L 3 U 360/73

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 3 U 194/71
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 360/73
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Wohnt ein Arbeitnehmer wegen Beschäftigung an einer weit von seinem Wohnort gelegenen Arbeitsstätte dort in einem Hotel, so steht er bei einem Unfall, der sich mehrere Stunden nach Arbeitsende in dem Hotel ereignet, nicht unter Unfallversicherungsschutz.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 8. Februar 1973 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Die Kläger sind die Ehefrau und die Kinder des 1927 geborenen und 1969 in Hamm verstorbenen E. B. (B.). Sie begehren nach ihm die Gewährung der Hinterbliebenenentschädigung aus der gesetzlichen Unfallversicherung.

B. war als Schlosser der Fa. P. B. AG, B., auf einer Baustelle in U. bei H. seit Mitte September 1969 auf Montage eingesetzt. Zusammen mit seinem Arbeitskollegen M. bezog er am 22. September 1969 ein Zimmer in der Gaststätte K. Er erhielt Auslösung. Am Sonntag, dem 14. Dezember 1969, arbeitete er zusammen mit M. und dem Arbeitskollegen Z. bis gegen 14.15 Uhr. Anschließend suchte er mit ihnen die Gaststätte K. auf, wo er zunächst aß, etwas Bier trank und sich sodann in seinem Zimmer umzog. Danach erschien er wieder in den Restaurationsräumen dieser Gaststätte und hielt sich dort sowie in der Küche, wo er der Küchenhilfe M. teilweise beim Spülen half, auf. Bei diesen Gelegenheiten trank er auch mehrere Flaschen Bier. Gegen 23.00 Uhr verabschiedete er sich von seinen Arbeitskollegen, ohne anzugeben, wo er hingehen wollte. Sein Arbeitskollege M. fand ihn schließlich gegen 0,30 Uhr bewußtlos auf dem Rücken vor der Treppe liegend, die nach oben zu den Schlafräumen führte; die Füße lagen auf der untersten Treppenstufe, seine helle Strickjacke ein paar Stufen höher. Bei der Einweisung in das M. in H. am 15. Dezember 1969 gegen 1.55 Uhr wurde ein schweres Schädelhirntrauma festgestellt, an dessen Folgen er am 19. Dezember 1969 verstarb. Die wegen Alkoholgeruchs vorgenommene Blutentnahme am Nachmittag (17.00 h) des 15. Dezember 1969 ergab nach, der Mitteilung des Hygiene-Institutes in X. vom 19. Dezember 1969 keinen Alkoholwert. Die Blutprobe war in einer unbeschrifteten [XXXXX] eingegangen.

Die Beklagte zog die Akten der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Dortmund (5 Js 1268/69) bei, wonach nach Vernehmung von Zeugen, insbesondere der Arbeitskollegen M. und Z. sowie des Gastwirtes S. von der Gaststätte K. und der Küchenhilfe M. keine konkreten Verdachtsmomente für eine strafbare Handlung festgestellt werden konnten. Die Staatsanwaltschaft Dortmund stellte das Ermittlungsverfahren am 6. August 1970 ein.

Die Beklagte holte ein pathologisches Zusammenhangsgutachten das Dr. M. vom Pathologischen Institut der J.-L.-Universität X. vom 27. Januar 1971 dazu ein, ob die bei einem Arbeitsunfall am 20. Mai 1968 erlittene Meniskusverletzung mit Beugebehinderung im rechten Kniegelenk, wegen der dem B. für die Zeit vom 13. Juli 1968 bis zum 31. März 1969 eine Verletztenrente nach einem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 v.H. gewährt wurde, bei dem Sturz wesentlich mitgewirkt habe. Der Sachverständige, der bei der Sektion eine Schädelbasisfraktur und ein größeres, umschriebenes, epidurales Haematom rechts sowie ein mandelförmiges, subdurales Haematom und einen durch frische Thrombose verschlossenen venösen Hirnblutleiter vorfand, kam aufgrund des Obduktionsbefundes und unter Berücksichtigung des von Dr. Mi. am 23. September 1969 erstatteten Gutachtens, zu der Auffassung, daß der Meniskusschaden am rechten Kniegelenk wegen mangelnder Funktionseinbusse bei dem tödlichen Unfallgeschehen nicht wesentlich mitgewirkt habe.

Hierauf gestützt lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 27. August 1971 die Gewährung der Hinterbliebenenentschädigung ab. Der Unfallversicherungsschutz habe nicht schon deshalb bestanden, weil sich B. im Auftrage seines Arbeitgebers betriebsbedingt am Ort des Unfalls habe aufhalten müssen. Er habe dort seit Mitte September 1969 gewohnt und daher die örtlichen Verhältnisse genau gekannt, so daß die vom Bundessozialgericht – BSG – entwickelte Rechtsprechung zum Versicherungsschutz auf betriebsbedingten Reisen keine Anwendung finden könne. Die Treppe von den Schankräumen des Gasthauses K. zu den Schlafräumen sei im übrigen gut ausgeleuchtet gewesen und habe daher als evtl. mitwirkende betrieblich bedingte Ursache auszuscheiden. Es sei außerdem möglich, daß von wesentlichem Einfluß der seit der Mittagszeit von B. genossene Alkohol gewesen sei. Schließlich sei nicht auszuschließen, daß, wie die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen ergeben hätten, der Sturz auf Fremdverschulden beruhe, auch wenn die Ermittlungen, mangels konkreter Hinweise, eingestellt worden seien. Die Obduktion habe darüber hinaus ergeben, daß die am 20. Mai 1968 erlittene Verletzung des rechten Meniskus bei dem Sturz nicht wesentlich mitgewirkt haben könne.

Gegen diesen an sie am 27. August 1971 mit Einschreiben abgesandten Bescheid haben die Kläger bei dem Sozialgericht in Gießen – SG – am 16. September 1971 Klage erhoben und geltend gemacht: Der Unfall sei nicht im häuslichen Bereich, sondern in einem Gasthaus, das betriebsbedingt bewohnt worden sei, geschehen, so daß aus diesem Grunde Versicherungsschutz bestanden habe. Im übrigen habe dabei die Meniskusverletzung am rechten Knie wesentlich mitgewirkt, so daß der Sturz auch als mittelbare Folge des Arbeitsunfalls vom 20. Mai 1968 zu gelten habe.

Das SG hat mit Urteil vom 8. Februar 1973 den angefochtenen Bescheid aufgehoben und die Beklagte verurteilt, "den Sturz des Ehemannes und Vaters der Kläger in der Nacht vom 14. zum 15. Dezember 1969 als Arbeitsunfall anzuerkennen und gesetzlich zu entschädigen.” In dem Urteil, das keinen besonderen Ausspruch über die Zulassung der Berufung enthält, hat es die Rechtsmittelbelehrung dahin erteilt, daß Berufung an das Landessozialgericht eingelegt werden könne und zur Begründung ausgeführt: Das Begehen der Hoteltreppe zum Belegen des Zimmers und zur Aufnahme der Nachtruhe bei einem betriebsbedingten Aufenthalt am Unfallort begründe Versicherungsschutz. Für B. sei der Aufenthalt in der Gaststätte K. und damit der Weg in seinen Schlafraum unvermeidbar gewesen. Bei innerer Ursache des Sturzes würde die Beschaffenheit der Unfallstelle, nämlich die mit Teppichen belegte Treppe und der aus Steinfliesen bestehende Flur, zu einer wesentlichen Gefahrerhöhung geführt und somit den Versicherungsschutz begründet haben. Ob der Versicherte aufgrund erheblichen Alkoholgenusses gestürzt sei, könne nicht mehr festgestellt werden. Diese Nichterweislichkeit gehe aber nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast zu Lasten der Beklagten.

Gegen dieses ihr am 23. März 1973 gegen Empfangsbekenntnis zugestellte Urteil hat die Beklagte am 11. April 1973 Berufung eingelegt.

Es sind im Berufungsverfahren das Krankenblatt des Marienhospitals in H. über die stationäre Behandlung des B. vom 15. bis zum 19. Dezember 1969, die Akten über den Arbeitsunfall vom 20. Mai 1968 mit dem Gutachten des Dr. Mi. vom 23. September 1969 sowie die Akten der Staatsanwaltschaft Dortmund (5 Js 1268/69) beigezogen und zum Gegenstand des Verfahrens gemacht worden.

Die Beklagte bringt zur Begründung der Berufung vor: Die Unfallursache sei ungeklärt und auch nicht mehr aufklärbar. Es sei möglich, daß B. wegen eines fahrlässigen Fehltritts auf einer Stufe der nach oben führenden Treppe oder aber aus körpereigener Ursache gestürzt sei. Genauso könnten aber auch ein Gewaltverbrecher und auch Volltrunkenheit die wesentliche Unfallursache gewesen sein. Nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Dortmund müsse davon ausgegangen werden, daß bezüglich eines Gewaltverbrechens zumindest ernstzunehmende Gerüchte, die nicht voll konkretisiert werden könnten, bestünden. Nachweislich habe B. seit der Mittagszeit mehrfach Alkohol in nicht unerheblicher Menge getrunken. Die Zeugin M. habe z.B. bekundet, daß B. ihr gegenüber erklärt habe, ob er wohl doch zu viel getrunken habe. Stünden aber verschiedene mögliche Ursachen gleichwertig nebeneinander, so könne nicht ohne nähere Begründung eine davon als bewiesen angesehen werden. Unzulässigerweise habe das SG der Beklagten die Beweislast aufgebürdet. Außerdem könne die von dem BSG entwickelte Rechtsprechung zum Versicherungsschutz bei Aufenthalten in Hotels und Gaststätten sowie anderen Unterkünften auf Dienstreisen im hiesigen Falle keine Anwendung finden. B. habe am Unfalltag auf den Tag genau bereits 1/4 Jahr am Beschäftigungsort in dem Gasthaus K. zur Auslösung gewohnt und im Augenblick der Körperverletzung seit etwa 10 Stunden seine Freizeit ständig in diesem Gasthaus verbracht. Nach einem so langen Zeitraum des Aufenthaltes am Ort der Tätigkeit in einem Gasthaus müsse davon ausgegangen werden, daß diese Unterkunft dem eigenen häuslichen Bereich gleichzustellen sei. Es habe in dieser Zeit ausreichend Gelegenheit bestanden, sich mit den Örtlichkeiten und ihrem Gefahren vertraut zu machen. Unerheblich sei, daß die Steinfliesen des Flures möglicherweise zu der Schwere der Verletzung beigetragen hätten.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 8. Februar 1973 aufzuheben und die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.

Die Kläger beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie tragen vor: Es stehe fest, daß B. an den Folgen eines unglücklichen Sturzes auf der Gasthaustreppe verstorben sei. Weder für eine alkoholbedingte Ursache noch für die Mitwirkung Dritter ergäben sich greifbare Hinweise. Im übrigen habe Versicherungsschutz bestanden. Entscheidend sei, daß B. allein durch die Ausführung der Dienstreise in die Notwendigkeit versetzt gewesen sei, den Weg über die Treppe zu den Schlafräumen zurückzulegen. Das BSG habe entschieden, daß es hierbei ohne Bedeutung sei, ob die Treppe Mängel aufweise und der Verletzte des öfteren im gleichen Gasthof übernachtet habe. Schließlich sei nicht auszuschließen, daß B. einer besonderen, dem Aufenthaltsort eigentümlichen Gefahr erlegen sei, nämlich der mit einem Teppich belegten Treppe.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Unfall- und Streitakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).

Die Berufung ist frist- und formgerecht eingelegt.

Aus dem angefochtenen Urteil ergibt sich nicht, zu welchen Leistungen das SG die Beklagte verurteilt hat. Der Klagantrag ist in gleicher Weise wie die Urteilsformel unklar gefaßt. Die Kläger haben der Sitzungsniederschrift vom 8. Februar 1973 zufolge beantragt, den angefochtenen Bescheid aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Sturz ihres Ehemanns und Vaters in der Nacht vom 14. zum 15. Dezember 1969 als Arbeitsunfall anzuerkennen und gesetzlich zu entschädigen. So lautet auch die Urteilsformel. An einer Darlegung der Anspruchsgrundlage in den Entscheidungsgründen fehlt es. Gleichwohl ist der Gegenstand des Rechtsstreites in Verbindung mit dem angefochtenen Bescheid erkennbar. Hiernach sind sämtliche Hinterbliebenenleistungen an die Witwe und die Waisen nach §§ 589 Abs. 1 Nr. 1 bis 4, 590, 591, 595 Reichsversicherungsordnung – RVO – im Streit. Da somit neben der Witwen- und Waisenrente Ansprüche auf das Sterbegeld, die Kosten für die Überführung des Verstorbenen an den Ort der Bestattung und die Überbrückungshilfe für drei Monate Streitgegenstand sind, ist die Berufung insoweit nach der Rechtsprechung des BSG gemäß § 144 Abs. 1 SGG nicht zulässig, zumal das SG die Berufung nicht zugelassen hat (vgl. u.a. Urteil vom 12.3.1974 – 2 RU 289/73). Nach der Rechtsprechung des Senats ist aber auch in diesen Fällen, in denen ein nicht statthafter Berufungsteil mit einem statthaften zusammenfällt und ein einheitlicher Ablehnungsbescheid ergangen ist, die Berufung uneingeschränkt zulässig (vgl. im einzelnen Hess. LSG, Urt. v. 9.5.1973 – L 3/U – 482/72 – in Breith. 1974, 456). Hiervon abgesehen ist vorliegend die Berufung nach § 150 Nr. 3 SGG zulässig, da der ursächliche Zusammenhang einer Gesundheitsstörung mit einem Arbeitsunfall streitig ist. Die Kläger behaupten nämlich, daß die am 20. Mai 1968 erlittene Meniskusverletzung des B. als mittelbare Unfallursache bei dem tödlichen Sturz wesentlich mitgewirkt habe.

Die somit uneingeschränkt zulässige Berufung ist auch begründet. Das auf die zulässige Klage ergangene sozialgerichtliche Urteil mußte aufgehoben werden, da der angefochtene Bescheid nicht rechtswidrig ist. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Gewährung der Hinterbliebenenleistungen nach B., da dessen Tod nicht durch einen Arbeitsunfall hervorgerufen worden ist (§§ 589 Abs. 1, 548, 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO).

Zunächst steht zur Überzeugung des Senats fest, daß der Tod des B. seine mittelbare Ursache nicht in den Folgen des Arbeitsunfalls vom 20. Mai 1968 hatte, durch den es zu einer Meniskusverletzung gekommen war. Nach der Rechtsprechung des BSG, der sich der Senat wiederholt angeschlossen hat, kann zwar ein nicht unter Unfallversicherungsschutz stehendes Ereignis mittelbare Folge eines früheren Arbeitsunfalls sein, wenn die dadurch verursachte Beeinträchtigung des Gesundheitszustandes bei der Entstehung des späteren Unfalls oder dem Ausmaß seiner Folgen in rechtlich erheblicher Weise mitgewirkt hat. Eine mittelbare Mitwirkung der Folgen eines alten Arbeitsunfalls bleibt jedoch außer Betracht, wenn der Vorgang, der zum neuen Unfall geführt hat, für die Entstehung und Schwere der Verletzung hauptsächlich verantwortlich ist. Dabei ist ein strenger Maßstab anzulegen. Es ist zu prüfen, ob nicht der neue Unfall auch ohne Mitwirkung der Folgen des früheren Arbeitsunfalls entstanden wäre (vgl. RVA in EuM 13, 151; 22, 305; 39, 265; BSG E 1, 254; Breith. 1956, 703; Lauterbach, Unfallversicherung, 3. Aufl., Anm. 11 zu § 548 RVO mit weiteren Nachweisen; Hess. LSG, Urt. v. 12.6.1974 – L-3/U – 834/71). Hieran ist festzustellen, daß bei B. aufgrund des Arbeitsunfalls vom 20. Mai 1968 der Außenmeniskus am rechten Kniegelenk entfernt wurde. Die Beklagte hatte für die Zeit vom 13. Juli 1968 bis zum 31. März 1969 eine Verletztenrente nach einem Grad der MdE um 20 v.H. wegen einer Beugebehinderung im rechten Kniegelenk, geringgradiger Muskelminderung am rechten Oberschenkel, geringfügiger Verstrichenheit des rechten Kniegelenkes und reizloser, 9 cm langer Operationsnarbe an der Außenseite des rechten Kniegelenkes nach Entfernung des rechten Außenmeniskus gewährt. Dem lag das Gutachten des Dr. Mi. vom 23. September 1969 zugrunde, der lediglich eine geringfügige, unerhebliche Funktionseinbuße des rechten Kniegelenkes feststellte. Auch Prof. Dr. med. K. und Dr. med. M. vom Pathologischen Institut der J.-L.-Universität haben dies aufgrund der vorgenommenen Obduktion ihrem Gutachten vom 27. Januar 1971 zufolge angenommen. Danach war am rechten Kniegelenk der Innenmeniskus intakt und der rechte Außenmeniskus durch einen meniskusartigen bindegewebigen Kapselfalz ersetzt. Dieser Ersatzmeniskus hatte ungefähr die Ausmaße eines vergleichbaren, regelrechten lateralen Meniskus. Die histologische Untersuchung ergibt keine größeren degenerativen Veränderungen. Mechanisch konnte am rechten Kniegelenk eine regelrechte Beweglichkeit festgestellt werden, so daß nach Entfernung des Zwischenknorpels der Ersatzmeniskus die Funktionstüchtigkeit des Kniegelenkes wieder hergestellt hatte. Hieraus haben die Gutachter folgerichtig geschlossen, daß die Folgen des Arbeitsunfalls vom 20. Mai 1968 den tödlichen Unfall des B. "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit” nicht verursachten.

Das Unfallgeschehen, dem B. erlag, stellte aber auch keinen Arbeitsunfall dar.

Zunächst ist nach den Ermittlungen der Beklagten, wie im übrigen auch unstreitig ist, festzustellen, daß B. seit Mitte September 1969 für seinen Arbeitgeber auf Montage in U. tätig war und dort seit dem 22. September 1969 zusammen mit dem im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren gehörten Arbeitskollegen M. im Gasthaus K. ein Zimmer bewohnte. Die vom BSG entwickelten Grundsätze zum Versicherungsschutz auf Dienst- bzw. Betriebsreisen können hier nicht zum Zuge kommen. In diesen Fällen ist der Versicherungsschutz nur dann nach § 548 RVO bejaht worden, wenn es sich um einen Dienstreisenden handelte, der nur kurze Zeit, z.B. als Tagesgast, oder für wenige Tage in einem Hotel untergebracht war (vgl. BSG, Urt. v. 30.7.1958 – 2 RU 177/55 – in E 8, 48; Urt. v. 28.10.1963 – 2 RU 266/57 in SozR Nr. 33 zu § 542 RVO a.F. = BG 161, 348). Das war hier aber, nachdem B. bereits rund 1/4 Jahr im Gasthaus K. gewohnt hatte, und dieser lange Aufenthalt von vornherein wegen der in U. eingerichteten Baustelle vorgesehen war, nicht der Fall, was vom SG verkannt worden ist. B. hatte sich dort bereits eingelebt, was u.a. daraus hervorgeht, daß er in der Küche mit zugriff. Dieses Gasthaus war danach als Unterkunft i.S. des § 550 Satz 3 RVO a.F. (§ 550 Abs. 3 RVO n.F.) anzusehen, wobei ohne Bedeutung ist, daß dort auch andere Arbeitskollegen untergebracht waren. Daher bestand für B. kein Versicherungsschutz während des Aufenthaltes in dieser Unterkunft selbst, sondern nur auf dem Wege von dort zur Arbeitsstelle und zurück, sowie auf Wegen von und zur Familienwohnung in G. (§ 550 Satz 1 und 3 RVO a.F. – § 550 Abs. 1 und 3 RVO n.F.). Da sich B. bei seinem Sturz somit in einem unversicherten Bereich, nämlich in seiner der privaten Sphäre zuzurechnenden Unterkunft aufhielt, waren bereits aus diesem Grunde die Hinterbliebenenansprüche der Kläger zu versagen.

Aber selbst wenn man mit den SG davon ausgehen würde, daß B. bei seinem Aufenthalt im Gasthaus K. nach den Grundsätzen über den Versicherungsschutz bei Dienst- und Betriebsreisen zu behandeln war (§ 548 RVO), so folgt hieraus nicht zwangsläufig sein Versicherungsschutz zum Zeitpunkt des Unfallgeschehens.

Der Senat sieht hierzu nach dem Ergebnis der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen, die von den Klägern nicht in Zweifel gezogen werden, folgenden Sachverhalt als erwiesen an: Am Sonntag, dem 14. Dezember 1969, arbeitete B. bis mittags gegen 14.15 Uhr, ging anschließend in das Gasthaus K., wo er zunächst zu Mittag aß und etwas Bier trank. Danach suchte er sein Zimmer auf und zog sich um. Anschließend verbrachte er seine Freizeit beim Bier in den Schankräumen sowie in der Küche der Gaststätte K. In den Abendstunden half er noch der Küchenhilfe M. beim Geschirrspülen. Bei dieser Gelegenheit brachte er zum Ausdruck, daß er wohl doch etwas zuviel getrunken habe. Gegen 23.00 Uhr verabschiedete er sich in den Restaurationsräumen dieser Gaststätte, ohne das Ziel seines Weges näher anzugeben. Am 15. Dezember 1969 fand ihn etwa um 0,30 Uhr schließlich sein Arbeitskollege M. am Fuße der nach oben zu den Schlafräumen führenden Treppe verletzt und bewußtlos liegend an.

Dieser Sachverhalt erfüllt nicht die Voraussetzungen, die an das Fortbestehen des Versicherungsschutzes auf Dienst- und Betriebsreisen geknüpft werden. Nach der Rechtsprechung des BSG genießt nämlich ein Versicherter auf Dienstreisen den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung nicht schlechthin und auch nicht während der gesamten Dauer der Reise. Es gibt Betätigungen, bei denen er sich außerhalb der betrieblichen Sphäre befindet. Der Versicherungsschutz tritt nicht etwa schon deshalb ein, weil der Versicherte durch eine dienstliche Tätigkeit gezwungen ist, sich in einer fremden Stadt aufzuhalten. Vielmehr ist entscheidend, ob das, was er jeweils tut, rechtlich wesentlich mit seinem Beschäftigungsverhältnis zusammenhängt. Beim Aufenthalt in Gaststätten und Hotels ist für die Annahme des Versicherungsschutzes erforderlich, daß sich der Reisende bei einem Unfall an Einrichtungen verletzt hat, deren er sich notwendigerweise aufgrund seines dortigen betriebsbedingten Aufenthaltes bedienen muß (vgl. BSG, Urteil vom 30.8.1962 – 2 RU 177/55 – in E 8, 48 ff.; vom 30.8.1962 – 2 RU 135/60; vom 26.4.1962 – 2 RU 148/59; vom 18.12.1969 – 2 RU 185/65; LSG Baden-Württemberg in Breith. 1966, 671; Gunkel, Unfallversicherung auf Wegen und Reisen in Fortbildung und Praxis "Wege zur Sozialversicherung”, Heft 49, 1962 II 2, 20 ff.; Gitter im WzS 1964, 68 ff.).

Welchem Zweck der Gang des B. im Unfallzeitpunkt diente, ist unbekannt und konnte wegen seiner Bewußtlosigkeit nicht mehr ermittelt werden. Möglicherweise wollte er sein Zimmer aufsuchen, um sich zur Nachtruhe zu begeben. Es ist aber auch nicht auszuschließen, daß er – etwa nach einem Gang in sein Zimmer – das Hotel noch einmal verlassen wollte. Auch wenn unterstellt wird, daß er beabsichtigte, sich zur Nachtruhe zu begeben, stand diese Tätigkeit nicht mehr in einem rechtlich wesentlichen Zusammenhang mit seinem Beschäftigungsverhältnis, weil er sich seit etwa 14.15 Uhr eindeutig privaten Tätigkeiten zugewandt hatte, so daß sein Gang zum Hotelzimmer nicht mehr als Fortsetzung des Rückweges von der versicherten Tätigkeit anzusehen ist (vgl. BSG a.a.O.). Es war dadurch eine Lösung von der versicherten Tätigkeit eingetreten (vgl. BSG 8, 48 ff.).

Im übrigen ist nicht auszuschließen, daß der von B. getrunkene Alkohol die allein rechtlich wesentliche Unfallursache darstellte. Genaue Feststellungen zum Umfang des genossenen Alkohols können zwar nicht mehr getroffen werden. Die am 15. Dezember 1969 erst um 17.00 Uhr entnommene Blutprobe führte zu keinem verwertbaren Beweisergebnis. Zwischen dem Trinkende zum spätest möglichen Zeitpunkt gegen 0,30 Uhr und der Blutentnahme am gleichen Tage liegen über 16 Stunden in denen ein Blutalkoholwert abgebaut werden konnte. Dadurch erklärt sich, daß das Hygiene-Institut in G. dem M. in H. am 19. Dezember 1969 mitteilte, die bei ihr – in einer unbeschrifteten Venüle – eingegangene Blutprobe habe keinen Alkohol im Blut ergeben. Dem gegenüber steht aber nach dem Krankenblatt des M. in H. fest, daß bei der Einlieferung des B. starker Alkoholgeruch vorgelegen habe. Seine Arbeitskollegen M. und Z. haben auch angegeben, daß er nach Rückkehr von der Arbeitsstätte am Sonntag nach 14.00 Uhr bis zum Verlassen des Schankraumes gegen 23.00 Uhr Alkohol getrunken hatte und die Zeugin M. bekundete, B. habe ihr gegenüber geäußert, ob er wohl doch zuviel getrunken habe. Auch während des Spülens zwischen 20.30 Uhr und 22.00 Uhr hat er wenigstens 3 Glas Bier getrunken. Damit steht fest, daß er Alkohol in nicht unerheblichem Umfang zu sich genommen hatte, so daß Verdacht auf Trunkenheit im Unfallzeitpunkt bestand. Die Ansicht des SG, die Nichterweislichkeit des Umstandes, daß B. auf Grund erheblichen Alkoholgenusses stürzte, gehe zu Lasten der Beklagten, ist unzutreffend, wie das BSG entschieden hat (vgl. BSG, Urt. v. 10.12.1957 – 2 RU 270/55 in E 6, 164; 2.6.1959 – 2 RU 221/56 – in E 10, 56; 31.1.1961 in 2 RU 251/58 in E 13, 269; 29.5.1962 – 2 RU 209/61 in E 17, 75; 30.10.1962 – 2 RU 211/62 in E 18, 106; Lauterbach a.a.O., Anm. 8 zu § 548 RVO Stichwort: Überfälle; LSG Baden Württemberg in Breith. 1968, 658; Bayr. LSG in BG 1969, 195; Hess. LSG, Urt. vom 23.8.1973 – L-3/U – 434/73).

Schließlich ist nicht auszuschließen, daß B. aufgrund einer inneren Ursache stürzte, auch wenn sich nach der Obduktion keine wesentlichen krankhaften Befunde ergeben haben. Wie die Köchin M. aussagte, nahm sie auf Grund dessen, daß sich B. gegen 22.00 Uhr an den Kopf gefasst und gesagt hatte, er habe wohl doch zuviel getrunken, an, ihm sei vielleicht schwindlig gewesen.

Zu Unrecht meinen die Kläger und das SG, der Versicherungsschutz sei auch wegen der Beschaffenheit der Unfallstelle, nämlich des Vorhandenseins einer teppichbelegten Treppe und von Steinfließen im Flur, zu bejahen. Der für die Annahme eines Arbeitsunfalls erforderliche ursächliche Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfall setzt in Fällen, in denen eine dem rein persönlichen Lebensbereich zugehörende Ursache zum Schadensereignis geführt hat oder die Unfallursache ungeklärt ist, voraus, daß zwischen der Beschaffenheit der Unfallstelle und der Verletzung oder ihrer Schwere ein rechtlich wesentlicher Zusammenhang besteht. Ob ein solcher Zusammenhang gegeben ist, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab (vgl. z.B. Urteil des BSG vom 30.7.1971 – 2 RU 200/69 in Breithaupt 1972, 117). Die gewöhnliche Härte des Straßenpflasters oder eines Fußbodens stellt für sich allein jedoch keine wesentlich mitwirkende Ursache in dem angeführten Sinne dar. Das Vorhandensein einer noch dazu teppichbelegten Treppe und eines Steinfußbodens reicht daher nicht zur Bejahung eines Arbeitsunfalls aus.

Nach alledem war daher der Berufung der Erfolg nicht zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, da die gesetzlichen Voraussetzungen für ihre Zulassung nicht gegeben sind (§ 160 SGG).
Rechtskraft
Aus
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