Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 3 AL 7/73
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AL 288/75
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Frage der Berufsunfähigkeit bei einem Landwirt, der Landabgaberente begehrt.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 18. Februar 1975 dahin abgeändert, daß die Beklagte verurteilt wird, der Klägerin ab 1. Oktober 1975 Landabgaberente zu gewähren.
Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung der Landabgaberente.
Die 1928 geborene Klägerin arbeitete nach Beendigung des Volksschulbesuchs im Jahre 1942 im elterlichen landwirtschaftlichen Betrieb mit. Eine besondere berufliche Ausbildung erhielt sie nicht, auch nahm sie nicht an beruflichen Lehrgängen oder landwirtschaftlichen Wirtschaftsberatungen teil. Im Jahre 1963 übernahm sie den elterlichen Betrieb mit 3,40 ha und führte ihn bis zum 30. Oktober 1975. An landwirtschaftlicher Nutzfläche pachtete sie 1,20 ha dazu. Zwischendurch, im Herbst 1974, gab sie – nach eigenen Angaben – bereits 4 Morgen an einen anderen Landwirt ab.
Bereits am 7. März 1973 hatte die Klägerin Landabgaberente beantragt, in dem förmlichen Antrag aber keine Angaben zur Abgabe gemacht. Diesem fügte sie den Befundbericht des Hausarztes Dr. S. (N.) vom 4. März 1973 und die ärztliche Bescheinigung der Dres. W. und N. (Universitäts-Augenklinik M.) vom 12. Februar 1973 bei, wonach bei ihr 1970 ein Zentralvenenverschluß am rechten Auge eingetreten sei und ein Krampfaderleiden an beiden Beinen bestehe sowie eine Marcumartherapie durchgeführt werde. Sie könne zukünftig weder schwer heben noch sich bücken. Außerdem erklärte die Klägerin der Beklagten am 23. November 1973 gegenüber, daß sie sich zur strukturverbessernden Landabgabe verpflichte, sofern bei ihr Berufsunfähigkeit festgestellt werde. Die Beklagte holte die Gutachten des Prof. Dr. St. und des Dr. W. (Universitäts-Augenklinik M.) sowie des Internisten Dr. B. (A.) vom 1. Juni bzw. 9. August 1973 ein. Prof. Dr. St. und Dr. W. fanden einen unvollkommenen Zentralvenenverschluß des rechten Auges und beiderseits ein sehr labiles Gefäßbild des Augenhintergrundes. Sie schätzten die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mit 0 v.H. ein. Dr. B. bildete hingegen eine MdE um 40 v.H. und verneinte die Frage nach dem Vorliegen von Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit. Schwere körperliche Arbeiten, wie sie im landwirtschaftlichen Betrieb anfielen, insbesondere Erntearbeiten, schweres Heben usw. seien aufgrund der genannten Leiden nicht mehr zumutbar. Die Klägerin könne leichtere körperliche Arbeiten, vor allem auch im Haushalt mindestens 6 bis 8 Stunden täglich, ausüben. Hierauf lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 23. August 1973 die Gewährung der Landabgaberente ab, da die Klägerin nach den von ihr eingeholten Gutachten nicht berufsunfähig i.S. von § 1246 Abs. 2 Reichsversicherungsordnung – RVO – sei.
Gegen diesen an sie mit Einschreiben am 28. August 1973 abgesandten Bescheid hat die Klägerin bei den Sozialgericht Marburg – SG – am 21. September 1973 Klage erhoben und geltend gemacht: Sie sei berufsunfähig. Ihren landwirtschaftlichen Betrieb müsse sie aufgeben, da sie die schweren Arbeiten, die sie zum Teil bereits gegen Lohn an Dritte vergeben habe, nicht mehr verrichten könne. Das SG hat zunächst das Gutachten des Prof. Dr. und der Dres. Bö. und M. (Med.-Univ.-klinik M.) vom 10. März 1974 eingeholt, in dem die Sachverständigen mitteilen, die Klägerin könne nicht mehr in der Landwirtschaft arbeiten. Berufe, die mit einem erhöhten Verletzungsrisiko einhergingen, schieden ebenfalls aus. Wegen einer Marcumar-Behandlung bestünde auch bei nur geringen Verletzungen eine erhöhte Blutungsneigung. Ansonsten könne die Klägerin aber 8 Stunden täglich an 5 Tagen in der Woche leichte bis mittelschwere Arbeiten im Sitzen oder abwechselnd im Gehen und Stehen ohne Bücken, Heben oder Tragen schwerer Lasten verrichten. Berufsunfähigkeit liege nicht vor. Sodann holte das SG noch die Auskünfte des Dr. S. vom 29. September 1974 und des Arbeitsamtes M. vom 17. Oktober 1974 ein. Nach letzterer wird die Vermittlung der Klägerin aufgrund der gesundheitlichen Einschränkungen als erschwert angegeben, da Tätigkeiten als Hausgehilfin, Küchen-, Putz- und Stationshilfe ausfielen. Für eine Tätigkeit im Handel (Verkauf) komme sie ebenfalls mangels Qualifikation nicht in Betracht. Darüber hinaus handele es sich in diesem Berufsbereich um ausschließlich stehende Arbeiten, die die Versicherte nicht verrichten dürfe. Als Lagerhilfe oder Warenauffüllerin ergebe sich wieder die Notwendigkeit von Heben, Tragen und Bücken. Fabrikarbeiten kämen ebenfalls nicht in Betracht, da Tätigkeiten dieser Art zu 2/3 maschinell ausgeübt werden und ein erhöhtes Verletzungsrisiko in sich trügen. Hinzu komme noch, daß Betriebsarbeiten fast ausschließlich unter Zeitdruck verrichtet werden. Mit Urteil vom 18. Februar 1975 hat das SG unter Aufhebung des angefochtenen Bescheides entschieden, daß der Klägerin ab 1. März 1973 Zug um Zug gegen Abgabe des landwirtschaftlichen Unternehmens zum Zwecke der Strukturverbesserung die gesetzliche Landabgaberente zu gewähren sei. Sie sei nach den eingeholten Gutachten und der Auskunft des Arbeitsamtes M. berufsunfähig i.S. von § 1246 Abs. 2 RVO.
Gegen dieses ihr am 3. März 1975 gegen Empfangsbekenntnis zugestellte Urteil hat die Beklagte bei dem Hessischen Landessozialgericht am 25. März 1975 schriftlich Berufung eingelegt.
Es ist im Berufungsverfahren das berufskundliche Gutachten des Dipl.-Landwirtes Dr. K. (H.) vom 31. August 1976 eingeholt worden. In diesem vertritt der Sachverständige u.a. die Auffassung, daß die Klägerin aufgrund ihrer langjährigen Tätigkeit in der Landwirtschaft über Kenntnisse und Fähigkeiten verfüge, die den Anforderungen an die landwirtschaftliche Gehilfenprüfung entsprächen; sie sei als Landwirtin eines Nebenerwerbsbetriebs anzusehen. Es werde nicht ausgeschlossen, daß die von ihr geführte Landwirtschaft bei entsprechender Betriebsorganisation hätte weiter betrieben werden können. Bei einem zweifellos gewissen Einkommensverlust hätten die schweren Feldarbeiten im Rahmen der in Raum Ziegenhain bestehenden landtechnischen Fördergemeinschaft ausgeführt und es hätte die Innenwirtschaft ohne Milchviehhaltung organisiert werden können. Im übrigen sei die Klägerin auch nach ihrer sozialen Stellung als Facharbeiterin anzusehen. Das Verweisungsgebiet sei allerdings durch die grundbuchlich abgesicherten Verpflichtungen gegenüber ihren noch lebenden Eltern erheblich eingeschränkt. Außerdem ist von dem Arbeitsamt M. eine ergänzende Auskunft vom 25. Januar 1977 eingeholt worden. Danach bestanden seit dem 1. Oktober 1975 weder im Bereich des Arbeitsamtes M. noch der Dienststelle S. für die Klägerin entsprechend ihrem Leistungsvermögen keine nennenswerten Vermittlungsmöglichkeiten.
Die Beklagte bringt zur Begründung der Berufung hauptsächlich vor: Das SG habe zu Unrecht ihre Leistungsverpflichtung bereits ab 1. März 1973, dem Antragsmonat, angenommen. Die strukturverbessernde Abgabe sei erst ab 1. Oktober 1975 gegeben. Im übrigen sei die Klägerin nach wie vor nicht berufsunfähig. Dies ergebe sich auch aus dem berufskundlichen Gutachten des Sachverständigen Dr. K. Danach sei die Klägerin in der Lage gewesen, ihren Betrieb entsprechend ihrem Leistungsvermögen umzuorganisieren.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 18. Februar 1975 aufzuheben und die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
Beweis über die konkrete Fahrt- und Arbeitsmöglichkeiten der Klägerin in der Umgebung ihres Wohnortes zu erheben,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und meint, das berufskundliche Gutachten gehe von falschen Voraussetzungen aus.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Renten- und Streitakten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte Berufung ist frist- und formgerecht eingelegt und daher zulässig.
Sie ist jedoch nur zum Teil begründet. Der Klägerin steht Landabgaberente erst seit dem 1. Oktober 1975 zu (§ 41 Abs. 1 des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte vom 14.9.1965 – BGBl. I, 1449 – i.d.F. des 7. Änderungsgesetzes vom 19.12.1973 – BGBl. I, 1937 – GAL).
Unzutreffend hat das SG die Leistungsverpflichtung der Beklagten nach strukturverbessernder Abgabe des landwirtschaftlichen Unternehmens "Zug um Zug” bereits ab 1. März 1973 angenommen. Eine solche Verurteilung ist nicht zulässig. Nach §§ 46, 10 Abs. 1 GAL ist die Landabgaberente erst vom Beginn des Monats an zu gewähren, in dem alle ihre Voraussetzungen erfüllt sind. Bis zum 1. Oktober 1975 war dies schon deshalb nicht der Fall, weil bis zu diesem Zeitpunkt keine strukturverbessernde Abgabe vorlag (§ 41 Abs. 1 c GAL). Die Klägerin hatte schon im Antrag vom 7. März 1973 die Frage der Abgabe offen gelassen. Gegenüber dem SG hat sie mehrfach, z.B. bei ihrer persönlichen Anhörung am 18. Februar 1975 erklärt, das Unternehmen abzugeben, sobald die Berufsunfähigkeit festgestellt sei. Auch ihr Hinweis, sie habe im Herbst 1974 an den Landwirt K. 4 Morgen Land verpachtet, stellt keine strukturverbessernde Abgabe nach §§ 41 Abs. 1 c, 42 GAL dar. Danach sind wenigstens 85 v.H. der abzugebenden Fläche an die in § 42 GAL bezeichnenden Unternehmer abzugeben. Der abgebende Landwirt darf allenfalls bis zu 25 v.H. der landwirtschaftlichen Nutzfläche behalten (§§ 41 Abs. 2, 2 Abs. 7 GAL). Da von der Klägerin lediglich 4 Morgen (= 1 ha) gegenüber der eigenen Landwirtschaft von 3,66 ha (zuzüglich 1,20 ha angepachtetem Land) abgegeben worden waren, hatte sie bis einschließlich 30. September 1975 weit mehr als die zulässige Fläche behalten, so daß eine Verurteilung der Beklagten zur Gewährung von Landabgaberente bis zu diesem Zeitpunkt nicht erfolgen durfte.
Ab 1. Oktober 1975 ist der Anspruch der Klägerin auf Landabgaberente jedoch begründet (§§ 41, 46, 10 Abs. 2 GAL). Die Klägerin hat von diesem Zeitpunkt ab ihr landwirtschaftliches Unternehmen i.S. von § 41 Abs. 1 Buchst. c GAL abgegeben, was nach Vorlage der entsprechenden Pachtverträge von der Beklagten mit Schriftsatz vom 9. April 1976 ausdrücklich anerkannt worden ist. Unter den Beteiligten besteht auch kein Streit darüber, daß bis auf die Berufsunfähigkeit der Klägerin die sonstigen gesetzlichen Erfordernisse für den Anspruch auf Landabgaberente nach § 41 GAL erfüllt sind.
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Klägerin aber auch berufsunfähig i.S. von § 41 Abs. 1 GAL i.V.m. § 1246 Abs. 2 RVO. Hierzu hat der 11. Senat des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 25.5.1973 – 11 RLw 6/72 – in E 36, 27) zutreffend ausgeführt, daß zwar grundsätzlich der Begriff der Berufsunfähigkeit nach dem allgemeinen Recht der Rentenversicherung auch dem Landabgaberecht entspreche, aber stets dessen Besonderheiten Rechnung zu tragen sei. Die Landabgaberente sei eine aus struktur- und sozialpolitischen Erwägungen gewährte staatliche Gegenleistung für die Abgabe eines landwirtschaftlichen Unternehmens, wodurch der Strukturwandel der Landwirtschaft gefördert werden solle. Bei der Feststellung der Berufsunfähigkeit sei der bisher ausgeübte Beruf des versicherten Landwirts nach den jeweils konkreten Betriebs- und sozialem Verhältnissen und hierzu der entsprechende Verweisungsberuf zu ermitteln, wobei auch persönliche Bindung zu berücksichtigen seien. Danach hat das SG zutreffend die Berufsunfähigkeit der Klägerin angenommen.
Hierzu stellt der Senat aufgrund der von der Beklagten im Verwaltungsverfahren, von dem SG und im Berufungsverfahren eingeholten Gutachten und Auskünfte fest: Das körperliche Leistungsvermögen der Klägerin ist wesentlich eingeschränkt. Sie leidet seit 1970 unter den Folgen eines unvollständigen Zentralvenenverschlusses des rechten Auges mit beiderseits sehr labilem Gefäßbild im Augenhintergrund. Sie muß ständig mit dem Eintritt neuer Thrombosen rechnen und wird deshalb vorbeugend mit Marcumar behandelt. Daher besteht ein erhöhtes Verletzungsrisiko wegen verstärkter Blutungsneigungen bei auch nur geringfügigen Verletzungen. Außerdem leidet sie unter einer mittelgradigen Varicosis beider Beine und einer euthyreoten Struma nodosa mit regressiven Veränderungen. Dies ergibt sich im wesentlichen übereinstimmend aus den von Prof. Dr. St. und Dr. W., Dr. B. und Prof. Dr. K. sowie den Dres. Bö. und Z. erstatteten Gutachten, die von keinem der Beteiligten angegriffen worden sind. Der Senat sieht keine Veranlassung, diese Diagnosen anzuzweifeln. Das gleiche gilt für das von diesen Gutachtern eingeschätzte und verbliebene Leistungsvermögen der Klägerin. Danach kann diese schwere körperliche Arbeiten, wie sie in einem landwirtschaftlichen Betrieb anfallen, insbesondere Bücken, Heben und Tragen schwerer Lasten nicht mehr verrichten. Zumutbar sind lediglich noch leichte bis mittelschwere Arbeiten im Sitzen oder abwechselnd im Gehen und Stehen. Damit ist die Klägerin aber nicht mehr fähig, einen landwirtschaftlichen Betrieb ähnlicher Art und ähnlichen Umfanges zu bewirtschaften. Die Beklagte kann sich insoweit nicht darauf berufen, daß Dr. B. und die Sachverständigen Prof. Dr. K. sowie die Dres. Bö. und Z. in ihren Gutachten das Vorliegen der Berufsunfähigkeit verneint und die MdE mit 40 v.H. angegeben haben. Hierbei handelt es sich allein um eine dem Versicherungsträger und den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit zustehende Entscheidung einer Rechtsfrage, für deren Beantwortung die von den Ärzten erhobenen Befunde lediglich einen Teilaspekt darstellen. Weder die Gutachter noch die Beklagte haben sich hier mit den Besonderheiten des Landabgaberechts bei den von ihnen vorgenommenen Bewertungen befaßt, wie die Gutachten und das Vorbringen der Beklagten zeigen. Diese meint ganz allgemein, daß die Klägerin i.S. von § 1246 Abs. 2 RVO nicht berufsunfähig sei. Hierauf kommt es aber nicht an, wie oben bereits dargetan ist. Maßgeblich ist der Begriff der Berufsunfähigkeit nach § 41 GAL. Hierzu stellt der Senat nach den glaubhaften Angaben der Klägerin und der im Berufungsverfahren eingeholten berufskundlichen Gutachten des Dipl.-Landwirtes Dr. K. fest, daß die Klägerin ohne besondere Schul- und Berufsausbildung die Kenntnisse besitzt, die den praktischen Anforderungen an die landwirtschaftliche Gehilfenprüfung entsprechen. Sie hat langjährig in der Landwirtschaft gearbeitet, zuerst im elterlichen Betrieb und später als selbständige Unternehmerin, nachdem sie diesen von den Eltern 1963 übernommen hatte. Nach den medizinischen Feststellungen kann sie diese von ihr bisher ausgeübte Tätigkeit nicht mehr verrichten. Es wäre ihr – im Gegensatz zu der von der Beklagten vertretenen Ansicht – auch nicht möglich gewesen, ihr Unternehmen so umzustrukturieren, daß die von den Gutachtern als schädlich angesehenen körperlichen Betätigungen von ihr hätten vermieden werden können. Die Beklagte zieht insoweit aus dem berufskundlichen Gutachten des Sachverständigen Dr. K. unrichtige Schlüsse. Dieser hielt eine solche Umorganisation unter Einsatz der im Raum Z. bestehenden landtechnischen Fördergemeinschaft im Außenbetrieb und ohne Milchviehhaltung in der Innenwirtschaft nicht für ausgeschlossen. Voraussetzung hierfür wäre aber eine umfangreiche Neukalkulation des Betriebes gewesen, wozu die Klägerin nach ihren Kenntnissen und Fähigkeiten nicht in der Lage ist. Nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. K. wurden die betrieblichen Dispositionen im Unternehmen der Klägerin von ihrem Vater getroffen. Sie selbst hat nur die Volksschule besucht und keine weiteren besonders, auch nicht berufsbezogene Ausbildung erfahren. An der staatlichen Wirtschaftsberatung nahm sie nicht teil. Zudem führte der Sachverständige Dr. K. aus, daß eine solche, von ihm für nicht ausgeschlossen gehaltene Umorganisation des Betriebes mit einem Einkommensverlust verbunden gewesen wäre. Einen solchen braucht die Klägerin aber nicht hinzunehmen. Das entspricht auch nicht den Besonderheiten des Landabgaberechts, das darauf angelegt ist, den Strukturwandel in der Landwirtschaft mit dem Ziel der Schaffung leistungsfähiger Betriebe zu fördern (vgl. BSG a.a.O.).
Die Klägerin kann auch nicht auf eine unselbständige Tätigkeit zumutbar verwiesen werden. Grundsätzlich ist zwar die Verweisung eines selbständigen Landwirtes auf lohnabhängige Arbeiten statthaft; stets muß es sich aber um solche handeln, die dem bisherigen Beruf nach wirtschaftlicher und sozialer Bewertung entsprechen und keinen sozialen Abstieg bedeuten (vgl. BSG a.a.O.). Auch nach dem überzeugenden Gutachten des Sachverständigen Dr. K. ist die Klägerin aufgrund langjähriger Berufsausübung nach ihren erworbenen Kenntnissen und Fähigkeiten einem Facharbeiter gleichzustellen. Sie muß sich daher auf Tätigkeiten verweisen lassen, die sich aus dem Kreis der ungelernten Tätigkeiten hervorheben, und zwar, da ihr Betrieb das Doppelte der nach § 1 Abs. 4 GAL festgesetzten Mindesthöhe nicht erreichte, auch auf solche ungelernten Tätigkeiten, die nicht einfachster Art sind, z.B. nicht auf Reinigungs- und Putzarbeiten, einfache Wächter- und Wartungsarbeiten oder ähnliche Tätigkeiten. Das ergeben die auch von der Beklagten nicht angegriffenen Ausführungen des Sachverständigen Dr. K. Ferner ist zu berücksichtigen, daß sie entgegen der Ansicht der Beklagten nur im Amtsbereich des Arbeitsamtes M. vermittlungsfähig ist. Die Beklagte verkennt, daß sich der Begriff der Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit im Recht der Altershilfe für Landwirte und der Landabgabe nicht mit dem der Arbeiterrentenversicherung in jeder Hinsicht deckt. Stets ist die struktur- und sozialpolitische Zielsetzung nach dem GAL zu berücksichtigen (vgl. BSG a.a.O.; Urt. v. 28.8.1969 – 11/7 RLw 15/65 – in E 30, 71; Noell, Sozialrechtliche Maßnahmen zur Strukturverbesserung – LAR – 1974, 3. Aufl., S. 38, 39). Das hat zur Folge, daß auch örtliche Bindungen bei der Beurteilung der Verweisbarkeit eines landwirtschaftlichen Unternehmers zu beachten sind. Die Klägerin ist als Ehefrau an den Wohnsitz ihres Ehemannes gebunden; ihr obliegen außerdem gegenüber den noch im gleichen Hause lebenden Eltern erhebliche Pflichten aus der Erfüllung von Altenteilsrechten, wie ebenfalls der Sachverständige Dr. K. nachgewiesen hat. Das SG hat insoweit – auch unter Hinweis auf Noell (a.a.O. S. 40) – zutreffend ausgeführt, daß die Verweisung von Landwirten in andere Erwerbstätigkeiten schwierig ist. Dem entspricht auch die von dem Arbeitsamt M. dem SG erteilte Auskunft vom 17. Oktober 1974, die nach eingehender Sachverhaltsschilderung des Kammervorsitzenden vom 3. September 1974 und Anhörung des Arbeitsamtsarztes erging. Unter Berücksichtigung des ärztlich festgestellten eingeschränkten Leistungsvermögens ist der Klägerin hiernach der erreichbare Arbeitsmarkt praktisch verschlossen. Da sie keine Arbeiten verrichten darf, die mit Heben, Tragen und Bücken verbunden sind, scheiden die Tätigkeiten als Hausgehilfin, Küchen- und Stationshilfe aus. Für eine Tätigkeit im Handel (Verkauf) kommt sie wegen mangelnder Qualifikation nicht in Betracht. Im übrigen handelt es sich hierbei ausschließlich um stehende Arbeiten, die sie nach den ärztlichen Feststellungen nur eingeschränkt verrichten darf. Als Lagerhilfe oder Warenauffüllerin kommt sie ebenfalls nicht in Betracht, da sie weder heben noch tragen und sich auch nicht bücken und nicht ständig stehen darf. Es scheiden auch Fabrikarbeiten wegen des erhöhten Verletzungsrisikos aus, so daß ihr der allein erreichbare Arbeitsmarkt des Arbeitsamtsbereichs M. praktisch verschlossen ist. Dies folgt auch aus der im Berufungsverfahren eingeholten ergänzenden Auskunft des Arbeitsamtes M. vom 25. Januar 1977. Danach steht fest, daß auf dem für die Klägerin erreichbaren Arbeitsmarkt keine nennenswerten Vermittlungsmöglichkeiten seit 1975 vorhanden sind.
Bei dieser Sach- und Rechtslage brauchte der Senat dem Hilfsantrag der Beklagten, Beweis über die konkreten Fahrt- und Arbeitsmöglichkeiten der Klägerin in der Umgebung ihres Wohnortes zu erheben, nicht mehr nachzugehen. Insoweit ist der Sachverhalt bereits ausreichend aufgeklärt. Das Leistungsvermögen der Klägerin ist medizinisch wie berufskundlich durch die Einholung von Gutachten festgestellt. Nach den Auskünften des Arbeitsamtes M. vom 17. Oktober 1974 und vom 23. Januar 1977 ist der für die Klägerin erreichbare Arbeitsmarkt praktisch verschlossen. Hiernach hätte das Arbeitsamt M. der Klägerin, sofern diese sich arbeitssuchend gemeldet haben würde, innerhalb eines Jahres – jedenfalls seit Oktober 1975 – keine zumutbare Tätigkeit anbieten können, da keine nennenswerten Vermittlungsmöglichkeiten bestanden (vgl. hierzu auch den Beschluss des Großen Senats des BSG vom 10.12.1976 – GS 2, 3 u. 4/75 sowie 3/76). Der Senat konnte sich mit diesen Auskünften begnügen, da die Arbeitsämter am besten den Arbeitsmarkt ihrer Bezirke kennen. Ihnen obliegt es, im Rahmen der der Bundesanstalt für Arbeit zugewiesenen Aufgaben (§ 3 Arbeitsförderungsgesetz – AFG –) den Arbeitsmarkt zu erforschen, d.h., sich genaue Kenntnisse über dessen Gegebenheiten zu verschaffen (§ 6 AFG). Ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit der erteilten Auskünfte hat die Beklagte im übrigen auch nicht vorgebracht.
Nach den individuellen Gegebenheiten war daher die Klägerin als berufsunfähig i.S. von § 41 GAL anzusehen. Jedes andere Ergebnis würde dem strukturpolitischen und sozialen Sinn dieser Regelung widersprechen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG, die über die Nichtzulassung der Revision auf § 160 SGG.
Der Senat hat die von der Beklagten angeregte Zulassung der Revision nicht ausgesprochen, weil es sich hier nur um einen Rechtsstreit handelt, in welchem – im Rahmen der Rechtsprechung des BSG – Tatsachen festzustellen und Beweise zu würdigen waren.
Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung der Landabgaberente.
Die 1928 geborene Klägerin arbeitete nach Beendigung des Volksschulbesuchs im Jahre 1942 im elterlichen landwirtschaftlichen Betrieb mit. Eine besondere berufliche Ausbildung erhielt sie nicht, auch nahm sie nicht an beruflichen Lehrgängen oder landwirtschaftlichen Wirtschaftsberatungen teil. Im Jahre 1963 übernahm sie den elterlichen Betrieb mit 3,40 ha und führte ihn bis zum 30. Oktober 1975. An landwirtschaftlicher Nutzfläche pachtete sie 1,20 ha dazu. Zwischendurch, im Herbst 1974, gab sie – nach eigenen Angaben – bereits 4 Morgen an einen anderen Landwirt ab.
Bereits am 7. März 1973 hatte die Klägerin Landabgaberente beantragt, in dem förmlichen Antrag aber keine Angaben zur Abgabe gemacht. Diesem fügte sie den Befundbericht des Hausarztes Dr. S. (N.) vom 4. März 1973 und die ärztliche Bescheinigung der Dres. W. und N. (Universitäts-Augenklinik M.) vom 12. Februar 1973 bei, wonach bei ihr 1970 ein Zentralvenenverschluß am rechten Auge eingetreten sei und ein Krampfaderleiden an beiden Beinen bestehe sowie eine Marcumartherapie durchgeführt werde. Sie könne zukünftig weder schwer heben noch sich bücken. Außerdem erklärte die Klägerin der Beklagten am 23. November 1973 gegenüber, daß sie sich zur strukturverbessernden Landabgabe verpflichte, sofern bei ihr Berufsunfähigkeit festgestellt werde. Die Beklagte holte die Gutachten des Prof. Dr. St. und des Dr. W. (Universitäts-Augenklinik M.) sowie des Internisten Dr. B. (A.) vom 1. Juni bzw. 9. August 1973 ein. Prof. Dr. St. und Dr. W. fanden einen unvollkommenen Zentralvenenverschluß des rechten Auges und beiderseits ein sehr labiles Gefäßbild des Augenhintergrundes. Sie schätzten die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mit 0 v.H. ein. Dr. B. bildete hingegen eine MdE um 40 v.H. und verneinte die Frage nach dem Vorliegen von Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit. Schwere körperliche Arbeiten, wie sie im landwirtschaftlichen Betrieb anfielen, insbesondere Erntearbeiten, schweres Heben usw. seien aufgrund der genannten Leiden nicht mehr zumutbar. Die Klägerin könne leichtere körperliche Arbeiten, vor allem auch im Haushalt mindestens 6 bis 8 Stunden täglich, ausüben. Hierauf lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 23. August 1973 die Gewährung der Landabgaberente ab, da die Klägerin nach den von ihr eingeholten Gutachten nicht berufsunfähig i.S. von § 1246 Abs. 2 Reichsversicherungsordnung – RVO – sei.
Gegen diesen an sie mit Einschreiben am 28. August 1973 abgesandten Bescheid hat die Klägerin bei den Sozialgericht Marburg – SG – am 21. September 1973 Klage erhoben und geltend gemacht: Sie sei berufsunfähig. Ihren landwirtschaftlichen Betrieb müsse sie aufgeben, da sie die schweren Arbeiten, die sie zum Teil bereits gegen Lohn an Dritte vergeben habe, nicht mehr verrichten könne. Das SG hat zunächst das Gutachten des Prof. Dr. und der Dres. Bö. und M. (Med.-Univ.-klinik M.) vom 10. März 1974 eingeholt, in dem die Sachverständigen mitteilen, die Klägerin könne nicht mehr in der Landwirtschaft arbeiten. Berufe, die mit einem erhöhten Verletzungsrisiko einhergingen, schieden ebenfalls aus. Wegen einer Marcumar-Behandlung bestünde auch bei nur geringen Verletzungen eine erhöhte Blutungsneigung. Ansonsten könne die Klägerin aber 8 Stunden täglich an 5 Tagen in der Woche leichte bis mittelschwere Arbeiten im Sitzen oder abwechselnd im Gehen und Stehen ohne Bücken, Heben oder Tragen schwerer Lasten verrichten. Berufsunfähigkeit liege nicht vor. Sodann holte das SG noch die Auskünfte des Dr. S. vom 29. September 1974 und des Arbeitsamtes M. vom 17. Oktober 1974 ein. Nach letzterer wird die Vermittlung der Klägerin aufgrund der gesundheitlichen Einschränkungen als erschwert angegeben, da Tätigkeiten als Hausgehilfin, Küchen-, Putz- und Stationshilfe ausfielen. Für eine Tätigkeit im Handel (Verkauf) komme sie ebenfalls mangels Qualifikation nicht in Betracht. Darüber hinaus handele es sich in diesem Berufsbereich um ausschließlich stehende Arbeiten, die die Versicherte nicht verrichten dürfe. Als Lagerhilfe oder Warenauffüllerin ergebe sich wieder die Notwendigkeit von Heben, Tragen und Bücken. Fabrikarbeiten kämen ebenfalls nicht in Betracht, da Tätigkeiten dieser Art zu 2/3 maschinell ausgeübt werden und ein erhöhtes Verletzungsrisiko in sich trügen. Hinzu komme noch, daß Betriebsarbeiten fast ausschließlich unter Zeitdruck verrichtet werden. Mit Urteil vom 18. Februar 1975 hat das SG unter Aufhebung des angefochtenen Bescheides entschieden, daß der Klägerin ab 1. März 1973 Zug um Zug gegen Abgabe des landwirtschaftlichen Unternehmens zum Zwecke der Strukturverbesserung die gesetzliche Landabgaberente zu gewähren sei. Sie sei nach den eingeholten Gutachten und der Auskunft des Arbeitsamtes M. berufsunfähig i.S. von § 1246 Abs. 2 RVO.
Gegen dieses ihr am 3. März 1975 gegen Empfangsbekenntnis zugestellte Urteil hat die Beklagte bei dem Hessischen Landessozialgericht am 25. März 1975 schriftlich Berufung eingelegt.
Es ist im Berufungsverfahren das berufskundliche Gutachten des Dipl.-Landwirtes Dr. K. (H.) vom 31. August 1976 eingeholt worden. In diesem vertritt der Sachverständige u.a. die Auffassung, daß die Klägerin aufgrund ihrer langjährigen Tätigkeit in der Landwirtschaft über Kenntnisse und Fähigkeiten verfüge, die den Anforderungen an die landwirtschaftliche Gehilfenprüfung entsprächen; sie sei als Landwirtin eines Nebenerwerbsbetriebs anzusehen. Es werde nicht ausgeschlossen, daß die von ihr geführte Landwirtschaft bei entsprechender Betriebsorganisation hätte weiter betrieben werden können. Bei einem zweifellos gewissen Einkommensverlust hätten die schweren Feldarbeiten im Rahmen der in Raum Ziegenhain bestehenden landtechnischen Fördergemeinschaft ausgeführt und es hätte die Innenwirtschaft ohne Milchviehhaltung organisiert werden können. Im übrigen sei die Klägerin auch nach ihrer sozialen Stellung als Facharbeiterin anzusehen. Das Verweisungsgebiet sei allerdings durch die grundbuchlich abgesicherten Verpflichtungen gegenüber ihren noch lebenden Eltern erheblich eingeschränkt. Außerdem ist von dem Arbeitsamt M. eine ergänzende Auskunft vom 25. Januar 1977 eingeholt worden. Danach bestanden seit dem 1. Oktober 1975 weder im Bereich des Arbeitsamtes M. noch der Dienststelle S. für die Klägerin entsprechend ihrem Leistungsvermögen keine nennenswerten Vermittlungsmöglichkeiten.
Die Beklagte bringt zur Begründung der Berufung hauptsächlich vor: Das SG habe zu Unrecht ihre Leistungsverpflichtung bereits ab 1. März 1973, dem Antragsmonat, angenommen. Die strukturverbessernde Abgabe sei erst ab 1. Oktober 1975 gegeben. Im übrigen sei die Klägerin nach wie vor nicht berufsunfähig. Dies ergebe sich auch aus dem berufskundlichen Gutachten des Sachverständigen Dr. K. Danach sei die Klägerin in der Lage gewesen, ihren Betrieb entsprechend ihrem Leistungsvermögen umzuorganisieren.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 18. Februar 1975 aufzuheben und die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
Beweis über die konkrete Fahrt- und Arbeitsmöglichkeiten der Klägerin in der Umgebung ihres Wohnortes zu erheben,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und meint, das berufskundliche Gutachten gehe von falschen Voraussetzungen aus.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Renten- und Streitakten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte Berufung ist frist- und formgerecht eingelegt und daher zulässig.
Sie ist jedoch nur zum Teil begründet. Der Klägerin steht Landabgaberente erst seit dem 1. Oktober 1975 zu (§ 41 Abs. 1 des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte vom 14.9.1965 – BGBl. I, 1449 – i.d.F. des 7. Änderungsgesetzes vom 19.12.1973 – BGBl. I, 1937 – GAL).
Unzutreffend hat das SG die Leistungsverpflichtung der Beklagten nach strukturverbessernder Abgabe des landwirtschaftlichen Unternehmens "Zug um Zug” bereits ab 1. März 1973 angenommen. Eine solche Verurteilung ist nicht zulässig. Nach §§ 46, 10 Abs. 1 GAL ist die Landabgaberente erst vom Beginn des Monats an zu gewähren, in dem alle ihre Voraussetzungen erfüllt sind. Bis zum 1. Oktober 1975 war dies schon deshalb nicht der Fall, weil bis zu diesem Zeitpunkt keine strukturverbessernde Abgabe vorlag (§ 41 Abs. 1 c GAL). Die Klägerin hatte schon im Antrag vom 7. März 1973 die Frage der Abgabe offen gelassen. Gegenüber dem SG hat sie mehrfach, z.B. bei ihrer persönlichen Anhörung am 18. Februar 1975 erklärt, das Unternehmen abzugeben, sobald die Berufsunfähigkeit festgestellt sei. Auch ihr Hinweis, sie habe im Herbst 1974 an den Landwirt K. 4 Morgen Land verpachtet, stellt keine strukturverbessernde Abgabe nach §§ 41 Abs. 1 c, 42 GAL dar. Danach sind wenigstens 85 v.H. der abzugebenden Fläche an die in § 42 GAL bezeichnenden Unternehmer abzugeben. Der abgebende Landwirt darf allenfalls bis zu 25 v.H. der landwirtschaftlichen Nutzfläche behalten (§§ 41 Abs. 2, 2 Abs. 7 GAL). Da von der Klägerin lediglich 4 Morgen (= 1 ha) gegenüber der eigenen Landwirtschaft von 3,66 ha (zuzüglich 1,20 ha angepachtetem Land) abgegeben worden waren, hatte sie bis einschließlich 30. September 1975 weit mehr als die zulässige Fläche behalten, so daß eine Verurteilung der Beklagten zur Gewährung von Landabgaberente bis zu diesem Zeitpunkt nicht erfolgen durfte.
Ab 1. Oktober 1975 ist der Anspruch der Klägerin auf Landabgaberente jedoch begründet (§§ 41, 46, 10 Abs. 2 GAL). Die Klägerin hat von diesem Zeitpunkt ab ihr landwirtschaftliches Unternehmen i.S. von § 41 Abs. 1 Buchst. c GAL abgegeben, was nach Vorlage der entsprechenden Pachtverträge von der Beklagten mit Schriftsatz vom 9. April 1976 ausdrücklich anerkannt worden ist. Unter den Beteiligten besteht auch kein Streit darüber, daß bis auf die Berufsunfähigkeit der Klägerin die sonstigen gesetzlichen Erfordernisse für den Anspruch auf Landabgaberente nach § 41 GAL erfüllt sind.
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Klägerin aber auch berufsunfähig i.S. von § 41 Abs. 1 GAL i.V.m. § 1246 Abs. 2 RVO. Hierzu hat der 11. Senat des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 25.5.1973 – 11 RLw 6/72 – in E 36, 27) zutreffend ausgeführt, daß zwar grundsätzlich der Begriff der Berufsunfähigkeit nach dem allgemeinen Recht der Rentenversicherung auch dem Landabgaberecht entspreche, aber stets dessen Besonderheiten Rechnung zu tragen sei. Die Landabgaberente sei eine aus struktur- und sozialpolitischen Erwägungen gewährte staatliche Gegenleistung für die Abgabe eines landwirtschaftlichen Unternehmens, wodurch der Strukturwandel der Landwirtschaft gefördert werden solle. Bei der Feststellung der Berufsunfähigkeit sei der bisher ausgeübte Beruf des versicherten Landwirts nach den jeweils konkreten Betriebs- und sozialem Verhältnissen und hierzu der entsprechende Verweisungsberuf zu ermitteln, wobei auch persönliche Bindung zu berücksichtigen seien. Danach hat das SG zutreffend die Berufsunfähigkeit der Klägerin angenommen.
Hierzu stellt der Senat aufgrund der von der Beklagten im Verwaltungsverfahren, von dem SG und im Berufungsverfahren eingeholten Gutachten und Auskünfte fest: Das körperliche Leistungsvermögen der Klägerin ist wesentlich eingeschränkt. Sie leidet seit 1970 unter den Folgen eines unvollständigen Zentralvenenverschlusses des rechten Auges mit beiderseits sehr labilem Gefäßbild im Augenhintergrund. Sie muß ständig mit dem Eintritt neuer Thrombosen rechnen und wird deshalb vorbeugend mit Marcumar behandelt. Daher besteht ein erhöhtes Verletzungsrisiko wegen verstärkter Blutungsneigungen bei auch nur geringfügigen Verletzungen. Außerdem leidet sie unter einer mittelgradigen Varicosis beider Beine und einer euthyreoten Struma nodosa mit regressiven Veränderungen. Dies ergibt sich im wesentlichen übereinstimmend aus den von Prof. Dr. St. und Dr. W., Dr. B. und Prof. Dr. K. sowie den Dres. Bö. und Z. erstatteten Gutachten, die von keinem der Beteiligten angegriffen worden sind. Der Senat sieht keine Veranlassung, diese Diagnosen anzuzweifeln. Das gleiche gilt für das von diesen Gutachtern eingeschätzte und verbliebene Leistungsvermögen der Klägerin. Danach kann diese schwere körperliche Arbeiten, wie sie in einem landwirtschaftlichen Betrieb anfallen, insbesondere Bücken, Heben und Tragen schwerer Lasten nicht mehr verrichten. Zumutbar sind lediglich noch leichte bis mittelschwere Arbeiten im Sitzen oder abwechselnd im Gehen und Stehen. Damit ist die Klägerin aber nicht mehr fähig, einen landwirtschaftlichen Betrieb ähnlicher Art und ähnlichen Umfanges zu bewirtschaften. Die Beklagte kann sich insoweit nicht darauf berufen, daß Dr. B. und die Sachverständigen Prof. Dr. K. sowie die Dres. Bö. und Z. in ihren Gutachten das Vorliegen der Berufsunfähigkeit verneint und die MdE mit 40 v.H. angegeben haben. Hierbei handelt es sich allein um eine dem Versicherungsträger und den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit zustehende Entscheidung einer Rechtsfrage, für deren Beantwortung die von den Ärzten erhobenen Befunde lediglich einen Teilaspekt darstellen. Weder die Gutachter noch die Beklagte haben sich hier mit den Besonderheiten des Landabgaberechts bei den von ihnen vorgenommenen Bewertungen befaßt, wie die Gutachten und das Vorbringen der Beklagten zeigen. Diese meint ganz allgemein, daß die Klägerin i.S. von § 1246 Abs. 2 RVO nicht berufsunfähig sei. Hierauf kommt es aber nicht an, wie oben bereits dargetan ist. Maßgeblich ist der Begriff der Berufsunfähigkeit nach § 41 GAL. Hierzu stellt der Senat nach den glaubhaften Angaben der Klägerin und der im Berufungsverfahren eingeholten berufskundlichen Gutachten des Dipl.-Landwirtes Dr. K. fest, daß die Klägerin ohne besondere Schul- und Berufsausbildung die Kenntnisse besitzt, die den praktischen Anforderungen an die landwirtschaftliche Gehilfenprüfung entsprechen. Sie hat langjährig in der Landwirtschaft gearbeitet, zuerst im elterlichen Betrieb und später als selbständige Unternehmerin, nachdem sie diesen von den Eltern 1963 übernommen hatte. Nach den medizinischen Feststellungen kann sie diese von ihr bisher ausgeübte Tätigkeit nicht mehr verrichten. Es wäre ihr – im Gegensatz zu der von der Beklagten vertretenen Ansicht – auch nicht möglich gewesen, ihr Unternehmen so umzustrukturieren, daß die von den Gutachtern als schädlich angesehenen körperlichen Betätigungen von ihr hätten vermieden werden können. Die Beklagte zieht insoweit aus dem berufskundlichen Gutachten des Sachverständigen Dr. K. unrichtige Schlüsse. Dieser hielt eine solche Umorganisation unter Einsatz der im Raum Z. bestehenden landtechnischen Fördergemeinschaft im Außenbetrieb und ohne Milchviehhaltung in der Innenwirtschaft nicht für ausgeschlossen. Voraussetzung hierfür wäre aber eine umfangreiche Neukalkulation des Betriebes gewesen, wozu die Klägerin nach ihren Kenntnissen und Fähigkeiten nicht in der Lage ist. Nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. K. wurden die betrieblichen Dispositionen im Unternehmen der Klägerin von ihrem Vater getroffen. Sie selbst hat nur die Volksschule besucht und keine weiteren besonders, auch nicht berufsbezogene Ausbildung erfahren. An der staatlichen Wirtschaftsberatung nahm sie nicht teil. Zudem führte der Sachverständige Dr. K. aus, daß eine solche, von ihm für nicht ausgeschlossen gehaltene Umorganisation des Betriebes mit einem Einkommensverlust verbunden gewesen wäre. Einen solchen braucht die Klägerin aber nicht hinzunehmen. Das entspricht auch nicht den Besonderheiten des Landabgaberechts, das darauf angelegt ist, den Strukturwandel in der Landwirtschaft mit dem Ziel der Schaffung leistungsfähiger Betriebe zu fördern (vgl. BSG a.a.O.).
Die Klägerin kann auch nicht auf eine unselbständige Tätigkeit zumutbar verwiesen werden. Grundsätzlich ist zwar die Verweisung eines selbständigen Landwirtes auf lohnabhängige Arbeiten statthaft; stets muß es sich aber um solche handeln, die dem bisherigen Beruf nach wirtschaftlicher und sozialer Bewertung entsprechen und keinen sozialen Abstieg bedeuten (vgl. BSG a.a.O.). Auch nach dem überzeugenden Gutachten des Sachverständigen Dr. K. ist die Klägerin aufgrund langjähriger Berufsausübung nach ihren erworbenen Kenntnissen und Fähigkeiten einem Facharbeiter gleichzustellen. Sie muß sich daher auf Tätigkeiten verweisen lassen, die sich aus dem Kreis der ungelernten Tätigkeiten hervorheben, und zwar, da ihr Betrieb das Doppelte der nach § 1 Abs. 4 GAL festgesetzten Mindesthöhe nicht erreichte, auch auf solche ungelernten Tätigkeiten, die nicht einfachster Art sind, z.B. nicht auf Reinigungs- und Putzarbeiten, einfache Wächter- und Wartungsarbeiten oder ähnliche Tätigkeiten. Das ergeben die auch von der Beklagten nicht angegriffenen Ausführungen des Sachverständigen Dr. K. Ferner ist zu berücksichtigen, daß sie entgegen der Ansicht der Beklagten nur im Amtsbereich des Arbeitsamtes M. vermittlungsfähig ist. Die Beklagte verkennt, daß sich der Begriff der Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit im Recht der Altershilfe für Landwirte und der Landabgabe nicht mit dem der Arbeiterrentenversicherung in jeder Hinsicht deckt. Stets ist die struktur- und sozialpolitische Zielsetzung nach dem GAL zu berücksichtigen (vgl. BSG a.a.O.; Urt. v. 28.8.1969 – 11/7 RLw 15/65 – in E 30, 71; Noell, Sozialrechtliche Maßnahmen zur Strukturverbesserung – LAR – 1974, 3. Aufl., S. 38, 39). Das hat zur Folge, daß auch örtliche Bindungen bei der Beurteilung der Verweisbarkeit eines landwirtschaftlichen Unternehmers zu beachten sind. Die Klägerin ist als Ehefrau an den Wohnsitz ihres Ehemannes gebunden; ihr obliegen außerdem gegenüber den noch im gleichen Hause lebenden Eltern erhebliche Pflichten aus der Erfüllung von Altenteilsrechten, wie ebenfalls der Sachverständige Dr. K. nachgewiesen hat. Das SG hat insoweit – auch unter Hinweis auf Noell (a.a.O. S. 40) – zutreffend ausgeführt, daß die Verweisung von Landwirten in andere Erwerbstätigkeiten schwierig ist. Dem entspricht auch die von dem Arbeitsamt M. dem SG erteilte Auskunft vom 17. Oktober 1974, die nach eingehender Sachverhaltsschilderung des Kammervorsitzenden vom 3. September 1974 und Anhörung des Arbeitsamtsarztes erging. Unter Berücksichtigung des ärztlich festgestellten eingeschränkten Leistungsvermögens ist der Klägerin hiernach der erreichbare Arbeitsmarkt praktisch verschlossen. Da sie keine Arbeiten verrichten darf, die mit Heben, Tragen und Bücken verbunden sind, scheiden die Tätigkeiten als Hausgehilfin, Küchen- und Stationshilfe aus. Für eine Tätigkeit im Handel (Verkauf) kommt sie wegen mangelnder Qualifikation nicht in Betracht. Im übrigen handelt es sich hierbei ausschließlich um stehende Arbeiten, die sie nach den ärztlichen Feststellungen nur eingeschränkt verrichten darf. Als Lagerhilfe oder Warenauffüllerin kommt sie ebenfalls nicht in Betracht, da sie weder heben noch tragen und sich auch nicht bücken und nicht ständig stehen darf. Es scheiden auch Fabrikarbeiten wegen des erhöhten Verletzungsrisikos aus, so daß ihr der allein erreichbare Arbeitsmarkt des Arbeitsamtsbereichs M. praktisch verschlossen ist. Dies folgt auch aus der im Berufungsverfahren eingeholten ergänzenden Auskunft des Arbeitsamtes M. vom 25. Januar 1977. Danach steht fest, daß auf dem für die Klägerin erreichbaren Arbeitsmarkt keine nennenswerten Vermittlungsmöglichkeiten seit 1975 vorhanden sind.
Bei dieser Sach- und Rechtslage brauchte der Senat dem Hilfsantrag der Beklagten, Beweis über die konkreten Fahrt- und Arbeitsmöglichkeiten der Klägerin in der Umgebung ihres Wohnortes zu erheben, nicht mehr nachzugehen. Insoweit ist der Sachverhalt bereits ausreichend aufgeklärt. Das Leistungsvermögen der Klägerin ist medizinisch wie berufskundlich durch die Einholung von Gutachten festgestellt. Nach den Auskünften des Arbeitsamtes M. vom 17. Oktober 1974 und vom 23. Januar 1977 ist der für die Klägerin erreichbare Arbeitsmarkt praktisch verschlossen. Hiernach hätte das Arbeitsamt M. der Klägerin, sofern diese sich arbeitssuchend gemeldet haben würde, innerhalb eines Jahres – jedenfalls seit Oktober 1975 – keine zumutbare Tätigkeit anbieten können, da keine nennenswerten Vermittlungsmöglichkeiten bestanden (vgl. hierzu auch den Beschluss des Großen Senats des BSG vom 10.12.1976 – GS 2, 3 u. 4/75 sowie 3/76). Der Senat konnte sich mit diesen Auskünften begnügen, da die Arbeitsämter am besten den Arbeitsmarkt ihrer Bezirke kennen. Ihnen obliegt es, im Rahmen der der Bundesanstalt für Arbeit zugewiesenen Aufgaben (§ 3 Arbeitsförderungsgesetz – AFG –) den Arbeitsmarkt zu erforschen, d.h., sich genaue Kenntnisse über dessen Gegebenheiten zu verschaffen (§ 6 AFG). Ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit der erteilten Auskünfte hat die Beklagte im übrigen auch nicht vorgebracht.
Nach den individuellen Gegebenheiten war daher die Klägerin als berufsunfähig i.S. von § 41 GAL anzusehen. Jedes andere Ergebnis würde dem strukturpolitischen und sozialen Sinn dieser Regelung widersprechen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG, die über die Nichtzulassung der Revision auf § 160 SGG.
Der Senat hat die von der Beklagten angeregte Zulassung der Revision nicht ausgesprochen, weil es sich hier nur um einen Rechtsstreit handelt, in welchem – im Rahmen der Rechtsprechung des BSG – Tatsachen festzustellen und Beweise zu würdigen waren.
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