Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 1143/71
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Entschädigung eines Arbeitsunfalles, den ein landwirtschaftlicher Arbeiter im Jahre 1939 auf heute zur DDR gehörendem Gebiet aber in einem landwirtschaftlichen Betrieb mit dem Sitz im heutigen Land Berlin erlitt, ist nicht die Bundesausführungsbehörde für Unfallversicherung sondern die Hannoversche Landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft zuständig.
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichtes Gießen vom 26. Oktober 1971 aufgehoben und die gegen sie gerichtete Klage abgewiesen.
II. Die Beigeladene wird verurteilt, dem Kläger Verletztenrente ab 1. September 1966 wegen arachnitischer Verklebungen in Höhe des 10./11. Brustwirbels und Störungen auf Grund verbliebener Kontrastmittel sowie der Folgen einer Schädelimpressionsfraktur im hinteren Scheitelbereich rechts nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 30 v.H. zu gewähren.
III. Die Beigeladene hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
Tatbestand:
Der 1918 in U. geborene Kläger meldete bei der Beklagten am 12. September 1966, nachdem er mit seiner Familie aus der T. in die Bundesrepublik Deutschland am 26. August 1966 übergesiedelt war, Entschädigungsansprüche aus Anlaß eines Arbeitsunfalles vom 18. Dezember 1939 an. Er war im Sommer 1939 aus seiner s. Heimat nach B. gekommen, wo er als landwirtschaftlicher Arbeiter im Betrieb des Landwirtes F. S. (Sch.) in B. H., A. H., Arbeit fand. Am 18. Dezember 1939 fiel er nach seinen Angaben beim Überqueren eines Bahnüberganges in H. von einem mit Heu beladenen Anhänger nach einem Zusammenstoß mit einem Zug. Er gab an, sich Brüche des 8. Brustwirbels und rechten Querfortsatzes des ersten Lendenwirbels sowie eine Kopfverletzung zugezogen zu haben. Nach den Angaben seines damaligen Arbeitgebers F. S. vor dem Senator für Arbeit und Soziale Angelegenheiten von B. am 28. Oktober 1966 hat sich der Arbeitsunfall beim Überqueren eines unbeschrankten Schienenkörpers der Strecke S.-S. zugetragen. Auf Antrage der Beklagten teilte das Städtische Krankenhaus S., wo der Kläger bis zum 10. Februar 1940 stationär behandelt werden mußte, am 14. Oktober 1966 mit, daß er wegen Verdachtes auf Rippen- und Wirbelbruch eingeliefert worden sei. Die Entlassungsdiagnose lautete: Wirbelbruch des linken Brustwirbels. Der Kläger ist anschließend im Ambulatorium der Nordöstlichen Eisen- und Stahlberufsgenossenschaft, Sektion I, in B., bis zuletzt am 20. August 1940 behandelt worden. Die Beklagte ließ den Kläger durch den Facharzt für Chirurgie Dr. S. am 26. November 1966 untersuchen und begutachten. In seinem Gutachten vom gleichen Tage fand er als Unfallfolgen: "Zustand nach Fraktur des 8. Brustwirbelkörpers, ohne wesentliche Formveränderung ausgeheilt, folgenlos ausgeheilte Fraktur des Querfortsatzes des 1. Lendenwirbelkörpers, Oberfläche Defektbildung des rechten Scheitelbeine.” Den Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) schätzte er auf 10 v.H. ein. Hierauf lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 10. Januar 1967, da ein rentenberechtigender Grad nicht erreicht werde, den geltend gemachten Anspruch auf Entschädigung aus Anlaß des Arbeitsunfalles vom 18. Dezember 1939 ab.
Gegen den ihm am 14. Januar 1967 gegen Rückschein ausgehändigten Bescheid hat der Kläger mit der am 25. Januar 1967 bei der Beklagten eingegangenen und von dieser dem Sozialgericht Gießen – SG – am 16. März 1967 vorgelegten Klageschrift vom 23. Januar 1967 Klage erhoben. Der Kläger, der Inhaber des Ausweises A für Vertriebene und Flüchtlinge ist, hat als Folgen des Arbeitsunfalls vom 18. Dezember 1939 unter Hinweis auf eine ärztliche Bescheinigung der Hausärztin Dr. L. vom 7. August 1967 eine Lumbalgie, spondylarthrotische Veränderungen der unteren Brustwirbel- und Lendenwirbelsäule, ein Cervikal-Syndrom sowie Beschwerden nach einer Luftmyelographie geltend gemacht und das Krankenblatt der Neurologischen Universitätsklinik P. über eine Behandlung vom 27. September bis 22. Oktober 1962 sowie einen neurologischen Befundbericht der Poliklinik des Krankenhauses K. vom 23. Oktober 1969 über eine Behandlung vom 12. Mai bis 6. Juni 1960 vorgelegt.
Das SG hat die Hannoversche landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft beigeladen, das arbeitsamtsärztliche Gutachten des Dr. B. vom 2. Februar 1967 und gemäß der Beschlüsse vom 21. April 1969 und vom 17. April 1970 die Gutachten des Orthopäden Dr. E. vom 24. Juli 1969 und des Neurochirurgen Prof. Dr. H. vom 19. Mai 1971 eingeholt. Der Sachverständige Dr. E. hat als Unfallfolgen den Bruch des 8. Brustwirbelkörpers – BWK – mit gering teilförmig deformierter Ausheilung und die Folgen einer 1960 vorgenommenen Kontrastmittelmyelographie angesehen, für sein Sachgebiet die unfallbedingte MdE mit 10 v.H. geschätzt und eine neurologische Zusatzbegutachtung angeregt. In seinem neurochirurgischen Gutachten hat der Sachverständige Prof. Dr. R. als Folgen des Arbeitsunfalles Veränderungen am 8. und 9. BWK und am 1. Lendenwirbelkörper – LWK –, eine Schädelimpressionsfraktur im hinteren Scheitelbereich rechts, arachnitische Verklebungen – besonders in Höhe des 10./11. BWK – und Störungen durch verbliebene Kontrastmittelreste nach Myelographie im Jahre 1960 bezeichnet sowie den Grad der MdE auf 30 v.H. geschätzt. Nach Vorlage einer gegenteiligen Stellungnahme des Dr. N. vom 20. Juni 1971 durch die Beklagte hat das SG diese als zuständigen Versicherungsträger angesehen und – gestützt auf die Gutachten von Dr. E. und Prof. Dr. H. – am 26. Oktober 1971 unter Aufhebung des angefochtenen Bescheides verurteilt, dem Kläger durch einen neuen Bescheid die Folgen des Unfalls vom 18. Dezember 1939 ab 1. September 1966 nach einer MdE von 30 v.H. zu entschädigen.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 10. November 1971 zugestellte Urteil am 25. November 1971 Berufung eingelegt.
Es ist Prof. Dr. R. ergänzend zu seinem Gutachten vom 19. Mai 1971 nach Aktenlage gehört worden. In seiner Stellungnahme vom 3. Dezember 1972 hat er unter anderem ausgeführt, der Unfallhergang sei geeignet gewesen, eine Schädelknochenimpressionsfraktur zu verursachen. Es entspreche den Erfahrungen, daß auch heute noch solche Verletzungen beim Vorliegen anderer und schwerer Art übersehen würden, wenn nicht besonders darauf hingewiesen werden. Auch ein beschwerdefreies Intervall von rd. 14 Jahren spreche nicht gegen ein unfallbedingtes Auftreten von Wirbelsäulenbeschwerden im Jahre 1958. Es könne auch noch Jahre nach Wirbelsäulenverletzungen zunehmend zu arachnitischen Veränderungen bis hin zum Bild eines raumfordernden spinalen Prozesses kommen.
Es sind außerdem vor dem Senat der Kläger persönlich und seine Ehefrau A. H. (H.) als Zeugen gehört worden. Insoweit wird auf die Sitzungsniederschrift vom 28. November 1973 und ihre Anlage verwiesen.
Die Beklagte bestreitet ihre Zuständigkeit; sie hält, da es sich ihrer Ansicht nach nicht um einen Fremdrentenfall handelt, zur Regelung des Versicherungsverhältnisses die Beigeladenen für zuständig. Im übrigen behauptet sie, daß Unfallfolgen in rentenberechtigendem Grade nicht mehr vorliegen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 26. Oktober 1971 aufzuheben und die Klage abzuweisen sowie die Beigeladene zu verurteilen, dem Kläger die Folgen des Unfalls vom 18. Dezember 1939 ab 1. September 1966 nach einer MdE um 30 % zu entschädigen,
hilfsweise,
von Amts wegen eines weiteres Gutachten zur Zusammenhangsfrage einzuholen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise,
die Beigeladene zu verurteilen, ihm die Folgen des Unfalls vom 18. Dezember 1939 ab 1. September 1966 nach einer MdE um 30 % zu entschädigen.
Die Beigeladene beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 26. Oktober 1971 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Während der Kläger sich auf das seiner Ansicht nach zutreffende sozialgerichtliche Urteil beruft, hält sich die Beigeladene nicht zur Regelung des Versicherungsverhältnisses für zuständig. Sie behauptet im übrigen, daß Unfallfolgen im rentenberechtigenden Grade nicht mehr vorliegen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Streit- und Unfallakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte Berufung ist frist- und formgerecht eingelegt und daher zulässig.
Sie ist auch begründet, soweit die Beklagte zur Gewährung von Verletztenrente verurteilt worden ist. Das auf die zulässig erhobene Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 10. Januar 1967 ergangene sozialgerichtliche Urteil konnte keinen Bestand haben. Die Klage ist gegenüber der Beklagten nicht begründet, da diese nicht der zuständige Versicherungsträger ist.
Hierzu ist zunächst festzustellen, daß der Kläger am 18. Dezember 1939 im Betrieb der Landwirte Sch. einen landwirtschaftlichen Arbeitsunfall dadurch erlitten hat, daß er beim Überqueren eines Bahnüberganges der Bahnstrecke S.-S. von einem beladenen Heuwagen fiel und wegen der sich hierbei zugezogenen Verletzungen im Städtischen Krankenhaus S. stationär behandelt werden mußte. Das haben der Kläger und sein früherer Arbeitgeber Sch. übereinstimmend angegeben. Das Städtische Krankenhaus S. hat am 14. Oktober 1966 die stationäre Heilbehandlung bestätigt.
Hiernach konnte sich die Zuständigkeit der Beklagten, da der Kläger einen landwirtschaftlichen Unfall erlitten hat, nur aus § 9 Abs. 2 des Fremdrentengesetzes in der Fassung des Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes (FANG) vom 25. Februar 1960 (BGBl. I Seite 93) – FRG – ergeben. Indessen liegt – entgegen der Ansicht des Sozialgerichts – kein Fall des Fremdenrentenrechts vor. Das auch im Lande B. geltende FRG (vgl. Art. 7 § 1 FANG) kommt nicht zur Anwendung, da der Kläger am 18. Dezember 1939 keinen Arbeitsunfall außerhalb des Geltungsbereiches des FRG erlitten hat und gleichzeitig bei einem dortigen Träger der gesetzlichen Unfallversicherung versichert war (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 FRG). Der Arbeitsunfall hat sich im landwirtschaftlichen Betrieb des Sch. in B.-H., A.-H. zugetragen, dessen Sitz sich im heutigen Land B. befindet. Ohne rechtliche Bedeutung ist, daß sich der Unfall auf der Bahnstrecke S.-S. und damit außerhalb des heutigen Landes B., nämlich in der heutigen Deutschen Demokratischen Republik, ereignete. Maßgeblich ist der Sitz des Unternehmens im Geltungsbereich des FRG mit der Folge der sogenannten Ausstrahlung (vgl. Lauterbach, Unfallversicherung, 3. Aufl., Anm. 3 b zu § 539 Reichsversicherungsordnung – RVO –; Merkle-Michel, Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetz, Anm. 3 zu § 5 FRG; Hoernik-Jahn-Wickenhagen, Fremdrentengesetz, Anm. 6 zu § 5 FRG; Zilz in BG 1954 Seite 347 f.).
Zuständig zur Regelung des Versicherungsverhältnisses ist vielmehr die Beigeladene. Ihre Zuständigkeit beruht auf §§ 12, 14 Abs. 2, 17 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über Zulagen und Mindestleistungen in der gesetzlichen Unfallversicherung und zur Überleitung des Unfallversicherungsrechts im Lande Berlin – UZG – vom 29. April 1952 (BGBl. I S. 253), ergänzt durch Gesetz vom 30. April 1952 (BGBl. I S. 259), i.V. mit dem Erlaß des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung – BMA – vom 19. August 1952. Diese Bestimmung sind auch auf Unfälle, die vor dem 8. Mai 1945 eingetreten sind und zum Zuständigkeitsbereich eines landwirtschaftlichen berufsgenossenschaftlichen Versicherungsträgers, hier der Brandenburgischen landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft, gehört haben, anzuwenden (vgl. Zilz a.a.O.). Das Fremdrentenrecht kommt hier nicht zum Zuge, da ein Zusammenhang zwischen dem UZG und dem FRG nicht besteht. Die Beklagte hat zutreffend darauf hingewiesen, daß dieser Zusammenhang schon aus zeitlichen Gründen ausscheidet. Das UZG ist gem. §§ 26 Abs. 6, 17 Abs. 1 Nr. 1 bereits am 1. Januar 1951, das Fremdrentenrecht aber gem. § 20 des Fremdrenten- und Auslandsrentengesetzes erst am 1. April 1952 in Kraft getreten. Auch das FANG vom 25. Februar 1960 hat keine Änderung des UZG gebracht. Art. 7 § 3 Abs. 1 Satz ... FANG hat zwar alle inhaltsgleichen und entgegenstehenden Vorschriften außer Kraft gesetzt. Diese Vorschrift berührt aber nicht das UZG, da das FANG nur das bisherige Fremdrentenrecht regelt. Das bedeutet aber, daß § 17 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UZG zur im Zusammenhang mit §§ 12, 14 Abs. 2 UZG gesehen werden kann mit der Folge, daß im vorliegenden Fall allein die Zuständigkeit der Beigeladenen begründet ist.
Diese war daher als zuständiger Versicherungsträger zur Gewährung von Verletztenrente zu verurteilen (§ 75 Abs. 2, 2. Alternative und Abs. 5 des Sozialgerichtsgesetzes SGG ). Die Folgen des Arbeitsunfalles vom 18. Dezember 1939 bedingen seit August 1966, dem Monat der Wohnsitznahme des Klägers in der Bundesrepublik Deutschland, einen Grad der MdE in Höhe von 30 v.H. (§ 581 Abs. 1 RVO).
Der Senat sieht aufgrund der Ermittlungen der Beklagten, das Ergebnis der im ersten und zweiten Rechtszuge durchgeführten Beweisaufnahme und der Angaben des persönlich angehörten Klägers als erwiesen an, daß als Unfallfolgen sowohl im Sinne einer unmittelbaren als auch mittelbaren wesentlichen Verursachung mit Wahrscheinlichkeit Veränderungen am 8. und 9. BWK und am 1. LWK, eine Schädelimpressionsfraktur im hinteren Scheitelbereich rechts, arachnitische Verklebungen – besonders in Höhe des 10./11. Brustwirbel- und Störungen durch verbliebene Kontrastmittelreste nach Myelographie im Jahre 1960 bestehen. Wahrscheinlichkeit ist anzunehmen, war bei vernünftiger Abwägung aller für und gegen den Zusammenhang sprechenden Umstände die für den Zusammenhang sprechende Erwägungen so stark überwiegen, daß die dagegen sprechenden bei der richterlichen Überzeugungsbildung billigerweise außer Betracht bleiben können (vgl. BSG SozR Nr. 20 zu § 542 a.N.; Lauterbach a.a.O. Anm. 17 zu § 548 RVO).
Es ist zunächst wahrscheinlich, daß es bei dem Arbeitsunfall zu einem Schädelhirntrauma gekommen ist. Zwar wurde eine entsprechende Diagnose vom Städtischen Krankenhaus S. nicht mitgeteilt. Auch aus der Behandlungskarte des Ambulatoriums der Nordöstlichen Eisen- und Stahl-Berufsgenossenschaft in B. aus den Jahren 1939/40 ergibt sich hierzu kein Hinweis. Gleichwohl sieht der Senat dieses Trauma als erwiesen an. Röntgenologisch ist, wie der Sachverständige Prof. Dr. R. mitgeteilt hat, eine Impressionsfraktur rechts im hinteren Parietalbereich nachgewiesen. Der Kläger hat diesen Nachverständigen gegenüber angegeben, im Städtischen Krankenhaus S. am Kopf behandelt worden zu sein, und zwar durch Auflegen von Eisbeuteln. Dies hat er bei seiner persönlichen Anhörung vor dem Senat bestätigt, nachdem er eindringlich über die strafrechtlichen Folgen falscher Angaben (§ 263 Strafgesetzbuch) belehrt worden ist. Er hat auch glaubhaft versichert, niemals einen anderen Unfall oder andere Verletzungen am Kopf gehabt zu haben. Seine als Zeugin vorgenommene Ehefrau hat ferner bekundet, seit ihrem Kennenlernen im Jahre 1947 habe er niemals einen Kopfunfall gehabt und sie habe von keinem anderen Unfall des Klägers etwas erfahren. Das Geschehen am Unfalltag ist ferner geeignet gewesen, eine solche Verletzung hervorzurufen, denn der Kläger ist beim Überqueren eines Bahnüberganges von einem beladenen Heuwagen gestürzt. Es entspricht auch den Erfahrungen des Senats, wenn Prof. Dr. R. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 3. Dezember 1972 hierzu ausführt, daß ein Schädeltrauma leicht übersehen werden könne, wenn im Vordergrund schwerwiegende Verletzungen an der Wirbelsäule stünden. Hierfür spricht auch, daß der Kläger rückschauend die Schädelverletzung als nicht so gravierend empfunden hat. Diese nach alledem durch den Unfall wahrscheinlich hervorgerufene Schädelimpression bewirkt eine nachgewiesene EEG – Veränderung links und die geklagten Kopfbeschwerden, wie Prof. Dr. R. überzeugend ausgeführt hat.
Außerdem steht zur Überzeugung des Senats fest, daß es bei dem Arbeitsunfall zu einem Bruch des 81 BWK und des rechten Querfortsatzes des 1. LWK gekommen ist. Dies ist nach dem Bericht des Städtischen Krankenhauses S. und der Behandlungskarte des Ambulatoriums der Nordöstlichen Eisen- und Stahl-Berufsgenossenschaft in B. aus dem Jahre 1939/40 erwiesen. In Übereinstimmung mit dem Chirurgen Dr. S. und dem Orthopäden Dr. E. kommt Prof. Dr. R. in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, daß nach den erhobenen Befunden und der Vorgeschichte Veränderungen am 8. und 9. BWK sowie am 1. LWK vorliegen. Es ist in der Folgezeit sodann durch Vernarbungsvorgänge zu arachnitischen Verklebungen – besonders in Höhe des 10./11. BWK – gekommen. Dies ist aufgrund der vom Kläger vorgelegte Berichte der Poliklinik K. vom 23. Oktober 1969 über die stationäre Behandlung vom 12. Mai bis 6. Juni 1960 sowie der Neurologischen Klinik der Universität P. vom 19. Oktober 1962 über die dort ebenfalls durchgeführte stationäre Behandlung vom 27. September bis 22. Oktober 1962 und der erhobenen Befunde im Gutachten des Prof. Dr. R. vom 19. Mai 1971, insbesondere nach den gefertigten Röntgenbildern erwiesen. Der Einzuziehung der Röntgenbilder die Dr. E. vom Berufsgenossenschaftlichen Unfallkrankenhaus in F. im Jahre 1969 gefertigt hat, bedurfte es nicht.
Der Senat folgt den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. R. auch dahin, daß ein beschwerdefreies Intervall von 1944 bis 1958 – entgegen der Ansicht des Chirurgen Dr. med. N. vom 20. Juni 1961 – der Annahme eines unfallbedingten Zusammenhangs nicht entgegensteht. Der Kläger klagte erstmals 1958 über typische Beschwerden, wie sie bei einer Arachnitis spinalis auftreten. Bei ihr handelt es sich um Veränderungen der Wirbelsäule bis hin zum Bild eines raumfordernden spinalen Prozesses, wie sie oft nach Wirbelsäuleverletzungen auftreten. Da der Kläger und die Zeugin H. glaubhaft angegeben haben, daß keine weiteren Verletzungen aufgrund anderer Unfälle erlitten worden sind und auch die vom Kläger geschilderten Schläge mit dem Gummiknüppel auf Hände und Rücken im Arbeitserziehungslager B. im Jahre 1944 wahrscheinlich keine Verletzung der Wirbelsäule zur Folge hatten, weil Befunde hierfür nicht erhoben wurden, ist der Senat vom wahrscheinlichen Zusammenhang dieser Erkrankungen als Spätfolge der unmittelbar durch den Unfall verursachten Gesundheitsstörungen überzeugt. Damit sind auch die bei dem Kläger vorliegenden Störungen wegen verbliebener Kontrastmittel nach einer Myelographie im Jahre 1960 als Unfallfolgen im Sinne einer mittelbaren Verursachung festzustellen. Diese Untersuchungsmethode wurde in der Neurologischen Klinik P. wegen der beim Kläger bestehenden arachnitischen Beschwerden angewandt. Die zurückgebliebenen Kontrastmittel führen, wie Prof. Dr. R. ebenfalls überzeugend dargelegt hat, bei dem Kläger zu Beschwerden an der Schädelbasis und im Spinalkanal.
Die gegen diese Feststellungen erhobenen Einwände der Beklagten, die die Beigeladene zum Gegenstand ihres Vorbringens gemacht hat, vermögen demgegenüber, wie bereits dargetan, zu keiner anderen Beurteilung zu führen. Dies gilt auch für die von Prof. Dr. R. vorgenommene Einschätzung der MdE. Ihr hat der Chirurg Dr. N. für den Fall zugestimmt, daß die – später von Prof. Dr. R. bestätigten – Befunde und die sie bedingenden Beschwerden wahrscheinlich im Unfallzusammenhang stehen. Dies ist aber, wie bereits ausgeführt, der Fall.
Nach alledem war daher die Beigeladene zur Gewährung der Verletztenrente an den Kläger zu verurteilen, wobei außer den in der Urteilsformel niedergelegten Unfallfolgen als weitere unfallbedingte Schädigungen Veränderungen am 8. und 9. BWK sowie am 1. LWK einzubeziehen sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
II. Die Beigeladene wird verurteilt, dem Kläger Verletztenrente ab 1. September 1966 wegen arachnitischer Verklebungen in Höhe des 10./11. Brustwirbels und Störungen auf Grund verbliebener Kontrastmittel sowie der Folgen einer Schädelimpressionsfraktur im hinteren Scheitelbereich rechts nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 30 v.H. zu gewähren.
III. Die Beigeladene hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
Tatbestand:
Der 1918 in U. geborene Kläger meldete bei der Beklagten am 12. September 1966, nachdem er mit seiner Familie aus der T. in die Bundesrepublik Deutschland am 26. August 1966 übergesiedelt war, Entschädigungsansprüche aus Anlaß eines Arbeitsunfalles vom 18. Dezember 1939 an. Er war im Sommer 1939 aus seiner s. Heimat nach B. gekommen, wo er als landwirtschaftlicher Arbeiter im Betrieb des Landwirtes F. S. (Sch.) in B. H., A. H., Arbeit fand. Am 18. Dezember 1939 fiel er nach seinen Angaben beim Überqueren eines Bahnüberganges in H. von einem mit Heu beladenen Anhänger nach einem Zusammenstoß mit einem Zug. Er gab an, sich Brüche des 8. Brustwirbels und rechten Querfortsatzes des ersten Lendenwirbels sowie eine Kopfverletzung zugezogen zu haben. Nach den Angaben seines damaligen Arbeitgebers F. S. vor dem Senator für Arbeit und Soziale Angelegenheiten von B. am 28. Oktober 1966 hat sich der Arbeitsunfall beim Überqueren eines unbeschrankten Schienenkörpers der Strecke S.-S. zugetragen. Auf Antrage der Beklagten teilte das Städtische Krankenhaus S., wo der Kläger bis zum 10. Februar 1940 stationär behandelt werden mußte, am 14. Oktober 1966 mit, daß er wegen Verdachtes auf Rippen- und Wirbelbruch eingeliefert worden sei. Die Entlassungsdiagnose lautete: Wirbelbruch des linken Brustwirbels. Der Kläger ist anschließend im Ambulatorium der Nordöstlichen Eisen- und Stahlberufsgenossenschaft, Sektion I, in B., bis zuletzt am 20. August 1940 behandelt worden. Die Beklagte ließ den Kläger durch den Facharzt für Chirurgie Dr. S. am 26. November 1966 untersuchen und begutachten. In seinem Gutachten vom gleichen Tage fand er als Unfallfolgen: "Zustand nach Fraktur des 8. Brustwirbelkörpers, ohne wesentliche Formveränderung ausgeheilt, folgenlos ausgeheilte Fraktur des Querfortsatzes des 1. Lendenwirbelkörpers, Oberfläche Defektbildung des rechten Scheitelbeine.” Den Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) schätzte er auf 10 v.H. ein. Hierauf lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 10. Januar 1967, da ein rentenberechtigender Grad nicht erreicht werde, den geltend gemachten Anspruch auf Entschädigung aus Anlaß des Arbeitsunfalles vom 18. Dezember 1939 ab.
Gegen den ihm am 14. Januar 1967 gegen Rückschein ausgehändigten Bescheid hat der Kläger mit der am 25. Januar 1967 bei der Beklagten eingegangenen und von dieser dem Sozialgericht Gießen – SG – am 16. März 1967 vorgelegten Klageschrift vom 23. Januar 1967 Klage erhoben. Der Kläger, der Inhaber des Ausweises A für Vertriebene und Flüchtlinge ist, hat als Folgen des Arbeitsunfalls vom 18. Dezember 1939 unter Hinweis auf eine ärztliche Bescheinigung der Hausärztin Dr. L. vom 7. August 1967 eine Lumbalgie, spondylarthrotische Veränderungen der unteren Brustwirbel- und Lendenwirbelsäule, ein Cervikal-Syndrom sowie Beschwerden nach einer Luftmyelographie geltend gemacht und das Krankenblatt der Neurologischen Universitätsklinik P. über eine Behandlung vom 27. September bis 22. Oktober 1962 sowie einen neurologischen Befundbericht der Poliklinik des Krankenhauses K. vom 23. Oktober 1969 über eine Behandlung vom 12. Mai bis 6. Juni 1960 vorgelegt.
Das SG hat die Hannoversche landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft beigeladen, das arbeitsamtsärztliche Gutachten des Dr. B. vom 2. Februar 1967 und gemäß der Beschlüsse vom 21. April 1969 und vom 17. April 1970 die Gutachten des Orthopäden Dr. E. vom 24. Juli 1969 und des Neurochirurgen Prof. Dr. H. vom 19. Mai 1971 eingeholt. Der Sachverständige Dr. E. hat als Unfallfolgen den Bruch des 8. Brustwirbelkörpers – BWK – mit gering teilförmig deformierter Ausheilung und die Folgen einer 1960 vorgenommenen Kontrastmittelmyelographie angesehen, für sein Sachgebiet die unfallbedingte MdE mit 10 v.H. geschätzt und eine neurologische Zusatzbegutachtung angeregt. In seinem neurochirurgischen Gutachten hat der Sachverständige Prof. Dr. R. als Folgen des Arbeitsunfalles Veränderungen am 8. und 9. BWK und am 1. Lendenwirbelkörper – LWK –, eine Schädelimpressionsfraktur im hinteren Scheitelbereich rechts, arachnitische Verklebungen – besonders in Höhe des 10./11. BWK – und Störungen durch verbliebene Kontrastmittelreste nach Myelographie im Jahre 1960 bezeichnet sowie den Grad der MdE auf 30 v.H. geschätzt. Nach Vorlage einer gegenteiligen Stellungnahme des Dr. N. vom 20. Juni 1971 durch die Beklagte hat das SG diese als zuständigen Versicherungsträger angesehen und – gestützt auf die Gutachten von Dr. E. und Prof. Dr. H. – am 26. Oktober 1971 unter Aufhebung des angefochtenen Bescheides verurteilt, dem Kläger durch einen neuen Bescheid die Folgen des Unfalls vom 18. Dezember 1939 ab 1. September 1966 nach einer MdE von 30 v.H. zu entschädigen.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 10. November 1971 zugestellte Urteil am 25. November 1971 Berufung eingelegt.
Es ist Prof. Dr. R. ergänzend zu seinem Gutachten vom 19. Mai 1971 nach Aktenlage gehört worden. In seiner Stellungnahme vom 3. Dezember 1972 hat er unter anderem ausgeführt, der Unfallhergang sei geeignet gewesen, eine Schädelknochenimpressionsfraktur zu verursachen. Es entspreche den Erfahrungen, daß auch heute noch solche Verletzungen beim Vorliegen anderer und schwerer Art übersehen würden, wenn nicht besonders darauf hingewiesen werden. Auch ein beschwerdefreies Intervall von rd. 14 Jahren spreche nicht gegen ein unfallbedingtes Auftreten von Wirbelsäulenbeschwerden im Jahre 1958. Es könne auch noch Jahre nach Wirbelsäulenverletzungen zunehmend zu arachnitischen Veränderungen bis hin zum Bild eines raumfordernden spinalen Prozesses kommen.
Es sind außerdem vor dem Senat der Kläger persönlich und seine Ehefrau A. H. (H.) als Zeugen gehört worden. Insoweit wird auf die Sitzungsniederschrift vom 28. November 1973 und ihre Anlage verwiesen.
Die Beklagte bestreitet ihre Zuständigkeit; sie hält, da es sich ihrer Ansicht nach nicht um einen Fremdrentenfall handelt, zur Regelung des Versicherungsverhältnisses die Beigeladenen für zuständig. Im übrigen behauptet sie, daß Unfallfolgen in rentenberechtigendem Grade nicht mehr vorliegen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 26. Oktober 1971 aufzuheben und die Klage abzuweisen sowie die Beigeladene zu verurteilen, dem Kläger die Folgen des Unfalls vom 18. Dezember 1939 ab 1. September 1966 nach einer MdE um 30 % zu entschädigen,
hilfsweise,
von Amts wegen eines weiteres Gutachten zur Zusammenhangsfrage einzuholen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise,
die Beigeladene zu verurteilen, ihm die Folgen des Unfalls vom 18. Dezember 1939 ab 1. September 1966 nach einer MdE um 30 % zu entschädigen.
Die Beigeladene beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 26. Oktober 1971 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Während der Kläger sich auf das seiner Ansicht nach zutreffende sozialgerichtliche Urteil beruft, hält sich die Beigeladene nicht zur Regelung des Versicherungsverhältnisses für zuständig. Sie behauptet im übrigen, daß Unfallfolgen im rentenberechtigenden Grade nicht mehr vorliegen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Streit- und Unfallakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte Berufung ist frist- und formgerecht eingelegt und daher zulässig.
Sie ist auch begründet, soweit die Beklagte zur Gewährung von Verletztenrente verurteilt worden ist. Das auf die zulässig erhobene Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 10. Januar 1967 ergangene sozialgerichtliche Urteil konnte keinen Bestand haben. Die Klage ist gegenüber der Beklagten nicht begründet, da diese nicht der zuständige Versicherungsträger ist.
Hierzu ist zunächst festzustellen, daß der Kläger am 18. Dezember 1939 im Betrieb der Landwirte Sch. einen landwirtschaftlichen Arbeitsunfall dadurch erlitten hat, daß er beim Überqueren eines Bahnüberganges der Bahnstrecke S.-S. von einem beladenen Heuwagen fiel und wegen der sich hierbei zugezogenen Verletzungen im Städtischen Krankenhaus S. stationär behandelt werden mußte. Das haben der Kläger und sein früherer Arbeitgeber Sch. übereinstimmend angegeben. Das Städtische Krankenhaus S. hat am 14. Oktober 1966 die stationäre Heilbehandlung bestätigt.
Hiernach konnte sich die Zuständigkeit der Beklagten, da der Kläger einen landwirtschaftlichen Unfall erlitten hat, nur aus § 9 Abs. 2 des Fremdrentengesetzes in der Fassung des Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes (FANG) vom 25. Februar 1960 (BGBl. I Seite 93) – FRG – ergeben. Indessen liegt – entgegen der Ansicht des Sozialgerichts – kein Fall des Fremdenrentenrechts vor. Das auch im Lande B. geltende FRG (vgl. Art. 7 § 1 FANG) kommt nicht zur Anwendung, da der Kläger am 18. Dezember 1939 keinen Arbeitsunfall außerhalb des Geltungsbereiches des FRG erlitten hat und gleichzeitig bei einem dortigen Träger der gesetzlichen Unfallversicherung versichert war (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 FRG). Der Arbeitsunfall hat sich im landwirtschaftlichen Betrieb des Sch. in B.-H., A.-H. zugetragen, dessen Sitz sich im heutigen Land B. befindet. Ohne rechtliche Bedeutung ist, daß sich der Unfall auf der Bahnstrecke S.-S. und damit außerhalb des heutigen Landes B., nämlich in der heutigen Deutschen Demokratischen Republik, ereignete. Maßgeblich ist der Sitz des Unternehmens im Geltungsbereich des FRG mit der Folge der sogenannten Ausstrahlung (vgl. Lauterbach, Unfallversicherung, 3. Aufl., Anm. 3 b zu § 539 Reichsversicherungsordnung – RVO –; Merkle-Michel, Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetz, Anm. 3 zu § 5 FRG; Hoernik-Jahn-Wickenhagen, Fremdrentengesetz, Anm. 6 zu § 5 FRG; Zilz in BG 1954 Seite 347 f.).
Zuständig zur Regelung des Versicherungsverhältnisses ist vielmehr die Beigeladene. Ihre Zuständigkeit beruht auf §§ 12, 14 Abs. 2, 17 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über Zulagen und Mindestleistungen in der gesetzlichen Unfallversicherung und zur Überleitung des Unfallversicherungsrechts im Lande Berlin – UZG – vom 29. April 1952 (BGBl. I S. 253), ergänzt durch Gesetz vom 30. April 1952 (BGBl. I S. 259), i.V. mit dem Erlaß des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung – BMA – vom 19. August 1952. Diese Bestimmung sind auch auf Unfälle, die vor dem 8. Mai 1945 eingetreten sind und zum Zuständigkeitsbereich eines landwirtschaftlichen berufsgenossenschaftlichen Versicherungsträgers, hier der Brandenburgischen landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft, gehört haben, anzuwenden (vgl. Zilz a.a.O.). Das Fremdrentenrecht kommt hier nicht zum Zuge, da ein Zusammenhang zwischen dem UZG und dem FRG nicht besteht. Die Beklagte hat zutreffend darauf hingewiesen, daß dieser Zusammenhang schon aus zeitlichen Gründen ausscheidet. Das UZG ist gem. §§ 26 Abs. 6, 17 Abs. 1 Nr. 1 bereits am 1. Januar 1951, das Fremdrentenrecht aber gem. § 20 des Fremdrenten- und Auslandsrentengesetzes erst am 1. April 1952 in Kraft getreten. Auch das FANG vom 25. Februar 1960 hat keine Änderung des UZG gebracht. Art. 7 § 3 Abs. 1 Satz ... FANG hat zwar alle inhaltsgleichen und entgegenstehenden Vorschriften außer Kraft gesetzt. Diese Vorschrift berührt aber nicht das UZG, da das FANG nur das bisherige Fremdrentenrecht regelt. Das bedeutet aber, daß § 17 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UZG zur im Zusammenhang mit §§ 12, 14 Abs. 2 UZG gesehen werden kann mit der Folge, daß im vorliegenden Fall allein die Zuständigkeit der Beigeladenen begründet ist.
Diese war daher als zuständiger Versicherungsträger zur Gewährung von Verletztenrente zu verurteilen (§ 75 Abs. 2, 2. Alternative und Abs. 5 des Sozialgerichtsgesetzes SGG ). Die Folgen des Arbeitsunfalles vom 18. Dezember 1939 bedingen seit August 1966, dem Monat der Wohnsitznahme des Klägers in der Bundesrepublik Deutschland, einen Grad der MdE in Höhe von 30 v.H. (§ 581 Abs. 1 RVO).
Der Senat sieht aufgrund der Ermittlungen der Beklagten, das Ergebnis der im ersten und zweiten Rechtszuge durchgeführten Beweisaufnahme und der Angaben des persönlich angehörten Klägers als erwiesen an, daß als Unfallfolgen sowohl im Sinne einer unmittelbaren als auch mittelbaren wesentlichen Verursachung mit Wahrscheinlichkeit Veränderungen am 8. und 9. BWK und am 1. LWK, eine Schädelimpressionsfraktur im hinteren Scheitelbereich rechts, arachnitische Verklebungen – besonders in Höhe des 10./11. Brustwirbel- und Störungen durch verbliebene Kontrastmittelreste nach Myelographie im Jahre 1960 bestehen. Wahrscheinlichkeit ist anzunehmen, war bei vernünftiger Abwägung aller für und gegen den Zusammenhang sprechenden Umstände die für den Zusammenhang sprechende Erwägungen so stark überwiegen, daß die dagegen sprechenden bei der richterlichen Überzeugungsbildung billigerweise außer Betracht bleiben können (vgl. BSG SozR Nr. 20 zu § 542 a.N.; Lauterbach a.a.O. Anm. 17 zu § 548 RVO).
Es ist zunächst wahrscheinlich, daß es bei dem Arbeitsunfall zu einem Schädelhirntrauma gekommen ist. Zwar wurde eine entsprechende Diagnose vom Städtischen Krankenhaus S. nicht mitgeteilt. Auch aus der Behandlungskarte des Ambulatoriums der Nordöstlichen Eisen- und Stahl-Berufsgenossenschaft in B. aus den Jahren 1939/40 ergibt sich hierzu kein Hinweis. Gleichwohl sieht der Senat dieses Trauma als erwiesen an. Röntgenologisch ist, wie der Sachverständige Prof. Dr. R. mitgeteilt hat, eine Impressionsfraktur rechts im hinteren Parietalbereich nachgewiesen. Der Kläger hat diesen Nachverständigen gegenüber angegeben, im Städtischen Krankenhaus S. am Kopf behandelt worden zu sein, und zwar durch Auflegen von Eisbeuteln. Dies hat er bei seiner persönlichen Anhörung vor dem Senat bestätigt, nachdem er eindringlich über die strafrechtlichen Folgen falscher Angaben (§ 263 Strafgesetzbuch) belehrt worden ist. Er hat auch glaubhaft versichert, niemals einen anderen Unfall oder andere Verletzungen am Kopf gehabt zu haben. Seine als Zeugin vorgenommene Ehefrau hat ferner bekundet, seit ihrem Kennenlernen im Jahre 1947 habe er niemals einen Kopfunfall gehabt und sie habe von keinem anderen Unfall des Klägers etwas erfahren. Das Geschehen am Unfalltag ist ferner geeignet gewesen, eine solche Verletzung hervorzurufen, denn der Kläger ist beim Überqueren eines Bahnüberganges von einem beladenen Heuwagen gestürzt. Es entspricht auch den Erfahrungen des Senats, wenn Prof. Dr. R. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 3. Dezember 1972 hierzu ausführt, daß ein Schädeltrauma leicht übersehen werden könne, wenn im Vordergrund schwerwiegende Verletzungen an der Wirbelsäule stünden. Hierfür spricht auch, daß der Kläger rückschauend die Schädelverletzung als nicht so gravierend empfunden hat. Diese nach alledem durch den Unfall wahrscheinlich hervorgerufene Schädelimpression bewirkt eine nachgewiesene EEG – Veränderung links und die geklagten Kopfbeschwerden, wie Prof. Dr. R. überzeugend ausgeführt hat.
Außerdem steht zur Überzeugung des Senats fest, daß es bei dem Arbeitsunfall zu einem Bruch des 81 BWK und des rechten Querfortsatzes des 1. LWK gekommen ist. Dies ist nach dem Bericht des Städtischen Krankenhauses S. und der Behandlungskarte des Ambulatoriums der Nordöstlichen Eisen- und Stahl-Berufsgenossenschaft in B. aus dem Jahre 1939/40 erwiesen. In Übereinstimmung mit dem Chirurgen Dr. S. und dem Orthopäden Dr. E. kommt Prof. Dr. R. in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, daß nach den erhobenen Befunden und der Vorgeschichte Veränderungen am 8. und 9. BWK sowie am 1. LWK vorliegen. Es ist in der Folgezeit sodann durch Vernarbungsvorgänge zu arachnitischen Verklebungen – besonders in Höhe des 10./11. BWK – gekommen. Dies ist aufgrund der vom Kläger vorgelegte Berichte der Poliklinik K. vom 23. Oktober 1969 über die stationäre Behandlung vom 12. Mai bis 6. Juni 1960 sowie der Neurologischen Klinik der Universität P. vom 19. Oktober 1962 über die dort ebenfalls durchgeführte stationäre Behandlung vom 27. September bis 22. Oktober 1962 und der erhobenen Befunde im Gutachten des Prof. Dr. R. vom 19. Mai 1971, insbesondere nach den gefertigten Röntgenbildern erwiesen. Der Einzuziehung der Röntgenbilder die Dr. E. vom Berufsgenossenschaftlichen Unfallkrankenhaus in F. im Jahre 1969 gefertigt hat, bedurfte es nicht.
Der Senat folgt den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. R. auch dahin, daß ein beschwerdefreies Intervall von 1944 bis 1958 – entgegen der Ansicht des Chirurgen Dr. med. N. vom 20. Juni 1961 – der Annahme eines unfallbedingten Zusammenhangs nicht entgegensteht. Der Kläger klagte erstmals 1958 über typische Beschwerden, wie sie bei einer Arachnitis spinalis auftreten. Bei ihr handelt es sich um Veränderungen der Wirbelsäule bis hin zum Bild eines raumfordernden spinalen Prozesses, wie sie oft nach Wirbelsäuleverletzungen auftreten. Da der Kläger und die Zeugin H. glaubhaft angegeben haben, daß keine weiteren Verletzungen aufgrund anderer Unfälle erlitten worden sind und auch die vom Kläger geschilderten Schläge mit dem Gummiknüppel auf Hände und Rücken im Arbeitserziehungslager B. im Jahre 1944 wahrscheinlich keine Verletzung der Wirbelsäule zur Folge hatten, weil Befunde hierfür nicht erhoben wurden, ist der Senat vom wahrscheinlichen Zusammenhang dieser Erkrankungen als Spätfolge der unmittelbar durch den Unfall verursachten Gesundheitsstörungen überzeugt. Damit sind auch die bei dem Kläger vorliegenden Störungen wegen verbliebener Kontrastmittel nach einer Myelographie im Jahre 1960 als Unfallfolgen im Sinne einer mittelbaren Verursachung festzustellen. Diese Untersuchungsmethode wurde in der Neurologischen Klinik P. wegen der beim Kläger bestehenden arachnitischen Beschwerden angewandt. Die zurückgebliebenen Kontrastmittel führen, wie Prof. Dr. R. ebenfalls überzeugend dargelegt hat, bei dem Kläger zu Beschwerden an der Schädelbasis und im Spinalkanal.
Die gegen diese Feststellungen erhobenen Einwände der Beklagten, die die Beigeladene zum Gegenstand ihres Vorbringens gemacht hat, vermögen demgegenüber, wie bereits dargetan, zu keiner anderen Beurteilung zu führen. Dies gilt auch für die von Prof. Dr. R. vorgenommene Einschätzung der MdE. Ihr hat der Chirurg Dr. N. für den Fall zugestimmt, daß die – später von Prof. Dr. R. bestätigten – Befunde und die sie bedingenden Beschwerden wahrscheinlich im Unfallzusammenhang stehen. Dies ist aber, wie bereits ausgeführt, der Fall.
Nach alledem war daher die Beigeladene zur Gewährung der Verletztenrente an den Kläger zu verurteilen, wobei außer den in der Urteilsformel niedergelegten Unfallfolgen als weitere unfallbedingte Schädigungen Veränderungen am 8. und 9. BWK sowie am 1. LWK einzubeziehen sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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