Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
5
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 5 V 1161/72
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1) Für eine Gesundheitsstörung kommt Versorgung nicht in Betracht, wenn schon nach der Lebenserfahrung eine ursächliche Verknüpfung mit einer anerkannten Schädigungsfolge ausscheidet.
2) Ergibt sich aus einem Berichtigungsbescheid nach § 41 VfG (KOV) nicht, welcher Grundsatz der MdE für eine im Sinne der Verschlimmerung anerkannte Gesundheitsstörung angenommen worden ist, so ist dieser unter Berücksichtigung der vorliegenden Gutachten zu ermitteln.
2) Ergibt sich aus einem Berichtigungsbescheid nach § 41 VfG (KOV) nicht, welcher Grundsatz der MdE für eine im Sinne der Verschlimmerung anerkannte Gesundheitsstörung angenommen worden ist, so ist dieser unter Berücksichtigung der vorliegenden Gutachten zu ermitteln.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 8. November 1972 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Der nach den Bescheiden vom 6. Januar 1948 und 10. Oktober 1949 erteilte Umanerkennungsbescheid vom 15. März 1951 gewährte dem 1901 geborenen Kläger für die Schädigungsfolgen
"1) Doppeltsehen nach Radikaloperation der rechten Stirnhöhle mit Tränen des rechten Auges,
2) Magenschleimhautentzündung mäßigen Grades,
3) chronische Kniegelenksentzündung links”
eine Beschädigtenrente nach einem Grade der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 40 v.H.
Der von ihm am 31. Dezember 1951 gestellte Verschlimmerungsantrag ist nach der Begutachtung durch den Facharzt für Chirurgie Dr. H. und den Direktor der Universitätsaugenklinik H. Prof. Dr. E. mit Bescheid vom 7. Mai 1958 abgelehnt worden. Die gegen den ablehnenden Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 1959 erhobene Klage ist mit Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 30. Januar 1962 – S-5/V-2067/59 – abgewiesen worden, da in den anerkannten Schädigungsfolgen keine wesentliche Verschlimmerung eingetreten sei.
In dem Berufungsverfahren vor dem Hessischen Landessozialgericht Darmstadt haben Prof. Dr. J. und Priv. Doz. Dr. H. von der Orthopädischen Anstalt der Universität H. das Gutachten vom 26. April 1963 erstellt. Sie haben darin die Meinung vertreten, es sei mit überzeugendem Grad an Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß die Kniegelenksveränderung, die 1947 als chronische Kniegelenksentzündung links bezeichnet und als WDB-Folge angesehen worden sei, Folge der Kniegelenksentzündung im Jahre 1925 sei. Es sei nicht wahrscheinlich zu machen, daß der angegebene Unfall in Wehrdienst als Ursache für die Entstehung einer chronischen Kniegelenksentzündung in Betracht komm. Es sei nicht einmal gerechtfertigt, eine richtunggebende Verschlimmerung der Kniegelenksentzündung durch das angeschuldigte Ereignis anzuerkennen. Eine Knieprellung heile innerhalb weniger Wochen oder schlimmstenfalls einiger Monate aus. Die Tatsache, daß sich inzwischen auch im rechten Kniegelenk eine Arthrosis deformans entwickelt habe, spreche dafür, daß eine entsprechende Anlage zugrunde liege.
Auf Veranlassung des Klägers haben Dres. Ha. und K. vom Diakonissen-Krankenhaus M. das Gutachten vom 7. Juli 1964 gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erstellt. Sie haben darin die Ansicht vertreten, die vom Kläger geäußerten Oberbauchbeschwerden beruhten in Verbindung mit dem klinischen Befund überwiegend auf Dyskinesien der Gallenblase und Gallenwege bei gleichzeitiger Übersäuerung des Magens. Ein Grad der MdE bestehe nicht.
In dem weiteren fachchirurgischen Gutachten vom 8. Oktober 1964 mit der Ergänzung vom 24. März 1965 haben Dres. B. und M. sich dahingehend geäußert, daß eine Verschlimmerung gegenüber den Befunden von 1949 in dem Auftreten einer Muskelminderung am linken Bein und in den endgradigen Behinderungen des Hüftgelenks sowie des oberen Sprunggelenks zu sehen sei. Der Grad der MdE für die auf chirurgischem Fachgebiet liegenden Gesundheitsstörungen betrage 40 v.H.
Der Beklagte erließ hiernach sowie aufgrund der sich aus den Krankenunterlagen des Reservelazarettes H. aus dem Jahre 1945 ergebenden Tatsache, daß der Kläger bereits 1925 eine Kniegelenksentzündung durchgemacht hatte, den Berichtigungsbescheid nach § 41 VerwVG vom 1. Juli 1965, mit dem er unter Beibehaltung des Grades der MdE um 40 v.H. die Schädigungsfolge "chronische Kniegelenksentzündung links” jetzt als verschlimmert durch schädigende Einwirkungen im Sinne des § 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) bezeichnete. Die bisherige Bezeichnung als hervorgerufen sei von Anbeginn an zweifelsfrei unrichtig gewesen.
Mit Urteil vom 28. September 1965 hat das Hessische Landessozialgericht die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 30. Januar 1962 zurückgewiesen, da in den Schädigungsfolgen keine wesentliche Änderung der Verhältnisse festzustellen sei. Die inzwischen eingetretene weitere Verschlimmerung der Kniegelenksentzündung links sei eine schicksalsmäßige Weiterentwicklung des bereits 1925 begonnenen Leidens.
Der Kläger beantragte am 9. September 1966 erneut eine höhere Beschädigtenrente, da die eingetretene Schenkelhalsfraktur links durch die anerkannte Schädigungsfolge mit verursacht sei. Er verwies dazu auf das ärztliche Attest des Dr. S. vom 5. Juni 1968. Zu dem Unfallhergang gab er an, er habe sich zum Ausruhen auf das Bett gelegt, wo er vermutlich beim Umdrehen plötzlich den Halt verloren und über die Bettkante nach links abgerutscht sei. Dabei habe er versucht, sich auf das linke Bein zu stützen, habe jedoch wegen des deformierten Beines keinen Halt gefunden. Er sei auf das linke Becken gefallen. Dabei sei es zu der Schenkelhalsfraktur gekommen.
Nachdem Dr. W. die versorgungsärztliche Äußerung vom 30. Oktober 1968 abgegeben hatte, stellte der Bescheid vom 24. Dezember 1968 fest, die Herzinsuffizienz, ein Osteom im linken Stirnhöhlenbereich, eine Colitis mucosa und die Schenkelhalsfraktur links seien keine Schädigungsfolgen im Sinne des BVG. In den anerkannten Schädigungsfolgen sei keine wesentliche Änderung eingetreten. Für die Schenkelhalsfraktur sei der Gesamtzustand des linken Beines als Ursache oder Mitursache zu werten.
Der Widerspruchsbescheid vom 16. Oktober 1969 führte noch aus, als Ursache für die bestehende Herzinsuffizienz seien Durchblutungsstörungen der Herzkranzgefäße auf dem Boden einer Coronarsklerose anzusehen. Sie seien Ausdruck eines dem Alter entsprechenden Gefäßverschleißes. Das Osteom sei eine gutartige Knochengeschwulst, die bereits schon 1945 vorhanden gewesen sei. Mit der Stirnhöhlenoperation bestünde kein ursächlicher Zusammenhang. Die Colitis mucosa sei möglicherweise die Folge der häufigen Anwendung von Abführmitteln. Ein ursächlicher Zusammenhang mit der als Schädigungsfolge anerkannten Magenschleimhautentzündung mäßigen Grades könne ausgeschlossen werden. Es sei unwahrscheinlich, daß die als Schädigungsfolge anerkannte geringe Kniegelenksentzündung bei dem Unfallhergang eine wesentliche Ursache gewesen sein solle. Dem anerkannten Leidensanteil komme für die Schenkelhalsfraktur keine Bedeutung zu.
In dem Klageverfahren vor dem Sozialgericht Darmstadt hat der Kläger unter Hinweis auf die ärztlichen Atteste der Dres. S., K. und P. vorgetragen, der Grad der Gesamt-MdE von 40 v.H. werde allein durch das auf chirurgischem Fachgebiet liegende Leiden bedingt. Diese anerkannten Schäden am linken Bein hätten zu der Schenkelhalsfraktur geführt.
Demgegenüber hat der Beklagte ausgeführt, durch den angeschuldigten Unfall in Jahre 1941 sei es nur zu einer vorübergehenden Verschlimmerung des Kniegelenksschadens gekommen. Er sei bereits im Jahre 1951 längst abgeklungen gewesen. Die schädigungsbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit bestehe auf fachchirurgischem Gebiet überhaupt nicht mehr. Der in dem Gutachten des Diakonissen-Krankenhauses M. vom 8. Oktober 1964 angenommene Grad der MdE um 40 v.H. entfalle überwiegend – wenn nicht ausschließlich – auf den nichtschädigungsbedingten Anteil. Der als Schädigungsfolge im Sinne einer Verschlimmerung anerkannte geringe Anteil an dem Beinschaden sei keine wesentliche Mitursache an dem Unfall vom 10. Dezember 1967 gewesen.
Das Sozialgericht hat Beweis erhoben und hat von Prof. Dr. R. von der Gutachtensstelle der Universität G. das fachorthopädische Gutachten vom 14. September 1972 eingeholt. Er hat darin mit dem Assistenten der Klinik Dr. M. die Ansicht vertreten, der Schenkelhalsbruch des linken Beines sei mit hoher Wahrscheinlichkeit durch die Folgen der Kniegelenksarthrose links entstanden. Diese sei wiederum Folge eines altersbedingten, schicksalsmäßigen Leidens.
Mit Urteil vom 8. November 1972 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, der Schenkelhalsbruch sei nicht als weitere Schädigungsfolge festzustellen, da dieser nicht durch das anerkannte Schädigungsleiden verursacht worden sei. Die von dem medizinischen Sachverständigen der Universitätsklinik G. als Ursache angesehene Instabilität des linken Beines habe dabei keine Rolle gespielt, weil nach der Sachlage der Kläger wahrscheinlich gar nicht habe dazu kommen können, sein linkes Bein zum Abstützen des Körpers zu benutzen.
Gegen das dem Kläger am 17. November 1972 zugestellte Urteil ist die Berufung am 13. Dezember 1972 bei dem Hessischen Landessozialgericht eingegangen.
Er beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 8. November 1972 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 24. Dezember 1968 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Oktober 1969 zu verurteilen, für die anerkannten Schädigungsfolgen sowie für die weiteren Schädigungsfolgen Colitis mucosa, Osteom im linken Stirnhöhlenbereich sowie für Folgen der Schenkelhalsfraktur links Beschädigtenrente nach einer MdE um mindestens 50 v.H. zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Versorgungsakten mit der Grundlisten-Nr. xxxxx, die Akte des Oberversicherungsamtes Darmstadt Prl. K.B. , Prl. K.B. und die Akte des Sozialgerichts Darmstadt S-5/V-2067/59 haben vorgelegen. Auf ihren Inhalt und den der Gerichtsakte beider Rechtszüge, der auszugsweise in der mündlichen Verhandlung vorgetragen worden ist, wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die frist und formgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 148 Nr. 3, 150 Nr. 3, 151 Abs. 1 SGG). Sie ist jedoch unbegründet.
Der Bescheid vom 24. Dezember 1968, der in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Oktober 1969 Gegenstand der Klage geworden ist (§ 95 SGG), ist zu Recht ergangen. Weder die Colitis mucosa noch das Osteom im linken Stirnhöhlenbereich und auch nicht der Schenkelhalsbruch links können als weitere Schädigungsfolgen anerkannt werden.
Rechtsgrundlage ist insoweit § 62 Abs. 1 BVG i.V.m. § 1 Abs. 3 Satz 1 BVG, wonach eine Neufeststellung der Versorgungsbezüge dann zu erfolgen hat, wenn eine wesentliche Änderung der Verhältnisse eingetreten ist und wenn es im Sinne der im Versorgungsrecht geltenden Kausalität enorm wahrscheinlich ist, daß die vom Kläger geltend gemachten Gesundheitsstörungen Schädigungsfolgen sind. Das ist jedoch nicht der Fall.
Wenn der Beklagte angenommen hat, daß für die Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Klägers keine Wehrdiensteinflüsse, vor allem nicht die anerkannten Schädigungsfolgen selbst als Ursache in Frage kommen, so ist diese Feststellung zutreffend. Denn sie stützt sich einmal auf die in den Akten enthaltenen Fakten und zum anderen auf das Gutachten des Diakonissen-Krankenhauses M. vom 7. Juli 1964, in dem überzeugend dargelegt worden ist, daß die Colitis mucosa die Folge einer häufigen Anwendung von Abführmitteln sei. Oberregierungsmedizinalrat Dr. W. hat daraus den richtigen Schluß gezogen, daß die anerkannte Magenschleimhautentzündung mäßigen Grades dafür als Ursache ausscheidet. Sie hat auch nicht die Stuhlverstopfung hervorgerufen, die der Anlaß für den Gebrauch von Abführmitteln war. Bei dem Osteom handelt es sich nach richtiger Ansicht des Dr. W. um eine gutartige Knochengeschwulst, die sich aus konstitutionellen endogenen Faktoren heraus entwickelt hat. Diese Geschwulst war bereits im Jahre 1945 vorhanden, wie das das Krankenblatt des Reservelazarettes H. ausweist. Danach handelt es sich bei der Stirnhöhlenerkrankung um ein altes Leiden, das im Jahre 1945 aus vitaler Indikation operiert worden ist. Lediglich die nachteiligen Folgen dieser Operation sind als Schädigungsfolge mit der Bezeichnung "Doppeltsehen nach Radikaloperation der rechten Stirnhöhle” anerkannt worden, nicht aber die Stirnhöhlenerkrankung selbst.
Das Sozialgericht hat weiter zu Recht angenommen, daß die Folgen der Schenkelhalsfraktur links nicht als mittelbare Schädigungsfolgen im Sinne des § 1 BVG festzustellen sind. Als mittelbare Folge einer Schädigung gelten Gesundheitsstörungen, die zwar unabhängig von dem schädigenden Vorgang und seinen Folgen entstehen, bei deren Zustandekommen die anerkannten Schädigungsfolgen aber wesentlich mitgewirkt haben. Darunter fallen auch solche, bei denen die Versorgungsleiden die Ursache für eine weitere gesundheitliche Schädigung bilden, die ohne sie wahrscheinlich nicht eingetreten wäre. Das behauptet der Kläger, indem er vorträgt, daß er wegen der chronischen Kniegelenksentzündung links als Schädigungsfolge nicht die Möglichkeit gehabt habe, sich beim Aufstehen aus dem Bett einen Halt zu verschaffen. Es fragt sich deshalb, ob diese anerkannte Gesundheitsstörung ursächlich für den Sturz war oder ob das Verhalten des Klägers bzw. andere Umstände dafür in Frage kommen. Sein Verhalten ist dabei nicht nach Grad und Schwere irgendeines Verschuldens, sondern danach zu beurteilen, ob und inwieweit es für den Erfolg wesentlich gewesen ist. Nach der im Verwaltungsverfahren von dem Kläger abgegebenen Unfallschilderung, die der Senat allein für glaubhaft hält, ist er wie das Sozialgericht der Ansicht, daß weder die anerkannte Schädigungsfolge noch die Instabilität des linken Beines die überragende Bedingung des Unfalls gewesen sind. Der Kläger ist nämlich nicht, wie das in der Anamnese des Gutachtens der Gutachtenstelle der Universitätsklinik G. vom 14. September 1972 festgehalten ist, beim Aufstehen aus dem Bett niedergestürzt, sondern ist beim Umdrehen im Bett über die Bettkante nach links abgerutscht und dabei auf das linke Becken gefallen. Bei einem derartigen, plötzlichen Sturz widerspricht es jeder Lebenserfahrung, daß der Fallende bei Berücksichtigung der Schrecksekunde einen richtigen Halt durch die Beine finden kann. Auch bei einem Nichtbeingeschädigten wäre ein Sturz so verlaufen, weil er sich in Bruchteilen von Sekunden abgespielt und seinen eigenen Gesetzen folgt. Schon aufgrund des Geschehensablaufs ist damit zu verneinen, daß die anerkannte Schädigungsfolge an dem Zustandekommen des Unfalls mitgewirkt hat.
Der Schädigungsfolge kommt auch nicht die Bedeutung einer Mitursache zu, weil sie für das Unfallgeschehen rechtlich ohne relevante Bedeutung war. Selbst wenn man zugunsten des Klägers von dem den medizinischen Sachverständigen Prof. Dr. R. und M. geschilderten Unfallhergang ausgeht, nämlich von einen Umknicken des Kniegelenkes beim Aufstehen, kann die anerkannte Schädigungsfolge "chronische Kniegelenksentzündung links” nicht ursächlich für die dabei aufgetretene Schenkelhalsfraktur links sein. Der Schädigungsfolge kommt dabei weder die Bedeutung einer wesentlichen Ursache noch einer Mitursache zu. Als Ursache kommt bei einem solchen Unfallhergang die Gebrauchsbehinderung des linken Beines allein in Frage. Sie beruht auf einer Kniegelenksarthrose, die nach richtiger Ansicht der medizinischen Sachverständigen Prof. Dr. R. und Dr. M. ein altersbedingtes, schicksalsmäßiges Leiden darstellt. Es ist durch die anerkannte Schädigungsfolge weder hervorgerufen noch verschlimmert worden. Zu der gleichen Feststellung gelangten bei der Begutachtung 1969 Prof. Dr. J. und Priv. Doz. Dr. H. von der Orthopädischen Anstalt der Universität H. Diese medizinischen Sachverständigen kamen aufgrund der erhobenen Befunde zu dem zutreffenden Schluß, daß der krankhafte Befund im Bereich des linken Kniegelenkes nicht mit dem angeschuldigten Ereignis während des Wehrdienstes – nämlich der Knieprellung – in Zusammenhang zu sehen ist. Er geht vielmehr auf die im Jahre 1925 durchgemachte Kniegelenksentzündung zurück. Es handelt sich dabei um eine chronische Kniegelenksentzündung, die wegen der Erkrankung des Jahres 1925 im linken Kniegelenk frühzeitiger zu erheblichen formverbildenden Veränderungen geführt hat, als das am rechten Kniegelenk zum Ausdruck kommt. Dort hat sie gleichfalls eine Arthrosis deformans schicksalsmäßig entwickelt. Auch sie hat inzwischen einen Grad erreicht, der zu entsprechenden Beschwerden Anlaß gibt. Diese von den medizinischen Sachverständigen der Orthopädischen Anstalt der Universität H. getroffenen Feststellungen haben den Beklagten veranlaßt, den Berichtigungsbescheid vom 1. Juli 1965 zu erlassen, mit dem die anerkannte Schädigungsfolge "chronische Kniegelenksentzündung links” nicht mehr als hervorgerufen, sondern als verschlimmert durch schädigende Einwirkungen im Sinne des § 1 BVG anerkannt worden ist. Daß die anerkannten Schädigungsfolgen damals mit einem Grad der MdE um 40 v.H. weiterhin bewertet worden sind, ergab sich aus der Rechtslage. Einer weitergehenden Berichtigung des Grades der MdE stand § 41 VerwVG entgegen, wonach die Rentenhöhe nur berichtigt werden kann, wenn und so weit die bisher anerkannte MdE zweifelsfrei nicht gerechtfertigt ist. Somit muß durch Auslegung des Bescheides geklärt werden, welche Gesundheitsstörungen wirklich anerkannt worden sind und mit welchem Gradanteil. Dabei erweist sich die Annahme des Klägers, die Kniegelenksentzündung sei allein mit eines Gradsatz von 40 v.H. bemessen worden, als völlig irrig. Es ist zwar richtig, daß die Gutachter des Diakonissenkrankenhauses M. die Veränderungen am linken Bein insgesamt auf die Kniegelenksarthrose links zurückgeführt und diese selbst als Schädigungsfolge mit einer MdE um 40 v.H. bewertet haben. Dieser Beurteilung ist der 8. Senat des Hessischen Landessozialgerichts 1965 mit Recht nicht gefolgt. Er hat sich vielmehr dem überzeugenden Gutachten der Orthopädischen Anstalt der Universität H. vom 26. April 1963 angeschlossen. Danach ist die als Schädigungsfolge anerkannte Kniegelenksentzündung als eine vorübergehende Verschlimmerung eines alten Leidens aufzufassen und hat zu keiner bleibenden Minderung der Erwerbsfähigkeit geführt. An die Rechtskraft des Urteils vom 28. September 1965 ist der Senat insoweit gebunden. Ferner ist auch darauf zu verweisen, daß in dem Bescheid vom 6. Januar 1948 die auf die Kniegelenksentzündung links zurückzuführende MdE als nicht meßbar bezeichnet worden ist. Die Annahme einer MdE von 40 v.H. beruhte allein auf dem anerkannten Augenschaden (vgl. OVA-Akte Darmstadt Pr.L.K.B. ). Wenn in dem Bescheid vom 1. Juli 1965 eine MdE von 40 v.H. beibehalten wurde, muß sie sich insoweit auf den Augenschaden beziehen. Der Höhe nach ist sie nach dem Gutachten der Universitäts-Augenklinik H. vom 17. Dezember 1955 ebenfalls nicht gerechtfertigt. Lediglich mit Rücksicht auf die im versorgungsärztlichen Gutachten des Dr. J. vom 19. August 1953 angenommene Beurteilung verblieb es wahrscheinlich im Berichtigungsbescheid vom 1. Juli 1965 bei der Annahme der Gesamt-MdE um 40 v.H.
Daß nach allem die Veränderungen am linken Bein nicht auf die Kniegelenksentzündung zurückzuführen sind, hat auch das überzeugende Gutachten des Prof. Dr. R. und des Dr. M. vom 14. September 1972 ergeben. Danach geht der Schenkelhalsbruch mit Sicherheit nicht ursächlich auf die anerkannten Schädigungsfolgen zurück, auch wenn man der geänderten Einlassung des Klägers zum Unfallablauf folgen sollte. Diese Feststellung hatte schon früher das rechtskräftige Urteil des Hessischen Landessozialgerichts Darmstadt vom 28. September 1965 getroffen, das in seinen Entscheidungsgründen sich gleichfalls mit dem Gutachten des Diakonissen-Krankenhauses M. vom 8. Oktober 1964 auseinandergesetzt hat. Danach ist dieses Gutachten nicht überzeugend, das die Muskelminderung im linken Ober- und Unterschenkel, die Einschränkung der Beweglichkeit des linken Hüftgelenkes sowie des linken oberen Sprunggelenkes als Folge der anerkannten chronischen Kniegelenksentzündung links angesehen hat. Der Senat tritt dieser in den Entscheidungsgründen niedergelegten Ansicht bei, wobei er gleichfalls die in dem Gutachten aufgezeigten Zweifel teilt, ob überhaupt die chronische Kniegelenksentzündung links als Folge des Unfalls von 1941 anerkannt werden kann. Insoweit vermögen auch die vom Kläger vorgelegten ärztlichen Atteste des Dr. S. nicht zu überzeugen, der ohne eine nähere Begründung zu geben, den ursächlichen Zusammenhang zwischen Schädigungsfolge und Unfallfolgen bejaht.
Der anerkannten Schädigungsfolge kommt somit für den Unfallhergang nicht die Bedeutung einer Mitursache zu, weil sie für das Geschehen rechtlich nicht relevant war. Wenn die Gebrauchsbehinderung des linken Beines bei dem Unfallhergang eine Rolle gespielt hat, dann hat der auf die Schädigungsfolge entfallende Leidensanteil wegen seiner Geringfügigkeit keine Bedeutung gehabt.
Der Senat vermag daher in Übereinstimmung mit dem Sozialgericht nicht festzustellen, daß die geltend gemachten Gesundheitsstörungen Schädigungsfolgen sind, da diese nicht mit der vom Gesetz geforderten Wahrscheinlichkeit auf Einflüsse des Wehrdienstes zurückgehen oder durch die anerkannten Schädigungsfolgen verursacht worden sind (§ 1 Abs. 3 Satz 1 BVG). Eine wesentliche Änderung im Sinne des § 62 Abs. 1 BVG ist im übrigen ebenfalls nicht eingetreten.
Der Berufung war daher der Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Der nach den Bescheiden vom 6. Januar 1948 und 10. Oktober 1949 erteilte Umanerkennungsbescheid vom 15. März 1951 gewährte dem 1901 geborenen Kläger für die Schädigungsfolgen
"1) Doppeltsehen nach Radikaloperation der rechten Stirnhöhle mit Tränen des rechten Auges,
2) Magenschleimhautentzündung mäßigen Grades,
3) chronische Kniegelenksentzündung links”
eine Beschädigtenrente nach einem Grade der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 40 v.H.
Der von ihm am 31. Dezember 1951 gestellte Verschlimmerungsantrag ist nach der Begutachtung durch den Facharzt für Chirurgie Dr. H. und den Direktor der Universitätsaugenklinik H. Prof. Dr. E. mit Bescheid vom 7. Mai 1958 abgelehnt worden. Die gegen den ablehnenden Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 1959 erhobene Klage ist mit Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 30. Januar 1962 – S-5/V-2067/59 – abgewiesen worden, da in den anerkannten Schädigungsfolgen keine wesentliche Verschlimmerung eingetreten sei.
In dem Berufungsverfahren vor dem Hessischen Landessozialgericht Darmstadt haben Prof. Dr. J. und Priv. Doz. Dr. H. von der Orthopädischen Anstalt der Universität H. das Gutachten vom 26. April 1963 erstellt. Sie haben darin die Meinung vertreten, es sei mit überzeugendem Grad an Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß die Kniegelenksveränderung, die 1947 als chronische Kniegelenksentzündung links bezeichnet und als WDB-Folge angesehen worden sei, Folge der Kniegelenksentzündung im Jahre 1925 sei. Es sei nicht wahrscheinlich zu machen, daß der angegebene Unfall in Wehrdienst als Ursache für die Entstehung einer chronischen Kniegelenksentzündung in Betracht komm. Es sei nicht einmal gerechtfertigt, eine richtunggebende Verschlimmerung der Kniegelenksentzündung durch das angeschuldigte Ereignis anzuerkennen. Eine Knieprellung heile innerhalb weniger Wochen oder schlimmstenfalls einiger Monate aus. Die Tatsache, daß sich inzwischen auch im rechten Kniegelenk eine Arthrosis deformans entwickelt habe, spreche dafür, daß eine entsprechende Anlage zugrunde liege.
Auf Veranlassung des Klägers haben Dres. Ha. und K. vom Diakonissen-Krankenhaus M. das Gutachten vom 7. Juli 1964 gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erstellt. Sie haben darin die Ansicht vertreten, die vom Kläger geäußerten Oberbauchbeschwerden beruhten in Verbindung mit dem klinischen Befund überwiegend auf Dyskinesien der Gallenblase und Gallenwege bei gleichzeitiger Übersäuerung des Magens. Ein Grad der MdE bestehe nicht.
In dem weiteren fachchirurgischen Gutachten vom 8. Oktober 1964 mit der Ergänzung vom 24. März 1965 haben Dres. B. und M. sich dahingehend geäußert, daß eine Verschlimmerung gegenüber den Befunden von 1949 in dem Auftreten einer Muskelminderung am linken Bein und in den endgradigen Behinderungen des Hüftgelenks sowie des oberen Sprunggelenks zu sehen sei. Der Grad der MdE für die auf chirurgischem Fachgebiet liegenden Gesundheitsstörungen betrage 40 v.H.
Der Beklagte erließ hiernach sowie aufgrund der sich aus den Krankenunterlagen des Reservelazarettes H. aus dem Jahre 1945 ergebenden Tatsache, daß der Kläger bereits 1925 eine Kniegelenksentzündung durchgemacht hatte, den Berichtigungsbescheid nach § 41 VerwVG vom 1. Juli 1965, mit dem er unter Beibehaltung des Grades der MdE um 40 v.H. die Schädigungsfolge "chronische Kniegelenksentzündung links” jetzt als verschlimmert durch schädigende Einwirkungen im Sinne des § 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) bezeichnete. Die bisherige Bezeichnung als hervorgerufen sei von Anbeginn an zweifelsfrei unrichtig gewesen.
Mit Urteil vom 28. September 1965 hat das Hessische Landessozialgericht die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 30. Januar 1962 zurückgewiesen, da in den Schädigungsfolgen keine wesentliche Änderung der Verhältnisse festzustellen sei. Die inzwischen eingetretene weitere Verschlimmerung der Kniegelenksentzündung links sei eine schicksalsmäßige Weiterentwicklung des bereits 1925 begonnenen Leidens.
Der Kläger beantragte am 9. September 1966 erneut eine höhere Beschädigtenrente, da die eingetretene Schenkelhalsfraktur links durch die anerkannte Schädigungsfolge mit verursacht sei. Er verwies dazu auf das ärztliche Attest des Dr. S. vom 5. Juni 1968. Zu dem Unfallhergang gab er an, er habe sich zum Ausruhen auf das Bett gelegt, wo er vermutlich beim Umdrehen plötzlich den Halt verloren und über die Bettkante nach links abgerutscht sei. Dabei habe er versucht, sich auf das linke Bein zu stützen, habe jedoch wegen des deformierten Beines keinen Halt gefunden. Er sei auf das linke Becken gefallen. Dabei sei es zu der Schenkelhalsfraktur gekommen.
Nachdem Dr. W. die versorgungsärztliche Äußerung vom 30. Oktober 1968 abgegeben hatte, stellte der Bescheid vom 24. Dezember 1968 fest, die Herzinsuffizienz, ein Osteom im linken Stirnhöhlenbereich, eine Colitis mucosa und die Schenkelhalsfraktur links seien keine Schädigungsfolgen im Sinne des BVG. In den anerkannten Schädigungsfolgen sei keine wesentliche Änderung eingetreten. Für die Schenkelhalsfraktur sei der Gesamtzustand des linken Beines als Ursache oder Mitursache zu werten.
Der Widerspruchsbescheid vom 16. Oktober 1969 führte noch aus, als Ursache für die bestehende Herzinsuffizienz seien Durchblutungsstörungen der Herzkranzgefäße auf dem Boden einer Coronarsklerose anzusehen. Sie seien Ausdruck eines dem Alter entsprechenden Gefäßverschleißes. Das Osteom sei eine gutartige Knochengeschwulst, die bereits schon 1945 vorhanden gewesen sei. Mit der Stirnhöhlenoperation bestünde kein ursächlicher Zusammenhang. Die Colitis mucosa sei möglicherweise die Folge der häufigen Anwendung von Abführmitteln. Ein ursächlicher Zusammenhang mit der als Schädigungsfolge anerkannten Magenschleimhautentzündung mäßigen Grades könne ausgeschlossen werden. Es sei unwahrscheinlich, daß die als Schädigungsfolge anerkannte geringe Kniegelenksentzündung bei dem Unfallhergang eine wesentliche Ursache gewesen sein solle. Dem anerkannten Leidensanteil komme für die Schenkelhalsfraktur keine Bedeutung zu.
In dem Klageverfahren vor dem Sozialgericht Darmstadt hat der Kläger unter Hinweis auf die ärztlichen Atteste der Dres. S., K. und P. vorgetragen, der Grad der Gesamt-MdE von 40 v.H. werde allein durch das auf chirurgischem Fachgebiet liegende Leiden bedingt. Diese anerkannten Schäden am linken Bein hätten zu der Schenkelhalsfraktur geführt.
Demgegenüber hat der Beklagte ausgeführt, durch den angeschuldigten Unfall in Jahre 1941 sei es nur zu einer vorübergehenden Verschlimmerung des Kniegelenksschadens gekommen. Er sei bereits im Jahre 1951 längst abgeklungen gewesen. Die schädigungsbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit bestehe auf fachchirurgischem Gebiet überhaupt nicht mehr. Der in dem Gutachten des Diakonissen-Krankenhauses M. vom 8. Oktober 1964 angenommene Grad der MdE um 40 v.H. entfalle überwiegend – wenn nicht ausschließlich – auf den nichtschädigungsbedingten Anteil. Der als Schädigungsfolge im Sinne einer Verschlimmerung anerkannte geringe Anteil an dem Beinschaden sei keine wesentliche Mitursache an dem Unfall vom 10. Dezember 1967 gewesen.
Das Sozialgericht hat Beweis erhoben und hat von Prof. Dr. R. von der Gutachtensstelle der Universität G. das fachorthopädische Gutachten vom 14. September 1972 eingeholt. Er hat darin mit dem Assistenten der Klinik Dr. M. die Ansicht vertreten, der Schenkelhalsbruch des linken Beines sei mit hoher Wahrscheinlichkeit durch die Folgen der Kniegelenksarthrose links entstanden. Diese sei wiederum Folge eines altersbedingten, schicksalsmäßigen Leidens.
Mit Urteil vom 8. November 1972 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, der Schenkelhalsbruch sei nicht als weitere Schädigungsfolge festzustellen, da dieser nicht durch das anerkannte Schädigungsleiden verursacht worden sei. Die von dem medizinischen Sachverständigen der Universitätsklinik G. als Ursache angesehene Instabilität des linken Beines habe dabei keine Rolle gespielt, weil nach der Sachlage der Kläger wahrscheinlich gar nicht habe dazu kommen können, sein linkes Bein zum Abstützen des Körpers zu benutzen.
Gegen das dem Kläger am 17. November 1972 zugestellte Urteil ist die Berufung am 13. Dezember 1972 bei dem Hessischen Landessozialgericht eingegangen.
Er beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 8. November 1972 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 24. Dezember 1968 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Oktober 1969 zu verurteilen, für die anerkannten Schädigungsfolgen sowie für die weiteren Schädigungsfolgen Colitis mucosa, Osteom im linken Stirnhöhlenbereich sowie für Folgen der Schenkelhalsfraktur links Beschädigtenrente nach einer MdE um mindestens 50 v.H. zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Versorgungsakten mit der Grundlisten-Nr. xxxxx, die Akte des Oberversicherungsamtes Darmstadt Prl. K.B. , Prl. K.B. und die Akte des Sozialgerichts Darmstadt S-5/V-2067/59 haben vorgelegen. Auf ihren Inhalt und den der Gerichtsakte beider Rechtszüge, der auszugsweise in der mündlichen Verhandlung vorgetragen worden ist, wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die frist und formgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 148 Nr. 3, 150 Nr. 3, 151 Abs. 1 SGG). Sie ist jedoch unbegründet.
Der Bescheid vom 24. Dezember 1968, der in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Oktober 1969 Gegenstand der Klage geworden ist (§ 95 SGG), ist zu Recht ergangen. Weder die Colitis mucosa noch das Osteom im linken Stirnhöhlenbereich und auch nicht der Schenkelhalsbruch links können als weitere Schädigungsfolgen anerkannt werden.
Rechtsgrundlage ist insoweit § 62 Abs. 1 BVG i.V.m. § 1 Abs. 3 Satz 1 BVG, wonach eine Neufeststellung der Versorgungsbezüge dann zu erfolgen hat, wenn eine wesentliche Änderung der Verhältnisse eingetreten ist und wenn es im Sinne der im Versorgungsrecht geltenden Kausalität enorm wahrscheinlich ist, daß die vom Kläger geltend gemachten Gesundheitsstörungen Schädigungsfolgen sind. Das ist jedoch nicht der Fall.
Wenn der Beklagte angenommen hat, daß für die Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Klägers keine Wehrdiensteinflüsse, vor allem nicht die anerkannten Schädigungsfolgen selbst als Ursache in Frage kommen, so ist diese Feststellung zutreffend. Denn sie stützt sich einmal auf die in den Akten enthaltenen Fakten und zum anderen auf das Gutachten des Diakonissen-Krankenhauses M. vom 7. Juli 1964, in dem überzeugend dargelegt worden ist, daß die Colitis mucosa die Folge einer häufigen Anwendung von Abführmitteln sei. Oberregierungsmedizinalrat Dr. W. hat daraus den richtigen Schluß gezogen, daß die anerkannte Magenschleimhautentzündung mäßigen Grades dafür als Ursache ausscheidet. Sie hat auch nicht die Stuhlverstopfung hervorgerufen, die der Anlaß für den Gebrauch von Abführmitteln war. Bei dem Osteom handelt es sich nach richtiger Ansicht des Dr. W. um eine gutartige Knochengeschwulst, die sich aus konstitutionellen endogenen Faktoren heraus entwickelt hat. Diese Geschwulst war bereits im Jahre 1945 vorhanden, wie das das Krankenblatt des Reservelazarettes H. ausweist. Danach handelt es sich bei der Stirnhöhlenerkrankung um ein altes Leiden, das im Jahre 1945 aus vitaler Indikation operiert worden ist. Lediglich die nachteiligen Folgen dieser Operation sind als Schädigungsfolge mit der Bezeichnung "Doppeltsehen nach Radikaloperation der rechten Stirnhöhle” anerkannt worden, nicht aber die Stirnhöhlenerkrankung selbst.
Das Sozialgericht hat weiter zu Recht angenommen, daß die Folgen der Schenkelhalsfraktur links nicht als mittelbare Schädigungsfolgen im Sinne des § 1 BVG festzustellen sind. Als mittelbare Folge einer Schädigung gelten Gesundheitsstörungen, die zwar unabhängig von dem schädigenden Vorgang und seinen Folgen entstehen, bei deren Zustandekommen die anerkannten Schädigungsfolgen aber wesentlich mitgewirkt haben. Darunter fallen auch solche, bei denen die Versorgungsleiden die Ursache für eine weitere gesundheitliche Schädigung bilden, die ohne sie wahrscheinlich nicht eingetreten wäre. Das behauptet der Kläger, indem er vorträgt, daß er wegen der chronischen Kniegelenksentzündung links als Schädigungsfolge nicht die Möglichkeit gehabt habe, sich beim Aufstehen aus dem Bett einen Halt zu verschaffen. Es fragt sich deshalb, ob diese anerkannte Gesundheitsstörung ursächlich für den Sturz war oder ob das Verhalten des Klägers bzw. andere Umstände dafür in Frage kommen. Sein Verhalten ist dabei nicht nach Grad und Schwere irgendeines Verschuldens, sondern danach zu beurteilen, ob und inwieweit es für den Erfolg wesentlich gewesen ist. Nach der im Verwaltungsverfahren von dem Kläger abgegebenen Unfallschilderung, die der Senat allein für glaubhaft hält, ist er wie das Sozialgericht der Ansicht, daß weder die anerkannte Schädigungsfolge noch die Instabilität des linken Beines die überragende Bedingung des Unfalls gewesen sind. Der Kläger ist nämlich nicht, wie das in der Anamnese des Gutachtens der Gutachtenstelle der Universitätsklinik G. vom 14. September 1972 festgehalten ist, beim Aufstehen aus dem Bett niedergestürzt, sondern ist beim Umdrehen im Bett über die Bettkante nach links abgerutscht und dabei auf das linke Becken gefallen. Bei einem derartigen, plötzlichen Sturz widerspricht es jeder Lebenserfahrung, daß der Fallende bei Berücksichtigung der Schrecksekunde einen richtigen Halt durch die Beine finden kann. Auch bei einem Nichtbeingeschädigten wäre ein Sturz so verlaufen, weil er sich in Bruchteilen von Sekunden abgespielt und seinen eigenen Gesetzen folgt. Schon aufgrund des Geschehensablaufs ist damit zu verneinen, daß die anerkannte Schädigungsfolge an dem Zustandekommen des Unfalls mitgewirkt hat.
Der Schädigungsfolge kommt auch nicht die Bedeutung einer Mitursache zu, weil sie für das Unfallgeschehen rechtlich ohne relevante Bedeutung war. Selbst wenn man zugunsten des Klägers von dem den medizinischen Sachverständigen Prof. Dr. R. und M. geschilderten Unfallhergang ausgeht, nämlich von einen Umknicken des Kniegelenkes beim Aufstehen, kann die anerkannte Schädigungsfolge "chronische Kniegelenksentzündung links” nicht ursächlich für die dabei aufgetretene Schenkelhalsfraktur links sein. Der Schädigungsfolge kommt dabei weder die Bedeutung einer wesentlichen Ursache noch einer Mitursache zu. Als Ursache kommt bei einem solchen Unfallhergang die Gebrauchsbehinderung des linken Beines allein in Frage. Sie beruht auf einer Kniegelenksarthrose, die nach richtiger Ansicht der medizinischen Sachverständigen Prof. Dr. R. und Dr. M. ein altersbedingtes, schicksalsmäßiges Leiden darstellt. Es ist durch die anerkannte Schädigungsfolge weder hervorgerufen noch verschlimmert worden. Zu der gleichen Feststellung gelangten bei der Begutachtung 1969 Prof. Dr. J. und Priv. Doz. Dr. H. von der Orthopädischen Anstalt der Universität H. Diese medizinischen Sachverständigen kamen aufgrund der erhobenen Befunde zu dem zutreffenden Schluß, daß der krankhafte Befund im Bereich des linken Kniegelenkes nicht mit dem angeschuldigten Ereignis während des Wehrdienstes – nämlich der Knieprellung – in Zusammenhang zu sehen ist. Er geht vielmehr auf die im Jahre 1925 durchgemachte Kniegelenksentzündung zurück. Es handelt sich dabei um eine chronische Kniegelenksentzündung, die wegen der Erkrankung des Jahres 1925 im linken Kniegelenk frühzeitiger zu erheblichen formverbildenden Veränderungen geführt hat, als das am rechten Kniegelenk zum Ausdruck kommt. Dort hat sie gleichfalls eine Arthrosis deformans schicksalsmäßig entwickelt. Auch sie hat inzwischen einen Grad erreicht, der zu entsprechenden Beschwerden Anlaß gibt. Diese von den medizinischen Sachverständigen der Orthopädischen Anstalt der Universität H. getroffenen Feststellungen haben den Beklagten veranlaßt, den Berichtigungsbescheid vom 1. Juli 1965 zu erlassen, mit dem die anerkannte Schädigungsfolge "chronische Kniegelenksentzündung links” nicht mehr als hervorgerufen, sondern als verschlimmert durch schädigende Einwirkungen im Sinne des § 1 BVG anerkannt worden ist. Daß die anerkannten Schädigungsfolgen damals mit einem Grad der MdE um 40 v.H. weiterhin bewertet worden sind, ergab sich aus der Rechtslage. Einer weitergehenden Berichtigung des Grades der MdE stand § 41 VerwVG entgegen, wonach die Rentenhöhe nur berichtigt werden kann, wenn und so weit die bisher anerkannte MdE zweifelsfrei nicht gerechtfertigt ist. Somit muß durch Auslegung des Bescheides geklärt werden, welche Gesundheitsstörungen wirklich anerkannt worden sind und mit welchem Gradanteil. Dabei erweist sich die Annahme des Klägers, die Kniegelenksentzündung sei allein mit eines Gradsatz von 40 v.H. bemessen worden, als völlig irrig. Es ist zwar richtig, daß die Gutachter des Diakonissenkrankenhauses M. die Veränderungen am linken Bein insgesamt auf die Kniegelenksarthrose links zurückgeführt und diese selbst als Schädigungsfolge mit einer MdE um 40 v.H. bewertet haben. Dieser Beurteilung ist der 8. Senat des Hessischen Landessozialgerichts 1965 mit Recht nicht gefolgt. Er hat sich vielmehr dem überzeugenden Gutachten der Orthopädischen Anstalt der Universität H. vom 26. April 1963 angeschlossen. Danach ist die als Schädigungsfolge anerkannte Kniegelenksentzündung als eine vorübergehende Verschlimmerung eines alten Leidens aufzufassen und hat zu keiner bleibenden Minderung der Erwerbsfähigkeit geführt. An die Rechtskraft des Urteils vom 28. September 1965 ist der Senat insoweit gebunden. Ferner ist auch darauf zu verweisen, daß in dem Bescheid vom 6. Januar 1948 die auf die Kniegelenksentzündung links zurückzuführende MdE als nicht meßbar bezeichnet worden ist. Die Annahme einer MdE von 40 v.H. beruhte allein auf dem anerkannten Augenschaden (vgl. OVA-Akte Darmstadt Pr.L.K.B. ). Wenn in dem Bescheid vom 1. Juli 1965 eine MdE von 40 v.H. beibehalten wurde, muß sie sich insoweit auf den Augenschaden beziehen. Der Höhe nach ist sie nach dem Gutachten der Universitäts-Augenklinik H. vom 17. Dezember 1955 ebenfalls nicht gerechtfertigt. Lediglich mit Rücksicht auf die im versorgungsärztlichen Gutachten des Dr. J. vom 19. August 1953 angenommene Beurteilung verblieb es wahrscheinlich im Berichtigungsbescheid vom 1. Juli 1965 bei der Annahme der Gesamt-MdE um 40 v.H.
Daß nach allem die Veränderungen am linken Bein nicht auf die Kniegelenksentzündung zurückzuführen sind, hat auch das überzeugende Gutachten des Prof. Dr. R. und des Dr. M. vom 14. September 1972 ergeben. Danach geht der Schenkelhalsbruch mit Sicherheit nicht ursächlich auf die anerkannten Schädigungsfolgen zurück, auch wenn man der geänderten Einlassung des Klägers zum Unfallablauf folgen sollte. Diese Feststellung hatte schon früher das rechtskräftige Urteil des Hessischen Landessozialgerichts Darmstadt vom 28. September 1965 getroffen, das in seinen Entscheidungsgründen sich gleichfalls mit dem Gutachten des Diakonissen-Krankenhauses M. vom 8. Oktober 1964 auseinandergesetzt hat. Danach ist dieses Gutachten nicht überzeugend, das die Muskelminderung im linken Ober- und Unterschenkel, die Einschränkung der Beweglichkeit des linken Hüftgelenkes sowie des linken oberen Sprunggelenkes als Folge der anerkannten chronischen Kniegelenksentzündung links angesehen hat. Der Senat tritt dieser in den Entscheidungsgründen niedergelegten Ansicht bei, wobei er gleichfalls die in dem Gutachten aufgezeigten Zweifel teilt, ob überhaupt die chronische Kniegelenksentzündung links als Folge des Unfalls von 1941 anerkannt werden kann. Insoweit vermögen auch die vom Kläger vorgelegten ärztlichen Atteste des Dr. S. nicht zu überzeugen, der ohne eine nähere Begründung zu geben, den ursächlichen Zusammenhang zwischen Schädigungsfolge und Unfallfolgen bejaht.
Der anerkannten Schädigungsfolge kommt somit für den Unfallhergang nicht die Bedeutung einer Mitursache zu, weil sie für das Geschehen rechtlich nicht relevant war. Wenn die Gebrauchsbehinderung des linken Beines bei dem Unfallhergang eine Rolle gespielt hat, dann hat der auf die Schädigungsfolge entfallende Leidensanteil wegen seiner Geringfügigkeit keine Bedeutung gehabt.
Der Senat vermag daher in Übereinstimmung mit dem Sozialgericht nicht festzustellen, daß die geltend gemachten Gesundheitsstörungen Schädigungsfolgen sind, da diese nicht mit der vom Gesetz geforderten Wahrscheinlichkeit auf Einflüsse des Wehrdienstes zurückgehen oder durch die anerkannten Schädigungsfolgen verursacht worden sind (§ 1 Abs. 3 Satz 1 BVG). Eine wesentliche Änderung im Sinne des § 62 Abs. 1 BVG ist im übrigen ebenfalls nicht eingetreten.
Der Berufung war daher der Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
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