Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 3 U 77/72
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 552/74
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Der Weg nach dem Ort der versicherten Tätigkeit beginnt auch dann mit dem Durchschreiten der Außentür des Hauses, wenn der Versicherte eine vom Wohnhaus nicht direkt zugängliche Garage aufsuchen will, um mit dem Pkw zur Arbeitsstätte zu fahren. Dabei ist es ohne Bedeutung, ob es sich um ein Ein- oder Mehrfamilienhaus handelt und wo die Garage sich befindet. (Auseinandersetzung mit der zum Teil gegensätzlichen Rechtsprechung des BSG)
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg/L. vom 21. Mai 1974 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der 1915 geborene Kläger beansprucht Entschädigung für die Folgen eines Unfalls, den er am 27. April 1971 erlitt, als er mit seinem Personenkraftwagen (Pkw) aus der Garage heraus zur Arbeitsstätte fahren wollte.
Der Kläger bewohnt das Erdgeschoß seines Zweifamilienhauses, das an einem Hang liegt und nur von der "O. B.” aus direkt betreten werden kann. Zu diesem Wohnhaus gehört eine sogenannte Tiefgarage, die sich im rückwärtigen Kellerbereich des Hauses befindet und von diesem aus nicht unmittelbar betreten werden kann. Vielmehr muß der Kläger zu diesem Zweck entweder im Haus die Kellertreppe hinuntergehen und durch die Waschküche über den Hof gehen oder sein Wohnhaus durch die Haustür verlassen und über die O. B. sowie einen 10 m langen, 1,60 m abfallenden Weg auf dem eigenen Grundstück um das Wohnhaus herum zurücklegen. Den letzteren Weg nimmt er meistens, da er dabei zugleich von der O. B. aus das Gartentor öffnen kann. So geschah es auch am Unfalltag, an dem er gegen 5.00 h seinen in der Garage abgestellten Pkw herausholen wollte. Die Garage ist mit einem nach oben führenden Schwenktor versehen. Bei der Fahrt aus der Garage fiel plötzlich dieses Schwenktor nach unten und schlug gegen die linke Hand, die der Kläger oben auf die leicht geöffnete Tür des Pkw gelegt hatte. Zu diesem Zeitpunkt war der Pkw rückwärts bereits so weit aus der Garage herausgefahren, daß sich die linke Hand im Moment des Aufpralls des Schwenktores in Höhe der Garagentürschwelle befand. Dem Durchgangsarztbericht des Prof. Dr. B. vom 27. April 1971 zufolge kam es hierdurch zu einer schweren Quetschung der linken Hand mit Bruch des Grundgliedes vom 3. bis zum 4. Finger und einer Abknickung. Den Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) schätzte dieser Arzt in seinem Gutachten vom 3. Dezember 1971 für die Zeit vom 2. August 1971 bis zum 2. März 1972 auf 20 v.H. Eine Nachuntersuchung hielt er nach sechs Monaten für angezeigt.
Die Beklagte teilte dem Kläger mit formlosen Schreiben vom 16. März 1972 mit, daß es sich bei dem Geschehen um einen unversicherten Unfall gehandelt habe, da er sich im Unfallzeitpunkt noch im häuslichen Wirkungsbereich befunden habe. Mit am 24. März 1972 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben vom 22. März 1972 seiner Bevollmächtigten beantragte der Kläger die Gewährung eines "klagefähigen” Bescheides, den die Beklagte am 15. Juni 1972 mit gleicher Begründung erteilte.
Gegen diesen am 16. Juni 1972 mit Einschreiben abgesandten Bescheid hat der Kläger bei dem Sozialgericht in Marburg/L. – SG – am 10. Juli 1972 Klage erhoben und geltend gemacht: Er sei bei der Ausfahrt aus der Garage auf einem versicherten Weg von der Wohnung zur Arbeitsstätte gewesen, so daß die Beklagte ihm für die erlittenen Verletzungen Entschädigung zu gewähren habe. Zum Zeitpunkt des Unfallgeschehens habe er sich nicht mehr im häuslichen Wirkungsbereich aufgehalten.
Das SG hat den Kläger persönlich angehört und mit Urteil vom 21. Mai 1974 die Beklagte verurteilt, ihm die gesetzliche Unfallentschädigung zu gewähren, da er sich im Unfallzeitpunkt nicht mehr im unversicherten häuslichen Bereich, sondern bereits auf dem versicherten Weg von der Wohnung zur Arbeitsstätte befunden habe.
Gegen das ihr am 31. Mai 1974 gegen Empfangsbekenntnis zugestellte Urteil hat die Beklagte am 21. Juni 1974 Berufung eingelegt und zur Begründung vorgebracht. Im Gegensatz zur Auffassung des SG habe sich der Kläger noch im unversicherten häuslichen Bereich befunden. Garage und Wohnhaus bildeten eine bauliche Einheit. Hieran vermöge auch nichts zu ändern, daß die Garage auch über eine öffentliche Straße von außen her zu erreichen gewesen sei. Er habe vielmehr von der öffentlichen Straße aus nochmals das zu seinem persönlichen Lebensbereich gehörende Grundstück betreten. Im übrigen sei der Kläger noch innerhalb der Garage gewesen, als er sich die Hand gequetscht habe. Der zum Schwenktor gehörige Torbügel lege sich beim Schließen des Tores nach innen und nicht nach außen. Außerdem sei es unwahrscheinlich, daß – wie der Kläger meine – ein Windstoß das parallel zur Garagendecke liegende Garagentor herabschwenken könne. Schließlich sei nicht erwiesen, daß zur Unfallzeit überhaupt ein starker Wind geherrscht habe. Nach der bisherigen Rechtsprechung des BSG sei bei Einfamilienhäusern als Grenze des häuslichen Bereichs das Garagentor anzusehen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Marburg/L. vom 21. Mai 1974 aufzuheben und die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er ist vom Senat persönlich gehört worden und führt u.a. aus: Er habe mit dem Verlassen der Außenhaustür bereits seinen Weg zur Arbeitsstätte angetreten. Wenn er um sein Wohnhaus herum zur Garage und in diese hineingegangen sei, um den für den Arbeitsweg zu benutzenden Pkw rückwärts herauszufahren, so habe es sich um eine kurzfristige Wegeunterbrechung gehandelt, durch die der Versicherungsschutz im rechtlichen Sinne nicht unterbrochen worden sei. Im übrigen sei das notwendige Herausfahren des Pkw zur Fortsetzung des Weges zur Arbeitsstätte überhaupt nicht als Unterbrechung anzusehen. Schließlich komme es nicht darauf an, ob und wieweit er mit dem Pkw bereits aus der Garage herausgefahren sei. Dieser Vorgang müsse bei natürlicher Betrachtungsweise als Einheit angesehen werden und begründe stets den Versicherungsschutz.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Unfall- und Streitakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte Berufung ist frist- und formgerecht eingelegt und daher zulässig.
Sie ist jedoch unbegründet. Das auf die zulässige Klage ergangene sozialgerichtliche Urteil konnte nicht aufgehoben werden, da das SG im Ergebnis zu Recht den angefochtenen Bescheid aufgehoben und die Beklagte zur Gewährung der gesetzlichen Unfallentschädigung aus Anlaß des Unfallgeschehens vom 21. April 1971 verurteilt hat. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig, da der Versicherungsschutz nach § 550 S. 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) zu bejahen ist. Nach dieser Vorschrift gilt als Arbeitsunfall auch ein Unfall auf einem mit einer der in den §§ 539, 540 und 543–545 genannten Tätigkeiten zusammenhängenden Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit.
Nach dem glaubhaften Vorbringen des Klägers vor dem SG und dem Senat, wobei er zur Wahrheit ermahnt und auf die Folgen eines Prozeßbetruges bei unrichtigen Angaben hingewiesen worden ist, sieht der Senat folgenden Sachverhalt als erwiesen an: Der Kläger bewohnt das Erdgeschoß seines umfriedeten Zweifamilienwohnhauses, das an einem Hang steht. Zu diesem gehört eine sich im rückwärtigen Hausbereich befindliche Tiefgarage, die vom Inneren des Hauses nicht direkt betreten werden kann. Um zu ihr zu gelangen, stehen dem Kläger vielmehr zwei Wege zur Verfügung. Einmal kann er im Haus die Kellertreppe hinuntergehen und durch eine Außentür der Waschküche über den hinteren Hofteil die Garagentür erreichen, zum anderen ist es ihm möglich, um das Haus herum zur Garage zu gehen. Hierbei muß er das Wohnhaus durch die Außentür des Wohngebäudes verlassen und über die "O. B.”, einen öffentlichen Weg, eine kurze Strecke zur Gartentoreinfahrt zurücklegen und anschließend über sein Privatgrundstück im Gefolge eines auf 10 m Länge 1,60 m abfallenden Weges zur Garage gehen. Diesen letzteren Weg hatte der Kläger wie er glaubhaft versicherte, am Unfalltag gegen 5.00 h genommen. Betreten werden kann die Garage nur von außen nach Schwenken des Tores nach oben, das dann parallel unter dem Garagendach liegt. Der Senat sieht ferner als erwiesen an, daß der Kläger am Unfalltag die Garage allein zu dem Zwecke betrat, um die Fahrt mit seinem Pkw zur Arbeitsstätte anzutreten. Er fuhr rückwärts aus der Garage und hatte hierbei seine linke Hand auf den oberen Türrahmen der leicht geöffneten Pkw-Tür gelegt. Bei der Ausfahrt bewegte sich das Schwenktor aus einem nicht mehr feststellbaren Grund nach unten und quetschte mit dem seitlichen Gestänge die linke Hand des Klägers. In diesem Zeitpunkt hatte er den Pkw soweit aus der Garage hinausgefahren, daß die auf der Tür liegende Hand beim Aufprall des Gestänges die Garagentürschwelle erreicht hatte.
Die Beklagte zweifelt zwar die Richtigkeit dieser Darstellung des Unfallgeschehens an. Sie bezieht sich hauptsächlich auf den Durchgangsarztbericht des Prof. Dr. B., in dem es heißt, daß der Kläger sich beim Herausfahren seines Wagens aus der Garage auf der Fahrt zur Arbeit die linke Hand zwischen Tür und Garagenwand gequetscht habe. Demgegenüber legt der Senat die oben angegebene Sachdarstellung zugrunde, die in dem Bericht des den Kläger erstmalig untersuchenden Hausarztes Dr. B. vom 23. Oktober 1971 enthalten ist und sich auch mit den Angaben des Klägers vor dem Bürgermeisteramt seines Wohnortes, vor dem SG und dem Senat deckt. An ihrer Richtigkeit zu zweifeln, besteht keine Veranlassung. Die Beklagte zieht den Unfallhergang außerdem deshalb in Zweifel, weil es nahezu unmöglich sei, daß ein Windstoß die parallel unter dem Dach, also innen liegende Schwenktür in Bewegung gesetzt habe. Es kann dahinstehen, ob dieser vom Kläger angenommene Unfallmechanismus zutreffend ist. Es steht nämlich nach seinem glaubhaften Vorbringen fest, daß das Schwenktor bei der Ausfahrt aus der Garage sich nach unten bewegte. Aus welchem Grunde dies geschah, ist hier unerheblich.
Bei dieser Sachlage ist der erkennende Senat zu dem Ergebnis gelangt, daß sich der Kläger im Unfallzeitpunkt auf dem versicherten Weg zur Arbeitsstätte befand. Wie in Rechtsprechung und Schrifttum nämlich, insbesondere im Anschluß an das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 13. März 1956 (2 RU 124/54) übereinstimmend angenommen wird, beginnt der Versicherungsschutz mit dem Durchschreiten einer der Außentüren des vom Versicherten bewohnten Gebäudes. Damit soll ausdrücklich eine einheitliche Auslegung des Erfahrungsbegriffs "häuslicher Bereich” nach objektiven Merkmalen erfolgen, ohne das es auf Unterschiede hinsichtlich der rechtlichen Gestaltung oder der tatsächlichen Gegebenheiten des Wohnverhältnisses im Einzelfall ankommt.
Die weitere Rechtsprechung des BSG in Fällen, in denen der Versicherte nach Durchschreiten der Außenhaustür des von ihm bewohnten Gebäudes sich zunächst ein Fahrzeug besorgt, um damit zur Arbeitsstätte zu fahren, bzw. nach der Rückkehr zunächst dieses Fahrzeug unterstellt und erst dann die Außenhaustür durchschreitet, wich jedoch teilweise von diesen Grundsätzen ab.
In seinem Urteil vom 30. September 1964 (2 RU 221/60) vertrat das BSG die Ansicht, das Urteil 2 RU 124/54 beziehe sich "auf die in städtischen Miethäusern mit abgeschlossenen Stockwerkswohnungen üblichen Verhältnisse” und versagte den Versicherungsschutz in einem Falle, in dem der Versicherte nach der Rückkehr von der Arbeitsstätte zunächst sein Fahrrad in einem Holzschuppen aufbewahren wollte und dabei verunglückt war, mit der Begründung, der Unfall habe sich in einem seiner ausschließlichen Verfügungsberechtigung zuzurechnenden Bereich und nicht mehr beim Zurücklegen des Weges von der Arbeitsstätte abgespielt. Würde man diese Rechtsprechung konsequent auf alle Unfälle anwenden, die sich beim Aufsuchen der Garage vor Antritt des Weges zur Arbeitsstätte oder nach Rückkehr von dort ereignen, müßte dort stets der Versicherungsschutz versagt werden. Indem im Urteil 2 RU 124/54 jedoch ausgeführt worden war, in Mehrfamilienhäusern sei nicht bereits die Etagentür sondern erst die Außentür als Grenze des häuslichen Bereichs anzunehmen, hat das BSG schon damals sinngemäß zutreffend zum Ausdruck gebracht, daß in allen Häusern der private Bereich erst mit dem Durchschreiten einer der Außentüren des Wohngebäudes endet. Das Urteil 2 RU 221/60 enthält keine überzeugende Begründung für die hiervon abweichende Ansicht.
In seinem weiteren Urteil vom 29. Januar 1965 (2 RU 39/64) hat das BSG dann jedoch als Grenze des Wohnbereiches i.S. des § 542 RVO a.F. "jede Außentür des Gebäudes, vor allem also auch wie hier die Außentür des Kellergeschosses”, bezeichnet und den Versicherungsschutz in einem Falle bejaht, in welchem der im Obergeschoß eines Zweifamilienhauses wohnende Versicherte sein Kraftrad aus einem – offenbar vom Hausinneren aus betretenen – Kellerraum geholt hatte und auf der Kelleraußentreppe beim Hinauftragen gestürzt war. Dieses Urteil, dem im Ergebnis beizutreten ist, weil es die in 2 RU 124/54 aufgestellten Grundsätze uneingeschränkt nunmehr offensichtlich auf Gebäude aller Art anwandte, ist mit dem vorerwähnten Urteil 2 RU 2211/60 jedoch nicht zu vereinbaren, obwohl das BSG dies versucht hatte. Wenn in dem Urteil 2 RU 39/64 ausgeführt wird: "In solchen Fällen – wie in 2 RU 221/60 – ist der häusliche Bereich aufgespalten und trotz Fehlens eines unmittelbaren räumlichen Zusammenhangs rechtlich als einheitlicher häuslicher Bereich zu behandeln”, so erfolgt damit eine Ausdehnung des häuslichen Bereichs auf Garagen, die erst nach Durchschreiten einer Außentür des Wohngebäudes zu erreichen sind. Indem dieses Urteil in 2 RU 39/64 ausdrücklich verteidigt wurde, ist das Urteil 2 RU 39/64 damit in sich widersprüchlich, denn danach kann nunmehr die Grenze des Wohnbereichs von jeder Außentür des Wohngebäudes aber auch von einem abseits gelegenen Holzschuppen als Teil des "aufgespaltenen häuslichen Bereichs” bestimmt werden.
Mit dieser Entscheidung ist auch nicht das weitere Urteil 2 RU 45/65 vom 23. Februar 1966 zu vereinbaren. Dort hatte ein Versicherter nach der Rückkehr von der Arbeitsstätte seinen Pkw in der im Kellergeschoß seines Einfamilienhauses nach der Straßenseite gelegenen Tiefgarage untergestellt und war nach dem Verlassen der Garage vor Erreichen der Außenhaustür verunglückt. Das BSG vertrat die Ansicht, mit dem Durchfahren des Garageneingangs sei die Grenze des häuslichen Bereichs erreicht, sofern die Garage mit dem Haus eine bauliche Einheit bilde; "jede Außentür des Wohngebäudes” sei Grenze des häuslichen Bereichs. Das trifft zwar zu. Nur ist unter "Außentür des vom Versicherten bewohnten Gebäudes” auch i.S. des Urteils 2 RU 124/54 lediglich eine Tür zu verstehen, welche das Wohngebäude abschließt. Hat eine Garage aber – wie in dem Fall, der dem Urteil 2 RU 45/65 zugrunde lag – keinen direkten Zugang zum Innern des Hauses, so stellt die Garagentür keine Außentür des Wohngebäudes dar. Der häusliche Bereich konnte in diesem Fall also erst nach Durchschreiten der den Hauseingang bildenden oder einer anderen, in das Wohngebäude führenden Tür erreicht werden, nicht aber bereits mit dem Durchfahren des Garagentores.
Diese Auffassung wird offensichtlich nunmehr auch endgültig vom BSG vertreten, und zwar zunächst in dem Urteil vom 24. August 1966, 2 RU 175/65. In diesem Falle war die Garage – ähnlich wie der Holzschuppen in 2 RU 221/60 – räumlich vom Wohnhaus des Versicherten auf dessen Grundstück seitlich nach innen versetzt. Eine Umfriedung zur Straße bestand nicht. Der Versicherte stürzte, nachdem er seinen Pkw aus der Garage geholt und auf einem freien Platz seines Grundstückes abgestellt hatte und nach Schließen der Garagentür wieder einsteigen wollte. Das BSG bejahte den Versicherungsschutz und führte zur Begründung u.a. aus, daß es nicht der Zweck des § 543 Abs. 1 S. 1 RVO a.F. (§ 550 S. 1 RVO n.F.) sei, Versichertenschutz für den Beschäftigten auf dem Wege nach und von der Arbeitsstätte nur im Bereich des öffentlichen Verkehrs zu gewähren. Die Wohnverhältnisse des Versicherten ließen nicht die Schlußfolgerung zu, daß der außerhalb des Wohn- und Garagengebäudes befindliche Grundstücksbereich in die private Sphäre des Klägers einbezogen werden könne.
In seinem weiteren Urteil vom 29. Februar 1968 (2 RU 99/65 in SozR Nr. 4 zu § 550 RVO = BG 1968, 322) bejaht das BSG ebenfalls den Versicherungsschutz zu Recht in einem Fall, in dem der Versicherte seine im Keller des am Hang stehenden Einfamilienhauses befindliche Garage nur nach Verlassen der Wohnungsaußentür über einen kurzen Weg auf öffentliche Straße erreichen konnte. Gleichzeitig verteidigte es – mit nicht überzeugender Begründung – seine gegensätzliche Entscheidung 2 RU 45/65 damit, daß dort Garage und Wohnhaus als private Sphäre eine bauliche Einheit gebildet hätten. In beiden Fällen war die Garage nämlich jeweils im Kellergeschoß untergebracht und der Versicherte konnte nicht von ihr aus das Hausinnere auf einem direkten Zugang, sondern jeweils nur über die Straße durch die Außenhaustür erreichen. Ergänzend merkte das BSG in 2 RU 99/65 zutreffend an, daß das kurzfristige Aufsuchen der Garage in einem solchen Falle ein notwendiger Teil des Gesamtweges zur Arbeitsstätte sei und daher nicht zur Unterbrechung des Versicherungsschutzes während des Aufenthalts in der Garage führe.
Es folgt sodann die Entscheidung vom 11. Dezember 1975 (2 RU 29/73 im SozR Nr. 26 zu § 550 RVO), der das BSG als Leitsatz voranstellte: Der Weg nach dem Ort der versicherten Tätigkeit beginnt auch dann mit dem Durchschreiten der Außentür des Hauses, wenn der Versicherte die im Kellergeschoß gelegene, aber vom Wohnhaus nicht direkt zugängliche Tiefgarage aufsuchen will, um mit dem Pkw zur Arbeitsstätte zu fahren. In den Gründen ist das BSG – ohne es ausdrücklich zuzugeben – erkennbar von seinen Entscheidungen 2 RU 221/60 und 2 RU 45/65 abgerückt. Es hat nunmehr auch bei Garagenunfällen erstmalig die Gesichtspunkte der Rechtssicherheit und Rechtseinheitlichkeit deutlich herausgestellt.
Danach gehören sowohl die vom Wohnhaus getrennt liegenden als auch die im Kellergeschoß gelegenen, vom Wohnhaus aber nicht direkt, sondern ebenfalls nur nach Durchschreiten einer der Außentüren des Wohngebäudes erreichbaren Garagen nicht zum häuslichen Bereich. Es ist daher für den Beginn des Versicherungsschutzes auch ohne Bedeutung, wo sich die Garage befindet, ob im Kellergeschoß oder räumlich vom Wohnhaus getrennt. Allein maßgeblich für Beginn und Ende des Versicherungsschutzes ist vielmehr das Durchschreiten einer Außentür des Wohnhauses durch den Versicherten auf dem Weg von oder nach der Arbeitsstätte auch dann, wenn er zunächst sein Fahrzeug holen oder unterstellen will. Eine ins Einzelne gehende Differenzierung nach unterschiedlichen örtlichen Gegebenheiten, insbesondere eine Unterscheidung nach Ein- oder Mehrfamilienhäusern, wie sie die Beklagte vornimmt, hat demgegenüber aus Gründen der Rechtseinheitlichkeit und der Rechtssicherheit zurückzutreten und wird jetzt erkennbar auch vom BSG nicht mehr vorgenommen. Nur diese letztere Rechtsprechung des BSG trägt dem Sinn und Zweck der Gewährung des Versicherungsschutzes nach § 550 RVO voll Rechnung.
Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, daß die Beklagte verpflichtet ist, den Unfall des Klägers vom 27. April 1971 als Arbeitsunfall zu entschädigen. Um in die in seinem Zweifamilienhaus im rückwärtigen Kellerbereich gelegene Garage gelangen zu können, mußte er wegen eines fehlenden inneren direkten Zugangs stets durch eine Außentür sein Wohngebäude verlassen, und zwar entweder durch die Haustür oder die Kellertür. Am Unfalltag hatte er den Weg durch die Haustür zur Garage gewählt. Mit deren Durchschreiten stand er daher auf dem Wege zur Garage, in dieser selbst und während der Ausfahrt mit dem Pkw unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, weil er nur so zur Arbeitsstätte gelangen konnte. Da sich der Unfall auf diesem Weg ereignete, stand der Kläger unter Versicherungsschutz.
Hierbei ist es rechtlich ohne Bedeutung, ob und wieweit der Körper des Klägers im Pkw sich bereits außerhalb der Garage befand, als sich der Unfall ereignete, was im übrigen auch nicht mehr genau festzustellen ist, weil der Kläger hierüber keine genauen Angaben mehr machen konnte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, da die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen (§ 160 SGG). Zwar vermochte sich der Senat nicht allen oben zitierten Urteilen des BSG anzuschließen. Er ist jedoch insbesondere nach dem Urteil vom 11. Dezember 1973 (2 RU 29/73) der Auffassung, daß das BSG nunmehr in Bezug auf Garagenunfälle einen einheitlichen, von den örtlichen Gegebenheiten des Einzelfalles losgelösten Standpunkt eingenommen hat, auch wenn es von früheren entgegenstehenden Entscheidungen nicht ausdrücklich abgerückt ist. Der Senat sah sich daher nicht verpflichtet, die Revision zuzulassen.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der 1915 geborene Kläger beansprucht Entschädigung für die Folgen eines Unfalls, den er am 27. April 1971 erlitt, als er mit seinem Personenkraftwagen (Pkw) aus der Garage heraus zur Arbeitsstätte fahren wollte.
Der Kläger bewohnt das Erdgeschoß seines Zweifamilienhauses, das an einem Hang liegt und nur von der "O. B.” aus direkt betreten werden kann. Zu diesem Wohnhaus gehört eine sogenannte Tiefgarage, die sich im rückwärtigen Kellerbereich des Hauses befindet und von diesem aus nicht unmittelbar betreten werden kann. Vielmehr muß der Kläger zu diesem Zweck entweder im Haus die Kellertreppe hinuntergehen und durch die Waschküche über den Hof gehen oder sein Wohnhaus durch die Haustür verlassen und über die O. B. sowie einen 10 m langen, 1,60 m abfallenden Weg auf dem eigenen Grundstück um das Wohnhaus herum zurücklegen. Den letzteren Weg nimmt er meistens, da er dabei zugleich von der O. B. aus das Gartentor öffnen kann. So geschah es auch am Unfalltag, an dem er gegen 5.00 h seinen in der Garage abgestellten Pkw herausholen wollte. Die Garage ist mit einem nach oben führenden Schwenktor versehen. Bei der Fahrt aus der Garage fiel plötzlich dieses Schwenktor nach unten und schlug gegen die linke Hand, die der Kläger oben auf die leicht geöffnete Tür des Pkw gelegt hatte. Zu diesem Zeitpunkt war der Pkw rückwärts bereits so weit aus der Garage herausgefahren, daß sich die linke Hand im Moment des Aufpralls des Schwenktores in Höhe der Garagentürschwelle befand. Dem Durchgangsarztbericht des Prof. Dr. B. vom 27. April 1971 zufolge kam es hierdurch zu einer schweren Quetschung der linken Hand mit Bruch des Grundgliedes vom 3. bis zum 4. Finger und einer Abknickung. Den Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) schätzte dieser Arzt in seinem Gutachten vom 3. Dezember 1971 für die Zeit vom 2. August 1971 bis zum 2. März 1972 auf 20 v.H. Eine Nachuntersuchung hielt er nach sechs Monaten für angezeigt.
Die Beklagte teilte dem Kläger mit formlosen Schreiben vom 16. März 1972 mit, daß es sich bei dem Geschehen um einen unversicherten Unfall gehandelt habe, da er sich im Unfallzeitpunkt noch im häuslichen Wirkungsbereich befunden habe. Mit am 24. März 1972 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben vom 22. März 1972 seiner Bevollmächtigten beantragte der Kläger die Gewährung eines "klagefähigen” Bescheides, den die Beklagte am 15. Juni 1972 mit gleicher Begründung erteilte.
Gegen diesen am 16. Juni 1972 mit Einschreiben abgesandten Bescheid hat der Kläger bei dem Sozialgericht in Marburg/L. – SG – am 10. Juli 1972 Klage erhoben und geltend gemacht: Er sei bei der Ausfahrt aus der Garage auf einem versicherten Weg von der Wohnung zur Arbeitsstätte gewesen, so daß die Beklagte ihm für die erlittenen Verletzungen Entschädigung zu gewähren habe. Zum Zeitpunkt des Unfallgeschehens habe er sich nicht mehr im häuslichen Wirkungsbereich aufgehalten.
Das SG hat den Kläger persönlich angehört und mit Urteil vom 21. Mai 1974 die Beklagte verurteilt, ihm die gesetzliche Unfallentschädigung zu gewähren, da er sich im Unfallzeitpunkt nicht mehr im unversicherten häuslichen Bereich, sondern bereits auf dem versicherten Weg von der Wohnung zur Arbeitsstätte befunden habe.
Gegen das ihr am 31. Mai 1974 gegen Empfangsbekenntnis zugestellte Urteil hat die Beklagte am 21. Juni 1974 Berufung eingelegt und zur Begründung vorgebracht. Im Gegensatz zur Auffassung des SG habe sich der Kläger noch im unversicherten häuslichen Bereich befunden. Garage und Wohnhaus bildeten eine bauliche Einheit. Hieran vermöge auch nichts zu ändern, daß die Garage auch über eine öffentliche Straße von außen her zu erreichen gewesen sei. Er habe vielmehr von der öffentlichen Straße aus nochmals das zu seinem persönlichen Lebensbereich gehörende Grundstück betreten. Im übrigen sei der Kläger noch innerhalb der Garage gewesen, als er sich die Hand gequetscht habe. Der zum Schwenktor gehörige Torbügel lege sich beim Schließen des Tores nach innen und nicht nach außen. Außerdem sei es unwahrscheinlich, daß – wie der Kläger meine – ein Windstoß das parallel zur Garagendecke liegende Garagentor herabschwenken könne. Schließlich sei nicht erwiesen, daß zur Unfallzeit überhaupt ein starker Wind geherrscht habe. Nach der bisherigen Rechtsprechung des BSG sei bei Einfamilienhäusern als Grenze des häuslichen Bereichs das Garagentor anzusehen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Marburg/L. vom 21. Mai 1974 aufzuheben und die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er ist vom Senat persönlich gehört worden und führt u.a. aus: Er habe mit dem Verlassen der Außenhaustür bereits seinen Weg zur Arbeitsstätte angetreten. Wenn er um sein Wohnhaus herum zur Garage und in diese hineingegangen sei, um den für den Arbeitsweg zu benutzenden Pkw rückwärts herauszufahren, so habe es sich um eine kurzfristige Wegeunterbrechung gehandelt, durch die der Versicherungsschutz im rechtlichen Sinne nicht unterbrochen worden sei. Im übrigen sei das notwendige Herausfahren des Pkw zur Fortsetzung des Weges zur Arbeitsstätte überhaupt nicht als Unterbrechung anzusehen. Schließlich komme es nicht darauf an, ob und wieweit er mit dem Pkw bereits aus der Garage herausgefahren sei. Dieser Vorgang müsse bei natürlicher Betrachtungsweise als Einheit angesehen werden und begründe stets den Versicherungsschutz.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Unfall- und Streitakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte Berufung ist frist- und formgerecht eingelegt und daher zulässig.
Sie ist jedoch unbegründet. Das auf die zulässige Klage ergangene sozialgerichtliche Urteil konnte nicht aufgehoben werden, da das SG im Ergebnis zu Recht den angefochtenen Bescheid aufgehoben und die Beklagte zur Gewährung der gesetzlichen Unfallentschädigung aus Anlaß des Unfallgeschehens vom 21. April 1971 verurteilt hat. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig, da der Versicherungsschutz nach § 550 S. 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) zu bejahen ist. Nach dieser Vorschrift gilt als Arbeitsunfall auch ein Unfall auf einem mit einer der in den §§ 539, 540 und 543–545 genannten Tätigkeiten zusammenhängenden Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit.
Nach dem glaubhaften Vorbringen des Klägers vor dem SG und dem Senat, wobei er zur Wahrheit ermahnt und auf die Folgen eines Prozeßbetruges bei unrichtigen Angaben hingewiesen worden ist, sieht der Senat folgenden Sachverhalt als erwiesen an: Der Kläger bewohnt das Erdgeschoß seines umfriedeten Zweifamilienwohnhauses, das an einem Hang steht. Zu diesem gehört eine sich im rückwärtigen Hausbereich befindliche Tiefgarage, die vom Inneren des Hauses nicht direkt betreten werden kann. Um zu ihr zu gelangen, stehen dem Kläger vielmehr zwei Wege zur Verfügung. Einmal kann er im Haus die Kellertreppe hinuntergehen und durch eine Außentür der Waschküche über den hinteren Hofteil die Garagentür erreichen, zum anderen ist es ihm möglich, um das Haus herum zur Garage zu gehen. Hierbei muß er das Wohnhaus durch die Außentür des Wohngebäudes verlassen und über die "O. B.”, einen öffentlichen Weg, eine kurze Strecke zur Gartentoreinfahrt zurücklegen und anschließend über sein Privatgrundstück im Gefolge eines auf 10 m Länge 1,60 m abfallenden Weges zur Garage gehen. Diesen letzteren Weg hatte der Kläger wie er glaubhaft versicherte, am Unfalltag gegen 5.00 h genommen. Betreten werden kann die Garage nur von außen nach Schwenken des Tores nach oben, das dann parallel unter dem Garagendach liegt. Der Senat sieht ferner als erwiesen an, daß der Kläger am Unfalltag die Garage allein zu dem Zwecke betrat, um die Fahrt mit seinem Pkw zur Arbeitsstätte anzutreten. Er fuhr rückwärts aus der Garage und hatte hierbei seine linke Hand auf den oberen Türrahmen der leicht geöffneten Pkw-Tür gelegt. Bei der Ausfahrt bewegte sich das Schwenktor aus einem nicht mehr feststellbaren Grund nach unten und quetschte mit dem seitlichen Gestänge die linke Hand des Klägers. In diesem Zeitpunkt hatte er den Pkw soweit aus der Garage hinausgefahren, daß die auf der Tür liegende Hand beim Aufprall des Gestänges die Garagentürschwelle erreicht hatte.
Die Beklagte zweifelt zwar die Richtigkeit dieser Darstellung des Unfallgeschehens an. Sie bezieht sich hauptsächlich auf den Durchgangsarztbericht des Prof. Dr. B., in dem es heißt, daß der Kläger sich beim Herausfahren seines Wagens aus der Garage auf der Fahrt zur Arbeit die linke Hand zwischen Tür und Garagenwand gequetscht habe. Demgegenüber legt der Senat die oben angegebene Sachdarstellung zugrunde, die in dem Bericht des den Kläger erstmalig untersuchenden Hausarztes Dr. B. vom 23. Oktober 1971 enthalten ist und sich auch mit den Angaben des Klägers vor dem Bürgermeisteramt seines Wohnortes, vor dem SG und dem Senat deckt. An ihrer Richtigkeit zu zweifeln, besteht keine Veranlassung. Die Beklagte zieht den Unfallhergang außerdem deshalb in Zweifel, weil es nahezu unmöglich sei, daß ein Windstoß die parallel unter dem Dach, also innen liegende Schwenktür in Bewegung gesetzt habe. Es kann dahinstehen, ob dieser vom Kläger angenommene Unfallmechanismus zutreffend ist. Es steht nämlich nach seinem glaubhaften Vorbringen fest, daß das Schwenktor bei der Ausfahrt aus der Garage sich nach unten bewegte. Aus welchem Grunde dies geschah, ist hier unerheblich.
Bei dieser Sachlage ist der erkennende Senat zu dem Ergebnis gelangt, daß sich der Kläger im Unfallzeitpunkt auf dem versicherten Weg zur Arbeitsstätte befand. Wie in Rechtsprechung und Schrifttum nämlich, insbesondere im Anschluß an das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 13. März 1956 (2 RU 124/54) übereinstimmend angenommen wird, beginnt der Versicherungsschutz mit dem Durchschreiten einer der Außentüren des vom Versicherten bewohnten Gebäudes. Damit soll ausdrücklich eine einheitliche Auslegung des Erfahrungsbegriffs "häuslicher Bereich” nach objektiven Merkmalen erfolgen, ohne das es auf Unterschiede hinsichtlich der rechtlichen Gestaltung oder der tatsächlichen Gegebenheiten des Wohnverhältnisses im Einzelfall ankommt.
Die weitere Rechtsprechung des BSG in Fällen, in denen der Versicherte nach Durchschreiten der Außenhaustür des von ihm bewohnten Gebäudes sich zunächst ein Fahrzeug besorgt, um damit zur Arbeitsstätte zu fahren, bzw. nach der Rückkehr zunächst dieses Fahrzeug unterstellt und erst dann die Außenhaustür durchschreitet, wich jedoch teilweise von diesen Grundsätzen ab.
In seinem Urteil vom 30. September 1964 (2 RU 221/60) vertrat das BSG die Ansicht, das Urteil 2 RU 124/54 beziehe sich "auf die in städtischen Miethäusern mit abgeschlossenen Stockwerkswohnungen üblichen Verhältnisse” und versagte den Versicherungsschutz in einem Falle, in dem der Versicherte nach der Rückkehr von der Arbeitsstätte zunächst sein Fahrrad in einem Holzschuppen aufbewahren wollte und dabei verunglückt war, mit der Begründung, der Unfall habe sich in einem seiner ausschließlichen Verfügungsberechtigung zuzurechnenden Bereich und nicht mehr beim Zurücklegen des Weges von der Arbeitsstätte abgespielt. Würde man diese Rechtsprechung konsequent auf alle Unfälle anwenden, die sich beim Aufsuchen der Garage vor Antritt des Weges zur Arbeitsstätte oder nach Rückkehr von dort ereignen, müßte dort stets der Versicherungsschutz versagt werden. Indem im Urteil 2 RU 124/54 jedoch ausgeführt worden war, in Mehrfamilienhäusern sei nicht bereits die Etagentür sondern erst die Außentür als Grenze des häuslichen Bereichs anzunehmen, hat das BSG schon damals sinngemäß zutreffend zum Ausdruck gebracht, daß in allen Häusern der private Bereich erst mit dem Durchschreiten einer der Außentüren des Wohngebäudes endet. Das Urteil 2 RU 221/60 enthält keine überzeugende Begründung für die hiervon abweichende Ansicht.
In seinem weiteren Urteil vom 29. Januar 1965 (2 RU 39/64) hat das BSG dann jedoch als Grenze des Wohnbereiches i.S. des § 542 RVO a.F. "jede Außentür des Gebäudes, vor allem also auch wie hier die Außentür des Kellergeschosses”, bezeichnet und den Versicherungsschutz in einem Falle bejaht, in welchem der im Obergeschoß eines Zweifamilienhauses wohnende Versicherte sein Kraftrad aus einem – offenbar vom Hausinneren aus betretenen – Kellerraum geholt hatte und auf der Kelleraußentreppe beim Hinauftragen gestürzt war. Dieses Urteil, dem im Ergebnis beizutreten ist, weil es die in 2 RU 124/54 aufgestellten Grundsätze uneingeschränkt nunmehr offensichtlich auf Gebäude aller Art anwandte, ist mit dem vorerwähnten Urteil 2 RU 2211/60 jedoch nicht zu vereinbaren, obwohl das BSG dies versucht hatte. Wenn in dem Urteil 2 RU 39/64 ausgeführt wird: "In solchen Fällen – wie in 2 RU 221/60 – ist der häusliche Bereich aufgespalten und trotz Fehlens eines unmittelbaren räumlichen Zusammenhangs rechtlich als einheitlicher häuslicher Bereich zu behandeln”, so erfolgt damit eine Ausdehnung des häuslichen Bereichs auf Garagen, die erst nach Durchschreiten einer Außentür des Wohngebäudes zu erreichen sind. Indem dieses Urteil in 2 RU 39/64 ausdrücklich verteidigt wurde, ist das Urteil 2 RU 39/64 damit in sich widersprüchlich, denn danach kann nunmehr die Grenze des Wohnbereichs von jeder Außentür des Wohngebäudes aber auch von einem abseits gelegenen Holzschuppen als Teil des "aufgespaltenen häuslichen Bereichs” bestimmt werden.
Mit dieser Entscheidung ist auch nicht das weitere Urteil 2 RU 45/65 vom 23. Februar 1966 zu vereinbaren. Dort hatte ein Versicherter nach der Rückkehr von der Arbeitsstätte seinen Pkw in der im Kellergeschoß seines Einfamilienhauses nach der Straßenseite gelegenen Tiefgarage untergestellt und war nach dem Verlassen der Garage vor Erreichen der Außenhaustür verunglückt. Das BSG vertrat die Ansicht, mit dem Durchfahren des Garageneingangs sei die Grenze des häuslichen Bereichs erreicht, sofern die Garage mit dem Haus eine bauliche Einheit bilde; "jede Außentür des Wohngebäudes” sei Grenze des häuslichen Bereichs. Das trifft zwar zu. Nur ist unter "Außentür des vom Versicherten bewohnten Gebäudes” auch i.S. des Urteils 2 RU 124/54 lediglich eine Tür zu verstehen, welche das Wohngebäude abschließt. Hat eine Garage aber – wie in dem Fall, der dem Urteil 2 RU 45/65 zugrunde lag – keinen direkten Zugang zum Innern des Hauses, so stellt die Garagentür keine Außentür des Wohngebäudes dar. Der häusliche Bereich konnte in diesem Fall also erst nach Durchschreiten der den Hauseingang bildenden oder einer anderen, in das Wohngebäude führenden Tür erreicht werden, nicht aber bereits mit dem Durchfahren des Garagentores.
Diese Auffassung wird offensichtlich nunmehr auch endgültig vom BSG vertreten, und zwar zunächst in dem Urteil vom 24. August 1966, 2 RU 175/65. In diesem Falle war die Garage – ähnlich wie der Holzschuppen in 2 RU 221/60 – räumlich vom Wohnhaus des Versicherten auf dessen Grundstück seitlich nach innen versetzt. Eine Umfriedung zur Straße bestand nicht. Der Versicherte stürzte, nachdem er seinen Pkw aus der Garage geholt und auf einem freien Platz seines Grundstückes abgestellt hatte und nach Schließen der Garagentür wieder einsteigen wollte. Das BSG bejahte den Versicherungsschutz und führte zur Begründung u.a. aus, daß es nicht der Zweck des § 543 Abs. 1 S. 1 RVO a.F. (§ 550 S. 1 RVO n.F.) sei, Versichertenschutz für den Beschäftigten auf dem Wege nach und von der Arbeitsstätte nur im Bereich des öffentlichen Verkehrs zu gewähren. Die Wohnverhältnisse des Versicherten ließen nicht die Schlußfolgerung zu, daß der außerhalb des Wohn- und Garagengebäudes befindliche Grundstücksbereich in die private Sphäre des Klägers einbezogen werden könne.
In seinem weiteren Urteil vom 29. Februar 1968 (2 RU 99/65 in SozR Nr. 4 zu § 550 RVO = BG 1968, 322) bejaht das BSG ebenfalls den Versicherungsschutz zu Recht in einem Fall, in dem der Versicherte seine im Keller des am Hang stehenden Einfamilienhauses befindliche Garage nur nach Verlassen der Wohnungsaußentür über einen kurzen Weg auf öffentliche Straße erreichen konnte. Gleichzeitig verteidigte es – mit nicht überzeugender Begründung – seine gegensätzliche Entscheidung 2 RU 45/65 damit, daß dort Garage und Wohnhaus als private Sphäre eine bauliche Einheit gebildet hätten. In beiden Fällen war die Garage nämlich jeweils im Kellergeschoß untergebracht und der Versicherte konnte nicht von ihr aus das Hausinnere auf einem direkten Zugang, sondern jeweils nur über die Straße durch die Außenhaustür erreichen. Ergänzend merkte das BSG in 2 RU 99/65 zutreffend an, daß das kurzfristige Aufsuchen der Garage in einem solchen Falle ein notwendiger Teil des Gesamtweges zur Arbeitsstätte sei und daher nicht zur Unterbrechung des Versicherungsschutzes während des Aufenthalts in der Garage führe.
Es folgt sodann die Entscheidung vom 11. Dezember 1975 (2 RU 29/73 im SozR Nr. 26 zu § 550 RVO), der das BSG als Leitsatz voranstellte: Der Weg nach dem Ort der versicherten Tätigkeit beginnt auch dann mit dem Durchschreiten der Außentür des Hauses, wenn der Versicherte die im Kellergeschoß gelegene, aber vom Wohnhaus nicht direkt zugängliche Tiefgarage aufsuchen will, um mit dem Pkw zur Arbeitsstätte zu fahren. In den Gründen ist das BSG – ohne es ausdrücklich zuzugeben – erkennbar von seinen Entscheidungen 2 RU 221/60 und 2 RU 45/65 abgerückt. Es hat nunmehr auch bei Garagenunfällen erstmalig die Gesichtspunkte der Rechtssicherheit und Rechtseinheitlichkeit deutlich herausgestellt.
Danach gehören sowohl die vom Wohnhaus getrennt liegenden als auch die im Kellergeschoß gelegenen, vom Wohnhaus aber nicht direkt, sondern ebenfalls nur nach Durchschreiten einer der Außentüren des Wohngebäudes erreichbaren Garagen nicht zum häuslichen Bereich. Es ist daher für den Beginn des Versicherungsschutzes auch ohne Bedeutung, wo sich die Garage befindet, ob im Kellergeschoß oder räumlich vom Wohnhaus getrennt. Allein maßgeblich für Beginn und Ende des Versicherungsschutzes ist vielmehr das Durchschreiten einer Außentür des Wohnhauses durch den Versicherten auf dem Weg von oder nach der Arbeitsstätte auch dann, wenn er zunächst sein Fahrzeug holen oder unterstellen will. Eine ins Einzelne gehende Differenzierung nach unterschiedlichen örtlichen Gegebenheiten, insbesondere eine Unterscheidung nach Ein- oder Mehrfamilienhäusern, wie sie die Beklagte vornimmt, hat demgegenüber aus Gründen der Rechtseinheitlichkeit und der Rechtssicherheit zurückzutreten und wird jetzt erkennbar auch vom BSG nicht mehr vorgenommen. Nur diese letztere Rechtsprechung des BSG trägt dem Sinn und Zweck der Gewährung des Versicherungsschutzes nach § 550 RVO voll Rechnung.
Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, daß die Beklagte verpflichtet ist, den Unfall des Klägers vom 27. April 1971 als Arbeitsunfall zu entschädigen. Um in die in seinem Zweifamilienhaus im rückwärtigen Kellerbereich gelegene Garage gelangen zu können, mußte er wegen eines fehlenden inneren direkten Zugangs stets durch eine Außentür sein Wohngebäude verlassen, und zwar entweder durch die Haustür oder die Kellertür. Am Unfalltag hatte er den Weg durch die Haustür zur Garage gewählt. Mit deren Durchschreiten stand er daher auf dem Wege zur Garage, in dieser selbst und während der Ausfahrt mit dem Pkw unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, weil er nur so zur Arbeitsstätte gelangen konnte. Da sich der Unfall auf diesem Weg ereignete, stand der Kläger unter Versicherungsschutz.
Hierbei ist es rechtlich ohne Bedeutung, ob und wieweit der Körper des Klägers im Pkw sich bereits außerhalb der Garage befand, als sich der Unfall ereignete, was im übrigen auch nicht mehr genau festzustellen ist, weil der Kläger hierüber keine genauen Angaben mehr machen konnte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, da die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen (§ 160 SGG). Zwar vermochte sich der Senat nicht allen oben zitierten Urteilen des BSG anzuschließen. Er ist jedoch insbesondere nach dem Urteil vom 11. Dezember 1973 (2 RU 29/73) der Auffassung, daß das BSG nunmehr in Bezug auf Garagenunfälle einen einheitlichen, von den örtlichen Gegebenheiten des Einzelfalles losgelösten Standpunkt eingenommen hat, auch wenn es von früheren entgegenstehenden Entscheidungen nicht ausdrücklich abgerückt ist. Der Senat sah sich daher nicht verpflichtet, die Revision zuzulassen.
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