Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
4
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 V 920/73
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Die Verurteilung der Versorgungsverwaltung, bei einem Zugunstenbescheid eine Rückwirkung von vier Jahren auszusprechen, kann schon deshalb nicht erfolgen, weil es in dem Ermessen der Versorgungsverwaltung steht, auch für einen längeren Zeitraum eine Rückwirkung auszusprechen. Die entsprechende Verurteilung stellt einen Verfahrensmangel i.S.d, § 150 Ziff. 2 SGG dar.
2. Hat die Versorgungsverwaltung für die Berechnung des Schadensausgleiches von mehreren Möglichkeiten einer beruflichen Entwicklung eine zur Wahrscheinlichkeit erhoben und hierüber einen bindenden Bescheid erteilt, so kann diese Wahrscheinlichkeit nicht widerlegt werden. Sie süß somit bestehen bleiben.
2. Hat die Versorgungsverwaltung für die Berechnung des Schadensausgleiches von mehreren Möglichkeiten einer beruflichen Entwicklung eine zur Wahrscheinlichkeit erhoben und hierüber einen bindenden Bescheid erteilt, so kann diese Wahrscheinlichkeit nicht widerlegt werden. Sie süß somit bestehen bleiben.
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Marburg/Lahn vom 16. August 1973 aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen, das auch über die Kosten zu entscheiden hat.
Tatbestand:
Die Klägerin erhält nach ihrem 1914 geborenen und 1945 verschollenen Ehemann J. S. Hinterbliebenenversorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG). Da ihr Ehemann Schmiedegeselle gewesen war, gewählte ihr der Beklagte mit Bescheid vom 19. November 1965 Schadensausgleich unter Berücksichtigung eines Durchschnittseinkommens ihres verstorbenen Ehemannes als Vollgeselle im Schlosserhandwerk.
Im Mai 1971 beantragte die Klägerin die Einstufung ihres verstorbenen Ehemannes in die Besoldungsgruppe A 9 Bundesbesoldungsgesetz (BBesG). Sie verwies darauf, daß der Vater ihres Ehemannes selbständiger Schmiedemeister gewesen sei. Ihr Ehemann habe als einziger Sohn die Schmiede des Vaters übernehmen sollen. Die Kreishandwerkerschaft Z. bestätigte am 3. Juni 1971, daß der Vater des Verschollenen von 1930 bis zum 31. März 1952 "mit dem Schmiedehandwerk in die Handwerksrolle” eingetragen war. Der Bürgermeister in H. teilte am 10. Juni 1971 mit, der Vater habe neben einer kleinen Landwirtschaft ein selbständiges Schmiedehandwerk betrieben, den überwiegenden Teil seines Lebensunterhaltes aus der Schmiede bestritten, die sein verschollener Sohn habe übernehmen sollen. Der Bürgermeister bescheinigte am 23. Juni 1971 eine Erklärung der Klägerin vom gleichen Tage als wahrheitsgemäß, wonach ihr Ehemann im November 1937 zum Wehrdienst einberufen wurde und er vom Abschluß seiner Berufsausbildung bis zur Einberufung als Schmiedegeselle berufstätig gewesen sei. Die Lehrzeit als Schmied hatte die Klägerin früher von 1928 bis 1931 angegeben. Weiter teilte der Bürgermeister dem Beklagten noch mit, daß in H. kein weiteres Schmiedehandwerk mehr angemeldet wurde, nachdem der Vater des Verschollenen sein Handwerk abgemeldet hatte.
Am 10. Dezember 1971 erließ der Beklagte einen Bescheid nach § 40 Abs. 1 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (VerwVG). Hierin berechnete der Beklagte den Schadensausgleich der Klägerin unter Berücksichtigung eines Durchschnittseinkommens ihres verschollenen Ehemannes nach dem Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe A 7 BBesG ab 1. Mai 1967 und berief sich für die vorangegangene Zeit auf die Bindung des Bescheides vom 19. November 1965. Er führt aus, der frühere Bescheid sei insoweit unrichtig, als nicht berücksichtigt worden sei, daß der Verschollene bei gesunder Heimkehr wahrscheinlich die 7,42 ha große elterliche Landwirtschaft übernommen hätte. Es sei nicht wahrscheinlich, daß der Ehemann der Klägerin im Erlebensfalle heute als Schmiedemeister selbständig tätig wäre.
Mit dem Widerspruch behauptete die Klägerin, ihr Ehemann habe den Schmiedebetrieb seines Vaters übernehmen und die Meisterprüfung ablegen sollen. In der Regel hätten sieh die früheren Schmiedebetriebe auf Landwirtschaftsmaschinen umgestellt. Sie begehrte Einstufung in die Besoldungsgruppe A 9 BBesG. Die Zugunstenentscheidung müsse auf den 1. Januar 1967 zurückwirken, was sich aus einem BSG-Urteil ergebe. Sie überreichte eine Bescheinigung des Gemeindevorstandes zu G. vom 6. Januar 1972. Hiernach war der Vater des Gefallenen Schmiedemeister und Landwirt. Da sich die vorhandenen Schmiedebetriebe auf Landmaschinen umgestellt hätten, hätte dies auch der Gefallene getan, nachdem unmittelbar im Anschluß an den Krieg noch ein großer Bedarf an Schmieden vorhanden gewesen sei. Mit Bescheid vom 8. Mai 1972 wies der Beklagte den Widerspruch unter Hinweis darauf zurück, daß kaum noch selbständige Schmiedemeister ihre Betriebe als alleinige Erwerbsquelle führen könnten. Die Rückwirkung von 4 Jahren für den Zugunstenbescheid sei nach den Verwaltungsvorschriften Nr. 8 zu § 40 Abs. 1 VerwVG richtig berechnet.
Mit ihrer Klage hielt die Klägerin an der Widerspruchsbegründung fest. Der Beklagte verwies darauf, daß der Verschollene bei der vollständigen Gewerbefreiheit nach dem Kriege eine Meisterprüfung zur Übernahme eines Handwerksbetriebes nicht habe abzulegen brauchen.
Das Sozialgericht Marburg/Lahn verurteilte den Beklagten entsprechend dem Klageanträge mit Urteil vom 16. August 1973 unter Abänderung der angefochtenen Bescheide der Klägerin ab 1. Januar 1967 Schadensausgleich unter Zugrundelegung der Besoldungsgruppe A 9 BBesG zu gewähren. Es begründete sein Urteil damit, es habe ein neuer Bescheid nach § 40 Abs. 2 VerwVG erteilt werden müssen, weil das Bundessozialgericht nunmehr eine andere Rechtsauffassung vertrete. Der Beklagte habe den Ehemann der Klägerin nicht als selbständigen Landwirt einordnen dürfen, sondern, als Schmied. Trotz Rückgang des Schmiedehandwerkes in ländlichen Gegenden seien die Schmiedebetriebe selbst durch Umstellung auf andere Metallberufe aufrecht erhalten geblieben. Sie hätten sieh auf Bauschlosserei oder landwirtschaftliche Geräte und Maschinen spezialisiert. Bei der Aufgabe des Betriebes im Jahre 1952 durch den Vater des Verschollenen sei eine Umstellung des Schmiedebetriebes aus wirtschaftlichen Gründen noch nicht nötig gewesen. Der Verschollene hätte den Betrieb deshalb bei gesunder Rückkehr aus dem Kriege fortgeführt und auch entsprechend umgestellt.
Bei ländlichen Handwerkern sei stets ein gewisser landwirtschaftlicher Besitz vorhanden. "Als Hauptteil” müsse aber der Handwerksbetrieb angesehen werden. Es sei anderenfalls nicht einleuchtend, warum der ländliche Handwerker eine Meisterprüfung ablege, um einen Betrieb zu gründen und Lehrlinge anzuleiten, wenn er diese Tätigkeit als Nebenerwerb ansehe. Die allgemeine Lebenserfahrung und die Kenntnis ländlicher Verhältnisse habe das Sozialgericht zu der Überzeugung geführt, daß der Beklagte sein Ermessen nicht ausreichend ausgeübt habe. Da nur die Beurteilung des Ehemannes der Klägerin als selbständig tätiger Schmied zutreffend sei, sei ein Ermessensspielraum bei sachgemäßer Ausübung des Ermessens nicht mehr vorhanden, "infolgedessen” habe "auch die Rückwirkung der Zugunstenentscheidung auf 4 Jahre vor Antragsjahr festgelegt werden” müssen. Das Urteil enthielt die Rechtsmittelbelehrung, daß die Berufung gemäß § 148 Ziff. 3 SGG nicht zulässig sei, sofern nicht ein wesentlicher Mangel des Verfahrens gerügt werde.
Die schriftliche Berufung des Beklagten gegen dieses ihm am 27. August 1973 zugestellte Urteil ging am 25. September 1973 beim Hessischen Landessozialgericht ein. Der Beklagte hält die Berufung schon deshalb für statthaft, weil eine Zugunstenentscheidung im Streit steht. Außerdem liege ein Verfahrensmangel darin, daß das Sozialgericht zu einer Leistung verurteilt habe, was nur dann möglich sei, wenn jede andere Entscheidung ermessenswidrig wäre. Gerade die Erwägungen beim Schadensausgleich hinsichtlich hypothetischer Berufsentwicklungen seien klassische Beispiele dafür, daß man nie exakt sagen könne, wie sich die Dinge entwickelt hätten. Das Sozialgericht habe neue Beweise nicht erhoben und habe sich lediglich für die Möglichkeit einer anderen hypothetischen Berufsentwicklung entschieden. Der landwirtschaftliche Besitz von etwa 7,5 ha habe nach Maßgabe des § 1 GAL eine Existenzgrundlage geboten. Da der Bürgermeister die Anfrage des Versorgungsamtes, ob seit dem Jahre 1953 in H. noch ein anderer Schmiedebetrieb bestanden habe nicht bejaht habe, Müsse davon ausgegangen werden, daß sieh für einen hauptberuflichen Schmied keinerlei Existenzgrundlage mehr gefunden hätte. Die Erwägungen des Sozialgerichtes hinsichtlich der ländlichen Handwerker träfen jedenfalls nicht für die Berufe zu, die aufgrund der veränderten Wirtschaftsstruktur nach dem Kriege im Aussterben begriffen seien, wie Schmiede oder Schumacher. Es habe auch nicht angenommen werden können, daß der Verschollene die Meisterprüfung noch abgelegt hätte. Als hauptberuflicher Schmied ohne Meisterprüfung würde aber die gleiche Einstufung wie in dem angefochtenen Bescheid erfolgen. Mit der vom Sozialgericht angeordneten Rückwirkung der angefochtenen Zugunstenentscheidung sei die Verwaltungsvorschrift Nr. 8 zu § 40 VerwVG mißachtet worden, wonach die Rückwirkung von Zugunstenentscheidungen auf 4 Jahre vom Antragsmonat an festzusetzen seien. Hierzu verwies der Beklagte auf die Urteile des Hessischen Landessozialgerichtes vom 14. März 1973 – L-5/V – 429/72 – und vom 5. Juni 1973 – L-4/V – 573/72 –.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichtes Marburg/Lahn vom 16. August 1973 - S-5/V-93/72 - aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.
Wegen der näheren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Streitakte in beiden Rechtszügen und den der Versorgungsakten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist form- und fristgerecht erhoben. Sie Ist auch statthaft. Entgegen der Rechtsmittelbelehrung im sozialgerichtlichen Urteil liegen die Voraussetzungen des § 148 Nr. 3 SGG nicht vor. Daß die Berufung keinen Streit "wegen Änderung der Verhältnisse” betrifft, ergibt sieh schon daraus, daß die Klägerin sich ja nicht auf eine Änderung solcher Verhältnisse beruft, sondern vorträgt, die dem bindenden Bescheid vom 19. November 1965 zugrunde liegenden Verhältnisse seien unrichtig beurteilt, so daß dieser Bescheid als von Anfang an falsch anzusehen sei. Das Vorbringen der Klägerin ist damit darauf gerichtet, ihr einen Zugunstenbescheid nach § 40 Abs. 1 VerwVG zu erteilen und nicht einen Bescheid nach § 62 BVG. Daraus folgt, daß nicht ein Rechtsanspruch, sondern eine Ermessensleistung im Streit steht. Darüber hinaus würde die vom Sozialgericht ausgesprochene Verurteilung über einen anderen Zeitpunkt als den vom Beklagten seiner Leistung Zugrundegelegten den Beginn im Sinne des § 148 Ziff. 2 SGG betreffen. Es kann dahingestellt bleiben, ob ein hierdurch bedingter Berufungsausschluß durch die weiter unten zu erörternden wesentlichen Mängel des Verfahrens vor dem Sozialgericht aufgehoben würde, weil insoweit kein reiner "Beginnstreit” im Sinne der genannten Bestimmung vorliegt (vgl. Peters-Sautter-Wolff, Anm. 3 b zu § 145 SGG). Auch insoweit wäre also ein Berufungsausschluß nicht gegeben.
In diesem Zusammenhange ist auch darauf hinzuweisen, daß die Auffassung des Sozialgerichts die Rückwirkung auf den 1. Januar 1967 sei allein richtig und es könne deshalb den Beklagten zur Leistung verurteilen, schon deshalb unzutreffend ist, weil die Möglichkeit, auch noch für die Zeit vor dem 1. Januar 1967 Rente zu gewähren, durchaus besteht. Es könnte ja der Fall sein, daß die Voraussetzungen für eine nach Nr. 8 der Verwaltungsvorschriften zu § 40 VerwVG vorgesehene Abweichung von der Regel vorliegen. Das Landessozialgericht hat zur Frage der Rückwirkung u.a. in den Urteilen vom 15. März 1973 – L-4/V – 429/72 – und vom 4. Juni 1973 – L-4/V–573/72 – Stellung genommen.
Die fehlerhafte Beurteilung des von der Klägerin erhobenen Anspruchs somit zu einem wesentlichen Verfahrensmangel schon insoweit geführt, als das Sozialgericht zur Verurteilung gelangte, statt lediglich den angefochtenen, von ihm für rechtswidrig gehaltenen Bescheid aufzuheben. Liegt schon in der Auffassung, es handele sieh um einen Bescheid wegen Änderung der Verhältnisse und der Erkenntnis, daß es sich um eine Ermessensfrage handele, ein Widerspruch in der Urteilsfindung, so hat das Sozialgericht weiter die Auffassung vertreten, seine Beurteilung des Sachverhalts sei die einzig mögliche. Dem steht schon entgegen, daß der Beklagte den Sachverhalt anders beurteilte und daß eine Reihe von anderen Schlußfolgerungen als die vom Sozialgericht hypothetisch aufgestellte Entwicklungsauffassung möglich ist. Für eine Verurteilung war nach den prozessualen Bestimmungen hier kein Raum.
Ein weiterer Verfahrensmangel liegt darin, daß das Sozialgericht zu seiner Auffassung nicht aufgrund des Gesamtergebnisses der Verhandlung, insbesondere des Akteninhalts bzw. aufgrund weiterer Aufklärung gelangt ist (§ 128 SGG), sondern lediglich durch eine von ihm als einzig zutreffend behauptete andere Auffassung über die Entwicklung des Berufsweges beim Verschollenen. Schon die Tatsache, daß das Sozialgericht behauptet hat, es sei ein Anspruch im Sinne des § 40 Abs. 2 VerwVG streitig, aber nicht angibt, welche Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sich in dieser Richtung geändert haben soll und welche ständige neue Rechtsprechung es nunmehr vertritt, fehlt es am Schöpfen der Entscheidung aus dem Gesamtergebnis.
Im übrigen reichen, wie der erkennende Senat schon mehrfach betont hat, für die Annahme einer Berufsentwicklung Acht hypothetische Erwägungen oder Schlußfolgerungen aus bloßen Fähigkeiten des Beschädigten aus (vgl. BSG Urteil vom 26. Januar 1972 – 10 RV – 216/70).
Das Sozialgericht hätte vielmehr, wenn es die Beurteilung des Sachverhalts durch den Beklagten für falsch hielt – lediglich diese Voraussetzung wurde den Beklagten verpflichten, einen neuen Bescheid zu erteilen – (vgl. BSG im Urteil vom 10. Februar 1972 – 8 RV 563/71 = KOV 1973 S. 188 folgende), diese seine Erkenntnis aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewinnen müssen und nicht lediglich eine andere Hypothese über die Entwicklung aufstellen dürfen, sondern den Sachverhalt weiter erforschen müssen (§ 103 SGG). Wenn sich das Sozialgericht hierzu auf seine Kenntnisse der ländlichen Verhältnisse und eine allgemeine Lebenserfahrung bezog, so hätte es hierüber nicht nur verhandeln müssen – weder aus dem Tatbestand noch aus dem Verhandlungsprotokoll ist entsprechendes ersichtlich –, sondern auch angeben müssen, aus welcher Quelle es sein "gerichtsbekanntes” Material schöpfte (vgl. BSG vom 24. Oktober 1972 – 9 RV 100/73 sowie Rosenberg-Schwab, Zivilprozeßrecht, 10. Aufl., 1969, S. 579). Dem Senat ist jedenfalls nicht allgemein bekannt, daß sich in dem Lebensraum der Klägerin bzw. ihres Ehemannes die vom Sozialgericht behauptete Entwicklung abgezeichnet hätte. Zur Feststellung der Rechtswidrigkeit einer früheren, verbindlich gewordenen Entscheidung des Beklagten reicht die bloße abweichende Auffassung des Sozialgerichts nicht aus.
Bei dieser Sachlage war der Senat gezwungen zu prüfen, ob er die für die Feststellung einer Rechtswidrigkeit des früheren Bescheides notwendigen Feststellungen selbst treffen konnte oder von der Möglichkeit des § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG Gebrauch machen mußte. Der Senat kam zu letzter Auffassung, weil die noch nötigen Ermittlungen besser in räumlicher Nähe des Sozialgerichts als vom Landessozialgericht aus vorgenommen werden können. Danach wäre zunächst fest zustellen, welche Entwicklung die selbständigen Schmiedehandwerke in dem Kreis Z. bzw. in der näheren Umgebung des Verstorbenen genommen haben, ggf. welche Erfahrungen hierüber die zuständigen Behörden, etwa die Kreishandwerkerschaft oder die Innungen einschließlich des Landwirtschaftsamts Z. gemacht haben. Es erscheint dem Senat zweifelhaft, daß jeder Schmiedebetrieb durch einen Landmaschinenhandel oder auch nur eine Landmaschinenreparatur ersetzt wurde oder daß jetzige Schloßereibetriebe in größerem Umfang aus ehemaligen Schmiedebetrieben hervorgegangen seien. Vielmehr hätte das Sozialgericht nachzuprüfen, ob der allgemein bekannte Rückgang der Landwirtschaft und die nach einem vom Senat veröffentlichten Urteil bekannte Tatsache, daß im allgemeinen nur Betriebe über 30 ha eine ausreichende landwirtschaftliche Lebensgrundlage sichern (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 20. Februar 1973 – L-4/V – 441/70), den Verschollenen gezwungen hätte, sich dem allgemeinen Trend anzuschließen und einen Erwerb in der umliegenden Industrie oder Wirtschaft zu suchen. Bei Prüfung dieser Fragen hätte das Sozialgericht zu erwägen, ob die vom Beklagten durchgeführte Einstufung als Landwirt objektiv falsch gewesen war, oder ob sie lediglich als eine Möglichkeit zur Wahrscheinlichkeit erhoben wurde, ohne daß diese Wahrscheinlichkeit widerlegt werden kann und somit bestehen bleiben muß.
Das Sozialgericht wird in einer neuen Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten des Berufungsverfahrens zu entscheiden haben.
Tatbestand:
Die Klägerin erhält nach ihrem 1914 geborenen und 1945 verschollenen Ehemann J. S. Hinterbliebenenversorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG). Da ihr Ehemann Schmiedegeselle gewesen war, gewählte ihr der Beklagte mit Bescheid vom 19. November 1965 Schadensausgleich unter Berücksichtigung eines Durchschnittseinkommens ihres verstorbenen Ehemannes als Vollgeselle im Schlosserhandwerk.
Im Mai 1971 beantragte die Klägerin die Einstufung ihres verstorbenen Ehemannes in die Besoldungsgruppe A 9 Bundesbesoldungsgesetz (BBesG). Sie verwies darauf, daß der Vater ihres Ehemannes selbständiger Schmiedemeister gewesen sei. Ihr Ehemann habe als einziger Sohn die Schmiede des Vaters übernehmen sollen. Die Kreishandwerkerschaft Z. bestätigte am 3. Juni 1971, daß der Vater des Verschollenen von 1930 bis zum 31. März 1952 "mit dem Schmiedehandwerk in die Handwerksrolle” eingetragen war. Der Bürgermeister in H. teilte am 10. Juni 1971 mit, der Vater habe neben einer kleinen Landwirtschaft ein selbständiges Schmiedehandwerk betrieben, den überwiegenden Teil seines Lebensunterhaltes aus der Schmiede bestritten, die sein verschollener Sohn habe übernehmen sollen. Der Bürgermeister bescheinigte am 23. Juni 1971 eine Erklärung der Klägerin vom gleichen Tage als wahrheitsgemäß, wonach ihr Ehemann im November 1937 zum Wehrdienst einberufen wurde und er vom Abschluß seiner Berufsausbildung bis zur Einberufung als Schmiedegeselle berufstätig gewesen sei. Die Lehrzeit als Schmied hatte die Klägerin früher von 1928 bis 1931 angegeben. Weiter teilte der Bürgermeister dem Beklagten noch mit, daß in H. kein weiteres Schmiedehandwerk mehr angemeldet wurde, nachdem der Vater des Verschollenen sein Handwerk abgemeldet hatte.
Am 10. Dezember 1971 erließ der Beklagte einen Bescheid nach § 40 Abs. 1 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (VerwVG). Hierin berechnete der Beklagte den Schadensausgleich der Klägerin unter Berücksichtigung eines Durchschnittseinkommens ihres verschollenen Ehemannes nach dem Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe A 7 BBesG ab 1. Mai 1967 und berief sich für die vorangegangene Zeit auf die Bindung des Bescheides vom 19. November 1965. Er führt aus, der frühere Bescheid sei insoweit unrichtig, als nicht berücksichtigt worden sei, daß der Verschollene bei gesunder Heimkehr wahrscheinlich die 7,42 ha große elterliche Landwirtschaft übernommen hätte. Es sei nicht wahrscheinlich, daß der Ehemann der Klägerin im Erlebensfalle heute als Schmiedemeister selbständig tätig wäre.
Mit dem Widerspruch behauptete die Klägerin, ihr Ehemann habe den Schmiedebetrieb seines Vaters übernehmen und die Meisterprüfung ablegen sollen. In der Regel hätten sieh die früheren Schmiedebetriebe auf Landwirtschaftsmaschinen umgestellt. Sie begehrte Einstufung in die Besoldungsgruppe A 9 BBesG. Die Zugunstenentscheidung müsse auf den 1. Januar 1967 zurückwirken, was sich aus einem BSG-Urteil ergebe. Sie überreichte eine Bescheinigung des Gemeindevorstandes zu G. vom 6. Januar 1972. Hiernach war der Vater des Gefallenen Schmiedemeister und Landwirt. Da sich die vorhandenen Schmiedebetriebe auf Landmaschinen umgestellt hätten, hätte dies auch der Gefallene getan, nachdem unmittelbar im Anschluß an den Krieg noch ein großer Bedarf an Schmieden vorhanden gewesen sei. Mit Bescheid vom 8. Mai 1972 wies der Beklagte den Widerspruch unter Hinweis darauf zurück, daß kaum noch selbständige Schmiedemeister ihre Betriebe als alleinige Erwerbsquelle führen könnten. Die Rückwirkung von 4 Jahren für den Zugunstenbescheid sei nach den Verwaltungsvorschriften Nr. 8 zu § 40 Abs. 1 VerwVG richtig berechnet.
Mit ihrer Klage hielt die Klägerin an der Widerspruchsbegründung fest. Der Beklagte verwies darauf, daß der Verschollene bei der vollständigen Gewerbefreiheit nach dem Kriege eine Meisterprüfung zur Übernahme eines Handwerksbetriebes nicht habe abzulegen brauchen.
Das Sozialgericht Marburg/Lahn verurteilte den Beklagten entsprechend dem Klageanträge mit Urteil vom 16. August 1973 unter Abänderung der angefochtenen Bescheide der Klägerin ab 1. Januar 1967 Schadensausgleich unter Zugrundelegung der Besoldungsgruppe A 9 BBesG zu gewähren. Es begründete sein Urteil damit, es habe ein neuer Bescheid nach § 40 Abs. 2 VerwVG erteilt werden müssen, weil das Bundessozialgericht nunmehr eine andere Rechtsauffassung vertrete. Der Beklagte habe den Ehemann der Klägerin nicht als selbständigen Landwirt einordnen dürfen, sondern, als Schmied. Trotz Rückgang des Schmiedehandwerkes in ländlichen Gegenden seien die Schmiedebetriebe selbst durch Umstellung auf andere Metallberufe aufrecht erhalten geblieben. Sie hätten sieh auf Bauschlosserei oder landwirtschaftliche Geräte und Maschinen spezialisiert. Bei der Aufgabe des Betriebes im Jahre 1952 durch den Vater des Verschollenen sei eine Umstellung des Schmiedebetriebes aus wirtschaftlichen Gründen noch nicht nötig gewesen. Der Verschollene hätte den Betrieb deshalb bei gesunder Rückkehr aus dem Kriege fortgeführt und auch entsprechend umgestellt.
Bei ländlichen Handwerkern sei stets ein gewisser landwirtschaftlicher Besitz vorhanden. "Als Hauptteil” müsse aber der Handwerksbetrieb angesehen werden. Es sei anderenfalls nicht einleuchtend, warum der ländliche Handwerker eine Meisterprüfung ablege, um einen Betrieb zu gründen und Lehrlinge anzuleiten, wenn er diese Tätigkeit als Nebenerwerb ansehe. Die allgemeine Lebenserfahrung und die Kenntnis ländlicher Verhältnisse habe das Sozialgericht zu der Überzeugung geführt, daß der Beklagte sein Ermessen nicht ausreichend ausgeübt habe. Da nur die Beurteilung des Ehemannes der Klägerin als selbständig tätiger Schmied zutreffend sei, sei ein Ermessensspielraum bei sachgemäßer Ausübung des Ermessens nicht mehr vorhanden, "infolgedessen” habe "auch die Rückwirkung der Zugunstenentscheidung auf 4 Jahre vor Antragsjahr festgelegt werden” müssen. Das Urteil enthielt die Rechtsmittelbelehrung, daß die Berufung gemäß § 148 Ziff. 3 SGG nicht zulässig sei, sofern nicht ein wesentlicher Mangel des Verfahrens gerügt werde.
Die schriftliche Berufung des Beklagten gegen dieses ihm am 27. August 1973 zugestellte Urteil ging am 25. September 1973 beim Hessischen Landessozialgericht ein. Der Beklagte hält die Berufung schon deshalb für statthaft, weil eine Zugunstenentscheidung im Streit steht. Außerdem liege ein Verfahrensmangel darin, daß das Sozialgericht zu einer Leistung verurteilt habe, was nur dann möglich sei, wenn jede andere Entscheidung ermessenswidrig wäre. Gerade die Erwägungen beim Schadensausgleich hinsichtlich hypothetischer Berufsentwicklungen seien klassische Beispiele dafür, daß man nie exakt sagen könne, wie sich die Dinge entwickelt hätten. Das Sozialgericht habe neue Beweise nicht erhoben und habe sich lediglich für die Möglichkeit einer anderen hypothetischen Berufsentwicklung entschieden. Der landwirtschaftliche Besitz von etwa 7,5 ha habe nach Maßgabe des § 1 GAL eine Existenzgrundlage geboten. Da der Bürgermeister die Anfrage des Versorgungsamtes, ob seit dem Jahre 1953 in H. noch ein anderer Schmiedebetrieb bestanden habe nicht bejaht habe, Müsse davon ausgegangen werden, daß sieh für einen hauptberuflichen Schmied keinerlei Existenzgrundlage mehr gefunden hätte. Die Erwägungen des Sozialgerichtes hinsichtlich der ländlichen Handwerker träfen jedenfalls nicht für die Berufe zu, die aufgrund der veränderten Wirtschaftsstruktur nach dem Kriege im Aussterben begriffen seien, wie Schmiede oder Schumacher. Es habe auch nicht angenommen werden können, daß der Verschollene die Meisterprüfung noch abgelegt hätte. Als hauptberuflicher Schmied ohne Meisterprüfung würde aber die gleiche Einstufung wie in dem angefochtenen Bescheid erfolgen. Mit der vom Sozialgericht angeordneten Rückwirkung der angefochtenen Zugunstenentscheidung sei die Verwaltungsvorschrift Nr. 8 zu § 40 VerwVG mißachtet worden, wonach die Rückwirkung von Zugunstenentscheidungen auf 4 Jahre vom Antragsmonat an festzusetzen seien. Hierzu verwies der Beklagte auf die Urteile des Hessischen Landessozialgerichtes vom 14. März 1973 – L-5/V – 429/72 – und vom 5. Juni 1973 – L-4/V – 573/72 –.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichtes Marburg/Lahn vom 16. August 1973 - S-5/V-93/72 - aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.
Wegen der näheren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Streitakte in beiden Rechtszügen und den der Versorgungsakten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist form- und fristgerecht erhoben. Sie Ist auch statthaft. Entgegen der Rechtsmittelbelehrung im sozialgerichtlichen Urteil liegen die Voraussetzungen des § 148 Nr. 3 SGG nicht vor. Daß die Berufung keinen Streit "wegen Änderung der Verhältnisse” betrifft, ergibt sieh schon daraus, daß die Klägerin sich ja nicht auf eine Änderung solcher Verhältnisse beruft, sondern vorträgt, die dem bindenden Bescheid vom 19. November 1965 zugrunde liegenden Verhältnisse seien unrichtig beurteilt, so daß dieser Bescheid als von Anfang an falsch anzusehen sei. Das Vorbringen der Klägerin ist damit darauf gerichtet, ihr einen Zugunstenbescheid nach § 40 Abs. 1 VerwVG zu erteilen und nicht einen Bescheid nach § 62 BVG. Daraus folgt, daß nicht ein Rechtsanspruch, sondern eine Ermessensleistung im Streit steht. Darüber hinaus würde die vom Sozialgericht ausgesprochene Verurteilung über einen anderen Zeitpunkt als den vom Beklagten seiner Leistung Zugrundegelegten den Beginn im Sinne des § 148 Ziff. 2 SGG betreffen. Es kann dahingestellt bleiben, ob ein hierdurch bedingter Berufungsausschluß durch die weiter unten zu erörternden wesentlichen Mängel des Verfahrens vor dem Sozialgericht aufgehoben würde, weil insoweit kein reiner "Beginnstreit” im Sinne der genannten Bestimmung vorliegt (vgl. Peters-Sautter-Wolff, Anm. 3 b zu § 145 SGG). Auch insoweit wäre also ein Berufungsausschluß nicht gegeben.
In diesem Zusammenhange ist auch darauf hinzuweisen, daß die Auffassung des Sozialgerichts die Rückwirkung auf den 1. Januar 1967 sei allein richtig und es könne deshalb den Beklagten zur Leistung verurteilen, schon deshalb unzutreffend ist, weil die Möglichkeit, auch noch für die Zeit vor dem 1. Januar 1967 Rente zu gewähren, durchaus besteht. Es könnte ja der Fall sein, daß die Voraussetzungen für eine nach Nr. 8 der Verwaltungsvorschriften zu § 40 VerwVG vorgesehene Abweichung von der Regel vorliegen. Das Landessozialgericht hat zur Frage der Rückwirkung u.a. in den Urteilen vom 15. März 1973 – L-4/V – 429/72 – und vom 4. Juni 1973 – L-4/V–573/72 – Stellung genommen.
Die fehlerhafte Beurteilung des von der Klägerin erhobenen Anspruchs somit zu einem wesentlichen Verfahrensmangel schon insoweit geführt, als das Sozialgericht zur Verurteilung gelangte, statt lediglich den angefochtenen, von ihm für rechtswidrig gehaltenen Bescheid aufzuheben. Liegt schon in der Auffassung, es handele sieh um einen Bescheid wegen Änderung der Verhältnisse und der Erkenntnis, daß es sich um eine Ermessensfrage handele, ein Widerspruch in der Urteilsfindung, so hat das Sozialgericht weiter die Auffassung vertreten, seine Beurteilung des Sachverhalts sei die einzig mögliche. Dem steht schon entgegen, daß der Beklagte den Sachverhalt anders beurteilte und daß eine Reihe von anderen Schlußfolgerungen als die vom Sozialgericht hypothetisch aufgestellte Entwicklungsauffassung möglich ist. Für eine Verurteilung war nach den prozessualen Bestimmungen hier kein Raum.
Ein weiterer Verfahrensmangel liegt darin, daß das Sozialgericht zu seiner Auffassung nicht aufgrund des Gesamtergebnisses der Verhandlung, insbesondere des Akteninhalts bzw. aufgrund weiterer Aufklärung gelangt ist (§ 128 SGG), sondern lediglich durch eine von ihm als einzig zutreffend behauptete andere Auffassung über die Entwicklung des Berufsweges beim Verschollenen. Schon die Tatsache, daß das Sozialgericht behauptet hat, es sei ein Anspruch im Sinne des § 40 Abs. 2 VerwVG streitig, aber nicht angibt, welche Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sich in dieser Richtung geändert haben soll und welche ständige neue Rechtsprechung es nunmehr vertritt, fehlt es am Schöpfen der Entscheidung aus dem Gesamtergebnis.
Im übrigen reichen, wie der erkennende Senat schon mehrfach betont hat, für die Annahme einer Berufsentwicklung Acht hypothetische Erwägungen oder Schlußfolgerungen aus bloßen Fähigkeiten des Beschädigten aus (vgl. BSG Urteil vom 26. Januar 1972 – 10 RV – 216/70).
Das Sozialgericht hätte vielmehr, wenn es die Beurteilung des Sachverhalts durch den Beklagten für falsch hielt – lediglich diese Voraussetzung wurde den Beklagten verpflichten, einen neuen Bescheid zu erteilen – (vgl. BSG im Urteil vom 10. Februar 1972 – 8 RV 563/71 = KOV 1973 S. 188 folgende), diese seine Erkenntnis aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewinnen müssen und nicht lediglich eine andere Hypothese über die Entwicklung aufstellen dürfen, sondern den Sachverhalt weiter erforschen müssen (§ 103 SGG). Wenn sich das Sozialgericht hierzu auf seine Kenntnisse der ländlichen Verhältnisse und eine allgemeine Lebenserfahrung bezog, so hätte es hierüber nicht nur verhandeln müssen – weder aus dem Tatbestand noch aus dem Verhandlungsprotokoll ist entsprechendes ersichtlich –, sondern auch angeben müssen, aus welcher Quelle es sein "gerichtsbekanntes” Material schöpfte (vgl. BSG vom 24. Oktober 1972 – 9 RV 100/73 sowie Rosenberg-Schwab, Zivilprozeßrecht, 10. Aufl., 1969, S. 579). Dem Senat ist jedenfalls nicht allgemein bekannt, daß sich in dem Lebensraum der Klägerin bzw. ihres Ehemannes die vom Sozialgericht behauptete Entwicklung abgezeichnet hätte. Zur Feststellung der Rechtswidrigkeit einer früheren, verbindlich gewordenen Entscheidung des Beklagten reicht die bloße abweichende Auffassung des Sozialgerichts nicht aus.
Bei dieser Sachlage war der Senat gezwungen zu prüfen, ob er die für die Feststellung einer Rechtswidrigkeit des früheren Bescheides notwendigen Feststellungen selbst treffen konnte oder von der Möglichkeit des § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG Gebrauch machen mußte. Der Senat kam zu letzter Auffassung, weil die noch nötigen Ermittlungen besser in räumlicher Nähe des Sozialgerichts als vom Landessozialgericht aus vorgenommen werden können. Danach wäre zunächst fest zustellen, welche Entwicklung die selbständigen Schmiedehandwerke in dem Kreis Z. bzw. in der näheren Umgebung des Verstorbenen genommen haben, ggf. welche Erfahrungen hierüber die zuständigen Behörden, etwa die Kreishandwerkerschaft oder die Innungen einschließlich des Landwirtschaftsamts Z. gemacht haben. Es erscheint dem Senat zweifelhaft, daß jeder Schmiedebetrieb durch einen Landmaschinenhandel oder auch nur eine Landmaschinenreparatur ersetzt wurde oder daß jetzige Schloßereibetriebe in größerem Umfang aus ehemaligen Schmiedebetrieben hervorgegangen seien. Vielmehr hätte das Sozialgericht nachzuprüfen, ob der allgemein bekannte Rückgang der Landwirtschaft und die nach einem vom Senat veröffentlichten Urteil bekannte Tatsache, daß im allgemeinen nur Betriebe über 30 ha eine ausreichende landwirtschaftliche Lebensgrundlage sichern (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 20. Februar 1973 – L-4/V – 441/70), den Verschollenen gezwungen hätte, sich dem allgemeinen Trend anzuschließen und einen Erwerb in der umliegenden Industrie oder Wirtschaft zu suchen. Bei Prüfung dieser Fragen hätte das Sozialgericht zu erwägen, ob die vom Beklagten durchgeführte Einstufung als Landwirt objektiv falsch gewesen war, oder ob sie lediglich als eine Möglichkeit zur Wahrscheinlichkeit erhoben wurde, ohne daß diese Wahrscheinlichkeit widerlegt werden kann und somit bestehen bleiben muß.
Das Sozialgericht wird in einer neuen Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten des Berufungsverfahrens zu entscheiden haben.
Rechtskraft
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