L 3 U 293/74

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Fulda (HES)
Aktenzeichen
S 2d U 15/72
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 293/74
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ist unklärbar, ob eine Lösung vom Betrieb durch betriebsbezogene Umstände wesentlich verursacht worden ist, so sind die Folgen dieser Ungewissheit von den Hinterbliebenen nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast zu tragen.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 20. Februar 1974 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Kläger sind die Ehefrau und die Kinder des 1971 tödlich verunglückten H. S. (S.). Sie begehren die Gewährung von Hinterbliebenenentschädigung aus der gesetzlichen Unfallversicherung.

Der 1933 geborene S., der hauptberuflich selbständiger Landwirt war, arbeitete nebenher bei dem Landwirt W. A. in K., zu dessen Betrieb eine Knotengitterfabrikation sowie der Vertrieb und die Wartung von Milchkühlanlagen und Melkmaschinen gehörte, ohne daß insoweit ein Warenlager unterhalten wurde. S. war bei W. A. als Verkäufer und Kundendienstmonteur für Milchkühlanlagen tätig. Nachdem im Lauf des 17. Juni 1971 der Landwirt G. in O. um die Reparatur einer gelieferten defekten Kühlanlage gebeten hatte, begab sich S. zusammen mit dem Sohn seines Arbeitgebers O. A. (A.) noch am Abend des gleichen Tages nach dort in einem Personenkraftwagen – Pkw –, dessen Halter W. A. war. Beim Landwirt G. trafen S. und A. zwischen 20.00 und 20.30 h ein, begannen mit den Reparaturarbeiten und traten anschließend gegen 22.30 h die Rückfahrt nach K. an. Der direkte Weg führte über S. und R., der aber seit dem 29. April 1971 wegen einer Straßensperrung in R. nicht befahren werden konnte. Sie wählten daraufhin nicht die ausgeschilderte Umleitung von S. über G., sondern fuhren von S., nachdem sie bereits ca. 30 km zurückgelegt hatten, nach dem 7 km entfernten B. zum Gasthaus "E.”, wo sie etwa um 23.20 h eintrafen. S. und A. kannten dessen Wirt E. B., letzterer seit etwa 20 Jahren. Beide tranken zunächst an der Theke ein Glas Bier und verlangten dann nach Essen, und zwar gebratenen Hähnchen. In dem Lokal wurden warme Speisen bis 23.00 h ausgegeben. Obwohl die Wirtsleute B. erklärten, daß die Hähnchen erst aufgetaut und gegrillt werden müßten, was wenigstens eine Stunde dauere, blieben beide bei ihrer Bestellung. Sie verzehrten die Hähnchen und tranken Bier an einem Tisch, an dem sich dann auch andere Gäste setzten. Mit ihnen diskutierten sie u.a. über eine Fernsehsendung. Geschäftliche Dinge wurden nicht besprochen. Es waren etwa 20–25 Gäste anwesend. Etwa um 1.30 h verließen S. und A., nachdem beide ihren Verzehr getrennt bezahlt hatten, das Gasthaus, um den ca. 10 km langen Weg nach K. auf der Landstraße 3291 anzutreten. Der Gastwirt hatte um 1.00 h Feierabend geboten. Auf dieser Straße wurde der Pkw gegen 6.00 h etwa 100 m vor dem Wanderweg zur N. in Fahrrichtung links im Straßengraben aufgefunden. Beide Insassen waren tot. A. saß am Steuer. Nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Gießen war A. mit dem Pkw vermutlich infolge überhöhter Geschwindigkeit in einer leichten Linkskurve auf Rollsplitt ins Schleudern gekommen, hatte sich überschlagen und war gegen einen Baum geprallt. Der Verkehrsunfallanzeige und einem Vermerk des ermittelnden Polizeiobermeisters N. zufolge wurde als Unfallzeitpunkt 2.00 h angenommen da die Borduhr des Pkw und die Armbanduhr des A. um 1.54 Uhr stehen geblieben waren. Nebel und Regen zur Unfallzeit konnten nicht ausgeschlossen werden. Eine bei A. am 18. Juni 1971 um 9.35 h entnommene Blutprobe ergab nach dem Gutachten des Prof. Dr. G. vom Institut für Rechtsmedizin der Universität G. vom 2. Juli 1971 eine Blutalkoholkonzentration – BAK – von 1,14 ‰. Mit Bescheid vom 4. Januar 1972 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Entschädigung mit folgender Begründung ab: Auf dem Wege von B. nach K. habe kein Versicherungsschutz mehr bestanden. Die Rückfahrt von O. sei zwar ein versicherter Betriebsweg i.S. des § 548 Reichsversicherungsordnung – RVO – gewesen, der jedoch durch den rund 3-stündigen privaten Aufenthalt im Gasthaus "E” nicht nur unterbrochen worden sei. Vielmehr sei hierdurch eine Lösung vom versicherten Unternehmen des W. A. eingetreten.

Gegen diesen an die Klägerin zu 1) mit Einschreiben am 5. Januar 1972 abgesandten Bescheid haben die Kläger bei dem Sozialgericht Fulda – SG – am 31. Januar 1972 Klage erhoben und geltend gemacht: Die Unterbrechung der Betriebsfahrt in B. sei für den Versicherungsschutz unschädlich gewesen. Im übrigen habe S. als Angestellter des Unternehmens A. nicht zu vertreten gehabt, daß A. den Rückweg in B. für rund zwei Stunden unterbrochen habe. Er sei insoweit als abhängig Beschäftigter dem A. weisungsunterworfen gewesen.

Das SG hat zunächst den Landwirt G. und den Gastwirt B. als Zeugen vernommen. G. sagte aus, daß A. und S. nach Beendigung der Reparatur spätestens gegen 22.30 h weggefahren seien, da er zu diesem Zeitpunkt ins Bett gegangen sei. Getränke oder Speisen hatten sie bei ihm nicht zu sich genommen. Der Zeuge B. bekundete im wesentlichen, daß S. und A. nach ihrem Eintreffen bei ihm gegen 23.30 h sich Brathähnchen zubereiten ließen und etwa um 1.30 h weiterfuhren. Geschäftliche Gespräche seien nicht geführt worden.

Nach Beiladung der Süddeutschen Holz-Berufsgenossenschaft und der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft hat sodann das SG mit Urteil vom 20. Februar 1974 den angefochtenen Bescheid aufgehoben und die Beklagte verurteilt, "den tödlichen Unfall des S. als Arbeitsunfall zu entschädigen.” Als Kläger wurde die Ehefrau des S. und dessen Kinder aufgeführt. In dem Urteil, das keine Entscheidung zur Berufungszulässigkeit enthält, ist die Rechtsmittelbelehrung dahin erteilt worden, daß Berufung eingelegt werden könne. Zur Begründung wurde aufgeführt: Zur Regelung des Versicherungsverhältnisses sei die Beklagte zuständig, wie von ihr auch selbst angenommen werde. Der rund 2 1/2-stündige Aufenthalt im Gasthaus "E.” sei für den Versicherungsschutz unschädlich gewesen. Die Nachholung des Abendessens auf dem Rückwege von Kunden, zu dem man unerwartet an einem Feiertagsabend abgerufen worden sei, sei notwendig gewesen. Dies habe außerhalb des häuslichen Bereichs geschehen dürfen, da dort nicht mehr warme Speisen erhältlich gewesen wären. Abgesehen davon, daß der kürzeste Weg nach Hause wegen der Sperrung der Ortsdurchfahrt R. nicht habe genommen werden können, falle der kurze Umweg über B. nicht sonderlich ins Gewicht, zumal in dem A. und S. bekannten Gasthaus auch zu später Stunde warme Speisen ausgegeben würden. Diese habe sich berechtigt, auch in der Nähe ihres Heimatortes ohne Verlust des Versicherungsschutzes einzukehren. Schließlich sei nicht erwiesen, daß der von A. genossene Alkohol die allein rechtlich wesentliche Unfallursache gewesen sei. Dies sei von der Beklagten zu vertreten.

Gegen das ihr am 14. März 1974 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 8. April 1974 Berufung eingelegt.

Es sind im Berufungsverfahren von Amts wegen die Auskünfte des Städtischen Verkehrsamtes und des Hessischen Straßenbauamtes in Schotten vom 24. und 25. Februar 1975 eingeholt worden. Hiernach konnte in der Nacht vom 17. zum 18. Juni 1971 von B. aus der Wohnort der Verunglückten K. nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreicht werden. Die Straße von S. über R., F. und K. war zur gleichen Zeit in R. wegen Bauarbeiten gesperrt. Die amtliche Umleitungsbeschilderung sah ab S. die Umleitung über G. nach F. vor.

Die Beklagte bringt in Ergänzung des angefochtenen Bescheides vor: Es stehe fest, daß S. und A. ihren Rückweg nach der Reparatur in O. zweieinhalb Stunden in B. unterbrochen hätten, um im Gasthaus "E.” zu essen und zu trinken. Geschäftliche Angelegenheiten seien nicht besprochen worden. Beim Eintreffen in B. seien etwa 4/5 des Gesamtweges zurückgelegt gewesen. Bis nach K. habe noch eine Wegstrecke von rund 10 km vor ihnen gelegen. Wenn S. und A. unter diesen Umständen bei ihrem Eintreffen im Gasthaus "E.” noch Brathähnchen bestellten, obwohl ihnen erklärt worden sei, daß die Zubereitung etwa eine Stunde dauern werde, so spreche dieses Verhalten eindeutig für eine Abwendung vom versicherten Unternehmen und damit für eine Hinwendung zu privaten Verrichtungen. Dies habe eine Lösung des Versicherungsschutzes zur Folge gehabt. Es sei jedenfalls nicht erforderlich gewesen, zu dieser Stunde außerhalb der häuslichen Sphäre noch Nahrung aufzunehmen. Hinzu komme, daß S. und A. mit dem Weg über B. einen Umweg genommen hätten und auf diesem verunglückt seien. Es sei nämlich geboten gewesen, den kürzeren Weg von S. über G. zu benutzen. Der Versicherungsschutz für S. lasse sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines Abhängigkeitsverhältnisses zu A. als Fahrer des Pkw und Sohn des Arbeitgebers begründen. Hierfür ergäben sich keinerlei Anhaltspunkte. Vielmehr spreche die allgemeine Lebenserfahrung mehr dafür, daß beide einvernehmlich handelten, als sie das Gasthaus "E.” gemeinsam aufsuchten.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 20. Februar 1974 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie wiederholen ihr bisheriges Vorbringen und berufen sich auf die ihrer Ansicht nach zutreffenden Gründe des angefochtenen Urteils. Die Sperrung der Straße über R. sei erst kurz vor der Abzweigung nach B. angezeigt worden, so daß A. und S., um den Weg über G. zu nehmen, nach S. hätten zurückfahren müssen.

Die Beigeladenen beantragen, die Entlassung aus der Beiladung, hilfsweise, das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 20. Februar 1974 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Sie sind der Auffassung, daß ihre Zuständigkeit nicht gegeben sei.

Im übrigen beantragen die Beteiligten übereinstimmend, die Revision zuzulassen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Streit- und Unfallakten sowie die Akten der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Gießen – 7 Js 644/71 – verwiesen, die beigezogen wurden.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist frist- und formgerecht eingelegt. Aus dem angefochtenen Urteil ergibt sich nicht, zu welchen Leistungen das SG die Beklagte verurteilt hat. Die Urteilsformel ist unklar gefaßt. Die Beklagte ist nur verurteilt worden, "den tödlichen Unfall des S. als Arbeitsunfall zu entschädigen.” Auch fehlt es an einer Darlegung der Anspruchsgrundlage in den Entscheidungsgründen. Gleichwohl ist der Streitgegenstand aus den gesamten Umständen des Falles erkennbar. Da S. durch den Unfall unmittelbar zu Tode kam, können der angefochtene Bescheid und das sozialgerichtliche Urteil nicht auf die Kläger übergegangene Ansprüche des S. (§§ 630, 581, 548 RVO), sondern nur deren eigene Hinterbliebenenansprüche nach dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung zum Gegenstand haben (§§ 589 Abs. 1 Nr. 1 bis 4, 590, 591, 595, 548 RVO). Der angefochtene Bescheid ist zwar nur an die Klägerin zu 1) gerichtet und enthält nicht auch die Ablehnung von Hinterbliebenenleistungen an die Kläger zu 2). Da diese aber sämtlich Klage erhoben haben, die Beklagte sich hierauf in allen Schriftsätzen eingelassen und während des Verfahrens eindeutig zu erkennen gegeben hat, daß sie auch deren Hinterbliebenenansprüche ablehnt, sind Gegenstand des Verfahrens alle Ansprüche der Kläger auf Hinterbliebenenleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung, zumal auch die Kläger zu 2) vom SG im Rubrum des angefochtenen Urteils aufgeführt sind. Hiernach befinden sich neben den laufenden Rentenleistungen an die Kläger auch das Sterbegeld, die Überführungskosten des Verstorbenen an den Ort der Bestattung sowie das dreimonatige Übergangsgeld im Streit. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats ist in einem solchen Fall die Berufung – entgegen der Rechtsprechung des BSG uneingeschränkt statthaft (vgl. die Urteile des Hess. LSG v. 9.5.1973, L-3/U-482/72, L 3/U-638/72); Urteil des BSG vom 12.3.1974 – 2 RU 289/73). Der erkennende Senat vermag sich insoweit der Auffassung des BSG nicht anzuschließen.

Die hiernach insgesamt zulässige Berufung ist auch begründet. Das auf die zulässige Klage ergangene sozialgerichtliche Urteil mußte aufgehoben werden, da der angefochtene Bescheid nicht rechtswidrig ist. Die Beklagte, die sich zur Regelung der Versicherungsverhältnisses für zuständig hält, hat zutreffend Hinterbliebenenansprüche der Kläger abgelehnt, da der Tod des S. nicht durch einen Arbeitsunfall hervorgerufen wurde (§§ 589, 548 RVO).

Aufgrund der vom SG durchgeführten Beweisaufnahme und der im Berufungsverfahren erteilten Auskünfte des Städtischen Verkehrsamtes und des Hessischen Straßenbauamtes in Schotten ist folgender Sachverhalt festzustellen: S. war neben seiner Landwirtschaft noch als Verkäufer und Kundendienstmonteur im Unternehmen des W. A. tätig, soweit diese sich mit dem Vertrieb und Kundendienst von Milchkühlanlagen und Melkmaschinen befaßte. Ein Warenlager unterhielt A. insoweit nicht.

Am Abend des 17. Juni 1971 hatte sich S. zusammen mit A. gegen 20,00 h nach O. zum Zeugen G. begeben, um eine defekte Milchkühlanlage zu reparieren. Anschließend traten sie etwa um 22.30 h die Rückfahrt nach K. an. Zu diesem Zeitpunkt war der kürzeste Weg hinter S. durch Straßenbauarbeiten in R. gesperrt. A. und S. nahmen anstelle der um rund 6 km kürzeren Strecke von S. über G. und F., die als amtliche Umleitung ausgeschildert war; den Weg über B., H., F. und K. (vgl. Der Große Shell-Atlas, 15. Aufl., Bl. 43/44). In B. trafen sie gegen 23.20 h ein und suchten das Gasthaus "E.” auf. Dessen Wirt, den Zeugen B., kannte A. seit etwa 20 Jahren. S. war mit ihm zwar weniger gut bekannt, aber auch schon häufiger Gast in diesem Lokal gewesen. Beide tranken zunächst an der Theke ein Glas Bier und verlangten nach Hähnchen, obwohl dort warme Speisen nur bis gegen 23.00 h ausgegeben wurden. Die Wirtsleute B. erklärten, daß die Zubereitung von Hähnchen wenigstens eine Stunde dauern werde. A. und S. verblieben jedoch bei ihrer Bestellung. Sie aßen die Hähnchen an einem separaten Tisch, an den sich dann anschließend noch andere Gäste setzten. Mit ihnen diskutierten sie u.a. über eine Fernsehsendung. Geschäftliche Dinge kamen nicht zur Sprache. Etwa um 1.30 h verließen S. und A. zusammen mit dem Zeugen B., der um 1.00 h Feierabend geboten hatte, das Gasthaus nachdem beide ihren Verzehr getrennt bezahlt hatten, um den Weg nach Hause anzutreten. Auf der Landstraße L. verunglückten sie tödlich. Der von A. gesteuerte Pkw war auf Rollsplitt ins Schleudern geraten, hatte sich überschlagen und war sodann gegen einen Baum geprallt. Die Borduhr des Pkw und die Armbanduhr des A. waren um 1.54 h stehengeblieben.

Eine bei ihm am Unfalltag um 9.35 h entnommene Blutprobe ergab nach dem Gutachten des Prof. Dr. G. vom 2. Juli 1971 eine BAK von 1,14 ‰.

S. befand sich im Unfallzeitpunkt bereits deshalb nicht mehr auf einem versicherten Weg, weil er und A. von S. nicht den kürzesten und bequemsten Weg nach K., nämlich die ausgeschilderte Umleitungsstrecke über G. und F. sondern nach Durchfahren von S. den etwa 6 km längeren Weg über B. und den H. wählten. Zwar waren S. und A. – auch wegen der Straßensperre in R. – in der Wahl des Weges nach Hause grundsätzlich frei. Ist von einem Versicherten nicht der kürzeste Weg eingeschlagen worden, entfällt der Versicherungsschutz aber dann, wenn für die Wahl des längeren Weges andere Gründe maßgebend waren als die Absicht, auf dem Rückweg die Wohnung zu erreichen und wenn die dadurch bedingte Verlängerung der Wegstrecke unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände als erheblich anzusehen ist. Hierbei sind alle nach der allgemeinen Verkehrsanschauung zu berücksichtigenden Umstände in Betracht zu ziehen, insbesondere der Wunsch, den Weg möglichst störungsfrei und zweckmäßig zurückzulegen, ferner die Wahl des vom Versicherten gewählten Verkehrsmittels und die Notwendigkeit oder Zweckmäßigkeit, im Hinblick hierauf einen bestimmten Weg einzuschlagen, um die Wohnung möglichst schnell und sicher zu erreichen (vgl. Lauterbach, Anm. 15 zu § 550 RVO und die dort angeführte Rechtsprechung). Für die Annahme von privaten Beweggründen für den Umweg spricht nicht nur, daß es sich um eine unbequemer zu befahrende Strecke durch das Gebiet des H. handelte, die noch dazu etwa 6 km länger war als die von Straßenbauamt beschilderte Umwegstrecke. Vielmehr kommt noch hinzu, daß an ihr das beiden gut bekannte Gasthaus "E.” lag.

Der Senat ist davon überzeugt, daß der Umweg nur gewählt wurde, um am Abend des 17. Juni, der gesetzlicher Feiertag war, noch in diesem Gasthaus einzukehren. Ein anderer Grund für die Wahl dieses schwieriger und länger zu befahrenden Weges ist nicht erkennbar. Wenn die Kläger durch ihren Prozeßbevollmächtigten vortragen lassen, nach seiner Erinnerung habe sich die Absperrung der Straße nach R. erst kurz vor der Abzweigung nach B. befunden, so daß S. und A. zunächst nach S. hätten zurückfahren müssen, so stellt dies eine reine Schutzbehauptung dar. Wahrscheinlich kannten S. und A. die Umleitung, da sie ja gegen 20.00 h in der entgegengesetzten Richtung gefahren waren. Im übrigen ergibt sich aus den vom Straßenbauamt Schotten übersandten Straßenskizzen, daß die Umleitung in S. bei der A.-Tankstelle angezeigt war. Da A. die Gegend gut kannte, wie die Kläger selbst vorgetragen haben, war ihm als Fahrer wahrscheinlich die seit dem 29. April 1971 vorhanden gewesene Straßensperre ohnehin bekannt. Da somit der Umweg nur gewählt wurde, um in einem Gasthaus einzukehren, entfiel der Versicherungsschutz bereits aus diesem Grunde.

Spätestens aber trat durch den Gasthausbesuch selbst eine Lösung von der betrieblichen Tätigkeit ein, da sie dort gegen 23.20 h eintrafen und die Weiterfahrt erst um 1.30 h, also nach über zweistündigem Aufenthalt, fortsetzten. Zwar ist es richtig, daß durch einen etwa zweistündigen Wirtshausbesuch nicht stets eine Lösung von der betrieblichen Tätigkeit eintritt. Vielmehr kommt es neben der Dauer auf die Art der Unterbrechung an (vgl. Urteile des BSG vom 28.6.1963 – 2 RU 63/60 und 132/62; v. 28.8.1964 – 2 RU 136/63; v. 27.5.1970 – 2 RU 88/68; v. 25.5.1972 – 2 RU 1/71 – mit zustimmender Anmerkung von Wittmann in SGb 1972, 439; Hess. LSG Urt. v. 11.6.1969 – L-3/U-856/68 –; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Bd. 2 S. 486 y; Lauterbach, Unfallversicherung, 3. Aufl. Anm. 18 a und b zu § 550 RVO). Wie das BSG in dem angeführten Urteil 2 RU 1/71 aber überzeugend ausgeführt hat, ist bei einer Unterbrechung der versicherten Tätigkeit um mehr als eine Stunde eine Lösung vom Betrieb nur dann zu verneinen, wenn die Art der Verrichtung oder andere Umstände den ursächlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit für den anschließenden weiteren Heimweg als aufrecht erhalten ansehen lassen.

Die Hinwendung zum privaten und damit unversicherten Bereich wird aus dem weiteren Verlauf des Aufenthaltes des S. zusammen mit A. im Gasthaus "E.” besonders deutlich. Zunächst ist es unzutreffend, wenn das SG davon ausgeht, beide hätten dort noch einkehren müssen und dürfen, um das Abendbrot in Form einer warmen Mahlzeit nachzuholen. Hierzu habe ein unabweisbares Bedürfnis vor Fortsetzung der Fahrt bestanden, weil im häuslichen Bereich ein warmes Essen nicht mehr hätte bereitet werden können. Abgesehen davon, daß Letzteres nicht erwiesen ist, kann nicht eingesehen werden, aus welchem Grunde S. und A. am Abend des 17. Juni 1971 noch eine warme Mahlzeit zu sich nehmen mußten. Da sie tagsüber zu Hause waren ist das nicht als üblich anzusehen. Gegen ein unabweisbares Bedürfnis zur baldigen Nahrungsaufnahme überhaupt spricht aber auch das sonstige Verhalten des S. und A. Hätte ein solches Bestanden, so wären sie mit einer anderen, schnell zubereiteten Speise, wie Wurst- und Käsebroten oder Würstchen zufrieden gewesen. Stattdessen bestellten sie jedoch gebratene Hähnchen, von denen sie wußten, daß die Zubereitung wenigstens eine Stunde dauern würde. Das war ihnen ausdrücklich von den Wirtsleuten B. erklärt worden, wie der Zeuge B. vor den SG bekundete. Sie waren somit nicht unter dem Gesichtspunkt einer notwendigen Stärkung vor Antritt der Weiterfahrt gehalten, noch etwas zu essen. Denn in etwa einer guten Viertelstunde waren sie zu Hause gewesen und hätten wenigstens ein kaltes Abendbrot zu sich nehmen können. Daß es ihnen nicht auf eine bloße Stärkung ankam, ergibt sich insbesondere auch daraus, daß sie nach Einnahme des Essens die Fahrt nicht etwa sogleich fortsetzten, sondern sich noch längere Zeit im Gasthaus aufhielten. Hierbei wurden mit den Gästen Gespräche privater Natur geführt. Schließlich spricht gegen eine bloße Unterbrechung der Heimfahrt auch der Umstand, daß sie sich solange in dem Gasthaus aufhielten, bis der Wirt Feierabend gebot und sie sich mit diesem dann noch vor dem Gasthaus eine Zeitlang unterhielten. Aus alledem folgt, daß S. und A. am Abend eines Feiertages zu einer eigenwirtschaftlichen Verrichtung übergegangen waren und sich nicht nur für die recht kurze weitere Heimfahrt stärken wollten.

Die Kläger können nicht damit gehört werden, daß S. zu A., als dem Sohn seines Arbeitgebers und Fahrer des Pkw, in einem Abhängigkeitsverhältnis stand und so auf die Wahl des Weges von S. nach K. sowie die Gestaltung und die Dauer des Aufenthaltes im Gasthaus "E.” keinen Einfluß gehabt habe. Zwar sind Fälle denkbar, in denen auch bei einem längeren Gasthausaufenthalt ein in einem besonderen Abhängigkeitsverhältnis Stehender nicht des Versicherungsschutzes verlustig geht, insbesondere, wenn er zur Zurücklegung des Heimweges der Mitnahme im einem Fahrzeug bedarf (vgl. Urteil des BSG vom 27.5.1970 – 2 RU 88/68). Hierzu ist einerseits festzustellen, daß S. ab 23.20 h, also nach dem Eintreffen im Gasthaus "E.”, nicht mehr die Gelegenheit hatte, mit öffentlichen Verkehrsmitteln nach K. zu gelangen (vgl. die Auskunft des Städtischen Verkehrsamtes Schotten vom 24.2.1975) und daher auf die Mitnahme im Pkw des A. angewiesen war. Es kann auch unterstellt werden, daß S. an einer guten Zusammenarbeit mit A. interessiert war, um aus seiner Verbindung zum Unternehmen A. weiterhin wirtschaftliche Vorteile ziehen zu können. Daraus kann sich ergeben, daß ein gewisses Abhängigkeitsverhältnis zu A. bestand, dem sich S. nicht glaubte entziehen zu können. Es ist daher möglich, daß die Fahrt über B. und der lange Gasthausaufenthalt ausschließlich auf die Initiative des A. zurückzuführen waren und S. es nicht wagte oder es ihm nicht gelang, auf einer sofortigen Heimfahrt zu bestehen. Andererseits war S. als selbständiger Landwirt nur nebenher im Unternehmen W. A. tätig sowie in diesem Gasthaus ebenfalls bekannt, wenn auch nicht solange wie A. Es ist daher auch möglich, daß der Umweg über B. und der lange Gasthausaufenthalt auf seinem Vorschlag beruhten oder daß er insoweit mit A. einvernehmlich handelte. Er bezahlte seinen Verzehr nämlich selbst und es liegen nach Vernehmung des Zeugen B. keine Anhaltspunkte dafür vor, daß er auf eine beschleunigte Rückkehr nach K. drängte und hieran von A. gehindert wurde. Auch beharrte er ebenso wie A. auf der Zubereitung von Brathähnchen, obwohl er wußte, daß dies wenigstens eine Stunde dauern würde, wie der Zeuge B. bekundet hat. Letztlich muß die Frage, ob S. eigenverantwortlich eine Lösung vom Betrieb herbeiführte, jedoch offen bleiben, weil keine Möglichkeit mehr besteht, den Sachverhalt insoweit aufzuklären. Nur wenn S. wegen eines – vielleicht auch nur vermeintlichen – betrieblich bedingten Abhängigkeitsverhältnis zu A. sich dem Umweg über B. und dem langen Gasthausaufenthalt auf dessen Wunsch nicht widersetzte, wäre für ihn keine Lösung vom versicherten Unternehmen eingetreten.

Der Senat hatte daher zu entscheiden, welcher Beteiligte die Folgen der Unerweislichkeit einer Lösung vom Betrieb zu tragen hat. In Rechtsprechung und Schrifttum besteht Übereinstimmung darüber, daß der Kausalzusammenhang zwischen versicherten Tätigkeit und dem Unfall – die sog. haftungsbegründende Kausalität – zu den anspruchsbegründenden Tatsachen gehört, die der Beweislast des Beteiligten unterliegen, der daraus eine für ihn günstige Rechtsfolge herleiten will (vgl. u.a. BSG 30, 121, 123 und die dort zitierte weitere Rechtsprechung). Zur haftungsbegründenden Kausalität wurde bisher z.B. auch der ursächliche Zusammenhang zwischen einem betrieblichen Umstand und dem an der Betriebsstätte oder auf Betriebswegen eingetretenen Tod gerechnet, wenn zweifelhaft war, ob dieser nicht auf einer Selbsttötung beruhte (vgl. BSG 19, 52). Ferner hat das BSG entschieden, daß die Frage, ob der Unfall eines Versicherten außer durch dessen alkoholbedingte Verkehrsuntüchtigkeit auch durch betriebsbezogene Umstände wesentlich verursacht worden ist, ebenfalls die haftungsbegründende Kausalität betrifft. Bei der alkoholbedingten Verkehrsuntüchtigkeit handele es sich um ein negatives Tatbestandsmerkmal und nicht um eine rechtshindernde Tatsache mit der Folge, daß deren Nichterweislichkeit zu Lasten des Versicherungsträgers gehe, der sich darauf berufe (vgl. Urteil vom 22.2.1973, 2 RU 128/71). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze gehört zur haftungsbegründenden Kausalität auch die rechtserhebliche Frage, ob der Unfall durch betriebsbezogene Umstände wesentlich verursacht worden ist, wozu notwendigerweise der Ausschluß solcher Umstände gehört, die betriebsfremd sind, wie z.B. das Vorliegen eines Umweges aus privaten Gründen oder eine eigenwirtschaftliche Verrichtung, also insbesondere der von der Rechtsprechung entwickelte Begriff der "Lösung vom Betrieb”. Da zur Begründung des ursächlichen Zusammenhangs feststehen muß, daß eine betriebsbedingte wesentliche Unfallursache vorliegt, handelt es sich hierbei somit um ein negatives Tatbestandsmerkmal (so auch Ricke, BG 1963, 111 ff; Krasney, BG 1967, 312 ff. ohne nähere Begründung; a.A. Urteil des LSG für das Saarland vom 12. Juni 1963, abgedruckt bei Breithaupt 1963, S. 873 ff. demzufolge es sich bei der Lösung vom Betrieb um eine Gegennorm handeln soll).

Da nach der Beweisaufnahme nicht festzustellen ist, daß Umweg und Gasthausaufenthalt nicht von S. zu vertreten waren, sondern für ihn auf betriebsbezogenen Umständen beruhten, sind die Folgen dieser Ungewissheit von den Klägern nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast zu tragen.

Da der Tod des S. somit nicht Folge eines Arbeitsunfalls war, kommt es für die Entscheidung des erkennenden Senats nicht darauf an, welcher der beteiligten Versicherungsträger zuständig ist. Gegen die Ansicht des SG, das die Beklagte als zuständigen Versicherungsträger zur Leistungsgewährung verurteilt hat, bestehen Bedenken. Diese hat zwar in der Berufungsschrift keine Einwendungen gegen ihre Zuständigkeit erhoben, jedoch liegt insoweit keine sie bindende Erklärung vor, zumal sie in dem angefochtenen Bescheid hierauf ausdrücklich nicht eingegangen ist. Der tatsächliche Unfall des S. ereignete sich weder in dem landwirtschaftlichen Betrieb des W. A. noch in dessen Knotengitterfabrikation (Weidezaunherstellung) – nur diese Betriebe waren aber bei der Beklagten versichert – sondern in dem Betriebsteil "Vertrieb und Wartung von Milchkühlanlagen und Melkmaschinen”, welcher der Beklagten im Unfallzeitpunkt überhaupt nicht bekannt war. Dieser war aber weder Teil des landwirtschaftlichen Unternehmens (§ 777 RVO) noch ein landwirtschaftlicher Nebenbetrieb i.S. des § 779 RVO, weil er nicht in wirtschaftlicher Abhängigkeit von der Landwirtschaft unterhalten wurde. Dieser Betriebsteil stand in keinerlei Zusammenhang damit und hätte genau so gut ohne die Landwirtschaft wie auch von einem Nichtlandwirt betrieben werden können. Da W. A. insoweit kein eigenes Lager unterhielt sondern nur von Fall zu Fall die Anlagen auslieferte, kann die Zuständigkeit der beigeladenen Verwaltungs-Berufsgenossenschaft gegeben sein. Nach § 2 Abs. 1 V Nr. 50 und 59 ihrer Satzung gehören dazu u.a. Handelsvertreter, Handelsmakler, sonstige Vertreter und Makler sowie sonstige Unternehmen, für die keine andere Berufsgenossenschaft zuständig ist.

Die beigeladene Süddeutsche Holz-Berufsgenossenschaft wäre nur dann zuständig, wenn der Betriebszweig des Landwirts A., in dem sich der Unfall ereignete, zu dessen Hauptunternehmen, der Knotengitterfabrikation, gehört hätte, weil es sich nach den Feststellungen der Beklagten hierbei um eine Weidezaunherstellung mit dem arbeitsmäßigen Hauptmerkmal der Zurichtung von Holz einschließlich dessen Konservierung handelte (§ 647 RVO). Im übrigen könnte sie ab 1. Januar 1974 als zuständiger Versicherungsträger für die von diesem Zeitpunkt ab zu erbringenden Versicherungsleistungen in Betracht kommen, weil sie nach einer Erklärung der Beklagten in der letzten mündlichen Verhandlung den Holzverarbeitungsbetrieb des W. A. kunstermäßig übernommen hat.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 193, 160 SGG.
Rechtskraft
Aus
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