L 6 Ar 1141/91

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 5 Ar 563/89
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 Ar 1141/91
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 10 RAr 6/93
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 18. September 1991 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Berücksichtigung eines Anspruchs auf Urlaubsabgeltung bei der Gewährung von Konkursausfallgeld (Kaug).

Der 1959 geborene Kläger war seit dem 1. Oktober 1988 bei der M. B. GmbH ( ) beschäftigt. Am 30. Januar 1989 beantragte der Kläger beim Arbeitsamt FB. der Beklagten Kaug und gab an, die MBS hätte ihre Betriebstätigkeit vollständig zum 27. Januar 1989 beendet und sein Arbeitsverhältnis sei von ihr zum 28. Februar 1989 gekündigt worden. In einer Verdienstbescheinigung vom 8. März 1989 gab die MBS an, der Kläger habe noch offene Lohnansprüche vom 1. Januar bis 27. Februar 1989 bei einem Monatsgehalt von 2.800,– DM brutto und von 1.806,25 DM netto. Eine Angabe zum Resturlaub des Klägers wurde nicht gemacht.

Mit Bescheid vom 29. März 1989 bewilligte die Beklagte dem Kläger Kaug in Höhe von 2.769,61 DM für die Zeit vom 1. Januar bis 16. Februar 1989 unter Zugrundelegung des 17. Februar 1989 als Insolvenztag nach der maßgeblichen Bewilligungsverfügung. Eine weitergehende Bewilligung wurde abgelehnt, da der Konkursverwalter offenen Lohn für November und Dezember 1988 bestreite.

In seinem am 12. April 1989 eingelegten Widerspruch wies der Kläger darauf hin, daß die Löhne für November und Dezember 1988 nicht von der MBS, sondern als zinsloser Kredit von der Beigeladenen gezahlt worden seien. Im übrigen machte der Kläger geltend, daß das ihm zustehende Urlaubsgeld und eine Urlaubsabgeltung von 2 1/2 Tagen pro Monat bei der Berechnung des Kaug nicht berücksichtigt worden seien. Die MBS legte eine Verdienstbescheinigung vom 5. April 1989 vor, nach der der Kläger noch kein Gehalt für Dezember 1988 erhalten hat, die entsprechende Forderung aber an die Beigeladene abgetreten ist. Außerdem legte sie eine Gehaltsabrechnung des Klägers für November 1988 vor und teilte mit, daß ein Anspruch auf Urlaubsgeld erst nach sechsmonatiger Betriebszugehörigkeit entstanden wäre.

Mit Widerspruchsbescheid vom 25. August 1989 wies die Beklagte den Widerspruch zurück, da der Kläger keinen Anspruch auf weiteres Kaug für November und Dezember 1988 wegen der Abtretung an die Beigeladene hätte und wies auf §§ 141 d Abs. 1, 141 k Abs. 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) hin. Für die Zeit vom 1. Januar bis 16. Februar 1989 sei das Kaug richtig berechnet und Urlaubsgeld sei nicht zu berücksichtigen, weil der Kläger noch keinen Anspruch darauf gehabt hätte, da er noch keine sechs Monate im Betrieb gewesen sei.

Mit der am 13. September 1989 bei dem Sozialgericht Marburg erhobenen Klage hat der Kläger die Berücksichtigung seines Urlaubsabgeltungsanspruches bei der Berechnung des Kaug weiterverfolgt und zur Begründung seinen "Urlaubspaß” sowie eine Berechnung, nach der er bis zum 16. Februar 1989 einen Urlaubsabgeltungsanspruch von 11 1/2 Tagen hat, vorgelegt.

Nachdem die MBS eine weitere Verdienstbescheinigung vom 14. September 1990 vorgelegt hatte, nach der der Kläger einen Anspruch auf Resturlaub in Höhe von 10 Tagen hat, und die Beklagte nach einer Überprüfung nunmehr vom 27. Februar 1989 als Insolvenztag ausging, hat sie dem Kläger mit Bewilligungsverfügung vom 19. Dezember 1990 Kaug bis zum 26. Februar 1989 gewährt und den entsprechenden Betrag unter Anrechnung des gezahlten Arbeitslosengeldes in Höhe von 374,47 DM nachgezahlt.

Mit Urteil vom 18. September 1991 hat das Sozialgericht unter Zulassung der Berufung die Beklagte verurteilt, dem Kläger auch noch für den 27. Februar 1989 unter Anrechnung des für diesen Tag gezahlten Arbeitslosengeldes Kaug zu gewähren, weil der mit Beschluss des Amtsgerichts FB. vom 17. Februar 1989 eröffnete Anschluß-Konkurs nach Zustellung am 20. Februar 1989 erst mit Ablauf des 27. Februar 1989 um 24.00 Uhr Rechtskraft erlangte, und im übrigen, hinsichtlich der Berücksichtigung von Urlaubsabgeltungsansprüchen, die Klage abgewiesen. Bezüglich des im Berufungsverfahren allein umstrittenen Anspruchs auf Urlaubsabgeltung hat das Sozialgericht ausgeführt, daß dieser bei der Berechnung des Kaug nicht zu berücksichtigen sei, weil das Arbeitsverhältnis erst nach dem Insolvenzereignis bzw. mit Ablauf des Tages, an dem das Insolvenzereignis eingetreten ist, geendet habe. Dies sei vorliegend der Fall, weil das Arbeitsverhältnis am 28. Februar 1989 beendet worden sei, der Insolvenztag sei vorliegend jedoch der 27. Februar 1989.

Gegen dieses dem Kläger am 11. Oktober 1991 zugestellte Urteil richtet sich dessen am 7. November 1991 eingelegte Berufung, zu deren Begründung auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 30. November 1977 – 12 RAr 99/76 (BSGE 45, 191 ff.) hingewiesen wird.

Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Marburg vom 18. September 1991 sowie des Bescheides der Beklagten vom 29. März 1989 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. August 1989 und des Bescheides vom 19. Dezember 1990 die Beklagte zu verurteilen, ihm weiteres Konkursausfallgeld unter Berücksichtigung eines Urlaubsabgeltungsanspruches in Höhe von 11 1/2 Tagen zu gewähren,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.

Die Beigeladene hat sich im Verfahren nicht geäußert.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakte Bezug genommen. Auf das Urteil des Senats vom 3. März 1993 – L-6/Ar-944/92 wurden die Beteiligten hingewiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, da das Sozialgericht sie zugelassen hat (§§ 141, 143, 150 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG – a.F. in der bis zum 28. Februar 1993 geltenden Fassung, die für vorher verkündete Urteile fortgilt gem. Art. 14 Abs. 1 Rechtspflegeentlastungsgesetz vom 11. Januar 1993, Bundesgesetzblatt I, S. 50).

Sie ist jedoch nicht begründet. Das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 18. September 1991 ist nicht abzuändern, weil der Kläger keinen Anspruch auf höheres Kaug aufgrund eines Urlaubsabgeltungsanspruchs hat.

Nach § 141 b Abs. 1 und 2 AFG hat ein Arbeitnehmer Anspruch auf Kaug, der bei Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen seines Arbeitgebers für die letzten der Eröffnung des Konkursverfahrens vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt hat. Zu den Ansprüchen auf Arbeitsentgelt gehören alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, die unabhängig von der Zeit, für die sie geschuldet werden, Masseschulden nach § 59 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a Konkursordnung sein können. Das grundsätzliche Vorliegen dieser Voraussetzungen ist zwischen den Beteiligten nicht umstritten und steht zur Überzeugung des Senats aufgrund der vorliegenden Akte fest.

Entgegen der Ansicht des Klägers ist sein Kaug nicht unter Einbeziehung eines Urlaubsabgeltungsanspruches zu berechnen, weil dieser Anspruch nicht zu seinen Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis für die letzten der Eröffnung des Konkursverfahrens vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses gehört.

Nach dem insofern überzeugenden Urteil des Bundessozialgerichts vom 30. November 1977 a.a.O., dem sich der Senat anschließt, ist der Anspruch auf Urlaubsabgeltung ein Surrogat des Urlaubsanspruchs, der nach Erfüllung der Wartezeit zu einer Rechtsposition des Arbeitnehmers führt, die es diesem erlaubt, nach den gesetzlichen Voraussetzungen Urlaub zu verlangen. Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung entsteht als Surrogat dieses Urlaubsanspruchs unter der aufschiebenden Bedingung, daß wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses der eigentliche Urlaub nicht mehr gewährt werden kann. Mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und der dadurch verursachten Möglichkeit, bezahlte Freizeit noch zu gewähren, tritt lediglich die aufschiebende Bedingung des bereits mit dem Urlaubsanspruch entstandenen Abgeltungsanspruchs ein. Hat der Arbeitnehmer diese Rechtsposition vor der Eröffnung des Konkursverfahrens bereits erworben, so fällt er mit diesem Anspruch aus.

Aus den Urteilen des BSG vom 20. August 1986 – 10 RAr 1/85 und vom 20. Mai 1987 – 10 RAr 11/86 – ergibt sich nichts anderes. Sie grenzen sich gegenüber dem zuvor genannten Urteil durch die zwischenzeitlich aufgrund des Arbeitsförderungskonsolidierungsgesetzes (AFKG) geänderte Rechtslage ab. Vor diesem Hintergrund ist an der obigen Rechtsprechung festzuhalten, die auch vom BSG in den Urteilen vom 11. März 1987 – 10 RAr 2/85 und vom 20. Juli 1988 – 12 RK 1/88 – bestätigt wurde, wie der Senat in dem Urteil vom 3. März 1993 – L-6/Ar-944/92 – ausgeführt und begründet hat.

Nach diesen – für die Versicherten günstigen – Voraussetzungen, wie sie das Urteil des BSG vom 30. November 1977 aufstellt, hat der Kläger aber keinen Anspruch auf die Einbeziehung seiner Urlaubsabgeltungsansprüche in die Berechnung seines Kaug, weil sein Arbeitsverhältnis erst nach der Konkurseröffnung endete. Das Arbeitsverhältnis des Klägers endete nach seinem eigenen Vortrag und den Angaben der MBS erst am 28. Februar 1989, also mit Ablauf dieses Arbeitstages, während die Konkurseröffnung nach den Ermittlungen und überzeugenden Ausführungen des Sozialgerichts, die von den Beteiligten auch nicht in Zweifel gezogen wurden, aufgrund des Beschlusses des Amtsgerichts FB. vom 17. Februar 1989 am 28. Februar 1989 um 0.00 Uhr rechtswirksam wurde.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung und im Hinblick auf den ähnlich gelagerten Fall Sch. (Urteil vom 3. März 1993, Az.: L-6/Ar-944/92) gem. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.
Rechtskraft
Aus
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