L 3 U 584/70

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 3 U 325/68
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 584/70
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ein interner Leistungsausgleich zwischen der Versorgungsverwaltung und einem Unfallversicherungsträger nach § 81 b BVG ist nur dann ausgeschlossen, wenn die Versorgungsverwaltung positiv wußte, daß sie zur Leistung nicht verpflichtet war, und nicht bereits dann, wenn die Leistung „angesichts einer klaren Sach- und Rechtslage auf einem von Anfang an eindeutig dem Gesetz nicht entsprechenden Verwaltungshandeln beruhte” (so Urteil des BSG v. 18.12.1971, 2 RU 81/74).
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt a.M. vom 10. April 1970 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, an ihn die dem Versicherten G. in der Zeit vom 1. September 1945 bis zum 27. Juli 1962 gewährten Leistungen bis zur Höhe der gesetzlichen Leistungen aus der Unfallversicherung für den gleichen Zeitraum zu erstatten.

Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger nimmt die Beklagte mit einem Betrag von 10.277,87 DM in Anspruch, den er für die Zeit vom 1. September 1945 bis 27. Juli 1962 an den Versicherten K. H. (C.) G. (G.) geleistet hat.

Der 1924 geborene G. leidet an traumatischer Epilepsie mit absenceartigen Zuständen, die auf einem Arbeitsunfall vom 21. August 1939 beruhen. An diesem Tage war G. im Betrieb der Firma S. & Co. im M. auf einem Karren fahrend mit dem Kopf gegen eine Betonsäule gestoßen und nach seinen Angaben daraufhin kurz bewußtlos. Eine Behandlung im Städtischen Krankenhaus M. ergab nach dem im August 1961 vom Versorgungsamt TT. beigezogenen Krankenblatt eine Weichteilverletzung in Form einer dreieckigen, etwa 4 × 4 cm großen Platzwunde an der Stirnhaargrenze des Kopfes. Nachdem diese genäht worden war, verließ G. wieder das Städtische Krankenhaus, das er aber am nächsten Tage erneut im hochgradigen fiebrigen Zustand aufsuchte. Während der folgenden stationären Behandlung ergab sich eine oedematöse Schwellung der Kopfhaut. Es mußten zu beiden Seiten des Schädels und am Hinterkopf je eine breite Incision angebracht werden, damit sich Eiter entleeren konnte. Die stationäre Behandlung dauerte bis zum 27. Oktober 1939 an.

Am 18. September 1945 beantragte G. bei dem Versorgungsamt TT. die Gewährung von Versorgungsgebührnissen. Er gab an, beim Bücken sowie tiefen Atemholen heftige Schmerzen und Stechen in der Seite auf Thoraxhöhe sowie eine Neigung zu Krampfanfällen zu haben. erwies auf Granatsplitterverletzungen in der Rückenseite und am Arm sowie am Hinterkopf am 6. Juli 1943 und 9. Juni 1944 hin und erklärte, im August/September 1945 im 5. Lazarett in U. und in B. bei W. ärztlich behandelt worden zu sein. Außerdem gab er als früheren Arbeitgeber die Fa. S. & Co. in M. sowie die in diesem Betrieb eingerichtete Betriebskrankenkasse an. Aus amtsärztlichen Vermerken in der Versorgungsakte geht hervor, daß er auch auf den "Zivilunfall” 1939/1940 an der rechten Stirn-Scheitelbeingrenze hingewiesen hatte. Am 7. März 1946 beauftragte der ärztliche dienst des Versorgungsamtes TT. den Nervenfacharzt Dr. S., D., sich zur Zusammenhangsfrage zu äußern. Der von Dr. S. am 14. März 1946 erstellten gutachtlichen Stellungnahme zufolge gab G. zur Vorgeschichte u.a. an: Er sei 1939/40 bei einen Zivilunfall mit einem Elektrokarren gegen eine Säule gefahren, kurz bewußtlos gewesen und im Krankenhaus operiert worden. Dort habe er wegen eines Blutergusses unter der Kopfhaut 7 Monate gelegen. 1942 sei er zum Wehrdienst eingezogen worden und habe am 9. Juni 1944 eine Verwundung an Arm und durch Splitter am Kopf erlitten. Zwei Monate später seien Ohnmachten aufgetreten, später große Krampfanfälle. Dr. S. vertrat die Auffassung, daß es fast unmöglich sei, festzustellen, welches der beiden Schädeltraumen die Anfälle bedinge. Immerhin sei auffallend, daß die Anfälle zwei Monate nach der Verwundung eingesetzt hätten. Er schließe sich der Ansicht der psychiatrischen Klinik H. an und verweise auf einen von dort erhaltenen und anliegenden Brief, nach dem Kriegsdienstbeschädigung für die Anfälle anzunehmen sei. G. sei Hirnverletzter, die Minderung der Erwerbsfähigkeit – MdE – betrage 50 v.H. In diesem von dem Dozenten Dr. W. am 11. März 1946 an Dr. S. gerichteten Schreiben wird u.a. mitgeteilt: G. sei in der Psychiatrisch-Neurologischen Klinik H. in der Zeit vom 14. bis zum 24. März 1945 stationär beobachtet worden. Es sei eine Hirnverletzung diagnostiziert worden. Die jetzt noch sichtbare Kopfverletzung sei Folge eines vorwehrdienstlichen Unfalles. 1944 habe G. eine oberflächliche Verwundung am Hinterkopf erlitten, die nach der Vorgeschichte aber mit einem erheblichen Trauma verbunden gewesen sei. Als Folgezustand dieser Verwundung hatten sich dann die Anfälle von absenceartigem Charakter eingestellt. Es sei nicht von der Hand zu weisen, daß die seinerzeit erlittene Hirnverletzung durch die Verwundung eine Aktivierung erfahren habe. Hierauf äußerte sich der Ärztliche Dienst des Versorgungsamtes TT. am 16. April 1946 dahin, daß wegen Neigung zu Anfällen (Absencen) nach Granatsplitterverletzung am Hinterkopf, linken Oberarm und im linken Rücken als Kriegsdienstschäden eine MdE von 50 v.H. anzunehmen sei. Am 6. Mai 1946 erging ein entsprechender Bescheid, mit dem den Kläger nach dem Reichsversorgungsgesetz – RVG – ab 1. September 1945 Beschädigtenrente nach einer MdE um 50 v.H. gewährt wurde. In einem weiteren Gutachten vom 17. Januar 1947 bestätigte Dr. S. erneut diesen ursächlichen Zusammenhang. Am 4. März 1948 wurde die bisher nach dem RVG gewährte Rente nach dem Körperbeschädigten-Leistungsgesetz – KBLG – im gleichen Umfang umgestellt. Am 22. Oktober 1951 erging der Umanerkennungsbescheid nach dem Bundesversorgungsgesetz – BVG – mit gleichem Inhalt. Ein zwischenzeitliches Neufeststellungsverfahren wegen einer geltend gemachten Verschlimmerung der anerkannten Schädigungsfolgen, insbesondere wegen einer Zunahme epileptischer Anfälle, blieb, nachdem G. von Dr. S. und Dr. H. untersucht und begutachtet worden war, erfolglos. Das Versorgungsamt TT. lehnte eine Erhöhung wegen des Fehlens des Nachweises einer wesentlichen Verschlimmerung mit Bescheid vom 15. Februar 1953 ab. Zwischenzeitlich absolvierte G. verschiedene Kuren, die zu keiner anderen Beurteilung der Zusammenhangsfrage führten.

Am 10. Mai 1960 ging bei dem Versorgungsamt TT. auf dessen Anforderung vom Krankenbuchlager M. das Krankenblatt des Reservelazaretts W. bzw. des Reservelazaretts H. – Psychiatrisch-Neurologische Klinik – über die Behandlung des G. vom 24. März bis zum 21. Juni 1945 mit verschiedenen Unterlagen ein. Hiernach hatte G. einen Arbeitsunfall im Jahre 1941 angegeben. Er sei auf einer Materialbahn mit dem Kopf gegen einen Betonpfeiler gefahren und hatte, seinen Angaben zufolge, später Fieber bekommen, so daß er am Kopf operiert werden mußte. Es wurde die Diagnose eines Zustandes nach Schädelbruch mit Hirncontusion und traumatischer Epilepsie gestellt. Einen ursächlichen Zusammenhang mit dem Wehrdienst verneinten die untersuchenden Ärzte; es handele sich vielmehr um den Folgezustand einen vorwehrdienstlich erlittenen Unfalls. Hierauf leitete das Versorgungsamt TT. am 12. Mai 1960 weitere Untersuchungen ein. Es zog so u.a. das Krankenblatt des Städtischen Krankenhauses M. über die stationäre Behandlung des G. vom 22. August 1939 bis zum 27. Oktober 1939 bei und erließ nach Einholung der Gutachten des Dr. M. vom 11. April und 1. November 1961 am 13. Juli 1962 einen Berichtigungsbescheid, mit dem es nur noch reizlose Narben im linken Oberarm und auf der linken Rückenseite infolge einer Granatsplitterverletzung als Schädigungsfolge ansah. Rentenzahlungen stellte es zum Ende Juli 1962 ein und veranlaßte G., bei der Beklagten die Gewährung einer Verletztenrente zu beantragen.

Mit am 1. August 1962 eingegangenen Schreiben vom 27. Juli 1962 meldete der Kläger bei der Beklagten vorsorglich einen Ersatzanspruch an. Diese zog die Versorgungsakten bei und erteilte dem G. am 12. Dezember 1962 einen Ablehnungsbescheid wegen verspäteter Anmeldung des Anspruchs nach § 1546 Reichsversicherungsordnung a.F. – RVO a.F. –. Abschrift hiervon übersandte sie dem Versorgungsamt TT ... Im anschließenden Klageverfahren bei dem Sozialgericht in Darmstadt (S-9/U-263/62) wurde die Beklagte dem Grunde nach verurteilt, G. den Arbeitsunfall vom 21. August 1939 zu entschädigen. Diese erteilte hierauf am 7. März 1965 einen Bescheid über die Gewährung der Dauerrente nach einem Grad der MdE um 60 v.H. ab 28. Juli 1962. Als Unfallfolgen erkannte sie eine leichte Wesensänderung mit Konzentrations- und Kritikschwäche sowie Neigung zu Absencen an. Einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Unfall und den bestehenden Narben an der Linken Lendengegend, der linken Hüfte, am linken Oberarm, der Ellenbeuge, der linken Schulter, der Außenseite des linken Oberschenkels und der linken Wade lehnte sie ab. Durchschrift dieses Bescheides übersandte sie dem Versorgungsamt TT ...

Dieses machte seinerseits für die Zeit vom 1. September 1945 bis 27. Juli 1962 Ausgleichsansprüche mit Schreiben vom 25. März 1965 nach § 81 b BVG geltend, die es am 8. April 1965 nach einer Rentenleistung in Höhe von 3.243,48 DM, insgesamt 10.277,87 DM näher substantiierte. Den geltend gemachten Anspruch wies die Beklagte mit Schreiben vom 22. April 1965 zurück. Im anschließenden Schriftwechsel vertrat die Beklagte die Auffassung, daß der Ausgleichsanspruch nach § 81 b BVG nur in der Höhe entstanden sein könne, wie sie verpflichtet sei, dem G. Leistungen zu erbringen. Wegen verspäteter Anspruchsanmeldung sei sie diesem gegenüber nach § 1546 RVO a.F. nur verpflichtet gewesen, Leistungen ab 28. Juli 1962 zu gewähren.

Am 22. August 1968 hat hierauf der Kläger bei dem Sozialgericht Frankfurt a.M. – SG – Klage auf Zahlung von 10.277,87 DM erhoben und sich erneut auf § 81 b BVG bezogen. Das SG hat mit Urteil vom 10. April 1970 die Klage abgewiesen und sich dem Rechtsstandpunkt der Beklagten angeschlossen.

Gegen das ihm am 19. Juni 1970 gegen Empfangsbekenntnis zugestellte Urteil hat der Kläger am 5. Juli 1970 Berufung eingelegt.

Es ist im Berufungsverfahren auf Antrag die Bundesrepublik Deutschland beigeladen worden (§ 75 Abs. 1 S. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG –).

Der Kläger wiederholt im wesentlichem sein bisheriges Vorbringen und bringt zur Begründung der Berufung ergänzend vor: Der Ersatzanspruch nach § 81 b BVG bestehe auch dann, wenn ein Arbeitsunfall erst nach Ablauf von 2 Jahren gemeldet bzw. festgestellt werde. § 1546 RVO a.F. stehe dem nicht entgegen; es handele sich vielmehr um einen ihm selbst zustehenden originären Anspruch, der der 50-jährigen Verjährungsfrist unterliege. Diese sei hier aber noch nicht abgelaufen. Diesem Vorbringen schließt sich die Beigeladene an.

Der Kläger und die Beigeladene beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt a.M. vom 10. April 1970 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an ihn die dem Versicherten G. in der Zeit vom 1. September 1945 bis 27. Juli 1962 gewährten Leistungen bis zur Höhe der gesetzlichen Leistungen aus der Unfallversicherung für den gleichen Zeitraum zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie macht ergänzend geltend, bereits im März 1946 habe festgestanden, daß bei G. eine vorwehrdienstliche Kopfverletzung vorgelegen habe. Dies ergebe das Schreiben des Dozenten Dr. W. von der Psychiatrisch-Neurologischen Universitätsklinik H. vom 11. März 1946, das Dr. S. seinem Gutachten vom 14. März 1946 beigefügt habe. Danach habe G. im Krieg nur eine oberflächliche Verwundung am Hinterkopf erlitten. Die Versorgungsbehörde hätte nach Eingang dieser Unterlagen dem Unfallgeschehen weiter aufklären und sich wegen einer eventuellen Leistungspflicht an sie wenden müssen. Wenn der Kläger trotz Kenntnis dieser Vorgänge seine Leistungsverpflichtung gegenüber G. mit Bescheid vom 6. Mai 1946 anerkannt habe, dann könne er sie 20 Jahre später nicht mehr zum Kostenersatz heranziehen. Dies sei jedenfalls treuwidrig.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Versorgungs-, Unfall- und Streitakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte Berufung ist frist- und formgerecht eingelegt und daher zulässig.

Sie ist auch begründet. Das auf die zulässige Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG) ergangene sozialgerichtliche Urteil mußte aufgehoben werden, da das SG die Klage zu Unrecht abgewiesen hat. Der Kläger hat gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Erstattung der an G. in der Zeit vom 1. September 1945 bis zum 27. Juli 1962 gewährten Leistungen bis zur Höhe der gesetzlichen Leistungen aus der Unfallversicherung für den gleichen Zeitraum.

Es handelt sich um einen zwischen öffentlich-rechtlichen Leistungsträgern streitigen Ausgleichsanspruch. Er ist zwar erst für die Zeit vom 1. Juni 1960 an in § 81 b BVG (in der Fassung des 1. Neuordnungsgesetzes – NOG – vom 27. Juni 1960) positiv geregelt, jedoch bereits zuvor in der Rechtsprechung der Sozialgerichtsbarkeit als allgemeiner öffentlich-rechtlicher Ausgleichsanspruch in den Fällen der hier vorliegenden Art, in denen die Versorgungsverwaltung zu Unrecht Leistungen gewährt hat, die ein anderer öffentlich-rechtlicher Leistungsträger hätte gewähren müssen, anerkannt gewesen und wurde als Rechtsinstitut der Abwälzung bezeichnet (vgl. BSG, Urt. v. 30.1.1962 – 2 RU 219/59 – in E 16, 151 ff. mit zahlreichen Nachweisen; 29.2.1972 – 2 RU 214/71 – und 19.12.1974 – 2 RU 81/74 –).

Nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteile vom 29.2.1972 und vom 18.12.1974 a.a.O.) soll der Rechtsgedanke des internen Leistungsausgleichs zwischen öffentlich-rechtlichen Leistungsträgern allerdings nicht dazu herangezogen werden, die Abwälzung von Leistungen zu fordern, die angesichts einer klaren Sach- und Rechtslage auf einem von Anfang an eindeutig dem Gesetz nicht entsprechenden Verwaltungshandeln beruhen. Das bedeutet, daß der Ausgleichsanspruch immer dann nicht gegeben wäre, wenn trotz eindeutiger Sach- und Rechtslage von Anfang an von dem Träger der Kriegsopferversorgung seine mangelnde Leistungsverpflichtung nicht erkannt wurde. Folgt man dieser vom BSG vorgenommenen Auslegung des im § 81 b BVG normierten Ausgleichsanspruches, so wäre der hier erhobene Anspruch nicht begründet, weil dem Versorgungsamt TT. von Anfang an hätte bekannt sein können und müssen, daß es keine Leistungsverpflichtung gegenüber G. hatte.

Hierzu ist nämlich festzustellen, daß die Gewährung von Versorgungsbezügen durch den Kläger nicht darauf beruht, daß G. unrichtige Angaben machte und diese Unrichtigkeit sich erst nachträglich herausstellte. Zwar sind die Angaben des G. im schriftlichen Erstantrag vom 18. September 1945 unvollständig. Aus dem weiteren Akteninhalt ergibt sich aber, daß der Versorgungsverwaltung das Vorliegen eines Arbeitsunfalls mit Schädeltrauma vor der Wehrdienstzeit bekannt gewesen ist. Bereits am 7. März 1946 wurde die Einholung eines Zusammenhangsgutachtens auf neurologischem Fachgebiet angeordnet und in dem Auftragschreiben an Dr. S. darauf hingewiesen, daß G. einen Zivilunfall mit einer Verletzung an der rechten Stirn-Scheitelbeingrenze gehabt habe. Am 14. März 1946 hat daraufhin Dr. S. sein Gutachten erstattet. In ihm ist zur Vorgeschichte ein Zivilunfall 1939/40 angegeben. Hiernach war G. mit einem Elektrokarren gegen eine Säule gefahren, kurz bewußtlos gewesen und anschließend im Krankenhaus operiert worden. Er lag dort wegen eines Blutergusses unter der Kopfhaut und mußte 7 Monate behandelt werden. Diese Angaben zur Vorgeschichte können nur auf den Äußerungen des G. beruhen, da zu diesem Zeitpunkt andere Hinweise (Krankenblätter, Unfallanzeigen, Arztberichte etc.) in den Akten noch nicht enthalten waren. In seiner ärztlichen Beurteilung kam dann Dr. S. zu dem Ergebnis, daß es fast unmöglich sei, festzustellen, welches der beiden Schädeltraumen die geltend gemachten epileptischen Anfälle mit absenceartigen Erscheinungen bedingt. Dr. S. äußert dann lediglich, daß es auffallend sei, daß die Anfälle etwa zwei Monate nach der Verwundung im Juni 1944 eingetreten seien. Er schließe sich insoweit der Beurteilung der Psychiatrisch-Neurologischen Universitätsklinik H. an, die sich aus dem beigefügten Schreiben vom 11. März 1946 ergebe. In diesem Arztbrief des Dozenten Dr. W. wird darauf hingewiesen, daß G. in der H. Klinik vom 14. bis zum 24. März 1945 stationär beobachtet worden sei. Es heißt dann weiter, die jetzt noch sichtbare Kopfverletzung sei die Folge eines vorwehrdienstlichen Unfalls. 1944 habe G. eine oberflächliche Verwundung am Hinterkopf erlitten, die allerdings nach der Vorgeschichte doch mit einem erheblichen Trauma verbunden gewesen sei; jedenfalls habe die frühere vorwehrdienstliche Schädigung durch die Verwundung eine Aktivierung erfahren. Diese kurzen ärztlichen Beurteilungen aufgrund eines von Anfang an feststehenden und erkennbaren Arbeitsunfalls hätten den Kläger veranlassen müssen, eine weitere Sachaufklärung zu betreiben. Die naheliegendste und einfachste Überlegung wäre es gewesen, das in H. entstandene Krankenblatt beizuziehen. Auch hätte der Kläger G. nach eingehender Belehrung über seine Wahrheitspflicht zum vorwehrdienstlichen Unfall hören müssen. Bei einem solchen Verfahren, das allein als ordnungsmäßiges Verwaltungshandeln angesehen werden kann, hätte der Kläger ohne weiteres den wahren Sachverhalt erkennen können. Es wäre ihn außerdem ein Leichtes gewesen, die Krankengeschichte über die stationäre Behandlung des G. vom 22. August bis zum 27. Oktober 1939 im Städtischen Krankenhaus M. beizuziehen. Eine genaue Befragung des G. hätte darüber hinaus ergeben, daß er sich vom 24. März 1945 bis zum 21. Juni 1945 zunächst in der Psychiatrisch-Neurologischen Klinik das Reservelazaretts H. und anschließend im Reservelazarett W. aufgehalten hat. Von dort hätte das hierüber entstandene Krankenblatt beigezogen werden können. In diesem ist ausdrücklich ein Zustand nach Schädelbruch mit Hirncontusion und traumatischer Epilepsie diagnostiziert und der ursächliche Zusammenhang mit wehrdienstlichen Einflüssen verneint worden. Bereits am 24. März 1945 ist festgestellt worden, daß es sich um einen Folgezustand eines vorwehrdienstlich erlittenen Unfalls gehandelt hat. Stattdessen sind ohne kritische Stellungnahme bei der ersten versorgungsärztlichen Überprüfung durch zwei Ärzte des Versorgungsamtes TT. am 16. April 1946 die Neigung zu Anfällen (Absencen) nach Granatsplitterverletzung am Hinterkopf sowie eine solche Verletzung am Hinterkopf als Dienstbeschädigung im Sinne des RVG mit Bescheid vom 6. Mai 1946 anerkannt worden. Auch die spätere Aktenprüfung aus Anlaß der Umrechnung nach dem KBLG und der Umanerkennung nach dem BVG gemäß der Bescheide vom 4. März 1948 und vom 22. Oktober 1951 hat zu keiner solchen, allein ordnungsmäßigen Verwaltungshandeln entsprechenden Feststellung geführt, obwohl bereits nach dem Gutachten des Dr. S. vom 14. März 1946 und dem Arztbrief des Dozenten Dr. W. vom 11. März 1946 der Einfluß eines vorwehrdienstlichen Unfalls bekannt war. Bei diesem Sachverhalt und dieser Rechtslage beruhte daher die Gewährung der Versorgungsleistungen von Anfang an auf einem eindeutigen dem Gesetz nicht entsprechenden Verwaltungshandeln.

Der Senat hält aber gleichwohl den Ausgleichsanspruch für begründet, da er für die vom BSG in dem o.g. Urteilen entwickelten Grundsätze keine Rechtsgrundlage sieht. Der aufgrund des 1. NOG in § 81 b BVG gesetzlich normierte Ausgleichsanspruch gibt der Versorgungsverwaltung nach Auffassung des erkennenden Senates gegenüber der Beklagten ohne jede Einschränkung einen Leistungsanspruch. Das besagt bereits der Wortlaut. Hat nämlich hiernach eine Verwaltungsbehörde oder eine andere Einrichtung der Kriegsopferversorgung Leistungen gewährt und stellt es sich nachträglich heraus, daß an ihrer Stelle eine andere Behörde oder ein Versicherungsträger des öffentlichen Rechts zur Leistung verpflichtet gewesen wäre, so hat die zur Leistung verpflichtete Stelle die Aufwendungen in dem Umfange zu ersetzen, wie sie ihr nach Gesetz oder Satzung oblagen. Danach kommt es für die Begründetheit des Ausgleichsanspruchs allein darauf an, daß sich nachträglich die Leistungspflicht eines Anderen herausstellt. Aus dem Wort "nachträglich” folgt, daß es sich um eine nach der von der Versorgungsverwaltung zu Unrecht erfolgten Leistungsgewährung vollzogene Erkenntnis der mangelnden Leistungsverpflichtung handeln muß. Es spielt hierbei keine Rolle, ob von Anfang an der wahre Sachverhalt bekannt war oder nach einer – auch ohne großen Aufwand betriebenen – Sachaufklärung, etwa durch Herbeiziehung eines leicht erreichbaren Krankenblattes hätte erkennbar sein müssen. Nach dem § 81 b BVG innewohnenden Rechtsgedanken darf der Ausgleichsanspruch allenfalls dann nicht geltend gemacht werden, wenn von Anfang an in Kenntnis der mangelnden Leistungspflicht geleistet worden ist. Dies kann aus einem allgemeinen, auch im öffentlichen Recht anwendbaren Rechtsgedanken, der positiv-rechtlich in den Vorschriften zum zivilen Bereicherungsrecht seinen Niederschlag gefunden hat, hergeleitet werden. Nach § 814 BGB kann das zum Zwecke einer Verbindlichkeit Geleistete dann nicht zurückgefordert werden, wenn der Leistende gewußt hat, daß er zur Leistung nicht verpflichtet war. Allenfalls die Kenntnis der Nichtschuld vermag der Rückforderungsanspruch auszuschließen. Hingegen genügt es nicht, daß dem Leistenden die Tatumstände bekannt sind oder er diese hätte kennen müssen. Selbst die irrtümliche Annahme der Leistungsverpflichtung führt nicht zum Ausschluß des Erstattungsanspruchs (vgl. statt vieler: Palandt-Thomas, Komm. zum BGB, 33. Auflage, Anm. 2 a zum § 814 BGB). Die vom BSG in den Urteilen vom 29. Februar 1972 (2 RU 214/71) und 18. Dezember 1974 (2 RU 81/74) vorgenommene einschränkende Auslegung findet im Gesetz hingegen keine Stütze. Es fehlt auch eine nähere Begründung dafür, daß die Abwälzung von Leistungen dann nicht gefordert werden dürfe, wenn diese trotz bestehender klarer Sach- und Rechtslage von Anfang an auf einem dem Gesetz nicht entsprechenden Verwaltungshandeln beruhten. Wäre dies richtig, so könnte der Ausgleichsanspruch nur in Ausnahmefällen zum Zuge kommen, z.B. dann, wenn der Versicherte unrichtige Angaben gemacht hat. Dies entspricht aber nicht dem Sinn und Zweck des Systems der sozialen Sicherheit. Wie das BSG nach Auffassung des Senats bereits früher zutreffend entschieden hat, rechtfertigt dich der Grundgedanke des internen Leistungsausgleichs der öffentlich-rechtlichen Leistungsträger auch daraus, daß dem Versicherten möglichst schnell und ohne langwierige Klärung von Zuständigkeitsfragen, die zu seinem Lasten gehen, geholfen werden soll (vgl. BSG, Urt. v. 28.2.1962 – 2 RU 249/58 – in E 16, 222). Gilt dies bereits in Fällen, in denen von Anfang Zweifel an der eigenen Zuständigkeit bestanden, so ist dies dann erst recht anzunehmen, wenn von der Versorgungsverwaltung die Leistungsverpflichtung eines anderen Versicherungsträgers nicht erkannt wurde, obwohl hierzu – wie hier – die Möglichkeit bestanden hätte.

Auch die von der Beklagten sonst erhobenen Einwände stehen dem Ausgleichsanspruch des Klägers nicht entgegen. Er braucht sich nicht § 1546 RVO a.F. entgegenhalten zu lassen. Nach dieser Vorschrift ist zwar der Anspruch des Verletzten gegen den Unfallversicherungsträger ausgeschlossen, wenn er nicht innerhalb von zwei Jahren bei fehlender Feststellung von Amts wegen angemeldet wird. Es kann hier offen bleiben, ob die Beklagte im Hinblick auf die Entscheidung des BSG vom 23. Juni 1959 (2 RU 21/54 in E 10, 88) und vom 9. Juni 1961 (GS 2/60 in E 14, 246) unter Berufung auf § 1546 RVO a.F. den Anspruch des G. diesem gegenüber für die Zeit ab 28. Juli 1962 begrenzen durfte. § 1546 RVO a.F. bestimmt nämlich allein das Versicherungsverhältnis zwischen der Beklagten und G. Der Ausgleichsanspruch des Klägers wird hiervon nicht berührt. § 81 b BVG bestimmt, daß die Leistungen zu ersetzen sind, wie sie dem anderen Versicherungsträger oblagen und nicht wie sie tatsächlich gewährt worden sind. es handelt sich somit um einen selbständigen, den Kläger originär zustehenden Anspruch, der unabhängig vom Verhalten des Versicherten entsteht (vgl. Pappai in ZfS 1962, 196, 197; Hess. LSG, Urt. v. 7.2.1966 – L-5/V-436/66). Wollte man der Beklagten folgen, so hätte es allein G. in der Hand, einen Ausgleichsanspruch des Klägers zur Entstehung zu bringen. Dem steht der Rechtsgedanke des internen Leistungsausgleiches zwischen öffentlich-rechtlichen Leistungsträgern entgegen, wie auch die Fassung des § 81 b BVG zeigt. Sie stellt darauf ab, daß der andere Versicherungsträger, hier die Beklagte, anstelle des Klägers zur Leistung verpflichtet gewesen wäre, die Leistungspflicht aber nur dem Versicherten gegenüber mangels Anspruchsanmeldung noch nicht voll erfüllt war, obwohl ihm materiell-rechtlich die Leistungen bereits tatsächlich oblagen (so auch: Bayer. LSG, Urt. v. 13.4.1972 – L 11 U 6/71). Das bedeutet, daß es hinsichtlich des Ausgleichsanspruchs des Klägers allein darauf ankommt, in welchem Umfange dem G. für den hier streitigen Zeitraum von der Beklagten Leistungen zu gewähren gewesen wären, wenn diese von ihr entweder von Amts wegen oder bei rechtzeitiger Anspruchsanmeldung festgestellt worden wären.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der von dem Kläger erhobene Anspruch auch nicht nach § 29 Abs. 3 RVO verjährt. Bei dem selbständigen und originären Ausgleichsanspruch gem. § 81 b BVG beträgt die Verjährungsfrist vielmehr dreißig Jahre (vgl. BSG, Urt. v. 28.7.1972 – 8 RV 327/72 – Breith. 1973, 53). Sie war hier zum Zeitpunkt der Klageerhebung am 22. August 1966 noch nicht abgelaufen. Damit entfällt auch der von der Beklagten erhobene Vorwurf der Treuewidrigkeit, wie auch die sonstigen Ausführungen oben ergeben. Der Senat konnte sich dem zuletzt gestellten Antrag des Klägers folgend auf den Erlaß eines Grundurteils (§ 130 Satz 1 SGG) entsprechend der Urteilsformel beschränken, da die Ausgleichspflicht der Beklagten zusteht und die Parteien als öffentlich-rechtliche Leistungsträger untereinander im einzelnen nur noch abzurechnen haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 4 SGG.

Der Senat hat die Revision zugelassen, da das Urteil von den in den Entscheidungen des BSG vom 29. Februar 1972 (2 RU 214/71) und vom 18. Dezember 1974 (2 RU 81/74) entwickelten Grundsätzen abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 160 Abs. 1 und 2 Nr. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved