L 3 U 264/74

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Fulda (HES)
Aktenzeichen
S 1b U 101/72
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 264/74
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Eine Körperverletzung an der Arbeitsstätte steht auch dann in einem ursächlichen Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit, wenn der Streit seine Ursache in dem vermeintlichen Diebstahl eines privaten Werkzeuges hat.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 25. Januar 1974 wird, soweit sie zur Gewährung der Hinterbliebenenrente verurteilt worden ist, zurückgewiesen und im übrigen als unzulässig verworfen.

Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.

Im übrigen sind keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin ist die Ehefrau des am 19. Dezember 1971 verstorbenen W. B. (B.). Sie begehrt von der Beklagten die Gewährung der Hinterbliebenenentschädigung aus der gesetzlichen Unfallversicherung.

Der 1919 geborene B. war als Dachdecker bei der Firma. H. S. KG in V. am 25. Oktober 1971, seinem letzten Arbeitstag in diesem Unternehmen, der förmlichen Unfallanzeige vom 2. November 1971 zufolge ab 11 Uhr zusammen mit einem anderen Mitarbeiter zum neu errichteten Bau einer Tankstelle gekommen, um dort bei der Abdeckung des Daches mitzuarbeiten. Nach den Angaben seines Arbeitgebers war B. wegen reichlichen Alkoholgenusses nicht mehr im Vollbesitz seiner Kräfte. Außerdem hieß es dort weiter, während und nach der Mittagspause habe der an der Arbeitsstätte als verantwortlicher Kolonnenführer eingesetzte Dachdeckergeselle F. (F.) festgestellt, daß sein Schieferhammer abhanden gekommen sei. Dieser sei schließlich unter dem Balkon eines Nachbarhauses in einem privaten Kleidungsstück des B. gefunden worden. F. habe hierauf B. auf dem Dach der Tankstelle zur Rede gestellt und ihm aufgefordert, die Baustelle zu verlassen. Da B. dieser Aufforderung nicht sofort Folge geleistet habe, habe F. ihm einige Schläge ins Gesicht versetzt, wodurch B. mit dem Kopf auf dem Betondachboden der Tankstelle aufgeschlagen sei.

Nach Einweisung in das Städtische Krankenhaus V. stellte der Chefarzt Dr. D. dem Durchgangsarztbericht vom 26. Oktober 1971 zufolge bei dem bewußtlosen B. eine Schädelprellung mit Schädelbasisbruch fest. Am 20. Dezember 1971 berichtete er der Beklagten, daß B. an den Folgen einer am 25. Oktober 1971 erlittenen Contusio cerebri am 19. Dezember 1971 verstorben sei.

Hierauf lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 5. Juli 1972 die Gewährung von Hinterbliebenenansprüchen ab. Zur Begründung gab sie an: Nach ihren Ermittlungen stehe fest, daß aufgrund des von B. reichlich genossenen Alkohols der Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit gelöst gewesen sei. Im übrigen beruhe sein Tod auf Verletzungen, die ihre Ursache in privaten Gründen gehabt hätten. Gegen B. sei der Verdacht aufgekommen, daß er auf der Baustelle einen Schieferhammer habe entwenden wollen. Dieser Hammer sei in seinen privaten Kleidungsstücken gefunden worden. Deshalb sei es zu einer tätlichen Auseinandersetzung an der Arbeitsstelle gekommen, so daß kein Versicherungsschutz bestanden habe.

Gegen diesen an sie am 8. Juli 1972 zugestellten Bescheid hat die Klägerin am 11. Juli 1972 bei dem Sozialgericht in Fulda – SG – Klage erhoben.

Das SG hat die Innungskrankenkasse für den Kreis DM. beigeladen, die Akten der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Wuppertal (Az.: 27 Js 1261/71 Strafverfahren gegen F.) beigezogen und mit Urteil vom 25. Januar 1974 die Beklagte verurteilt, der Klägerin Hinterbliebenenbezüge zu gewähren. In dem Urteil, das keinen Ausspruch zur Berufungszulässigkeit enthält, hat es die Rechtsmittelbelehrung dahin erteilt, daß dieses mit der Berufung angefochten werden könne und im übrigen ausgeführt: Der Alkoholkonsum des B. sei nicht so stark gewesen, daß er zur Lösung vom versicherten Unternehmen geführt habe. Es stehe fest, daß B. infolge des Sturzes auf das Tankstellendach verstorben sei. Hierzu sei es aufgrund einer sich unmittelbar aus der Arbeit heraus ergebenden vorangegangenen Auseinandersetzung gekommen. Daß B. den Hammer des F. entwendet habe, sei nicht erwiesen, da hierüber nur Vermutungen der Arbeitskollegen bestünden.

Gegen dieses ihr am 4. März 1974 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 29. März 1974 Berufung eingelegt.

Es sind im Berufungsverfahren erneut die Akten des Strafverfahrens gegen F. beigezogen worden. Danach sind in polizeilichen Ermittlungsverfahren F. verantwortlich vernommen und seine Arbeitskollegen Ü., S. und K. gehört worden. F. gab an, sein Hammer sei weder bei seinen Arbeiten noch denen des B. gebraucht worden. B. habe ihn morgens nur einmal in die Hand genommen. Er habe den Hammer noch vor der Mittagspause auf dem Tankstellendach gelegt, wo er ihn dann aber vermißt habe. Da kein Fremder auf dem Dach gewesen sei, habe er einen Arbeitskollegen in Verdacht gehabt und von einem solchen erfahren, daß der Hammer an einer Stelle gefunden worden sei, wo B. austreten gewesen sei. Diesen habe er hierauf zur Rede gestellt und aufgefordert, die Baustelle zu verlassen. B. habe weder die Wegnahme des Hammers zugegeben noch Anstalten gemacht, von der Baustelle zu gehen. Hierauf habe er ihm ins Geeicht geschlagen, worauf B. auf den Boden des Betondaches mit dem Kopf geschlagen sei. Während der Arbeit habe B. im übrigen Bier getrunken und an einem nahegelegenen Kiosk Schnaps gekauft. Der Arbeitskollege Ü. bestätigte diese Angabe des F. und sagte aus, daß er den Hammer dem F. unterhalb eines Vorbaues eines Hauses neben der Tankstelle in einen grauen Lappen eingewickelt gefunden habe. Der Verdacht habe sich gegen B. gerichtet, da dieser vor der Mittagspause als letzter das Tankstellendach, wo der Hammer gelegen habe, verlassen und dieses auch nach der Pause zuletzt erst wieder betreten habe, nachdem er zuvor Austreten gewesen sei. An dieser Stelle sei dann auch der Hammer gefunden worden. Er habe von dort nach oben gerufen, daß es besser sei, wenn B. die Baustelle verlasse. Die Arbeitskollegen S. und K. bestätigten die Angaben des F. und des Ü. im wesentlichen. Nach erfolgter Obduktion der Leiche des B. vertraten Prof. Dr. R. und Prof. Dr. M. (Institut für gerichtliche Medizin der Universität D.) in ihrem Gutachten vom 2. April 1973 die Auffassung, daß der bei B. am 19. Dezember 1971 eingetretene Tod seine mittelbare Ursache in dem am 25. Oktober 1971 erlittenen Schädelhirntrauma gehabt habe. Im gleichen Sinne erstattete in der Hauptverhandlung vor dem Schwurgericht Wuppertal Prof. Dr. R. am 12. November 1974 sein Gutachten. Der Sitzungsniederschrift dieses Gerichtes zufolge hatte F. u.a. angegeben, er habe allein B. verdächtigt, seinen Hammer entwendet zu haben, weil dieser als einziger die Baustelle verlassen gehabt habe. Zur Rede gestellt, habe dieser ihm in einem unverständlichen Dialekt geantwortet und noch Grimassen geschnitten. Er habe daher "rot gesehen”. Nachdem B. der Aufforderung, die Baustelle zu verlassen, nicht nachgekommen sei, habe er ihn gegen den Kopf geschlagen, wodurch es zu dessen Sturz gekommen sei. Das Landgericht – Schwurgericht – Wuppertal verurteilte F. wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu 6 Monaten Freiheitsstrafe.

Die Beklagte bringt zur Begründung der Berufung vor: Nach den Feststellungen im Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Wuppertal sei erwiesen, daß Ursache der tätlichen Auseinandersetzung mit der Folge des Sturzes des B. der vorübergehend abhanden gekommene Hammer des F. gewesen sei. Dieser habe, wie die übrigen Arbeitskollegen auch, den Verdacht gehabt, daß B. diesen Hammer habe entwenden wollen. Hieraus folge, daß es sich nicht um eine Auseinandersetzung gehandelt habe, die ihre Ursache in betrieblichen Angelegenheiten gehabt habe. Die Streitigkeiten seien vielmehr privater Natur gewesen, und aus der Verärgerung des F. über die von ihm angenommene Entwendung des in seinem Privateigentum stehenden Hammers entstanden, so daß kein Versicherungsschutz bestanden habe.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 25. Januar 1974 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie bringt vor: Es sei unerheblich, ob der Schieferhammer des F. in dessen Eigentum gestanden habe und an dem letzten Arbeitstag des B. bei den zu verrichtenden Arbeiten auf dem Dache der Tankstelle überhaupt habe benutzt werden müssen. Maßgeblich sei, daß es sich bei diesem Hammer um ein Arbeitsgerät im Sinne des § 549 Reichsversicherungsordnung – RVO – gehandelt habe, um dessentwillen Streit entstanden sei. Es sei aber anerkannten Rechtes, daß bei tätlichen Auseinandersetzungen zwischen Beschäftigten desselben Unternehmens auf der Betriebsstätte der für den Versicherungsschutz erforderliche innere Zusammenhang zwischen dem schädigenden Ereignis und der versicherten Tätigkeit nicht ohne weiteres deshalb ausgeschlossen sei, weil eine persönliche Willensentscheidung zum Streit geführt habe. Der innere Zusammenhang sei dann zu bejahen, wenn der Streit – wie hier – unmittelbar aus der Betriebsarbeit erwachsen sei. Zum Streit sei es während der Ausübung der gemeinsamen Betriebsarbeit über den Verlust eines Arbeitsgerätes gekommen. Das reiche aus.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Unfall-, Streit- und Strafakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist frist- und formgerecht eingelegt.

Gegenstand des Rechtsstreites ist der Bescheid vom 5. Juli 1972, mit dem die Beklagte nicht nur die Gewährung der Hinterbliebenenrente an die Klägerin, sondern alle bei Tod durch Arbeitsunfall in Betracht kommenden Leistungen abgelehnt hat. Hierzu gehören neben laufenden Rentenleistungen (§§ 589 Abs. 1 Nr. 3, 590 RVO) nach § 144 Abs. 1 Nr. 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG – der Berufung nicht fähige einmalige und wiederkehrende Leistungen für einen Zeitraum bis zu 13 Wochen, nämlich das Sterbegeld, evtl. entstandene Kosten der Überführung des Verstorbenen an den Ort der Bestattung und die Überbrückungshilfe (§ 589 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4, 591 RVO). Das SG hat unter Aufhebung des angefochtenen Bescheids die Beklagte verurteilt, der Klägerin die Hinterbliebenenbezüge zu gewähren und damit alle Hinterbliebenenleistungen angesprochen, ohne eine Entscheidung über die Berufungszulässigkeit zu treffen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts – BSG – ist die Prüfung beim Zusammentreffen berufungsfähiger Ansprüche mit solchen nichtberufungsfähiger Art nur für erstere zulässig, da es sich jeweils um prozessual selbständige Teile eines Entschädigungsanspruches handele (vgl. BSG, Urteil vom 27.7.1972 – 2 RU 71/70 –; 12.3.1974 – 2 RU 289/73; 19.8.1975 – 8 RU 188/74) so daß die Berufung wegen der letzteren Ansprüche, da die Voraussetzungen nach § 150 Nr. 2 und 3 SGG nicht vorliegen, als unzulässig zu verwerfen war.

Die im übrigen zulässige Berufung ist nicht begründet. Das SG hat zu Recht auf die zulässige Klage den angefochtenen Bescheid aufgehoben. Er ist rechtswidrig. Die Klägerin hat Anspruch auf Gewährung der gesetzlichen Hinterbliebenenrente, da der am 19. Dezember 1971 eingetretene Tod das B. die Folge eines Arbeitsunfalls ist (§§ 548, 589 Abs. 1 RVO).

Zunächst ist festzustellen, daß sowohl nach den Ermittlungen der Beklagten als auch im Strafverfahren gegen F. B. am 25. Oktober 1971 beim Bau einer Tankstelle in V., wo er zum Abdecken des Daches eingesetzt war, infolge einer tätlichen Auseinandersetzung mit F. stürzte und mit dem Kopf auf das Betondach aufschlug. Er zog sich hierbei eine Schädelprellung mit Schädelbasisbruch zu, die schließlich am 19. Dezember 1971 zum Tode führte. Der ursächliche Zusammenhang zwischen diesem Unfallereignis und dem Tode ist nach den Berichten des Chefarztes Dr. D. (Städt. Krankenhaus V.) vom 20. und 22. Dezember 1971 sowie nach dem auf Grund einer Obduktion erstatteten gerichtsmedizinischen Gutachten der Professoren Dres. R. und M. (Gerichtlich-medizinisches Institut der Universität D.) vom 2. April 1973 erwiesen. Hierüber besteht unter den Beteiligten auch kein Streit.

Die Beklagte lehnte die Gewährung von Hinterbliebenenrente vielmehr deshalb ab, weil zwischen der versicherten Tätigkeit des B. und dem Unfallereignis kein ursächlicher Zusammenhang bestanden habe (haftungsbegründende Kausalität).

Allerdings ist der Unfallversicherungsschutz nicht bereits deshalb gegeben, weil betriebliche Einrichtungen sowohl bei der Entstehung des Schädelhirntraumas des B. als auch nach Art und Schwere besonders mitgewirkt hätten. Nach der herrschenden Rechtsprechung des BSG, der sich der Senat wiederholt angeschlossen hat, ist zwar – unabhängig von der Mitwirkung einer dem rein persönlichen Lebensbereich zugehörenden und unfallversicherungsrechtlich nicht erheblichen inneren Ursache für des Schadensereignis – ein Arbeitsunfall anzunehmen, wenn der Verletzte der Gefahr, der er erlegen ist, infolge der durch seine Betriebsbeschäftigung bedingten Anwesenheit an der Unfallstelle ausgesetzt war und ihm der Unfall ohne die vorausgegangene Tätigkeit in derselben Art oder Schwere wahrscheinlich nicht zugestoßen wäre (vgl. RVA in EuM 33, 15; BSG, Urt. v. 29.1.1960 – 2 RU 136/56 in Breith. 1960, 588; 30.7.1971 – 2 RU 200/69 –; LSG Niedersachsen in BG 1955, 84; LSG Hamburg in Breith. 1958, 72; Hess. LSG, Urteil v. 31.10.1973 – L-3/U – 186/73 –; Lauterbach, Unfallversicherung, 3. Aufl., Anm. 31 zu § 548 RVO). Ein solcher Zusammenhang ist hier jedoch nicht wahrscheinlich. Die Behauptung der Klägerin, daß B. bei der tätlichen Auseinandersetzung auf dem Tankstellendach gestürzt sei, weil er über Arbeitsmaterialien bzw. die unebene Fläche des Daches stolperte, ist nicht erwiesen. Hierfür ergeben die Feststellungen, auch in dem gegen F. gerichteten Strafverfahren, keine Anhaltspunkte. Die Härte des Betondaches selbst stellt keine solche Beschaffenheit des Arbeitsplatzes dar, daß sie als wesentlich mitwirkende Ursache in diesem Sinne angesehen werden kann. Das Dach unterschied sich, wie sich ebenfalls aus den Strafakten ergibt, nicht von anderen Böden, insbesondere von der Härte des gewöhnlichen Straßenpflasters, auf dem B. z.B. den Weg von und zur Arbeitsstelle zurücklegte, hierdurch allein wird nach h.M. der Versicherungsschutz nicht begründet (so auch Urteil des BSG vom 30.7.1971, Breithaupt 1961, S. 117). Hierüber besteht unter den Beteiligten auch kein Streit.

Der Senat sieht ferner als erwiesen an, daß – entgegen der Auffassung der Beklagten – der von B. im Laufe des 25. Oktober 1971 genossene Alkohol nicht zur Lösung vom versicherten Unternehmen geführt hatte. Eine solche Lösung tritt nach der Rechtsprechung des BSG nur dann ein, wenn der Versicherte nicht mehr in der Lage ist, am Arbeitsplatz eine dem Unternehmen förderliche Tätigkeit auszuüben (vgl. BSG E 12, 242; Lauterbach, a.a.O., Anm. 70 zu § 548 RVO mit weiteren Nachweisen). Das ist hier jedoch nicht der Fall. Wie F. und die übrigen im Strafverfahren gehörten Arbeitnehmer Ü., S. und K. im wesentlichen übereinstimmend ausgesagt haben, hatte B. an der Arbeitsstätte – wenn auch, wie F. aussagte, nur "ohne große Neigung” – gearbeitet, d.h., Dachpappe aufgeklebt, und damit eine dem Unternehmen förderliche Tätigkeit verrichtet. Der Grad der Alkoholisierung war nicht so groß, daß B. diese Tätigkeiten nicht mehr verrichten konnte und wurde auch nicht durch eine Blutalkoholuntersuchung festgestellt.

Es ist ferner erwiesen, daß das Unfallereignis, durch das B. sich die schwere Hirncontusion zuzog, die Folge einer vorsätzlichen körperlichen Mißhandlung durch F. gewesen ist, wie dessen Verurteilung wegen Körperverletzung mit Todesfolge nach § 226 Strafgesetzbuch durch das Landgericht – Schwurgericht – Wuppertal zeigt. Bei der Beurteilung der Frage, ob es sich hierbei um einen Arbeitsunfall im Sinne dem § 548 RVO handelt, ist nach Rechtsprechung des BSG, der sich der Senat wiederholt angeschlossen hat, davon auszugehen, daß bei tätlichen Auseinandersetzungen zwischen Beschäftigten desselben Unternehmens auf der Betriebsstätte der für den Versicherungsschutz erforderliche innere Zusammenhang zwischen dem schädigenden Ereignis und der versicherten Tätigkeit nicht ohne weiteres deshalb ausgeschlossen ist, weil eine persönliche Willensentschließung zu dem Streit geführt hat. Der innere Zusammenhang ist bei tätlichen Streitigkeiten auf der Betriebsstätte dann zu bejahen, wenn der Streit unmittelbar aus der Betriebsarbeit erwachsen ist. Für die Frage, ob und unter welchen Umständen diese Voraussetzung im Einzelfall gegeben ist, sind in der Regel die Beweggründe entscheidend, die den Angreifer zu seinem Vorgehen bestimmt haben (vgl. BSG, Urteile vom 10.12.1957 – 2 RU 270/55 – in E 6, 164; 2.6.1959 2 RU 221/56 – in E 10, 56; 31.1.1961 – 2 RU 251/58 – in E 13, 290; 29.5.1962 – 2 RU 209/61 – in E 17, 75; 25.8.1961 – 2 RU 259/58 – in SozR Nr. 44 zu § 542 RVO a.F.; 30.10.1962 – 2 RU 211/62 – in E 18, 106; 30.7.1968 – 2 RU 91/67 – in SozR Nr. 11 zu § 548 RVO; 23.4.1975 – 2 RU 257/74; Hess. LSG, Urt. v. 23.8.1973 – L-3/U – 434/73; Lauterbach a.a.O., Anm. 60 zu § 548 RVO).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist hier festzustellen, daß nicht nur ein zeitlicher und örtlicher, sondern auch ein wesentlicher innerer ursächlicher Zusammenhang zwischen der betrieblichen Tätigkeit des B. und dem Streit bestand. Wie F. und dessen Arbeitskollegen S., K. und Ü. im Strafverfahren ausgesagt haben, war es dazu gekommen, weil auf B. der Verdacht gefallen war, er habe den dem F. gehörenden Schieferhammer entwenden wollen. Zu Unrecht folgert die Beklagte daraus, private Belange hätten zur Entstehung des Streits geführt, so daß deshalb der Versicherungsschutz zu versagen sei. Bei dem vorübergehend verschwundenen Schieferhammer des F. handelte es sich nämlich um ein Arbeitsgerät im Sinne des § 549 RVO. Dabei ist in diesem Zusammenhang ohne rechtliche Bedeutung, ob das Gerät von einem Arbeitnehmer lediglich zur Verfügung gestellt wird oder sich in seinem Eigentum befindet, wie sich aus Wortlaut und Sinn dieser Bestimmung eindeutig ergibt (so auch Lauterbach, a.a.O., Anm. 10 zu § 549 RVO). Ein Streit auf der Betriebsstätte, der sich an einem Arbeitsgerät entzündet, steht aber regelmäßig im inneren Zusammenhang mit der versicherten betrieblichen Tätigkeit. Daß der Hammer bei den Klebearbeiten auf dem Dach z.Zt. des Geschehens gerade nicht benötigt wurde, ändert hieran nichts. Für einen Dachdecker stellt – wie allgemeinkundig ist – ein Schieferhammer stets ein unentbehrliches Werkzeug dar und zwar auch dann, wenn er bei bestimmten Arbeiten nicht gebraucht wird. F. hatte ihn auf das Tankstellendach offensichtlich auch nur deshalb mitgenommen, weil die Möglichkeit seiner Benutzung erforderlich werden konnte.

Zwar tritt eine Lösung des Versicherten vom Unternehmen im allgemeinen dann ein, wenn sein Verhalten am Arbeitsplatz in keinem inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit steht, z.B., wenn er aus persönlichen Gründen Vorgesetzte und Arbeitskollegen angreift, beschimpft, bestiehlt oder sich sonst allgemein ungehörig verhält (vgl. Lauterbach a.a.O., Anm. 60 und 97 zu § 548 RVO; BSG, Urt. v. 23.4.1975 – 2 RU – 257/74). Ein solches Verhalten ist hier aber nicht bewiesen. Auch fehlt es an dem Nachweis dafür, daß B. den Hammer des F. gestohlen hatte. Nach den Aussagen des F. und der Arbeitnehmer Ü., S. und K. war lediglich ein solcher Verdacht aufgekommen, weil B. den Hammer vor der Mittagspause einmal in der Hand gehalten hatte und dieser an einer Stelle gefunden wurde, wo er seine Notdurft verrichtet hatte. Gegenüber F. gab B. einen Diebstahl jedoch nicht zu. B. wurde auch bei einer solchen Handlung nicht beobachtet.

Die Beklagte sieht im übrigen den Verdacht des Hammerdiebstahls zu Unrecht als das allein bestimmende Motiv der Handlungsweise des F. an und verkennt die damalige Gesamtsituation an der Baustelle. Wie aus den Vernehmungen des F. im gegen ihn gerichteten Strafverfahren ersichtlich ist, war ihm B., von dem er wußte, daß es sein letzter Arbeitstag im Unternehmen S. KG war, als unzuverlässiger Arbeiter bekamt und am Unfalltag vor dem Geschehen bereits mehrfach durch nachlässige Arbeitsweise aufgefallen. So brachte B. nicht in gehöriger Weise das benötigte Arbeitsmaterial auf das Dach und wußte zudem erst aufgefordert werden, überhaupt zu arbeiten. Zudem warf er an der Arbeitsstätte Werkzeug umher. Das Arbeitsklima war also schon getrübt, als F. seinen Hammer vermißte und nach dessen Auffinden der Verdacht des Diebstahls sich gegen B. richtete. Das ergibt sich auch aus der Aufforderung des Ü., F. möge B. von der Arbeitsstelle weisen. In seiner Eigenschaft als Vorgesetzter kam F. – ohne vorherige Prüfung der Verdachtsmomente – diesem Ansinnen nach und schlug den B., als dieser seiner Aufforderung nicht sofort nachkam. Hiernach sollte die Tätlichkeit des F., der seine Anweisung als Vorgesetzter an der Baustelle mißachtet glaubte, auch der vermeintlichen Wiederherstellung des gestörten Arbeitsfriedens und damit betrieblichen Zwecken dienen, so daß auch aus diesem Grunde ein ursächlicher Zusammenhang mit der Betriebstätigkeit bestand.

Diese Feststellung trifft der Senat im Rahmen der freien Beweiswürdigung im Wege des Urkundenbeweises an Hand der Ermittlungsergebnisse im gegen F. gerichteten Strafverfahren. Angesichts der eindeutigen Aussagen der Arbeitnehmer Ü., S. und K. erübrigte sich deren Vernehmung als Zeugen durch den Senat (§§ 128, 118 Abs. 1 SGG i.V.m. § 416 ZPO). Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit können sich nämlich bei der Ermittlung des Sachverhalts auf bereits in anderen Verfahren festgestellte Tatsachen stützen. Sie dürfen im Interesse der Beschleunigung des Verfahrens und der Prozeßökonomie davon absehen, über die unbestrittenen, aus den beigezogenen Verwaltungs- und Gerichtsakten sich ergebenden Vorgänge sämtliche beteiligten Zeugen zu vernehmen. Außerdem sind sie nicht gehindert, sich aus der Gesamtheit der beigezogenen Akten ein Urteil zu bilden. Dies gilt auch bei Zweifeln an der Richtigkeit der Erkenntnisse anderer Gerichte (BSG, Urt. v. 21.11.1958 – 6 RKa 10/58 – und 15.5.1963 – 6 RKa 1/62).

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 193, 160 SGG.
Rechtskraft
Aus
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