 Satz 1 RVO erhalten Waisenrente nach dem Tode des Versicherten seine Kinder bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres. Bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres wird die Waisenrente (längstens) für ein Kind gewährt, das sich in Schul- oder Berufsausbildung befindet, das ein freiwilliges soziales Jahr im Sinne des Gesetzes zur Förderung eines freiwilligen sozialen Jahres leistet oder das infolge körperlicher oder geistiger Gebrechen außerstande ist, sich selbst zu unterhalten (§ 1267 Abs. 1 Satz 2 RVO). Aufgrund dieser Regelung, die gemäß § 300 Abs. 2 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches - Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) weiterhin anzuwenden ist, steht der Klägerin, die bereits 1981 das 18. Lebensjahr vollendet hatte, keine Waisenrente für die Zeit des Besuchs der Berufsschule für Mädchen in AM. zu.
Anknüpfend an die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 25. November 1976 - 11 RA 146/75 - SozR 2200 § 1262 Nr. 9) hat bereits das Bayerische LSG in dem von der Beklagten zitierten Urteil vom 25. September 1986 und bezogen auf den von der Klägerin besuchten Schultyp dargelegt, daß von einer Schulausbildung nur die Rede sein könne, wenn es sich um eine Ausbildung handele, die zumindest annähernd derjenigen an Schulen in herkömmlichem Sinne entspreche. Es müsse verlangt werden, daß beim Schulbesuch in der Türkei eine generelle Gewähr für eine dem herkömmlichen Schulbesuch vergleichbare Stetigkeit und Regelmäßigkeit der Ausbildung bestehe und deren Dauer nicht allein der Verantwortung der "Schüler" überlassen sei. Diesen Anforderungen, die der erkennende Senat ebenfalls für geboten erachtet, genügt der streitige Besuch der Berufsschule für Mädchen nicht. Wie sich aus der Bescheinigung der Schule vom 15. Mai 1992 ergibt, hat die Klägerin zwar bestimmte Lehrgänge besucht, diese waren jedoch mit keiner Prüfung verbunden, die Teilnahme an den Kursen war sogar freigestellt. Lag es aber weitgehend in der Hand der Klägerin, die Ausbildung zu betreiben und beliebig lange zu strecken, so kann von einer Schulausbildung, die zumindest annähernd derjenigen an herkömmlichen Schulen entspricht, nicht die Rede sein.
Aus den gleichen Gründen scheidet auch die Annahme einer Berufsausbildung aus. Auch hierfür wäre - wie das Bayerische LSG (a.a.O.) zutreffend herausgestellt hat, eine gewisse Planmäßigkeit des Ausbildungsvorganges erforderlich, die der Erreichung des Ausbildungszieles dienen soll, und zwar gleichgültig, ob es sich um die Vorbereitung für eine spätere Erwerbs- oder für eine Hausfrauentätigkeit handelt. Da - wie ausgeführt - die Teilnahme an den Lehrgängen weitgehend in das Belieben der Klägerin gestellt war, kann eine Planmäßigkeit im Ausbildungsvorgang nicht erkannt werden. Hinzu kommt, daß eine Berufsausbildung auch die Zeit und die Arbeitskraft des Auszubildenden ganz oder doch überwiegend in Anspruch nehmen muß. Es muß ihm unmöglich sein, sich außerhalb der für den Erwerb der Kenntnisse und Fertigkeiten benötigten Zeit, die für die Ausübung eines zukünftig auszuübenden Berufs erforderlich sind, durch eine Erwerbstätigkeit den ausreichenden Lebensunterhalt zu verdienen (BSG SozR 2200 § 1267 Nr. 12 mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung). An dieser Unmöglichkeit fehlt es jedenfalls dann, wenn der Auszubildende frei darüber entscheiden kann, ob und in welchem zeitlichen Umfang er an von der Schule bzw. der Bildungseinrichtung angebotenen Lehrgängen teilnehmen will. Dann läßt sich nämlich auch der objektiv erforderliche Arbeits- und Zeitaufwand für eine Ausbildung nicht beurteilen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG, diejenige über die Zulassung der Revision auf § 160 Abs. 2 SGG.
II. Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Weitergewährung von Waisenrente während des Besuchs einer Berufsschule für Mädchen.
Die Klägerin, eine am -.-.1963 geborene türkische Staatsangehörige, ist die Tochter des 1977 verstorbenen Versicherten A. A. (A) ‚ der ebenfalls türkischer Staatsangehöriger war. Die Beklagte gewährte der damals bei ihrer Mutter in der Türkei wohnhaften Klägerin Waisenrente. Durch Bescheid vom 13. August 1987 entzog die Beklagte die Waisenrente mit Ablauf des Monats Juni 1987, weil die Voraussetzungen für die Leistungsgewährung nicht mehr vorlägen.
Mit am 20. November 1987 bei der Beklagten eingegangenem Schreiben vom 16. November 1987 beantragte die Klägerin die Weitergewährung der Waisenrente. Dem Antrag war beigefügt die Bescheinigung einer türkischen Schule, wonach die Klägerin als ordentliche Schülerin regelmäßig die Schule besuchte. Aufgrund eines Auskunftsersuchens war der Beklagten mit Schreiben vom 16. November 1987 mitgeteilt worden, daß die Klägerin seit dem 21. September 1987 das Ausbildungsinstitut "Kiz Meslek Lisesine bagli Pratik Kiz Sarat okulu" in AM. besuche; voraussichtliches Ende der Ausbildung sei am 17. Juni 1988. Eine regelmäßige Unterrichtszeit wurde für Montag bis Freitag bescheinigt. Mit Bescheid vom 24. Februar 1988 lehnte die Beklagte den Antrag auf Weitergewährung der Waisenrente ab. Über das 18. Lebensjahr hinaus werde Waisenrente längstens nur bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres für ein Kind gewährt, das sich in Schul- oder Berufsausbildung befinde, das ein freiwilliges soziales Jahr im Sinne des Gesetzes zur Förderung eines freiwilligen sozialen Jahres leiste oder das in Folge körperlicher oder geistiger Gebrechen außerstande sei, sich selbst zu unterhalten. Im Falle der Klägerin sei die Berufsausbildung an der praktischen Berufsschule für Mädchen in AM. keine Schulausbildung im Sinne deutscher Gesetzesvorschriften. Eine planmäßige Ausbildung finde nicht statt, da es im Belieben der Schüler gestellt sei, an welchen Kursen sie teilnähmen und wie lange sie die Schule besuchten. Ein bestimmtes Ausbildungsziel werde durch die Kurse nicht angestrebt.
Auf die hiergegen am 24. März 1988 erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) Frankfurt am Main den Bescheid vom 24. Februar 1988 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin Waisenrente für die Zeit vom 1. November 1987 bis zum 29. Februar 1988 zu gewähren; im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, ausweislich der - vom SG eingeholten - Auskunft der Berufsschule für Mädchen in AM. vom 15. Mai 1992 habe die Klägerin in der Zeit von September 1985 bis April 1988 (mit Lücken) Schul- bzw. Berufsausbildung im Sinne des vorliegend noch anwendbaren - § 1267 Abs. 1 Satz 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) absolviert. Auf eine fehlende straffe Organisation des Unterrichtsangebotes komme es nicht an. Dies gelte insbesondere auch im Hinblick auf eine fehlende Präsenzpflicht des Schülers. Die genannte Vorschrift erfasse nicht nur herkömmliche oder rechtlich geordnete und förmliche Ausbildungsverhältnisse; vielmehr unterliege die Beantwortung der Frage, ob Ausbildung im Sinne des § 1267 Abs. 1 Satz 1 RVO gegeben sei, einer besonderen sozialrechtlichen Wertung, wobei die Bedürfnisse der jeweiligen Zeitverhältnisse, der jeweiligen wirtschaftlichen Entwicklung sowie der sozio-kulturellen Besonderheiten im Heimatland der Waise zu berücksichtigen seien. Zeit und Arbeitskraft der Klägerin seien durch die Ausbildung auch überwiegend in Anspruch genommen worden. Augrund der eingeholten Auskunft stehe fest, daß sie u.a. in der Zeit vom 1. November 1987 bis zum 29. Februar 1988 zwei Kurse gleichzeitig besucht habe. Daraus ergebe sich unter Einberechnung der aufgewandten Zeit für Hausaufgaben von 2 Stunden täglich sowie des Zeitaufwandes für den Schulweg von 2 Stunden täglich insgesamt eine Wochenbelastung von 36 Stunden. Zwar seien Kurse in der Zeit ab September 1987 bis zum April 1988 bescheinigt worden. Gleichwohl könne die Waisenrente nicht bereits ab dem 1. September 1987 zugesprochen werden, weil die Rente nur vom Beginn des Monats, in dem der Weitergewährungsantrag gestellt worden sei, gewährt werden könne. Die Rente falle mit Ablauf des Monats weg, in dem die Voraussetzungen für die Gewährung entfallen seien. Dies sei hier der Februar 1988, weil die Klägerin ihr 25. Lebensjahr am 15. Februar 1988 vollendet habe. Mithin stehe der Klägerin die begehrte Waisenrente lediglich für die Zeit vom 1. November 1987 bis zum 29. Februar 1988 zu.
Gegen dieses ihr am 26. Februar 1993 zugestellte Urteil wendet sich die Beklagte, die im Klageverfahren bereits auf das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts (LSG) vom 25. September 1986 L-16/Ar-0358/83 hingewiesen hat, mit der am 10. März 1993 eingegangenen - und vom SG zugelassenen - Berufung. Sie macht geltend, daß aus der Schulbescheinigung vom 15. Mai 1992 zwar hervorgehe, welche Kurse belegt worden seien. Dies besage aber nichts, weil aus der Bescheinigung eindeutig ersichtlich sei, daß die Teilnahme an den Kursen freigestellt gewesen und daß keine Prüfungen abgelegt worden seien. Eine generelle Gewähr für eine dem herkömmlichen Schulbesuch vergleichbare Tätigkeit und Regelmäßigkeit der Ausbildung habe nicht bestanden. Vielmehr sei es allein der Verantwortung der Teilnehmerin überlassen und somit in ihr Belieben gestellt gewesen, wie lange sie die Schule besuche und an welchen Kursen sie teilnehme. Ein bestimmtes Ausbildungsziel sei dabei nicht angestrebt worden. Bei den Berufsschulen für Mädchen in der Türkei handele es sich um sog. Erwachsenen-Schulen mit freien Gestaltungsmöglichkeiten. Lt. Bescheinigung vom 15. Mai 1992 sei die erste Kurseintragung vom 13. September 1985. Die Klägerin habe mithin im 23. Lebensjahr mit den Kursen begonnen. Es fehle die Angabe, ob sie bei allen Kursen stets anwesend gewesen sei. Aus der Bescheinigung könne geschlossen werden, daß an der Schule keine Aufschreibungen über die tatsächliche Anwesenheit der Schülerin geführt worden seien, weil - wie schon erwähnt - die Kursteilnahme freigestellt gewesen sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 16. Dezember 1992 aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Im übrigen wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten auf den Inhalt der Akten der Beklagten und der Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist begründet. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Waisenrente nicht zu. Sie befand sich in der Zeit vom 1. November 1987 bis zum 29. Februar 1988 nicht in Schul- oder Berufsausbildung.
Nach § 1267 Abs. 1 Satz 1 RVO erhalten Waisenrente nach dem Tode des Versicherten seine Kinder bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres. Bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres wird die Waisenrente (längstens) für ein Kind gewährt, das sich in Schul- oder Berufsausbildung befindet, das ein freiwilliges soziales Jahr im Sinne des Gesetzes zur Förderung eines freiwilligen sozialen Jahres leistet oder das infolge körperlicher oder geistiger Gebrechen außerstande ist, sich selbst zu unterhalten (§ 1267 Abs. 1 Satz 2 RVO). Aufgrund dieser Regelung, die gemäß § 300 Abs. 2 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches - Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) weiterhin anzuwenden ist, steht der Klägerin, die bereits 1981 das 18. Lebensjahr vollendet hatte, keine Waisenrente für die Zeit des Besuchs der Berufsschule für Mädchen in AM. zu.
Anknüpfend an die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 25. November 1976 - 11 RA 146/75 - SozR 2200 § 1262 Nr. 9) hat bereits das Bayerische LSG in dem von der Beklagten zitierten Urteil vom 25. September 1986 und bezogen auf den von der Klägerin besuchten Schultyp dargelegt, daß von einer Schulausbildung nur die Rede sein könne, wenn es sich um eine Ausbildung handele, die zumindest annähernd derjenigen an Schulen in herkömmlichem Sinne entspreche. Es müsse verlangt werden, daß beim Schulbesuch in der Türkei eine generelle Gewähr für eine dem herkömmlichen Schulbesuch vergleichbare Stetigkeit und Regelmäßigkeit der Ausbildung bestehe und deren Dauer nicht allein der Verantwortung der "Schüler" überlassen sei. Diesen Anforderungen, die der erkennende Senat ebenfalls für geboten erachtet, genügt der streitige Besuch der Berufsschule für Mädchen nicht. Wie sich aus der Bescheinigung der Schule vom 15. Mai 1992 ergibt, hat die Klägerin zwar bestimmte Lehrgänge besucht, diese waren jedoch mit keiner Prüfung verbunden, die Teilnahme an den Kursen war sogar freigestellt. Lag es aber weitgehend in der Hand der Klägerin, die Ausbildung zu betreiben und beliebig lange zu strecken, so kann von einer Schulausbildung, die zumindest annähernd derjenigen an herkömmlichen Schulen entspricht, nicht die Rede sein.
Aus den gleichen Gründen scheidet auch die Annahme einer Berufsausbildung aus. Auch hierfür wäre - wie das Bayerische LSG (a.a.O.) zutreffend herausgestellt hat, eine gewisse Planmäßigkeit des Ausbildungsvorganges erforderlich, die der Erreichung des Ausbildungszieles dienen soll, und zwar gleichgültig, ob es sich um die Vorbereitung für eine spätere Erwerbs- oder für eine Hausfrauentätigkeit handelt. Da - wie ausgeführt - die Teilnahme an den Lehrgängen weitgehend in das Belieben der Klägerin gestellt war, kann eine Planmäßigkeit im Ausbildungsvorgang nicht erkannt werden. Hinzu kommt, daß eine Berufsausbildung auch die Zeit und die Arbeitskraft des Auszubildenden ganz oder doch überwiegend in Anspruch nehmen muß. Es muß ihm unmöglich sein, sich außerhalb der für den Erwerb der Kenntnisse und Fertigkeiten benötigten Zeit, die für die Ausübung eines zukünftig auszuübenden Berufs erforderlich sind, durch eine Erwerbstätigkeit den ausreichenden Lebensunterhalt zu verdienen (BSG SozR 2200 § 1267 Nr. 12 mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung). An dieser Unmöglichkeit fehlt es jedenfalls dann, wenn der Auszubildende frei darüber entscheiden kann, ob und in welchem zeitlichen Umfang er an von der Schule bzw. der Bildungseinrichtung angebotenen Lehrgängen teilnehmen will. Dann läßt sich nämlich auch der objektiv erforderliche Arbeits- und Zeitaufwand für eine Ausbildung nicht beurteilen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG, diejenige über die Zulassung der Revision auf § 160 Abs. 2 SGG.
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