Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
5
1. Instanz
SG Fulda (HES)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 5 V 1160/72
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1) Ein schädigungsbedingter Einkommensverlust ist bei einem selbständigen Landwirt mit einem landwirtschaftlichen Besitz von ca. 10 ha Größe rechnerisch nur dann ersichtlich, wenn er
a) Personalmehraufwendungen,
b) erhöhte Aufwendungen für Maschinen und (oder)
c) verminderte eigene Arbeitsleistungen mit der Folge geringeren Verdienstes nachweist.
2) Ein – unterstelltes – Unvermögen zur Aufnahme einer beruflichen Nebentätigkeit ist wegen § 2 Abs. 2 DVO unbeachtlich.
a) Personalmehraufwendungen,
b) erhöhte Aufwendungen für Maschinen und (oder)
c) verminderte eigene Arbeitsleistungen mit der Folge geringeren Verdienstes nachweist.
2) Ein – unterstelltes – Unvermögen zur Aufnahme einer beruflichen Nebentätigkeit ist wegen § 2 Abs. 2 DVO unbeachtlich.
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 12. September 1972 unter Buchstabe a) des Urteilstenors aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Der 1922 geborene Kläger erhielt durch Umanerkennungsbescheid nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) vom 14. Januar 1952 Rente nach einem Grade der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 50 v.H. wegen
"1) Verlust des linken Unterschenkels mit Muskelschwund am Bein.
2) Folgenlos verheilte Weichteilverletzungen am Hals”
als Schädigungsfolgen. In Ausführung eines rechtskräftigen Urteils des Sozialgerichts Fulda vom 9. Oktober 1964 wurde die MdE wegen besonderen beruflichen Betroffenseins ab 1. Dezember 1961 auf 60 v.H. erhöht (Bescheid vom 17. Dezember 1964). Von Beruf ist der Kläger Landwirt und war im elterlichen Betrieb zusammen mit seiner Ehefrau als mithelfendes Familienmitglied tätig. Ab 1. Januar 1965 haben beide laut notariellem Übergabenvertrag vom 13. Februar 1965 den eine Wirtschaftsfläche von ca. 11 ha umfassenden Hof gegen Gewährung von Altenteilsleistungen übernommen, nachdem sie einem Ehevertrag gemäß §§ 1415 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) unter Ausschluss der Zugewinngemeinschaft geschlossen hatten. Im Jahre 1969 hat der Kläger ca. 1 ha Wiesen dazugepachtet.
Am 19. März 1965 beantragte er beim Versorgungsamt F. Berufsschadenausgleich. Zwar habe er sein Berufsziel des selbständigen Landwirts erreicht, sei aber in der Ausübung durch die Schädigungsfolgen stark behindert. Es sei natürlich schwer, den Einkommensverlust im einzelnen festzustellen und nachzuweisen. Doch liege auf der Hand, dass er nicht so intensiv wie ein Ungeschädigter wirtschaften könne, sich die Arbeiten möglichst leicht gestalten und einen Ausgleich durch Maschinen suchen müsse.
Der Bescheid vom 9. November 1966 schloss sich dieser Auffassung ebensowenig an wie der Widerspruchbescheid vom 8. Februar 1967. Für die Gewährung von Berufsschadensausgleich unter Einstufung in die Besoldungsgruppe A 7 des Bundesbesoldungsgesetzes (BBesG) fehle die rechtliche Handhabe, da der Kläger keinen ersichtlichen Einkommensverlust habe. Die Berufungsbeeinträchtigung sei durch Anerkennung seiner besonderen Betroffenheit in genügender Weise berücksichtigt worden.
Im Klageverfahren vor dem Sozialgericht Fulda erklärte sich das beklagte Land am 22. September 1970 bereit, über den Antrag des Klägers nach Überprüfung erneut zu entscheiden, worauf dieser die Klage zurücknahm.
Mit durch Widerspruchbescheid vom 12. Mai 1971 bestätigtem Bescheid vom 29. März 1971 lehnte das Versorgungsamt den Antrag nach Durchführung von Ermittlungen wiederum ab. Dass der Kläger seinen Beruf unter erschwerten Bedingungen ausführe, sei durch § 30 Abs. 2 BVG ausgeglichen. Mehraufwendungen für die Inanspruchnahme fremder Arbeitskräfte seien ihm nicht entstanden. Sie Ausstattung mit landwirtschaftlichen Maschinen sei im Zuge der Modernisierung notwendig gewesen.
Gegen diese Bescheide hat sich der Kläger erneut an das Sozialgericht Fulda gewandt, das seine Klage mit der gleichfalls bei ihm anhängigen Klage derselben Beteiligten verbunden hat, welche die Berechnung einkommensabhängiger Leistungen auf die Ausgleichsrente zum Gegenstand hatte.
Zur Begründung hat der Kläger neu vortragen, er habe aus schädigungsbedingten Gründen die Anbaufläche seines Betriebes nicht durch Pachtland vergrößern und keinen Nebenberuf aufnehmen können. Hierin liege sein Einkommensverlust.
Mit Urteil vom 12. September 1972 hat das Sozialgericht den Beklagten unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide in Buchstabe a) des Tenors dem Grunde nach verurteilt; dem Kläger Berufsschadensausgleich ab Antragsmonat zu gewähren. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, zwar müsse davon ausgegangen werden, dass er sein Berufsziel trotz der Schädigungsfolgen erreicht habe. Sein Einkommensverlust ergebe sich jedoch daraus, dass er geringere Erträge erziele. Auch könne er seine freibleibende Arbeitskraft nicht in einer Nebentätigkeit verwerten.
Gegen dieses Urteil, das dem Beklagten am 13. November 1972 zugestellt worden ist, richtet sich seine am 12. Dezember 1972 beim Hessischen Landessozialgericht eingegangene Berufung. Er bezieht sich auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zum Berufungsschadensausgleich für Landwirte und hält den Nachweis eines schädigungsbedingten Einkommensverlustes nach wie vor für nicht geführt.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 12. September 1972 abzuändern und die Klage ist aufrechterhaltenen Umfange abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Unter Beschränkung seines Klagebegehrens auf die Gewährung von Berufsschadensausgleich wiederholt er sein erstinstanzliches Vorbringen.
Die Akten des Versorgungsamts F. mit der Grundl. Nr. xxx sowie die Akten des Sozialgerichts Fulda mit den Aktenzeichen S-4/V-201/62, 29/63 und S-3a/V-41/67 und 62/71 haben vorgelegen. Auf ihren Inhalt und den der Gerichtsakten beider Instanzen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, sie ist insbesondere frist- und formgerecht eingelegt worden (§§ 143, 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes – SSS–). In der Sache hatte sie Erfolg.
Nach dem vom Kläger mit Schriftsatz vom 11. März 1974 ausgesprochenen Verzicht auf die Rechte aus dem Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 12. September 1972 unter Buchstabe b) des Tenors war Gegenstand des Berufungsverfahrens nur noch die Frage, ob ihm Berufsschadensausgleich dem Grunde nach zusteht. Sie war verneinend zu beantworten.
Entgegen der Auffassung des Vordergerichts ist der Bescheid des Beklagten vom 29. März 1971 in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 12. Mai 1971 nicht rechtswidrig. Rechtsgrundlage ist § 30 Abs. 3 und 4 BVG in der Fassung des 2 und 3. Neuordnungsgesetzes (NOG), wonach Schwerbeschädigte, deren Erwerbseinkommen durch die Schädigungsfolgen um monatlich mindestens 75,– DM oder überhaupt gemindert ist (Einkommensverlust), nach Anwendung des § 30 Abs. 2 BVG einen Berufsschadensausgleich in monatlicher Höhe von vier Zehntel des Verlustes oder nach einer bezifferten Höchstgrenze erhalten (§ 30 Abs. 3 BVG). Einkommensverlust ist dabei der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit zuzüglich der Ausgleichsrente und dem höheren Durchschnittseinkommen der Berufs- oder Wirtschaftsgruppe, welcher der Beschädigte ohne die Schädigung nach seinen Lebensverhältnissen, Kenntnissen und Fähigkeiten und dem bisher betätigten Arbeits- und Ausbildungswillen wahrscheinlich angehört hätte.
Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen nicht vor. Es fehlt bereits an der Grundvoraussetzung des schädigungsbedingten Einkommensverlustes.
Notwendig ist nämlich nach ständiger Rechtsprechung, dass der Schwerbeschädigte einen durch Schädigungsfolgen bedingten konkreten wirtschaftlichen Schaden erlitten hat, welcher der Höhe nach rechnerisch auszudrucken ist. Ein solcher Einkommensverlust setzt hier voraus, dass schädigungsbedingte Mehrausgaben für Betriebskosten entstehen oder bestimmte rechnerisch messbare Einnahmen sich schädigungsbedingt verringern oder vollkommen ausbleiben. Hierauf hat der Beklagte in seinem Berufungsbegründungsschriftsatz zutreffend hingewiesen. Entscheidend bleibt auch in Fällen der vorliegenden Art, in denen ein Geschädigter trotz Verletzungsfolgen sein angestrebtes Berufsziel erreicht hat, immer die Frage, in welchem Umfange seine wirtschaftliche Existenz getroffen worden ist. Dabei kommt es aber nicht darauf an, ob und in welchem Ausmaß in der Vergangenheit irgendwann einmal Verluste entstanden sind. Der Berufsschadenausgleich darf vielmehr nur den aktuellen Einkommensverlust ausgleichen, der mit dem Antragsmonat beginnt.
Das allgemein vorausgeschickt war in Wertung des klägerischen Vortrages zunächst festzustellen, ob der Kläger tatsächlich aus schädigungsbedingten Gründen außerstande war und ist, die landwirtschaftlich genutzte Fläche des Betriebes, dessen Miteigentümer er zusammen mit seiner Ehefrau ist, durch Hinzupachtung in einem Umfange zu vergrößern, der die wirtschaftliche Existenz besser sichert. Er hat zwar behauptet, hierzu nicht in der Lage zu sein. Aus dem Akteninhalt ergibt sich jedoch, dass er schon im Jahre 1969 Wiesengelände von ungefähr 1 ha Größe bis zum September 1987 von dem Metzgermeister H. gegen einen jährlichen Zins von 120,55 DM gepachtet hat. Das hat er ganz offenbar getan, um den Heuertrag für sein lebendes Inventar zu steigern oder zusätzliches Weidegelände zu erhalten. Immerhin umfasste der Viehbestand nach seinen im März 1971 gemachten Angaben 6 Milchkühe, 4 Färsen und Kälber sowie 7 Schweine. Es ist in Wertung der Lage des Hofes nicht einzusehen, aus welchen Gründen er zusammen mit seiner Ehefrau nicht noch mehr Land dazupachten könnte, unterstellt, dass sich im streitigen Zeitraum Gelegenheit dazu geboten hätte. Denn die Maschinen, welche notwendig sind, Wiesenwirtschaft größeren Umfanges zu betreiben, kann er trotz seiner Kriegsbeschädigung ohne außergewöhnliche oder unzumutbare Anstrengung bedienen. Sie sind in seinem Betrieb auch vorhanden. Er besitzt sowohl einen Schlepper von 28 PS als auch einen Ladewagen für Stroh und Heu und einen Dungstreuer. Außerdem hat er in seiner Aufstellung vom März 1971 einen Kreiselheuer, Heuwender und sogar ein Schneidgebläse für Stroh und Heu erwähnt. Schädigungsbedingte Momente sind hiernach keinesfalls ersichtlich, die ihn gehindert haben können, eine flächenmäßig intensivere Heuwirtschaft zu betreiben. Mit dem vorhandenen Maschinenpark hätte er darüber hinaus aber auch an eine vergrößerte Feldbestellung herangehen können.
Dass er die erwähnten und weitere Maschinen angeschafft habe, weil ihm bestimmte ebenso gut manuell zu verrichtende Handgriffe wegen der Beschädigung nicht möglich seien, hat der Kläger als weiteres Argument zwar ebenfalls behauptet. Art und Anzahl der vorhandenen Gerätschaften stehen diesem Vorbringen aber entgegen. Denn es handelt sich um die normale maschinelle Ausrüstung, welche zur Bearbeitung einer landwirtschaftlichen Nutzfläche von ca. 12 ha nach modernen Gesichtspunkten notwendig ist. Das umso mehr, wenn wirtschaftliche Aspekte der Europäischen Gemeinschaft in die Betrachtung einbezogen werden. Diejenigen dem Kläger vergleichbaren Bauern, welche beabsichtigt haben und noch beabsichtigen, ihr Einkommen weiterhin aus der Landwirtschaft zu ziehen, mussten sich insbesondere in den letzten 10 Jahren zum Zwecke der Rationalisierung ihrer Arbeit und der Steigerung der Erträge maschinell umstellen und die Anzahl der Maschinen erhöhen. Dass der Kläger und seine Ehefrau seit 1965 hierzu gleichfalls gezwungen waren, liegt auf der Hand, ohne dass eine Verbindung mit seinen Schädigungsfolgen herzustellen ist. Eine solche hat noch nicht einmal das Vordergericht im angefochtenen Urteil angenommen.
Zusätzliche Arbeitskräfte außer Familienangehörigen benötigt der Kläger nach seinem eigenen Vortrag nicht. Insofern ist gleichfalls kein Einkommensverlust ersichtlich. Dass seine Ehefrau mitarbeitet, entspricht den Gepflogenheiten in bäuerlichen Kreisen bei Betrieben von ca. 10 ha. Im vorliegenden Fall ist es umso natürlicher, nachdem sie mit dem Kläger den notariellen Ehevertrag vom 13. Februar 1965 geschlossen hat, der Verfügungen über das Gesamtgut und dessen Verwaltung nur beiden Ehegatten gemeinsam zugesteht. Hiernach hat sie ein eigenes wirtschaftliches Interesse. Zu diesem Fragenkomplex bezieht sich der erkennende Senat auf die Entscheidung des BSG vom 10. Oktober 1972 (9 RV 748/71).
Dass der Kläger als Ungeschädigter einen Nebenerwerb aufgenommen hätte, ist möglich, nach den tatsächlichen Gegebenheiten jedoch nicht hinreichend wahrscheinlich. Abgesehen von dagegen entstehenden Fakten ist in diesem Punkt zusätzlich § 2 Abs. 2 der Durchführungsverordnung zu § 30 Abs. 3 und 4 BVG (DVO) vom 28. Februar 1968 rechtlich bedeutsam. Danach ist eine nebenberufliche Tätigkeit im Rahmen der Einstufung für den Berufsschadensausgleich und seiner Berechnung ohnehin nicht von Bedeutung. Was das Vordergericht in diesem Zusammenhang ausgeführt hat, beinhaltet lediglich eine Darstellung hypothetischer Erwägungen.
Der Kläger selbst hat keine konkreten Anhaltspunkte dargelegt, die einen begründeten Schluss darauf zulassen, dass er etwa halbtags oder in welchem zeitlichen Umfang immer anderen Beschäftigungen im Sinne eines Hauptberufes nachgegangen wäre. Das wäre stets der des Landwirts gewesen. Auch lässt sich die vordergerichtliche Ansicht keinesfalls ohne weiteres vertreten, eine vorwiegend aus Weideland bestehende Landwirtschaft nehme bestenfalls eine halbe Arbeitskraft ganzjährig in Anspruch. Hierüber hätte das Sozialgericht zumindest Erhebungen anstellen müssen. Ferner hat es verkannt oder unberücksichtigt gelassen, dass im Verlauf der vom Versorgungsamt F. im Jahre 1971 neu aufgenommenen Ermittlungen vom Kläger Angaben auch über den Besitz von Kartoffelrodemaschinen und eines Rübenvollernters gemacht worden sind. Ihr Vorhandensein zeigt, dass er tatsächlich auch Hackfruchtanbau betreibt. Überdies ist Getreideanbau durch den Besitz entsprechender Maschinen nachgewiesen. Schließlich hat das Sozialgericht gleichfalls nicht gewertet, dass der Kläger ganz offenbar eine intensive Vieh- und Milchwirtschaft betreibt, die bekanntermaßen auch im streitigen Zeitraum zu einem festen und kontinuierlichen Einkommen geführt hat. Intensivwirtschaft muss keinesfalls immer in vermehrtem Hackfrucht- und Getreideanbau bestehen, wie das Vordergericht meint. Um eine Landwirtschaft rentabel zu machen, können durchaus andere Möglichkeiten ausgeschöpft werden. Ihrer hat sich der Kläger bedient und Erfolg damit gehabt.
Da nach alledem auch in der Berufungsinstanz keine Anhaltspunkte für das Vorliegen eines rechnerisch darstellbaren Einkommensverlustes sichtbar geworden sind, war das erstinstanzliche Urteil in seinem angefochten gebliebenen Umfang nicht zu halten. Es war abzuändern.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Der 1922 geborene Kläger erhielt durch Umanerkennungsbescheid nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) vom 14. Januar 1952 Rente nach einem Grade der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 50 v.H. wegen
"1) Verlust des linken Unterschenkels mit Muskelschwund am Bein.
2) Folgenlos verheilte Weichteilverletzungen am Hals”
als Schädigungsfolgen. In Ausführung eines rechtskräftigen Urteils des Sozialgerichts Fulda vom 9. Oktober 1964 wurde die MdE wegen besonderen beruflichen Betroffenseins ab 1. Dezember 1961 auf 60 v.H. erhöht (Bescheid vom 17. Dezember 1964). Von Beruf ist der Kläger Landwirt und war im elterlichen Betrieb zusammen mit seiner Ehefrau als mithelfendes Familienmitglied tätig. Ab 1. Januar 1965 haben beide laut notariellem Übergabenvertrag vom 13. Februar 1965 den eine Wirtschaftsfläche von ca. 11 ha umfassenden Hof gegen Gewährung von Altenteilsleistungen übernommen, nachdem sie einem Ehevertrag gemäß §§ 1415 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) unter Ausschluss der Zugewinngemeinschaft geschlossen hatten. Im Jahre 1969 hat der Kläger ca. 1 ha Wiesen dazugepachtet.
Am 19. März 1965 beantragte er beim Versorgungsamt F. Berufsschadenausgleich. Zwar habe er sein Berufsziel des selbständigen Landwirts erreicht, sei aber in der Ausübung durch die Schädigungsfolgen stark behindert. Es sei natürlich schwer, den Einkommensverlust im einzelnen festzustellen und nachzuweisen. Doch liege auf der Hand, dass er nicht so intensiv wie ein Ungeschädigter wirtschaften könne, sich die Arbeiten möglichst leicht gestalten und einen Ausgleich durch Maschinen suchen müsse.
Der Bescheid vom 9. November 1966 schloss sich dieser Auffassung ebensowenig an wie der Widerspruchbescheid vom 8. Februar 1967. Für die Gewährung von Berufsschadensausgleich unter Einstufung in die Besoldungsgruppe A 7 des Bundesbesoldungsgesetzes (BBesG) fehle die rechtliche Handhabe, da der Kläger keinen ersichtlichen Einkommensverlust habe. Die Berufungsbeeinträchtigung sei durch Anerkennung seiner besonderen Betroffenheit in genügender Weise berücksichtigt worden.
Im Klageverfahren vor dem Sozialgericht Fulda erklärte sich das beklagte Land am 22. September 1970 bereit, über den Antrag des Klägers nach Überprüfung erneut zu entscheiden, worauf dieser die Klage zurücknahm.
Mit durch Widerspruchbescheid vom 12. Mai 1971 bestätigtem Bescheid vom 29. März 1971 lehnte das Versorgungsamt den Antrag nach Durchführung von Ermittlungen wiederum ab. Dass der Kläger seinen Beruf unter erschwerten Bedingungen ausführe, sei durch § 30 Abs. 2 BVG ausgeglichen. Mehraufwendungen für die Inanspruchnahme fremder Arbeitskräfte seien ihm nicht entstanden. Sie Ausstattung mit landwirtschaftlichen Maschinen sei im Zuge der Modernisierung notwendig gewesen.
Gegen diese Bescheide hat sich der Kläger erneut an das Sozialgericht Fulda gewandt, das seine Klage mit der gleichfalls bei ihm anhängigen Klage derselben Beteiligten verbunden hat, welche die Berechnung einkommensabhängiger Leistungen auf die Ausgleichsrente zum Gegenstand hatte.
Zur Begründung hat der Kläger neu vortragen, er habe aus schädigungsbedingten Gründen die Anbaufläche seines Betriebes nicht durch Pachtland vergrößern und keinen Nebenberuf aufnehmen können. Hierin liege sein Einkommensverlust.
Mit Urteil vom 12. September 1972 hat das Sozialgericht den Beklagten unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide in Buchstabe a) des Tenors dem Grunde nach verurteilt; dem Kläger Berufsschadensausgleich ab Antragsmonat zu gewähren. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, zwar müsse davon ausgegangen werden, dass er sein Berufsziel trotz der Schädigungsfolgen erreicht habe. Sein Einkommensverlust ergebe sich jedoch daraus, dass er geringere Erträge erziele. Auch könne er seine freibleibende Arbeitskraft nicht in einer Nebentätigkeit verwerten.
Gegen dieses Urteil, das dem Beklagten am 13. November 1972 zugestellt worden ist, richtet sich seine am 12. Dezember 1972 beim Hessischen Landessozialgericht eingegangene Berufung. Er bezieht sich auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zum Berufungsschadensausgleich für Landwirte und hält den Nachweis eines schädigungsbedingten Einkommensverlustes nach wie vor für nicht geführt.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 12. September 1972 abzuändern und die Klage ist aufrechterhaltenen Umfange abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Unter Beschränkung seines Klagebegehrens auf die Gewährung von Berufsschadensausgleich wiederholt er sein erstinstanzliches Vorbringen.
Die Akten des Versorgungsamts F. mit der Grundl. Nr. xxx sowie die Akten des Sozialgerichts Fulda mit den Aktenzeichen S-4/V-201/62, 29/63 und S-3a/V-41/67 und 62/71 haben vorgelegen. Auf ihren Inhalt und den der Gerichtsakten beider Instanzen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, sie ist insbesondere frist- und formgerecht eingelegt worden (§§ 143, 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes – SSS–). In der Sache hatte sie Erfolg.
Nach dem vom Kläger mit Schriftsatz vom 11. März 1974 ausgesprochenen Verzicht auf die Rechte aus dem Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 12. September 1972 unter Buchstabe b) des Tenors war Gegenstand des Berufungsverfahrens nur noch die Frage, ob ihm Berufsschadensausgleich dem Grunde nach zusteht. Sie war verneinend zu beantworten.
Entgegen der Auffassung des Vordergerichts ist der Bescheid des Beklagten vom 29. März 1971 in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 12. Mai 1971 nicht rechtswidrig. Rechtsgrundlage ist § 30 Abs. 3 und 4 BVG in der Fassung des 2 und 3. Neuordnungsgesetzes (NOG), wonach Schwerbeschädigte, deren Erwerbseinkommen durch die Schädigungsfolgen um monatlich mindestens 75,– DM oder überhaupt gemindert ist (Einkommensverlust), nach Anwendung des § 30 Abs. 2 BVG einen Berufsschadensausgleich in monatlicher Höhe von vier Zehntel des Verlustes oder nach einer bezifferten Höchstgrenze erhalten (§ 30 Abs. 3 BVG). Einkommensverlust ist dabei der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit zuzüglich der Ausgleichsrente und dem höheren Durchschnittseinkommen der Berufs- oder Wirtschaftsgruppe, welcher der Beschädigte ohne die Schädigung nach seinen Lebensverhältnissen, Kenntnissen und Fähigkeiten und dem bisher betätigten Arbeits- und Ausbildungswillen wahrscheinlich angehört hätte.
Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen nicht vor. Es fehlt bereits an der Grundvoraussetzung des schädigungsbedingten Einkommensverlustes.
Notwendig ist nämlich nach ständiger Rechtsprechung, dass der Schwerbeschädigte einen durch Schädigungsfolgen bedingten konkreten wirtschaftlichen Schaden erlitten hat, welcher der Höhe nach rechnerisch auszudrucken ist. Ein solcher Einkommensverlust setzt hier voraus, dass schädigungsbedingte Mehrausgaben für Betriebskosten entstehen oder bestimmte rechnerisch messbare Einnahmen sich schädigungsbedingt verringern oder vollkommen ausbleiben. Hierauf hat der Beklagte in seinem Berufungsbegründungsschriftsatz zutreffend hingewiesen. Entscheidend bleibt auch in Fällen der vorliegenden Art, in denen ein Geschädigter trotz Verletzungsfolgen sein angestrebtes Berufsziel erreicht hat, immer die Frage, in welchem Umfange seine wirtschaftliche Existenz getroffen worden ist. Dabei kommt es aber nicht darauf an, ob und in welchem Ausmaß in der Vergangenheit irgendwann einmal Verluste entstanden sind. Der Berufsschadenausgleich darf vielmehr nur den aktuellen Einkommensverlust ausgleichen, der mit dem Antragsmonat beginnt.
Das allgemein vorausgeschickt war in Wertung des klägerischen Vortrages zunächst festzustellen, ob der Kläger tatsächlich aus schädigungsbedingten Gründen außerstande war und ist, die landwirtschaftlich genutzte Fläche des Betriebes, dessen Miteigentümer er zusammen mit seiner Ehefrau ist, durch Hinzupachtung in einem Umfange zu vergrößern, der die wirtschaftliche Existenz besser sichert. Er hat zwar behauptet, hierzu nicht in der Lage zu sein. Aus dem Akteninhalt ergibt sich jedoch, dass er schon im Jahre 1969 Wiesengelände von ungefähr 1 ha Größe bis zum September 1987 von dem Metzgermeister H. gegen einen jährlichen Zins von 120,55 DM gepachtet hat. Das hat er ganz offenbar getan, um den Heuertrag für sein lebendes Inventar zu steigern oder zusätzliches Weidegelände zu erhalten. Immerhin umfasste der Viehbestand nach seinen im März 1971 gemachten Angaben 6 Milchkühe, 4 Färsen und Kälber sowie 7 Schweine. Es ist in Wertung der Lage des Hofes nicht einzusehen, aus welchen Gründen er zusammen mit seiner Ehefrau nicht noch mehr Land dazupachten könnte, unterstellt, dass sich im streitigen Zeitraum Gelegenheit dazu geboten hätte. Denn die Maschinen, welche notwendig sind, Wiesenwirtschaft größeren Umfanges zu betreiben, kann er trotz seiner Kriegsbeschädigung ohne außergewöhnliche oder unzumutbare Anstrengung bedienen. Sie sind in seinem Betrieb auch vorhanden. Er besitzt sowohl einen Schlepper von 28 PS als auch einen Ladewagen für Stroh und Heu und einen Dungstreuer. Außerdem hat er in seiner Aufstellung vom März 1971 einen Kreiselheuer, Heuwender und sogar ein Schneidgebläse für Stroh und Heu erwähnt. Schädigungsbedingte Momente sind hiernach keinesfalls ersichtlich, die ihn gehindert haben können, eine flächenmäßig intensivere Heuwirtschaft zu betreiben. Mit dem vorhandenen Maschinenpark hätte er darüber hinaus aber auch an eine vergrößerte Feldbestellung herangehen können.
Dass er die erwähnten und weitere Maschinen angeschafft habe, weil ihm bestimmte ebenso gut manuell zu verrichtende Handgriffe wegen der Beschädigung nicht möglich seien, hat der Kläger als weiteres Argument zwar ebenfalls behauptet. Art und Anzahl der vorhandenen Gerätschaften stehen diesem Vorbringen aber entgegen. Denn es handelt sich um die normale maschinelle Ausrüstung, welche zur Bearbeitung einer landwirtschaftlichen Nutzfläche von ca. 12 ha nach modernen Gesichtspunkten notwendig ist. Das umso mehr, wenn wirtschaftliche Aspekte der Europäischen Gemeinschaft in die Betrachtung einbezogen werden. Diejenigen dem Kläger vergleichbaren Bauern, welche beabsichtigt haben und noch beabsichtigen, ihr Einkommen weiterhin aus der Landwirtschaft zu ziehen, mussten sich insbesondere in den letzten 10 Jahren zum Zwecke der Rationalisierung ihrer Arbeit und der Steigerung der Erträge maschinell umstellen und die Anzahl der Maschinen erhöhen. Dass der Kläger und seine Ehefrau seit 1965 hierzu gleichfalls gezwungen waren, liegt auf der Hand, ohne dass eine Verbindung mit seinen Schädigungsfolgen herzustellen ist. Eine solche hat noch nicht einmal das Vordergericht im angefochtenen Urteil angenommen.
Zusätzliche Arbeitskräfte außer Familienangehörigen benötigt der Kläger nach seinem eigenen Vortrag nicht. Insofern ist gleichfalls kein Einkommensverlust ersichtlich. Dass seine Ehefrau mitarbeitet, entspricht den Gepflogenheiten in bäuerlichen Kreisen bei Betrieben von ca. 10 ha. Im vorliegenden Fall ist es umso natürlicher, nachdem sie mit dem Kläger den notariellen Ehevertrag vom 13. Februar 1965 geschlossen hat, der Verfügungen über das Gesamtgut und dessen Verwaltung nur beiden Ehegatten gemeinsam zugesteht. Hiernach hat sie ein eigenes wirtschaftliches Interesse. Zu diesem Fragenkomplex bezieht sich der erkennende Senat auf die Entscheidung des BSG vom 10. Oktober 1972 (9 RV 748/71).
Dass der Kläger als Ungeschädigter einen Nebenerwerb aufgenommen hätte, ist möglich, nach den tatsächlichen Gegebenheiten jedoch nicht hinreichend wahrscheinlich. Abgesehen von dagegen entstehenden Fakten ist in diesem Punkt zusätzlich § 2 Abs. 2 der Durchführungsverordnung zu § 30 Abs. 3 und 4 BVG (DVO) vom 28. Februar 1968 rechtlich bedeutsam. Danach ist eine nebenberufliche Tätigkeit im Rahmen der Einstufung für den Berufsschadensausgleich und seiner Berechnung ohnehin nicht von Bedeutung. Was das Vordergericht in diesem Zusammenhang ausgeführt hat, beinhaltet lediglich eine Darstellung hypothetischer Erwägungen.
Der Kläger selbst hat keine konkreten Anhaltspunkte dargelegt, die einen begründeten Schluss darauf zulassen, dass er etwa halbtags oder in welchem zeitlichen Umfang immer anderen Beschäftigungen im Sinne eines Hauptberufes nachgegangen wäre. Das wäre stets der des Landwirts gewesen. Auch lässt sich die vordergerichtliche Ansicht keinesfalls ohne weiteres vertreten, eine vorwiegend aus Weideland bestehende Landwirtschaft nehme bestenfalls eine halbe Arbeitskraft ganzjährig in Anspruch. Hierüber hätte das Sozialgericht zumindest Erhebungen anstellen müssen. Ferner hat es verkannt oder unberücksichtigt gelassen, dass im Verlauf der vom Versorgungsamt F. im Jahre 1971 neu aufgenommenen Ermittlungen vom Kläger Angaben auch über den Besitz von Kartoffelrodemaschinen und eines Rübenvollernters gemacht worden sind. Ihr Vorhandensein zeigt, dass er tatsächlich auch Hackfruchtanbau betreibt. Überdies ist Getreideanbau durch den Besitz entsprechender Maschinen nachgewiesen. Schließlich hat das Sozialgericht gleichfalls nicht gewertet, dass der Kläger ganz offenbar eine intensive Vieh- und Milchwirtschaft betreibt, die bekanntermaßen auch im streitigen Zeitraum zu einem festen und kontinuierlichen Einkommen geführt hat. Intensivwirtschaft muss keinesfalls immer in vermehrtem Hackfrucht- und Getreideanbau bestehen, wie das Vordergericht meint. Um eine Landwirtschaft rentabel zu machen, können durchaus andere Möglichkeiten ausgeschöpft werden. Ihrer hat sich der Kläger bedient und Erfolg damit gehabt.
Da nach alledem auch in der Berufungsinstanz keine Anhaltspunkte für das Vorliegen eines rechnerisch darstellbaren Einkommensverlustes sichtbar geworden sind, war das erstinstanzliche Urteil in seinem angefochten gebliebenen Umfang nicht zu halten. Es war abzuändern.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Rechtskraft
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